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Gut versorgt fürs ganze Jahr

Beim Neubau ihres energiesparenden Gebäudes in Berlin-Pankow beteiligten sich die 13 Eigentümer alle an der Photovoltaikanlage für acht Kilowatt. Dazu haben die Eigentümer eine separate Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet. Der Solarstrom wird zunächst für den Allgemeinstrom des Mehrfamilienhauses verwendet, vor allem für die elektrische Wärmepumpe. Nur der Überschuss wird ins Netz eingespeist. Die Bewohner profitieren also vom günstigeren Solarstrom wie auch von ihrem lohnenden Investment auf dem eigenen Dach. Damit liegen sie ganz im Trend.

Jetzt, wo die Einspeisevergütung tatsächlich unter dem Strompreis liegt, beginnen viele Stromverbraucher, die neuen Marktchancen zu entdecken. Dabei steht nicht die Investorenrendite im Fokus, sondern Kosteneinsparung durch Eigenverbrauch und Stabilisierung der Strombezugskosten.

Ein bislang unerschlossener Bereich könnte von der neuen Marktlage profitieren: Mehrfamilienhäuser und gemischt genutzte Gebäude mit Wohnungen und Gewerbe oder Verwaltung – also typische Innenstadtbauten, die bisher kaum mit Photovoltaik bestückt wurden. Städtisch geprägte Bundesländer wie Berlin hinken beim Solarstrom meilenweit hinterher, obwohl Dachflächen vorhanden sind, das Stromnetz besonders gut ausgebaut ist und aufnahmefähig wäre.

Ebenfalls als Eigentümergemeinschaft werden die Bewohner eines Neubaus in der Boyenstraße auf dem ehemaligen Berliner Mauerstreifen ihre Energieversorgung installieren und betrei- ben. Bei den 21 Wohneinheiten, in denen rund 50 Personen leben werden, bleibt es jedoch nicht allein bei der zehn Kilowatt großen Solarstromanlage zur Selbstversorgung. Die Wärme stellt zusammen mit einer Spitzenlast-Gasbrennwerttherme vor allem das Blockheizkraftwerk (BHKW) bereit, das zugleich Strom für die Grundversorgung der Haushalte und der Gebäudetechnik liefert. Das BHKW liefert bis zu 13 Kilowatt elektrische Leistung und bis zu 40 Kilowatt Wärmeleistung. Vor allem die beiden Fahrstühle und die Lüftungsanlage zählen zu den ständigen Stromverbrauchern.

Photovoltaikanlage und BHKW betreibt die Wohneigentümergemeinschaft in diesem Fall direkt, ohne Gründung einer separaten Gesellschaft. Anders als beim zuvor beschriebenen Projekt versorgt der selbst erzeugte Strom auch die Haushalte, er dient also nicht nur als Allgemeinstrom. Die Hausgemeinschaft speist Überschüsse gegen Vergütung ins Netz und bezieht den benötigten Reststrom von einem Versorger aus dem Netz. Die Abrechnung der einzelnen Wohnungen geschieht intern durch die Hausgemeinschaft.

Neu ist die Eigenversorgung mit Strom und Wärme aus einem BHKW nicht. In den letzten Jahren haben Förderprogramme und interessante Neuentwicklungen der BHKW-Hersteller einen neuen und wachsenden Markt geschaffen, bis hin zu Kleinstaggregaten für Einfamilienhäuser, die auch als „stromerzeugende Heizung“ bezeichnet werden.

Anders als bei Photovoltaik stand für die Wirtschaftlichkeit von BHKW dabei schon immer der Eigenverbrauch des Stroms im Vordergrund. Investitionszuschüsse, Kilowattstundenvergütungen auch für den Eigenverbrauch und die Energiesteuerbefreiung machen BHKW derzeit besonders lukrativ. Für die Abrechnung von selbst erzeugtem und direkt verbrauchtem Strom existieren hier bereits umsetzbare Modelle und praktische Erfahrungen, auch bei mehreren und verschiedenartigen Abnehmern. Zum Teil lassen sich also Erfahrungen aus diesem Bereich auf die Photovoltaik anwenden.

Ergänzendes Miteinander

Neu ist aber vor allem die Kombination von BHKW und Photovoltaik. „Generell harmonieren Photovoltaik und Kraft-Wärme-Kopplung, da erste überwiegend im Sommer Stromerträge erwirtschaftet und zweite überwiegend im Winter“, erklären Gunnar Kaestle und Christian Meyer in ihrer Analyse mit dem Titel „Hybrid-Strom“. Zudem, so die Experten, könne ein BHKW in der Übergangs- zeit zur Stromversorgung immer dann betrieben werden, wenn die Sonne nicht scheint. Die dabei anfallende Wärme lasse sich tagsüber gut in Wärmespeichern zwischenpuffern. Kaestle und Meyer geben auch eine Empfehlung für die Dimensionierung: Bei einem optimierten Stromverbrauch schlagen sie pro Wohneinheit 0,5 bis 1 Kilowatt elektrische BHKW-Leistung und 1 bis 2 Kilowattpeak Photovoltaikleistung vor.

Bei einem in Berlin-Weißensee gerade realisierten Projekt wurden nicht nur Photovoltaik und BHKW verknüpft, sondern auch gleich zwei Gebäude, für die ursprünglich zwei getrennte Anschlüsse ans Stromnetz vorgesehen waren. Insgesamt versorgen sich hier 33 Haushalte mit fast 100 Personen in zwei Baugemeinschaften künftig mit Strom und Wärme. Auch sie beziehen nur den Reststrom aus dem Netz und speisen Überschüsse ein. Die Photovoltaikanlage hat hier eine Leistung von 30 Kilowatt, und das BHKW liefert 20 Kilowatt elektrische Leistung. Die Strom- und Wärmelieferung wird über eine eigens gegründete GbR organisiert, die für den Betrieb der Anlagen und die Abrechnung zuständig ist. Da die Idee für die Photovoltaikanlage erst spät eingebracht wurde, sind zwar alle Wohneigentümer an dem BHKW beteiligt, aber zwei nicht an der Photovoltaikanlage. Es muss also nicht jeder bei allem mitfinanzieren, undtrotzdem lässt sich eine gemeinsame Selbstversorgung realisieren.

Nicht nur künftige Wohneigentümer in Baugemeinschaften realisieren Eigenversorgungskonzepte. Auch die ersten Bauträger entdecken das Thema, um für ihre Kunden Wohneigentum noch attraktiver zu machen. Der Bad Vilbeler Bauträger Wohnbau Hess realisiert derzeit zwei Mehrfamilienhausprojekte mit insgesamt 80 Eigentumswohnungen in Maintal und Erlensee bei Frankfurt am Main. „Alle Wohnungen erfüllen den Förderstandard der KfW-Bank für energieeffizientes Bauen. Neben niedrigen Heizkosten profitiert der Kunde nun auch von günstigem Solarstrom“, verspricht Stefan Heß, geschäftsführender Gesellschafter der Wohnbau Hess, denn „die Energiekosten spielen eine wichtige Rolle bei der Kaufentscheidung“. Der Photovoltaik-Fachbetrieb Eqsol von Joachim Killian realisiert die Solarstromanlagen auf den Gebäuden. Der Solarstrom wird zunächst den Allgemeinstromkreis versorgen. Heizung, Aufzüge, Tiefgarage sollen dabei etwa zehn Prozent des Photovoltaikertrags schlucken. Darüber hinaus wird der Solarstrom den Bewohnern für den Verbrauch angeboten.

Auch fürs Gewerbe

Beim Mess- und Abrechnungskonzept dafür betreten die Beteiligten noch Neuland. Deshalb werden Elektroinstallation und Zähleranlage so ausgeführt, dass verschiedene Varianten von Messung und Abrechnung umsetzbar sind. Auch die rechtlichen Vorgaben für den Eigenverbrauch von Solarstrom können sich schließlich noch ändern und Anpassungen notwendig machen. Selbst an eine mögliche Nachrüstung von Batteriespeichern haben Heß und Killian bereits gedacht, um später die Eigenverbrauchsquote weiter zu erhöhen. Betreiber der Photovoltaikanlagen wird Wohnbau Hess, die den direkt verbrauchten Solarstrom auch abrechnet.

Nicht nur private Wohnungen, sondern auch Gewerbeflächen werden den Solar- und BHKW-Strom beziehen bei dem Sanierungsprojekt von Thomas Lührs in der Altstadt von Eisenach. Der Geschäftsführer des neu gegründeten Unternehmens Solarventus hat sich auch in Bezug auf seine Kunden auf die Eigenversorgung mit Strom und Wärme spezialisiert. Bei seinem Vorzeigeprojekt kombiniert er vier Klein-BHKW (vier Kilowatt elektrisch) mit einer Photovoltaikfassade (rund 4,8 Kilowatt) im denkmalgeschützten Umfeld. In dem aufwändig sanierten Haus werden zwei Büros und sieben Wohnungen untergebracht sein. Lührs rechnet damit, dass der erzeugte Strom vollständig intern verbraucht wird. Allgemeinstrom und die Mieter werden mit der elektrischen Energie versorgt. Zusätzlich benötigter Strom kommt aus dem Netz. Für die Versorgung und Abrechnung hat sich Lührs eine ausgeklügelte rechtliche Konstruktion erarbeitet, mit der die Tücken einer Mischung aus Vermieter, Anlagenbetreiber und Versorger umschifft werden. Wenn Lührs die Details erläutert, wird klar, wie wenig der aktuelle rechtliche Rahmen geeignet ist, eine schnelle undeffiziente dezentrale Energiewende zu fördern.

Erheblicher Aufwand

Rechtliche Hürden sind auch der Grund, warum sich die gerade neu gegründete Solar-Betreibergesellschaft der Fürther Wohnungsbaugenossenschaften auf die Photovoltaikversorgung des Allgemeinstroms von Mehrfamilienhäusern beschränkt. Immerhin ist es den Vermietern gelungen, die steuerlichen Hürden zu überwinden, die bisher den Bau eigener Photovoltaikanlagen auf den Gebäuden der Genossenschaften verhinderten. Die erst vor Monaten von den vier Wohnungsgesellschaften gegründete Gesellschaft „Solarpark der Fürther Wohnungsbaugenossenschaften“ nutzt die Dachflächen, baut und betreibt die Anlagen und speist den Strom in die Hausnetze sowie Überschuss ins öffentliche Netz ein. Neun Anlagen mit jeweils 18 bis 45 Kilowatt sind bereits installiert worden. „Zehn Prozent Eigenverbrauch sind mit Allgemeinstrom bei diesen Photovoltaikanlagen auf größeren Wohngebäuden normalerweise nicht zu erreichen“, so Clemens Bloß, Geschäftsführer der Betreibergesellschaft. Mieter werden derzeit nicht beliefert, weil der technische und organisatorische Aufwand dafür noch zu hoch ist. Wenn, dann müssten alle Mieter versorgt werden, so dass niemand Nachteile hat.

Besonders interessant sind jedoch gewerbliche Mieter mit großem Stromverbrauch in einzelnen Objekten. Etwa je 35.000 Kilowattstunden pro Jahr verbrauche beispielsweise eine Sparkassenfiliale sowie ein Ladengeschäft mit Backstation und Kühltheken, die bereits zu den Solarstromabnehmern zählen. Auch Räume mit Waschmaschinen und Trocknern, die über Allgemeinstrom versorgt werden, sowie Heizzentralen mit Stromverbräuchen von rund 30.000 Kilowattstunden im Jahr lassen sich gut mit der Photovoltaikanlage koppeln, so Bloß.

Es gibt viele Möglichkeiten für Mehrfamilienhäuser. Jetzt ist Kreativität gefragt, um Eigenverbrauchsanwendungen aufzuspüren und für die Kunden daraufhin praxisgerechte Lösungen zu entwickeln.

www.bhkw-infothek.de

Thomas Seltmann

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