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Für Solarstrom nur bedingt geeignet

Für jemanden, der mit Solarstrom zu tun hat, wirkt Eberhard Holstein in diesen Tagen ziemlich optimistisch. Holstein war mal beim früheren Berliner Stromversorger BEWAG, dann bei Vattenfall. Nun ist er Gründer und Geschäftsführer von Grundgrün, einem Berliner Stromhändler. Das Ziel: Strom aus erneuerbaren Energien direkt zu vermarkten. Das Geschäft brummt. Grundgrün sei dabei, „eine Reihe von Verträgen“ mit Solaranlagenbetreibern zu machen, sagt Holstein. Mit Windradbesitzern arbeitet der Stromhändler schon jetzt. Mit der EEG-Novelle 2011 ist auch die „optionale Marktprämie“ ins Gesetz aufgenommen worden. Seit Januar ist sie in Kraft. Eine umstrittene Regelung: Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) wollte damit die Marktintegration der Erneuerbaren einleiten: Strom soll vornehmlich zu Spitzenzeiten eingespeist werden – dann, wenn Nachfrage und Preise am höchsten sind.

Noch sind die meisten regenerativen Energien aber zu teuer, um sich ausschließlich über den freien Markt finanzieren zu können. Aus dem durchschnittlichen Börsenpreis für Strom wird ein Referenzmarktwert errechnet. Der lag im Februar 2012 bei 4,4 Cent pro Kilowattstunde. Die garantierte Vergütung laut EEG-Einspeisetarif beträgt selbst nach der geplanten Novellierung 2012 zunächst jedoch immer noch zwischen 13,50 und 19,50 Cent.

Die Regelung sieht deshalb vor, dass Anlagenbesitzer, die den Strom aus ihren Photovoltaikanlagen direkt vermarkten lassen, anstatt über die Einspeisevergütung Zuschüsse zu kassieren, einen eventuellen Differenzbetrag zu demEinspeisetarif vom Übertragungsnetzbetreiber erstattet bekommen. Einen eventuellen Überschuss über dem Referenzmarktwert wie etwa beim Verkauf über die Börse zu Zeiten hoher Strompreise dürfen sie behalten. Der eigentliche Knackpunkt, der die neue Regelung für Stromhändler und Anlagenbetreiber interessant macht und für öffentliche Kritik sorgt, ist die sogenannte Managementprämie. Damit soll der Verwaltungsaufwand für die Vermarktung des Solarstroms ausgeglichen werden. Sie wird ebenfalls vom Übertragungsnetzbetreiber an den Stromhändler ausgezahlt. Derzeit liegt sie bei 1,2 Cent pro Kilowattstunde, bis 2015 soll sie schrittweise auf 0,7 Cent sinken.

Die Managementprämie bedeutet einen deutlichen Anreiz, in das Marktprämienmodell zu wechseln: Denn wenn diese über den tatsächlichen Ausgaben für die Stromvermarktung liegt, beschert sie den Direktvermarktern Gewinne – und auch den Anlagenbetreibern, denen die Stromhändler einen Teil der Einnahmen aus der Managementprämie weiterreichen. Grundgrün etwa zahlt die Hälfte der Managementprämie an den Anlagenbetreiber. Andere Stromhändler halten sich eher bedeckt, was die genauen Konditionen betrifft – auch bezüglich der Frage, wie viel Prozent eines eventuellen Gewinns bei der Börsenvermarktung sie weiterreichen. Die Anlagenbetreiber können sich monatlich entscheiden, ob sie wieder in die Vergütung durch den EEG-Einspeisetarif zurückwechseln. Zumindest für sie dürfte das Modell daher eine ziemlich risikolose Angelegenheit sein.

Dynamisches Wachstum

So ist es kein Wunder, dass sich die Zahl der gemeldeten Solaranlagen in der Direktvermarktung seit Januar mehr als verdoppelt hat – wenn auch von einem niedrigen Ausgangsniveau aus: Im Januar waren 58,73 Megawatt in der Direktvermarktung, im März 166,76. Stromhändler rechnen mit einem weiteren starken Anstieg: Bisher sei die Branche noch nicht an die Direktvermarktung gewöhnt, glauben sie. Und auch Stromhändler, die schon längst Biogas oder Wind vermarkten, steigen jetzt erst in die Direktvermarktung von Solarstrom ein. Beispiel: Next Kraftwerke aus Köln. „Solar ist für uns ein komplett neues Feld“, sagtSprecher Jan Aengenvoort. Im April beginnt der erste Vertrag von Next mit einem Anlagenbetreiber, dem Bürgersolarpark Nindorf-Farnewinkel mit vier Megawatt. Aengenvoort rechnet mit „2.000 Euro Mehrerlös monatlich durch die Managementprämie“ für den Anlagenbetreiber. Auch der Stadtwerkeverbund Trianel, einer der größten Vermarkter von Windstrom, steigt erst später, voraussichtlich im dritten Quartal, in die Solarstromvermarktung ein.

Betreiber von kleinen Solaranlagen werden von der Marktprämie aber kaum profitieren: Zum einen benötigen sie einen Lastgangzähler für die viertelstündliche Abrechnung der Einspeisung, zum anderen sind die Stromhändler an kleineren Kunden wenig interessiert – der Verwaltungsaufwand ist zu groß: „Wir rechnen, dass es sich für uns ab einem Megawatt lohnt“, sagt Aengenvoort. Holstein spricht von „einigen hundert Kilowatt für ein wirtschaftliches Handling der Prozesse“.

Aber die Betreiber von Freiflächenanlagen werden zuschlagen: Wattner etwa, ein Kölner Initiator geschlossener Solarfonds, hat schon im Februar zweiPilotanlagen für die neue Regelung angemeldet. Warum zunächst nur zwei? „Wir wollen testen, ob wir uns den richtigen Partner mit einer ausreichenden Bonität ausgesucht haben“, so Vorstand Ulrich Uhlenhut: „Einen Partner, bei dem wir genug vom Deal abbekommen.“

Kritiker in Rage

Der Haken an dem Modell liegt im politischen Bereich. Die Managementprämie wird ebenfalls aus der EEG-Umlage bezahlt und dürfte diese damit weiter nach oben treiben. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung brachte sich deshalb bereits im Januar in Position: „Anbieter von neuer Förderung begeistert“, lautete die Überschrift. „Die geänderten Regeln bringen Kritiker in Rage: Für die Anbieter gebe es kein Risiko, für Stromkunden hingegen werde es deutlich teurer“, hieß es darunter.

Eurosolar hielt sogar eine kleine Verschwörungstheorie bereit: „Vor dem Hintergrund der Kostendebatte um das EEG wird immer deutlicher, wie die Politik Mehrkosten ganz gezielt herbeigeführt hat, nur um dann die Kosten der eigenen verfehlten Politik den Erneuerbaren Energien und insbesondere der Solarenergie zur Last zu legen. Dass diesesVorgehen Methode hat, zeigt sich auch an der sogenannten Marktprämie.“ Täglich entstünden so Mehrkosten von ein bis zwei Millionen Euro, so Eurosolar weiter.

Gemäßigt äußert sich der Bundesverband Neuer Energieanbieter (BNE). Der BNE hält die Managementprämie für zu hoch angesetzt und fordert ein Vorziehen der Senkung. Mitnahmeeffekte seien bei dem jetzigen System sehr wahrscheinlich, glauben die Kritiker. Möglich, dass daher aufgrund der Marktprämienregelung demnächst eine erneute Debatte um die EEG-Umlage ins Haus steht und auch das Modell selbst damit gestutzt wird.

Zickzack in der Politik

Die Einführung des Modells ist ein wenig erstaunlich, weil die Bundesregierung bei der letzten EEG-Novelle ein anderes Instrumentarium beschnitten hatte, das ähnliche unerwünschte Effekte provoziert hatte: das Grünstromprivileg. Stromhändler konnten sich von der EEG-Umlage befreien lassen, wenn sie mindestens 50 Prozent Strom aus EEG-Anlagen in ihrem Strommix aufwiesen. Damit sollte ein Ausgleich geschaffen werden, um es Ökostromhändlern zu ermöglichen, den über den Marktpreisen fürkonventionellen Strom liegenden Öko-strom direkt einzukaufen, ohne den eigenen Strompreis in schwindelerregende Höhen zu treiben.

Das Problem ist nur bis heute: Photovoltaikstrom oder auch Offshore-Windstrom ist so teuer, dass dieser Ausgleich nicht ausreicht. Ökostromhändler haben daher vor allem billigen Strom aus Wasserkraft sowie Onshore-Windkraft in ihrem Strommix. Die Kosten für den Ausbau der teuren Erneuerbaren werden mit dem Grünstromprivileg dagegen auf die Bezieher von Normalstrom verlagert. Mit steigender EEG-Umlage gewann das Modell an Attraktivität. Stadtwerke erarbeiteten eigene Ökostromangebote.

Den meisten Ökostromkunden dürfte nicht einmal bewusst sein, dass sie sich an der Bezahlung des Photovoltaikausbaus – wenn auch legal – vorbeimogelten. Denn auf ihren Webseiten werben Ökostromanbieter wie Naturstrom mit bunten Bildern von Photovoltaikanlagen. Doch die werden nur vom Kundengeld errichtet und übers EEG ins Netz eingespeist – aber kaum einmal in den eigenen Strommix aufgenommen: „Im letzten Jahr hatten wir eine PV-Anlage im Portfolio“, sagt Naturstrom-Sprecher Tim Loppe. „Die konnte aufgrund vonGenehmigungsfehlern nicht ins EEG aufgenommen werden, da haben wir den Strom aufgekauft.“ Allerdings zu einem Wert unterhalb der EEG-Vergütung. Bei Naturstrom kamen 2011 57 Prozent des Stroms aus Wasserkraft, 43 Prozent aus Windkraftanlagen.

Solarstrom als Gnade

Der Aufkauf von Photovoltaikstrom als Gnadenakt – anders lässt sich dieser den Ökostromhändlern kaum schmackhaft machen. Daran hat auch die Beschneidung des Grünstromprivilegs durch die Bundesregierung nichts geändert. Seit Januar 2012 ist die Befreiung von der EEG-Umlage auf zwei Cent pro Kilowattstunde gedeckelt. Zudem müssen im Strommix mindestens 20 Prozent fluktuierende Energien vorhanden sein. Doch dieser Anteil dürfte hauptsächlich aus Onshore-Windanlagen bestehen.

Wird denn nach den kommenden EEG-Kürzungen Solarstrom für die Ökostromanbieter von größerem Interesse? In der letztjährigen Mittelfristprognose für die Übertragungsnetzbetreiber hatte das Leipziger Institut für Energie 2016 als erstes Jahr bestimmt, in dem die Vermarktung von Strom aus Freiflächenanlagen über Ökostromhändler Foto: Plath/Wasserverband Süderdithmarschenattraktiv werden könnte – freilich unter der Voraussetzung, dass die Preisentwicklung es ermöglicht, bis 2016 Anlagen zu einem Drittel der heutigen Preise herzustellen.

Der Zeitpunkt nach den jetzt geplanten Kürzungen lässt sich daher mit Blick auf die Vergütungstabellen bestimmen: spätestens, wenn er so billig ist wie Onshore-Windstrom heute. Naturstrom-Vorstandssprecher Thomas E. Banning spricht von einer Größenordnung von unter neun Cent bei Ausnutzung des Grünstromprivilegs. Das wäre, falls die EEG-Kürzung wie geplant verabschiedet wird, bei Freiflächenanlagen ab Ende 2014 der Fall. Selbst wenn sich bis dahin die EEG-Gesetze nicht weiter verschlechtert haben sollten, ist dies natürlich eine Rechnung mit mehreren Unbekannten: Erstens, ob sich 2014 Freiflächenanlagen, die nach der anstehenden EEG-Novelle nur noch bis zu einer Leistung von zehn Megawatt über die Einspeisevergütung gefördert werden, zu solchen Vergütungen lohnen. Und zweitens, ob Naturstrom und andere Ökostromanbieter aufgrund anderer Preissteigerungen, etwa bei Netzentgelten und EEG-Umlage, zu diesem Zeitpunkt nicht doch gezwungen sind, zum Ausgleich vermehrt billigen Windstrom ins Portfolio aufzunehmen.

Strom für die Nachbarn

Naturstrom hat, so sagt Banning, noch ein weiteres Modell in der Hinterhand: Die Direktversorgung vor allem von Unternehmen mit Strom. Der Ökostromanbieter hat dies schon vor eineinhalb Jahren durchgerechnet, lange vor den jetzigenKürzungsplänen. Solarstrom müsste weniger als zwölf Cent pro Kilowattstunde kosten, um das Ganze attraktiv werden zu lassen. Das wäre schon ab 2013 die Vergütung, die laut EEG-Novelle für Freiflächenanlagen gezahlt werden soll. Das Problem ist aber: Die Anlagen müssten sich dann in der unmittelbaren Umgebung der Gebäude befinden, eine Lieferung durch das öffentliche Netz darf nicht erfolgen. Nur dann ließen sich die Netzgebühren einsparen.

Ähnlich wie Naturstrom argumentieren auch Greenpeace Energy und Lichtblick. Marcel Keiffenheim von Greenpeace Energy hält den Aufkauf von Photovoltaikstrom ab einem „Megawattstundenpreis von 85 bis 90 Euro prinzipiell für interessant“. Für den kurzfristigen Ausgleich könne man auch „schon mal höhere Preise“ zahlen – bis zu 150 Euro. „Natürlich ist es nicht machbar, 100 Prozent des Greenpeace-Energy-Stroms aus Photovoltaik zu beziehen, aber einen nennenswerten Anteil von fünf Prozent könnten wir dann schon in unseren Strommix nehmen.“

Graustrom verdirbt Bilanz

Der Haken an der Geschichte: Der Solarstrom, der über die Marktprämie vermarktet wird, lässt sich nicht in das Portfolio der Ökostromanbieter integrieren: „Das Marktprämienmodell schließt Herkunftsnachweise aus“, sagt Lichtblick-Sprecher Ralph Kampwirth. „Wir müssen den so eingekauften Strom als Graustrom ausweisen.“ Das aber würde 100-Prozent-Erneuerbare-Bilanz der Ökostromanbieter gefährden.

Kampwirth gehört dennoch zu den Verteidigern des Marktprämienmodells. „Es schafft völlig neue Geschäftsbeziehungen“, sagt er. „Und die sind die Vorstufe für eine echte Marktintegration der Erneuerbaren.“ Die Frage ist nur, ob auch Photovoltaik etwas davon haben wird – oder nur der billigere Windstrom. „Photovoltaik wird im Jahr 2015 von der Vergütung, die jetzt in der EEG-Novelle steht, noch Lichtjahre entfernt sein“, sagt Naturstrom-Chef Banning bezüglich der gekürzten Einspeisetarife. „Diese Vergütungssätze kann man ins Gesetz schreiben, aber zu diesen Preisen wird zumindest nach derzeitigem Stand niemand produzieren können.“ Und eine gangbare Alternative außerhalb des EEG gibt es nicht – noch nicht.

Martin Reeh

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