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Smart ist anders

„Das ist eine weitere Blume in einem ganzen Strauß von Maßnahmen zum Solarbashing“, sagt Gilbert Janßen von der Berliner Firma Akut Solar- und Haustechnik. Den gestandenen Installateur macht der gesetzliche Regulierungswahn wütend. In ganz Deutschland müssen seit 2012 alle neuen Anlagen und viele alte mit teurer Zusatztechnik für das Einspeisemanagement ausgerüstet werden oder ihre Wirkleistungseinspeisung auf 70 Prozent begrenzen – egal ob die Anlage in einer Großstadt mit gewaltigem Strombedarf oder in einem ländlichen 100-Seelen-Dorf steht. „Es kann ja sein, dass große Anlagen auf dem Land Probleme machen, hier in Berlin wird aber niemals abgeschaltet“, sagt Janßen.

Auch kleinere Anlagen unter 100 Kilowattpeak werden der Einschätzung vieler Solarexperten zufolge nur in seltenen Ausnahmefällen abgeschaltet. Denn zum einen ist Solarstrom recht gut prognostizierbar, und zum anderen dürfen diese Anlagen erst nachrangig, also erst nach allen konventionellen Kraftwerken und allen Ökostrom-Großanlagen vom Netz gehen. Wozu dann der Aufwand?

Prinzipiell ist das Einspeisemanagement nötig, um das Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Nachfrage auszubalancieren. Je mehr dezentrale Erzeuger an ein Netz angeschlossen werden, desto mehr Informationen und Steuermöglichkeiten benötigt der Netzbetreiber. Auch die Wirkleistungsbegrenzung auf 70 Prozent der installierten Nennleistung kann in Gebieten mit hoher Photovoltaikabdeckung Leistungsspitzen dämpfen und erlaubt es dadurch, mehr Anlagen anzuschließen. Damit geht Strom aber auch dann verloren, wenn er problemlos verbraucht werden könnte.

Wenn nun an sonnenreichen Tagen in Teilnetzen Stromspitzen auftreten, die der Netzbetreiber nur schwer integrieren kann, dürfte er auch kleinere Anlagen unter 100 Kilowattpeak abregeln. Doch während Großanlagen ihre Einspeiseleistung messen, diese an den Netzbetreiber übermitteln und gegebenenfalls stufenweise reduzieren müssen, wurde das Einspeisemanagement für die unteren Klassen vereinfacht. Anlagen unter100 Kilowattpeak sollen sich ohne Leistungsmessung ferngesteuert abschalten lassen, bei kleineren Anlagen unter 30 Kilowattpeak soll die Maximalleistung auf 70 Prozent der Nennleistung begrenzt werden. Das bringt Verteilnetzbetreiber in die Bredouille, denn sie können nur abschalten, ohne exakt zu wissen, wie viel Strom diese Anlagen gerade einspeisen. Mit etwas Glück bringt die Maßnahme aber den gewünschten Effekt.

Nachrüstung verdirbt den Preis

Einen Effekt hat die neue Regelung aber schon heute: Sie verteuert die Photovoltaik. Zwar wird der Einbau von Fernwirktechnik zum Beispiel in Form eines Rundsteuerempfängers die Wirtschaftlichkeit von Großanlagen nicht entscheidend beeinflussen, bei kleinen Installationen unter zehn Kilowattpeak fallen einige hundert Euro jedoch stark ins Gewicht, und auch Ertragseinbußen von wenigen Prozent können bereits über eine Anschaffung entscheiden.

Auch in der technischen Umsetzung, die nach den Wünschen des Umweltministeriums kostengünstig, erprobt und schnell verfügbar sein sollte und darüber hinaus auch noch zukunftssicher, zeigt das Gesetz Schwächen. „Uns war klar, in dieser Situation müssen wir was empfehlen, um ein Signal zu setzen“, erinnert sich Dieter Quadflieg, der im Verband der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik (VDE) für das Forum Netztechnik/Netzbetrieb (FNN) zuständig ist. Im Dezember 2011 sprach sich das FNN, in dem auch Netzbetreiber und das Bundesumweltministerium mitarbeiten, für Rundsteuertechnik in Kombination mit einem AC-Schütz aus, mit dem die Anlage automatisch vom Netz getrennt wird. Doch ganz glücklich sind die Ingenieure mit diesem Schnellschuss nicht.

„Ich weiß, dass die Rundsteuertechnik ein Gegenstand von Diskussionen zum BSI-Schutzprofil ist“, sagt Quadflieg. Das Profil, das vom Bundesamt für Informationssicherheit (BSI) derzeit noch erarbeitet wird, beschreibt die Gefahren für Kommunikationsdaten in einem Smartgrid und wie man sie effektiv schützen kann. „Das kocht alles noch.“ Es sei fraglich, ob die Rundsteuertechnik künftig die Anforderungen erfülle. „Es wäre hilfreich, wenn die Politik mal die Rahmenbedingungen abklären könnte“, verlangt der Netzexperte. Falls die Bestandstechnik nicht mehr zum Schutzprofil passt, müssten die neuen Rundsteuerempfänger nach einer Übergangsfrist gegen eine andere Kommunikationstechnik getauscht werden.

Das gesetzgeberische Durcheinander trifft auf einen Markt mit rund 900 Verteilnetzbetreibern, deren Netzgebiete wie kleine Königreiche regiert werden und zum Teil unterschiedliche Voraussetzungen haben. In manchen Regionen bestand bereits ein funktionierendes Rundsteuersystem. Damit wurden Stromverbraucher, zum Beispiel Nachtspeicherheizungen, entweder mit Langwellenfunk oder Tonfrequenzsignalen aus dem Stromnetz gesteuert. Andere Netzbetreiber stampfen zurzeit ein Rundsteuersystem aus dem Boden, um dem Gesetz zu genügen und es dann in den nächsten Jahren in ein Smartgrid zu überführen. Auch die Preisgestaltung bleibt jedem Netzbetreiber selbst überlassen. „Der Gesetzgeber dachte, es gäbe einen liberalisierten Markt für Rundsteuerempfänger. Den gibt es aber nicht“, klagt Holger Schneidewindt von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Die wenigen Anbieter hätten bisher keine Vertriebskanäle hin zum Endkunden etabliert.

Mangelnde Zukunftssicherheit

Darüber hinaus machen die Netzbetreiber oft exakte Vorschriften zu Modell, Ausstattung und Parametrierung des Geräts, so dass dem Käufer keine andere Möglichkeit bleibt, als den Empfänger beim Netzbetreiber zu bestellen. Eigentlich kosten Empfänger mit einfacher Ausstattung zwischen 100 und 200 Euro. Das Parametrieren ist mit wenigen Handgriffen erledigt, und die jährliche Funklizenz kostet, falls sie anfällt, nicht mehr als zwölf Euro. Trotzdem wurden Anfang des Jahres einige der Pakete aus Empfänger, Parametrierung und Lizenzgebühr für die Signalübertragung mit 900 Euro ausgepreist.

Erst ein Sturm der Entrüstung aus den Fachgremien und Beschwerden bei der Bundesnetzagentur und den Solarverbänden haben dazu geführt, dass die Preise moderater geworden sind. „Ich würde keinen Netzbetreiber angehen, der das Paket für 300 Euro anbietet“, so Schneidewindt. Beispiele für hohe Anschaffungskosten zum Nachteil der kleinen Anlagenbetreiber gibt es aber immer noch genug. Die Stadtwerke München verlangen einen höherwertigen Tonrundsteuerempfänger mit gradueller Schaltbarkeit für mindestens 430,67 Euro. Auch der Pferdefuß, nämlich die mangelnde Zukunftssicherheit, steht schon im Kaufvertrag: „Bei Veränderung der gesetzlichen Anforderungen gemäß Paragraf 6 EEG trägt der Anlagenbetreiber auch mögliche zukünftig entstehende Kosten. Gleiches gilt bei Anpassung der technischen Mindestanforderungen durch die Stadtwerke München.“ Bei der ENSO Netz GmbH in Sachsen ist nicht der Empfänger teuer, aber das Parametrieren eines Fremdgerätes kostet 90,35 Euro. 18,97 Euro fallen pro Jahr als Gebühr für die Übertragung der Abregelsignale an. In 20 Jahren wären das 397,40 Euro. Widerstand gibt es gegen überhöht erscheinende Preise kaum, denn der Verteilnetzbetreiber darf die Kosten umlegen. Die Clearingstelle ist für die Preise nicht zuständig, und die Bundesnetzagentur prüft noch, obsie da überhaupt etwas machen kann. Viele betroffene Kunden schwenken schließlich auf die 70-Prozent-Regel ein. Doch welchen Stromertrag sie dadurch einbüßen, lässt sich im Voraus nur sehr grob abschätzen. An Süddächern in Süddeutschland wurden fünf, acht und sogar zehn Prozent Verlust gemessen.

Horrornachrichten kommen aus der Hauptstadt und aus Hamburg. 1.650 Euro soll der Netzbetreiber Vattenfall für einen Rundsteuerempfänger verlangen. Doch diese Nachricht ist eine Ente. Vattenfall bietet zu diesem Preis eine selbst entwickelte Fernwirktechnik für Großanlagen über 100 Kilowattpeak an. Für kleinere Anlagen gibt es bis heute überhaupt keine Lösung. Besonders nachteilig ist das für Anlagen über 30 Kilowattpeak, die bis zum 1. Januar 2013 eine gesetzeskonforme Installation vorweisen müssen. Die Installateure von Kleinanlagen unter 30 Kilowattpeak wurden bislang auf 2013 vertröstet und sollen so lange die 70-Prozent-Regel anwenden. Bis dahin werde eine weitere Eigenentwicklung zur Verfügung stehen.

„Wir haben den Langwellenfunk ausprobiert“, erzählt Thomas Schäfer, der Leiter für Technik im Berliner Verteilnetz, „aber in den Berliner Kellern haben Sie auch mit Antenne keine Chance.“ Die Lösung, an der Vattenfall derzeit arbeitet, basiert auf der Pagertechnologie. Die nutzt zwar auch Langwellenfunk, jedoch auf anderen Frequenzen. „Das ist eine Frage der Modulation“, sagt Schäfer. „Außerdem kann unser Gerät die Nachricht auch noch ausrechnen, wenn Teile verloren gehen. So erreichen wir eine Abdeckung von 99 Prozent.“ Zudem soll diese Lösung letztlich preiswerter sein als ein herkömmlicher Rundsteuerempfänger, heißt es. Für Hamburg hat sich Vattenfall schlicht noch nicht entschieden. Die dortige Tonrundsteueranlage sei nicht zukunftssicher. „Die Signale kann man an jeder Steckdose auslesen.“ Trotzdem könnte es für kleine Anlagen schließlich darauf hinauslaufen.

Nimmersatte Großstädte

Nun wäre es für Berlin und Hamburg kein großes Problem, wenn man Kleinstanlagen vorläufig nicht steuern könnte. In Berlin sind nach Angaben von Vattenfall derzeit 46 Megawattpeak Photovoltaikleistung installiert. Diese stehen einem ständigen Mindestbedarf der Stadt von 1.500 Megawatt gegenüber. Höchstens 8,3 Megawattpeak Photovoltaikleistung lassen sich ab Januar abstellen, weil sie in größeren Anlagen gebündelt sind. Völlig verständlich ist es da, wenn der Verteilnetzbetreiber nicht darauf brennt, nun auch noch Schalter für Minianlagen unter zehn Kilowattpeak in die Hand zu nehmen, selbst wenn davon 2012 rund 1.000 Stück gebaut wurden.

Doch kann er vorerst darauf verzichten? „Nein, das kommt für uns nicht in Frage. Wir wollen die Diskussion vermeiden, ob auch ohne Einspeisemanagement eine Vergütung gezahlt werden kann“, wehrt Gregor Hampel, Leiter des Berliner Netzkundenmanagements bei Vattenfall, ab. „Es kommt auch viel Druck aus Süddeutschland, das Einspeisemanagement umzusetzen.“ Somit steht der Anlagenbetreiber vor einem Dilemma. Er soll sich in ein noch nicht existierendes Smartgrid einfügen und dafür Technik anschaffen, die voraussichtlich wieder abgelöst wird. In einem Smartgrid dagegen wäre die Abregelung fast umsonst zu haben, denn dann könnte das Smartmeter-Gateway direkt mit dem Wechselrichter kommunizieren. Bis diese Technologie eingesetzt werden kann, dauert es aber noch zwei bis fünf Jahre, schätzt Bernd Engel, der als Professor an der Universität Braunschweig Energieforschung betreibt. Bis dahin kann man versuchen, mit einer genauen Vergleichsrechnung und notfalls mit Hilfe von Juristen das Maximum für die Anlage im Netzgebiet herauszuholen.

„Der Netzbetreiber darf die Wahlfreiheit zwischen 70-Prozent-Regel und Rundsteuertechnik nicht beschränken. Falls er jedoch übertriebene technische Anforderungen stellt oder die Kosten unangemessen sind, dürfen Sie weiter 100 Prozent einspeisen. So ist jedenfalls meine Rechtsauffassung“, sagt Holger Schneidewindt, Anwalt bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Denn der Netzbetreiber kann keinen Verstoß gegen Paragraf 6 EEG geltend machen und die Vergütung kürzen, wenn er diesen selbst zu verantworten hat.“ Wer das durchsetzen möchte, sollte sich von einem auf EEG-Recht spezialisierten Anwalt beraten lassen. Präzedenzfälle gibt es bislang keine, denn noch bis zum 31. Dezember gilt die Übergangsregelung. Die EEG-Vorgaben für Anlagen unter 100 Kilowattpeak sind erst danach zwingend.

Bei kleineren Anlagen kann es auch hilfreich sein, zunächst zu ermitteln, wie viel Strom durch die 70-Prozent-Regel tatsächlich verloren geht. Sind die Module nicht optimal ausgerichtet, wird die Anlage ohnehin kaum jemals den Höchstertrag einspeisen. Gleiches gilt für Anlagen, bei denen viel Strom selbst verbraucht wird. Es sei jedenfalls möglich, auch später noch die Wahl zu ändern, meint Schneidewindt. Sei es, dass dann ein Smartmeter-Gateway erhältlich ist, die Preise für Rundsteuerempfänger weiter fallen oder man die von manchen Netzbetreibern angebotene Möglichkeit nutzen kann, das Gerät nur eine Zeit lang zu mieten.

Cornelia Lichner

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