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China oder nicht China

Es war nur ein unscheinbarer Satz, der in der Berichterstattung über die Übernahme des Modul- und Wechselrichterherstellers Sunways fast unterging. Das Konstanzer Unternehmen, sagte Firmenchef Michael Wilhelm der Regionalpresse, wolle seine Wechselrichter zukünftig auch in China verkaufen. Mehr noch: Die Geräte sollten zukünftig nicht mehr nur in Deutschland und der Schweiz, sondern auch in Asien produziert werden.

LDK Solar, China, kauft Sunways, Deutschland. Das könnte für den Wechselrichtermarkt gleich eine doppelte Veränderung bedeuten: Zum einen sichert sich ein namhaftes chinesisches Unternehmen erstmals den Zugriff auf den deutschen Wechselrichtermarkt, auf dem sich Firmen aus Fernost aufgrund mangelnder Marktkenntnisse und fehlender Vertriebskanäle immer noch schwertun. Zum anderen, das lässt die Wilhelm-Äußerung vermuten, könnten nach den europäischen Arbeitsplätzen bei Modulherstellern nun auch Wechselrichterjobs nach Asien entschwinden. Denn die Frage ist: Wenn Sunways seine Wechselrichter in China herstellen lässt – warum sollten sie dann angesichts der niedrigeren Arbeitskosten in Fernost noch in Deutschland hergestellt werden?

Dass es solche Überlegungen gibt, bestätigt Firmensprecher Harald Schäfer: „Wir prüfen, ob es Sinn macht, auch die Wechselrichter für europäische Märkte in Asien zu produzieren.“ Derzeit lässt Sunways die Wechselrichter in zwei Zulieferbetrieben in Deutschland und der Schweiz herstellen, die Schäfer nicht namentlich nennen will. Ausschließlich von Sunways-Aufträgen abhängig seien die beiden Betriebe aber nicht – das Problem, Kündigungen ausstellen zu müssen, verbunden mit entsprechendem öffentlichen Aufsehen, stellt sich daher nicht. In welchem Zeitraum Sunways entscheidet, kann Schäfer nicht sagen: Die Firma werde sich „ansehen, welche Verkaufspreise jeweils zu erzielen sind,was die Produktion kostet, der Transport nach Asien und umgekehrt“.

Analysten sind allerdings skeptisch, ob ein Umzug von Sunways für eine Produktion mit einer Ausrichtung auf den chinesischen Markt sinnvoll ist. „Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Sunways in China für den dortigen Markt in großem Umfang produzieren wird“, sagt Henning Wicht von IHS iSuppli. „In China werden hauptsächlich große Freiflächenanlagen errichtet, die Zentralwechselrichter brauchen. Sunways stellt derzeit aber vor allem kleine Wechselrichter für Dachanlagen her.“ Es sei „eine ganz normale Anforderung, vorhandene Geräte an die Besonderheiten lokaler Märkte anzupassen“, kontert Schäfer. Das mache man auch bisher schon.

Sunways wäre nicht der erste europäische Wechselrichterhersteller, der in Asien seine Zelte aufschlägt. Fast unbemerkt von der Diskussion über den asiatischen Erfolg auf dem Modulmarkt lassen inzwischen auchWechselrichterfirmen in China produzieren – mit steigender Zahl. Power-One etwa ist schon in Fernost, der schwäbische Hersteller Refusol plant in China ebenso die Eröffnung einer Produktionsstätte wie in Indien. Beide beliefern damit aber nur den asiatischen Markt.

Komponenten aus Asien

Verkompliziert wird die Gemengelage dadurch, dass europäische Firmen ohnehin einen gewissen Anteil von Bauteilen aus ausländischer Fertigung zukaufen. Selbst ein Schweizer Hersteller wie Sputnik, der ausdrücklich mit „Swiss Quality“ wirbt, schätzt die Prozentzahl zugekaufter Komponenten aus nichteuropäischer Produktion auf 20 bis 25 Prozent, darunter Halbleiter aus den USA und Leiterplatten aus Asien.

Der deutsche Branchenführer SMA prüft, so Sales Manager Wang Zhiqiang auf der Intersolar China im Dezember vergangenen Jahres, den Komponenteneinkauf vor Ort, um die Kosten zu senken. SMA-Sprecherin Susanne Henkel will dies nicht bestätigen. Sie sagt auf Nachfrage, dies sei die nichtautorisierte Aussage eines Sales Managers gewesen. SMA kaufe ständig Komponenten zu. Klar sei aber: Der deutsche Branchenführer halte am Standort Deutschland für die Produktion fest.

Nicht so eindeutig fällt die Antwort bei Refusol aus. „Wo wir produzieren, ist eine spannende Frage, der wir uns immer wieder stellen“, sagt Geschäftsführer Norbert Frings. „Wir müssen flexibel aufdie Anforderungen des Marktes reagieren. Unser Konzept ist gegenwärtig, nicht aus anderen Kontinenten zu importieren. Das heißt: Wir bedienen Europa aus Europa.“ Refusol hat den Vorteil eines, wie es in der Betriebswirtschaftler-Sprache heißt, „Low-Cost“-Standorts in Ungarn, nahe Budapest. Dort findet die Serienfertigung für den europäischen Markt statt. Individuelle Lösungen, sogenannte Costumer Solutions, werden in Pfullingen bei Stuttgart hergestellt.

Das Ganze wird durch eine weit verzweigte Firmenstruktur möglich gemacht: Refusol gehört zur Prettl Gruppe – ein branchenübergreifender Auftragsfertiger, der 2008 das Werk in Ungarn eröffnet hat. Das Pfullinger Werk gehört zur Refu Elektronik GmbH. Refusol hat dort, formell betrachtet, keine eigenen Arbeitsplätze.

Die Arbeitskosten sind ein Argument bei einer Entscheidung für oder gegen eine Fertigung im Ausland, aber nicht das einzige. Für den Standort in Indien gibt Frings auch eine „andere Geräteentwicklung“ als in Europa an. Anders als der Modulmarkt ist der Wechselrichtermarkt noch auf mehr lokale Adaptionen angewiesen, die sinnvollerweise vor Ort erarbeitet und gebaut werden.

Ein weiterer Grund ist die Zunahme von Local-Content-Bedingungen bei der Förderung in verschiedenen Ländern: „Indien ist deshalb ein Muss, China ist ein Muss, Amerika ist ein Muss, Europa ist ein Muss“, meint Frings. Natürlich werde es aber nicht gelingen, in jedemLand eine Produktionslinie zu haben. „Die Frage ist etwa: Kann ich die amerikanischen Local-Content-Bestimmungen über das Abkommen der NAFTA-Länder lösen?“ Das würde beispielsweise eine Produktionsstätte in Mexiko oder im kanadischen Ontario bedeuten. Mit einer Letzteren wäre auch gleich dem dortigen Local-Content-Recht Genüge getan.

Keine eindeutigen Kostenvorteile

Die Rechnung, ob sich eine Produktionsverlagerung nach China wirklich lohnt, ist nicht eindeutig. Den Arbeitskostenanteil bei Wechselrichtern schätzt Analyst Henning Wicht von iSuppli auf fünf Prozent. In China liegen sie zwar nur bei rund einem Zehntel der deutschen Kosten, hinzu kommt dann aber der Transport, der bei Verschiffung meist etwa ein bis drei Prozent des Wechselrichterpreises ausmachen dürfte. Sofern nicht Auftragsfertiger genutzt werden, entstehen mögliche Kosten für den Aufbau der Anlage, ebenso Ausgaben für die Überwachung der Produktion zumindest in der Anfangsphase durch deutsche Techniker und eventuelle Abfindungen für deutsche Beschäftigte. „Die Investitionen für den Aufbau einer Wechselrichterproduktion sind nicht so groß wie etwa bei einer Wafer- oder Zellenproduktion. Sie benötigen keine Vakuum- oder Hochtemperaturanlage, sondern Lötstationen und Messgeräte“, sagt Wicht.

Aber Kosten sind es doch. Und weil eine Reihe von Wechselrichterproduzenten anders als Modulhersteller nicht an der Börse notiert sind, dürfte das notwendige Investitionskapital dafür schwieriger zu stemmen sein, während der Renditedruck gleichzeitig nicht so hoch ist. Wirklich lohnen könnte sich das Ganze nur dann, wenn Wechselrichterfirmen ohnehin eine Produktion für den chinesischen lokalen Markt aufbauen – und von dort nach Europa exportieren.

Dennoch wollen Hersteller wie Refusol und Power-One, die in Asien ihre Herstellung aufgebaut haben oder noch aufbauen, dort nur für den kontinentalen Markt produzieren. Beide machen dafür die Lieferfristen geltend: Aus einem europäischen Werk seien die Kunden beiBedarf schneller mit der Ware zu versorgen.

Europa aus Europa versorgen

Power-One produziert nach wie vor in Italien für den europäischen Markt. Vize-Marketingchef Paolo Casini gibt noch einen weiteren Grund dafür an, Europa aus Europa zu versorgen. Es ist einer, den man der Diskussion um Kostenstrukturen bei Photovoltaikanlagen sonst selten hört: „Die lokale Produktion verbessert die CO2 -Bilanz“, sagt er. „Grund für die Entwicklung erneuerbarer Energien war die Notwendigkeit, die Umwelt zu erhalten. Manchmal geht diese Aufgabe aufgrund der geschäftlichen Perspektiven verloren – das sollte sie aber nicht.“ Glaubt Casini, dass es europäischen Verbrauchern wichtig ist, europäische Produkte zu kaufen? „Definitiv“, sagt er, „solange man auch bei den Kosten wettbewerbsfähig bleibt.“ Nördlich der Alpen, im schwäbischen Neckarsulm, sitzt Andreas Schlumberger, Marketingleiter bei KACO new energy. Der Hersteller wirbt ausdrücklich mit seiner deutschen Produktion: „So sollen nicht nur Wertschöpfung und Arbeitsplätze in der Region Heilbronn-Franken erhalten bleiben, auch die guteQualifikation der Mitarbeiter ist eine wichtige Voraussetzung für hochwertige Produkte.“ Schlumberger sagt, KACO habe „eine hohe Zuversicht, dass die Wechselrichterproduktion in Deutschland ihre Berechtigung hat“. Die Branche sei besser „gegen eine Produktionsverlagerung gewappnet als die Modulhersteller“. Schließlich habe ein Modul vielleicht zehn Komponenten: „Das bekommen Sie mit wenigen Handgriffen zusammengesetzt. Ein Wechselrichter hat 1.000 Komponenten – da erfordert der Aufbau schon weitaus mehr technisches Know-how.“ Dazu komme die Qualitätskontrolle: KACO hat eine vollautomatische Prüfanlage, die bekäme man zwar nach Asien transferiert, aber ob die Mitarbeiter dann auch damit umgehen können?

KACO überlegt dennoch, in Südkorea eine Produktion auf die Beine zu stellen. Dort befindet sich auch das asiatische Forschungs- und Entwicklungszentrum des Herstellers. Entschieden ist noch nichts, auch nicht, ob von dort bestimmte Produkte importiert werden. Warum geht KACO nicht nach China? Für Südkorea spricht die Nähe zum Forschungszentrum, gegen China, dass „Unternehmensgeschichten von dort kolportiert werden, die nicht besonders vertrauenserweckend sind“, sagt Schlumberger. Etwa von Firmen, die viel Geld investierten und denen dann fehlende Rechtssicherheit zum Verhängnis werde.

Aber die Angst, von China überrollt zu werden, nagt an der Branche, seit die asiatischen Hersteller verstärkt den deutschen Solarmarkt angreifen – und nicht nur den. Schlumberger verweist auf die pleitegegangenen deutschen Traditionsunternehmen der Elektronikbranche – selbst Schlittschuhe kämen inzwischen ja aus China. Er glaubt, dass die Frage, ob Wechselrichter irgendwann in Asien hergestellt werden, auch etwas mit Marktpsychologie zu tun hat – und zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden könnte. In der Bevölkerung greife die Einstellung um sich, dass die Module ohnehin allesamt aus China importiert würden. „Welcher Banker gibt einem Modulhersteller dann noch einen Kredit für eine neue Produktionslinie?“ Sicher scheint nur: Die Branche wird demnächst sehr genau auf die Entscheidungen und Erfahrungen von Sunways, Refusol & Co. schauen – und überlegen, ob es Gründe gibt, ihnen nacheifern zu müssen.

Martin Reeh

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