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Mit Druck in die Märkte

Auf diesem Papier prangen keine Promis, keine Sonderangebote oder Schlagzeilen. Und doch ist es gut für eine kleine Sensation. Das Zelluloseprodukt trägt zentimeterbreite rotbraune Streifen, die Sonnenstrom produzieren. Stolz präsentieren die Forscher der Technischen Universität Chemnitz die weltweit ersten gedruckten Papier-Solarzellen. Arved Hübler ist der Leiter des Entwicklerteams und will mit der neuen Technologie die Weltmärkte erobern. „Papier-Solarzellen sind besonders preisgünstig. Sie können in konventionellen Druckmaschinen produziert und leicht recycelt werden“, sagt er. „Wir brauchen auch keine Reinraumbedingungen wie bei der Produktion von Silizium-Solarzellen.“ Wenn es nach ihm geht, wird mit der neuen Technologie billiger Solarstrom für die ganze Welt bald Wirklichkeit. Eine gängige Druckmaschine und ein paar Tinten sind alles, was man dafür braucht. „Vor allem Entwicklungsländer würden davon profitieren, denn sie könnten Solarzellen selber produzieren und müssten diese nicht teuer einkaufen“, meint Hübler.

Zurzeit kostet eine Kilowattstunde Strom aus den Papier-Solarzellen 63 Cent. Der Wert gilt allerdings nur für indische Sonnenverhältnisse. Mit konventioneller Silizium-Photovoltaik lässt sich eine Kilowattstunde heute unter ähnlichen Sonnenbedingungen zu knapp 20 Cent produzieren. „Schaffen wir es aber, die Lebensdauer zu verdoppeln oder die Produktionskosten zu halbieren und gleichzeitig den Wirkungsgrad auf fünf Prozent zu steigern, könnten die Kosten auf vier Cent je Kilowattstunde sinken“, betont der Wissenschaftler. Und weil die Materialien mehr als 90 Prozent der Gesamtkosten ausmachen, erwartet er beim Einstieg in die Massenproduktion noch weitere Kostensenkungen.

Bei den klassischen Qualitätskriterien wie Wirkungsgrad und Lebensdauer schneiden die Zellen allerdings ausgesprochen schlecht ab: Ihr Wirkungsgrad liegt zurzeit bei anderthalb Prozent. Und während Silizium-Solarzellen mit einer Lebenserwartung von 25 Jahren und mehr punkten können, kämpfen die Chemnitzer noch um eine Lebensdauer von 100 Tagen.

Kurzlebig, aber billig

Luftfeuchte und UV-Strahlung setzen den Zellen so zu, dass der solare Stromfluss recht schnell versiegt. „Lebensdauer ist nicht alles“, meint aber Hübler. Ein deutlich günstigerer Preis und die gute Recyclingfähigkeit der Papier-Solarzellen machten diese Nachteile wieder wett. „Dennoch wollen wir die Lebensdauer natürlich noch mit druckbaren Schutzlacken verbessern“, berichtet der Forscher. Auch der Wirkungsgrad sei durch homogenere Schichten, andere Halbleitermaterialien und optimierte Schichtdicken noch deutlich zu steigern. Eine der größten Herausforderungen dabei ist es, aus Alternativmaterialien druckbare Tinten zu formulieren. In ein paar Jahren will Hübler Papierzellen mit Wirkungsgraden um fünf Prozent präsentieren.

Die Hüblerschen Solarzellen werden in mehreren Stufen aufgedruckt. Als Elektrodenmaterial dient Silbertinte, dann folgt Zink. Das Metall oxidiert an der Luft zu Zinkoxid. „Das Zinkoxid verbessert den Elektronenübergang zwischen Silber und Halbleiter“, erklärt Hübler. Um das Zink auf das Papier zu bringen, werden mit Leim strukturierte Folienbänder mit einer zinkhaltigen Tinte benetzt und anschließend mit Papier zwischen zwei Rollen verpresst. Alle anderen Materialien bringen die Chemnitzer mit strukturierten Rollen imsogenannten Tiefdruckverfahren auf, mit dem auch Prospekte und Kataloge gedruckt werden. Das organische Halbleitermaterial im Kern der Solarzelle ist eine Mischung aus dem n-dotierten Kunststoff P3HT und dem p-dotierten Halbleiter PCBM, einem Abkömmling der im Fußballdesign aufgebauten Bucky Balls aus Kohlenstoffatomen. Als Gegenelektrode favorisieren die Chemnitzer Forscher den transparenten, leitfähigen Kunststoff PEDOT statt des bei organischen Solarzellen üblichen Indiumzinnoxids. „PEDOT enthält kein wertvolles Indium und ist als druckbare Tinte formulierbar“, erklärt Hübler. Im letzten Druckschritt entsteht ein Silbergitter auf der Frontseite der neuen Solarzellen.

Anders als Plastik

Die engsten Verwandten der Papierzellen sind dünne Folien, die ebenfalls mit organischer Photovoltaik beschichtet sind. Diese Plastik-Solarzellen kann man heute schon kaufen. Das Unternehmen Konarka produziert die sogenannten Power Plastics in einem ehemaligen Polaroid-Werk in Bedford, Massachusetts. Die Zellen werden unter anderem in Plexiglas gekapselt und in Gebäudefassaden integriert. Sie liefern Strom als Bushaltestellendächer in San Francisco und dienen als mobile Ladegeräte, zum Beispiel integriert in Rucksäcke. Die Wirkungsgrade liegen zurzeit unter fünf Prozent. Das Unternehmen konnte aber auch schon zertifzierte Laborzellen mit 8,3 Prozent Effizienz präsentieren. Der Forscher Christoph Brabec, der an der Pionierarbeit von Konarka beteiligt war und heute an der Universität Erlangen-Nürnberg an Plastik-Solarzellen forscht, sagt: „Der Wirkungsgrad ist noch deutlich steigerbar. Mit Tandemzellen aus verschiedenen organischen Halbleitern, die unterschiedliche Wellenlängenbereiche des Lichts schlucken, könnten mittelfristig Wirkungsgrade um 15 Prozent erreicht werden.“ Die Folienzellen sind nicht nur effizienter, sondern auch beständiger als Zellen auf Papier und halten etwa fünf, in Plexiglas auch zehn Jahre. Hergestellt werden sie im sogenannten Rolle-zu-Rolle-Verfahren. Dabei drücken mit einer Art Tinte benetzte Rollen dünne Schichten – Elektrodenmaterial und organische Hableiter – nacheinander auf. Als Druckkunst lässt der Chemnitzer Forscher Hübler dieses Verfahren zur Solarzellenherstellung indes nicht gelten. „Das ist ein reines Beschichtungsverfahren, denn Drucken heißt, strukturiert zu beschichten. Das bietet mehr Freiheitsgrade, die Flächen zu gestalten, sowohl in technischer Hinsicht als auch vom Design her“, betont er. Papier bestehe zudem aus nachwachsenden Rohstoffen und sei billiger als Folien.

Durchsatz unschlagbar

Eines haben Druck- und Beschichtungsverfahren aber gemeinsam: Es lassen sich riesige Solarzellflächen in sehr kurzer Zeit herstellen. Zehn Quadratmeter pro Stunde ist der Durchsatz bei klassischer Silizium-Photovoltaik. „Wir können in der gleichen Zeit die 1.000-fache Fläche herstellen“, meint Hübler. „Mit einer einzigen gängigen Druckmaschine, für Werbeplakate zum Beispiel, lassen sich in nur wenigen Stunden Solarzellenflächen drucken, die der weltweiten Jahresproduktion der Solarindustrie entsprechen.“ Der Forscher hat aber noch weitere Märkte im Visier und will zum Beispiel die Innenseiten von Kartons mit Solarzellen bedrucken. Die können dann noch vor ihrem Recycling am Bestimmungsort zur Stromproduktion genutzt werden“, sagt er. Spickt ein Unternehmen die Solarseite des Kartons noch zusätzlich mit seinem Logo, ist das eine einprägsame und kostengünstige Werbung. Denn die Logistik, um das Werbemittel für ein grünes Image zu verteilen, existiert bereits. „Wir müssen ganz neue Marktstrategien entwickeln“, sagt Hübler. Die Forscher seien dazu schon mit mehreren Unternehmen im Gespräch.

Auch Brabec sieht den Charme der Chemnitzer Entwicklung. „Solche Arbeiten und auch die ersten kommerziellen Anwendungen der Plastik-Solarzellen zeigen, was möglich ist“, sagt er. „Für die Energiewende sollte aber vor allem der schnelle Durchsatz bei der Produktion genutzt werden, um auf Dächern und Freiflächen möglichst zügig sehr große Flächen ans Netz zu bringen.“ Auf den großen Durchbruch in den Massenmarkt müssen die Forscher indes noch warten. Das liegt Brabec zufolge unter anderem daran, dass mittlerweile auch anorganische Photovoltaik dünn, flexibel und transparent herstellbar ist. „Die anorganische Photovoltaik ist den großen Herstellern einfach vertrauter, auch wenn die Produktion aufwendig und teuer ist“, sagt der Wissenschaftler. „Letztlich werden Effizienz und Kosten die Entscheidung bringen.“

Andrea Hoferichter

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