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Reif für die Insel

Unter dem hohen Himmel und der faszinierenden Weite der Nordsee beweiden hunderte Schafe und Lämmer die saftig grünen Deiche der Insel Pellworm. Die Tiere sind aber nicht nur zum Knuddeln niedlich, sondern leisten durch das Festtreten des Grases einen wichtigen Beitrag zum Küstenschutz. Zugleich betätigen sich als umweltfreundliche und schier unermüdliche Rasenmäher.

Aber nicht nur die Rasenmäher sind auf dem 37,44 Quadratmeter kleinen Eiland umweltfreundlich, sondern auch die Stromversorgung für die rund 1.100 Insulaner. 22,5 Millionen Kilowattstunden gewinnen die Pellwormer jedes Jahr aus regenerativen Energiequellen. Etwa dreimal so viel, wie die Insel für die eigene Stromversorgung braucht. „Der Rest wird zum Festland hinter dem Deich geliefert, teilweise auch bis nach Hamburg“, erzählt Dieter Haack, Leiter des Technischen Netzservices der Schleswig-Holstein Netz AG. Der regionale Netzbetreiber gehört zur Eon AG. „Die Insel verfügt über mehr als 100 Einspeiseanlagen aus regenerativen Energiequellen, hauptsächlich Photovoltaikanlagen. Die Energie wird ohne die üblichen Verluste direkt vor Ort verbraucht“, sagt Haack. „Derzeit werden zwei Drittel der auf Pellworm produzierten Energie über weite Strecken ans Festland transportiert, was nicht effizient ist und zusätzliche Leistung von Netz und Leitungen erfordert. Wir als Technischer Netzservice wollen einen sicheren Netzbetrieb garantieren, was durch eine hohe Eigennutzung des erzeugten Stroms begünstigt wird.“

Intelligente Stromversorgung vor Ort

Aus diesem Grund ging 2012 das Projekt „Smart Region Pellworm“ an den Start. Sein Ziel ist es, Stromerzeugung und Verbrauch vor Ort energietechnisch zusammenzubringen. Dieses Konzept soll die Abhängigkeit von großräumigen Abtransporten quer durch Deutschland und Europa reduzieren und den Aufwand für den erforderlichen Netzausbau für Strom aus erneuerbaren Energien verringern.

Denn werden bei viel Wind und hoher Sonneneinstrahlung auf der Insel große Mengen Strom erzeugt, können diese zukünftig direkt in leistungsstarken großen Speichern sowie in Speicherheizungssystemen von Haushalten vorgehalten werden. Bei nachlassendem Wind und wenig Sonneneinstrahlung kann der zwischengespeicherte Strom dann zur Versorgung der Insel genutzt werden. Damit ist auch die Abhängigkeit vom Festlandstrom verringert. Das Projekt wird von einem Innovationsverbund aus Industrie und Wissenschaft durchgeführt und vom Bundesumweltministerium gefördert.

Welchen Beitrag diese Energiespeicher aus zentralen und dezentralen Elementen im Versorgungssystem leisten können, wird das Projekt ermitteln. Dabei gehen die Forscher laut Projektmitarbeiter Matthias Glüsing von der Schleswig-Holstein Netz AG völlig neue Wege: „Das Konzept eines Großspeichersystems, das mit Vanadium-Redox-Flow und Lithium-Ionen-Speichern zwei der aktuell modernsten Techniken verbindet, ist eine Innovation.“ So stellte Gildemeister Energy Solutions ein Cell-Cube-Speichersystem (Vanadium-Redox-Flow) zur Verfügung. Saft lieferte die Lithium-Ionen Batterie. „Indem wir diese kombinieren, schaffen wir Synergien“, meint Glüsing.

Ein hybrides Speichersystem

Die Lithium-Ionen Batterie liefert ein Megawatt Leistung und 560 Kilowattstunden Speicherkapazität, während der Cell Cube 200-1600 von Gildemeister Energy Solutions 1,6 Megawattstunden speichert – bei 200 Kilowatt Leistung. Die beiden Technologien werden in Bezug auf Wirkungsgrade und Lebensdauer sowie Ent- und Beladung unter extremen Bedingungen einem Härtetest unterzogen. Für dieses hybride Speichersystem erfolgte im November 2012 der erste Spatenstich.

Werden zukünftig bei viel Wind und Sonne auf der Insel große Mengen Strom erzeugt, werden diese direkt in den Speichern sowie in Heizungssystemen von Haushalten gespeichert. „Erstmalig testen wir Energiespeicher in regionsweiten Netzen und sammeln somit wertvolle Betriebserfahrung“, sagt Glüsing. „Wir als Energieversorger und Netzbetreiber wollen die Versorgungssicherheit erhöhen und die Spitzenlast im Netz reduzieren. Darüber hinaus kann ein teurer Netzausbau, der angesichts der wachsenden Stromnachfrage erforderlich wäre, zunächst zurückgestellt werden.“

Die Verknüpfung dezentraler Erzeugungsanlagen mit innovativer Speichertechnik und intelligenten Netzmanagementsystemen macht Pellworm zur Musterregion für die Energieversorgung. Die Insel wurde nicht zufällig für das Projekt ausgewählt. Die von der Fachhochschule Westküste (FHW) gemeinsam mit Eon und dem Fraunhofer-Anwendungszentrum für Systemtechnik im Jahr 2011 erstellte Innovationsstudie Pellworm hat gezeigt, dass die Insel aufgrund von Infrastruktur und Akzeptanz besonders gut für den Aufbau eines Smart Grids geeignet ist.

Bereits 1983 wurde hier einer der damals größten Solarparks Europas gebaut und 1989 zum damals größten Hybridkraftwerk Europas erweitert. Zudem ist die Insel eine der sonnenreichsten Regionen Deutschlands mit satten 1.000 Kilowattstunden Jahresertrag Sonnenenergie pro Quadratmeter. Die ganze Insel kommt jedes Jahr auf ca. 2,2 Millionen Kilowattstunden Solarenergie, was dem Äquivalent von 220.000 Litern Heizöl entspricht. Zudem gewinnt Pellworm pro Jahr 4,2 Millionen Kilowattstunden aus Biomasse. Zwölf Windkraftanlagen leisten einen wertvollen Beitrag zur kohlendioxidfreien Energieproduktion.

Besonders wichtig sei die Akzeptanz der Bevölkerung, betont Dieter Haack. „90 Prozent der Insulaner stehen den erneuerbaren Energien und dem Ausbau der Stromnetze aufgeschlossen gegenüber. Wir haben die Bevölkerung über Informationsveranstaltungen und Gespräche von Anfang an einbezogen. Die Pellwormer wollen eine grüne Insel und werden dazu beitragen, den Gedanken der intelligenten Stromnetze mit lokaler Speicherung von regenerativ erzeugtem Strom in die Welt zu tragen.“

http://www.smartregion-pellworm.de

Auf einen Blick

Vorteile des Redox-Flow-Speichers Cell Cube

  • Schlüsselfertige Energiespeicher in wetterfestem und einbruchsicherem Gehäuse,
  • Unbegrenzte Zyklen zur Be- und Entladung des Energiespeichers,
  • Cell Cube ist 100 Prozent tiefentladefähig,
  • Optimales Betriebsverhalten durch ein intelligentes Energiemanagement,
  • Spontane Reaktion auf Lastanforderung,
  • Höchster Wirkungsgrad in jeder Betriebsart,
  • Flexibel in Leistung und Kapazität: angebotene Leistungen von zehn Kilowatt bis zur Megawattklasse und Kapazitäten von 40 Kilowattstunden bis zu mehreren Megawattstunden.

Smart Region Pellworm

Das Netz der Zukunft

Die deutsche Nordseeinsel Pellworm wird zur Modellregion für intelligente Stromnetze und die lokale Speicherung von regenerativ erzeugtem Strom. Nach einer umfassenden Analyse aller energietechnischen Einrichtungen auf der Insel ging 2012 das Projekt „Smart Region Pellworm“ an den Start. Sein Ziel ist es, Stromerzeugung und Verbrauch vor Ort energietechnisch zusammenzubringen, um die Abhängigkeit von großräumigen Abtransporten quer durch Deutschland und Europa und den dafür erforderlichen Netzausbau für Strom aus erneuerbaren Energien zu reduzieren. Mit diesem Projekt liefert die Schleswig-Holstein Netz AG einen Beitrag als Systemplattform für die Energiewende in Schleswig-Holstein.

Hierzu installiert sie – zusammen mit ihrer Muttergesellschaft Eon AG – neue und vorhandene Technik in der Smart Region Pellworm, um das Zusammenspiel unterschiedlicher Netz- und Systemkomponenten zu testen. Im Mittelpunkt stehen zentrale Großspeicher. Aus der Sicht des Netzbetreibers sind die Erkenntnisse von großer praktischer Bedeutung. Weitere Projektteilnehmer sind die Fachhochschule Westküste (FHW), die Firma Saft, das Fraunhofer-Anwendungszentrum Systemtechnik, die Gustav Klein GmbH sowie die RWTH Aachen.

Blick in das Innere eines großen Cell Cube: Das Prinzip der Redox-Flow-Batterien unterscheidet sich prinzipiell von Bleiakkumulatoren oder Lithium-Batterien.

Eine Insel als Freilandlabor

Wiege der Photovoltaik

Schon im Jahr 1983 entstand auf Pellworm ein Hybridkraftwerk aus Windkraft und Sonnenstrom, das ingesamt 1.071 Kilowatt leistete. Die Photovoltaikanlage auf dem Freiland leistete 771 Kilowatt. Eine Enercon E-33 steuerte 300 Kilowatt bei. Damals wurden knapp 17.600 Solarmodule AEG PQ 10-20 installiert. Ihr Wirkungsgrad lag bei acht Prozent, jedes Modul leistete nur 19 Watt. Die AEG-Module erreichten zusammen immerhin 300 Kilowatt. Insgesamt erzeugte das Hybridkraftwerk im Jahr rund 240.000 Kilowattstunden. Davon verbrauchte das Kulturzentrum 107.000 Kilowattstunden, 33.000 Kilowattstunden wurden ins Netz eingespeist. Bis 1992 wurden drei weitere Windräder aufgestellt (HSW-30) mit jeweils 30 Kilowatt Nennleistung.

1992 übernahm der örtliche Versorger das Kraftwerk. Er baute neue Solarmodule vom Typ AEG PQ 10-40 auf, die bereits einen Wirkungsgrad von zwölf Prozent erreichten. Während die erste Photovoltaikanlage 1983 insgesamt 28.000 Quadratmeter Fläche brauchte, waren es 1992 für die gleiche Leistung nur noch 21.000 Quadratmeter. Ende 1992 standen also 600 Kilowatt Solarleistung zur Verfügung. Zeitgleich wurde das Kraftwerk um ein Windrad E-33 von Enercon erweitert, das 300 Kilowatt leistet.

Das Hybridkraftwerk konnte ein Viertel der rund 1.200 Einwohner von Pellworm elektrisch versorgen. 1997 wurden die älteren HSW-30-Rotoren stillgelegt und später demontiert. Der älteste Teil der Solaranlage wurde durch einen Blitz beschädigt, der die Wechselrichter zerstörte. Nach nur zwölf Jahren stand die Anlage still. 2004 wurden 1.920 neue Solarmodule von Shell (SE-160C, 160 Watt Einzelleistung) auf die Gestelle montiert. Die alten Solarzellen wurden bei Solarworld in Freiberg verwertet. Auf Pellworm wurden später auch 2.370 Module von SunTechnics (STM 173F, 173 Watt) installiert. Hinzu kamen etliche Module Solarnova 40/50D mit 50 Watt Modulleistung. 2006 leisteten die vier Modulfelder zusammen 771 Kilowatt. Die Modernisierung ließ sich Eon Hanse rund 3,7 Millionen Euro kosten.

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