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Falsch berechnet

Ein Photovoltaikmontagesystem muss Schnee- und Windlasten standhalten und im besten Fall über die Lebensdauer von Modulen hinaus korrosionsbeständig sein. Diese Anforderungen werden leider nicht immer erfüllt. Stürme und Schneemassen haben in der Vergangenheit gezeigt, dass viele der am Markt befindlichen Montagesysteme statisch nicht an die standortrelevanten Belastungen angepasst sind. Weitere Mängel sind in der Systemdokumentation zu finden. Oft fehlen auch die richtigen Hinweise zum sachgerechten Blitzschutz.

Insgesamt machen Sturm-, Schnee- und Überspannungsschäden nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft sowohl bei dem monetären Anteil als auch bei der Häufigkeit rund 50 Prozent der Versicherungsschäden in PV-Anlagen aus. Ein gutes Montagesystem und eine sachgemäße Installation können diesen Anteil erheblich reduzieren. Weiterhin kritisch ist die Leitungsführung in den Systemen. Sind sie so konzipiert, dass eine Leitungsführung über scharfe Kanten vorhersehbar ist, steigt das Risiko eines Lichtbogens und daraus folgenden Brandes. Bisher unterschätzt wird auch die Korrosion von Bauteilen oder auch Weichmacherwanderungen bei Flachdächern, die mit Folie eingedeckt sind.

Risiken durch diese und weitere Fehlerquellen minimiert unser Prüfinstitut mit einem Qualifizierungsprogramm. Der Kriterienkatalog für die Qualifizierung wurde von einem Kompetenzteam aus Baustatikern, Photovoltaikexperten und Elektrotechnikern entwickelt, damit sämtliche baurechtlichen und technischen Details berücksichtigt sind.

Denn durch qualitativ hochwertige Produkte und eine sorgfältige Planung und Ausführung lassen sich die Schäden an den Montagesystemen vermeiden. Bisher fehlten jedoch vergleichbare Herstellerangaben und einheitliche Standards. Nach Aussage des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft variieren die Angaben der Hersteller von Montagesystemen zum Beispiel bei der Betrachtung der zulässigen Windlasten. So geben einige Hersteller die Windbelastbarkeit bei nicht voll ausgeschöpfter Modulfläche an, andere nennen die Windgeschwindigkeit, bei der die Anlage in die Sicherungsposition fährt, wieder andere geben die absolut zulässige Windgeschwindigkeit an.

Kein einheitlicher Standard

Für die Qualifizierung eines kompletten Montagesystems gibt es derzeit keinen einheitlichen Standard. Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) hat zwar im vergangenen Jahr ein Hinweispapier für das Errichten von Photovoltaikanlagen veröffentlicht. Dieses Hinweispapier informiert Hersteller, Planer und Anwender über die bautechnischen Anforderungen zum Beispiel zur Standsicherheit, zum Schutz gegen schädliche Einflüsse, zum Brand-, Wärme-, Schall- und Erschütterungsschutz. Für die Unterkonstruktionen relevant sind die statischen Anforderungen, mechanische Belastungen, sichere Handhabung und verlässliche Verbindungstechnik.

Eine etwaig notwendige bauaufsichtliche Zulassung, als Verwendbarkeitsnachweis, bezieht sich dabei nur auf einzelne Verbindungen und Komponenten und nicht auf das Gesamtsystem. Sie ist auch nur dann notwendig, wenn anstelle von Standardkomponenten, die in den Baurichtlinien aufgelistet sind, Spezialverbindungen verwendet werden und man die Konstruktion nicht mit den sogenannten Eurocodes berechnen kann. In diesen Eurocodes sind zum Beispiel die Schnee- und Windlasten sowie die Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten, Holzbauten und Aluminiumtragwerken aufgeführt.

Gesamtsystem zertifizieren

Die bauaufsichtliche Zulassung ist zum Beispiel immer dann erforderlich, wenn für die Standsicherheit relevante Bauteile aus Kunststoff bestehen, Lasten über geklebte Verbindungen weitergegeben werden oder die Tragfähigkeit der Unterkonstruktion durch Versuche ermittelt wurde. Für Aluminium und Stahlkonstruktionen muss man nachweisen, dass die statischen Erfordernisse der technischen Baubestimmungen erfüllt werden. Hersteller, deren Verbindungen und Komponenten den eingeführten technischen Baubestimmungen entsprechen, benötigen keine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung.

Sowohl die Hersteller, die eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung benötigen oder bereits eine haben als auch diejenigen, die keine benötigen, kommen jetzt auf TÜV Rheinland zu, um ihr gesamtes Montagesystem zertifizieren zu lassen. Denn TÜV Rheinland geht über die Bewertung einzelner Komponenten und Verbindungen hinaus und qualifiziert das Gesamtsystem: Unser Prüfinstitut hat, basierend auf nationalen und internationalen Standards, dem Stand der Technik, den Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft in Deutschland und eigenen Erfahrungen einen detaillierten Kriterienkatalog zur Zertifizierung von Photovoltaik-Montagesystemen entwickelt.

Eigene Kriterien definiert

Die entsprechende Prüfgrundlage 2PfG 1794/10.10 definiert Anforderungen an Aufdach-, Indach-, Flachdach- und Freilandsysteme. Für nachgeführte Systeme dient sie ebenfalls als Grundlage. Ziel des Prüfprogramms ist es, die technische Sicherheit der Solaranlagen auch bei den Montagesystemen zu gewährleisten. Dazu gehört, dass das System zuverlässig arbeitet, sicher montiert und gewartet werden kann und mögliche Fehlerquellen vermieden werden. Deshalb umfasst die Prüfvorschrift nicht nur die Statik, sondern auch die Dokumentation einschließlich Montageanleitung, Systembeschreibung und technischer Zeichnungen sowie eine Firmeninspektion.

Die Statik berechnen

TÜV Rheinland überprüft, ob die Anforderungen der Eurocodes und die IEC-, EN- sowie DIN-Vorgaben erfüllt sind. Der Kriterienkatalog enthält die statischen Berechungen nach den gültigen Regelwerken einschließlich der Anforderungen an maximale Wind- und Schneelasten (Eurocode 1) sowie die Berechnungsnormen zur Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten, Holzbauten und Aluminiumtragwerken (Eurocodes 3, 5 und 9).

TÜV Rheinland überprüft die eingereichte Statik auf Plausibilität, Vollständigkeit und bemessungsrelevante Ergebnisse und hält notwendige Einschränkungen in dem Prüfbericht fest. Außerdem untersuchen die Ingenieure, für welche Einsatzgebiete und Randbedingungen sich das Montagesystem eignet. Dazu zählt auch die Korrosionsbeständigkeit in Küstennähe. Aktuelle Salznebelprüfungen von TÜV Rheinland haben gezeigt, dass es bei einigen auf dem Markt erhältlichen Montageschienen vor allem in Küstennähe zu erheblichen Korrosionen kommen kann. TÜV Rheinland empfiehlt daher, Salznebelprüfungen nicht nur mit Solarmodulen, sondern auch mit Montagesystemen durchzuführen.

Neben der Korrosionsbeständigkeit werden verschiedene Wind-, Schnee- und Eislastzonen sowie maximale Gelände- und Gebäudehöhen untersucht. Zudem werden mögliche Dach- und Modulneigungen, Mindestabstände und maximale Sparrenabstände überprüft.

Umfangreiche Prüfung

TÜV Rheinland kontrolliert, ob die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung für alle zulassungspflichtigen Komponenten, Verbindungen und Verbindungsmittel vorliegt. Weitere Prüfkategorien sind die Handhabbarkeit und Benutzerfreundlichkeit des Systems, die Leitungsführung, die Arbeitssicherheit und die Eigenschaften der verwendeten Materialien und des Systems unter anderem im Hinblick auf Wasserdichtigkeit und UV-Beständigkeit. Hinzu kommen Fragen der Integration in das Blitzschutzsystem und Möglichkeiten zur Erdung und zum Potenzialausgleich. Sie müssen in den entsprechenden DIN-Normen aufgeführt sein. Ob das System den Richtlinien zur Schadenverhütung des Verbands deutscher Schadenversicherer (VdS 2023) und zum Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen (DIN 4102) entspricht, wird ebenfalls untersucht.

Zu den Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft, die in der Montageanleitung aufgeführt sein müssen, zählen die Grundsätze der Prävention (BGV A1), Elektrische Anlagen und Betriebsmittel (BGV A3) und Bauarbeiten (BGV C22). Außerdem kontrolliert TÜV Rheinland, ob das Regelwerk des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks für Arbeiten auf Dächern aufgeführt ist und das System (bei Anbietern von Strom erzeugenden Systemlösungen) den VDEW-Richtlinien für den Parallelbetrieb von Eigenerzeugungsanlagen mit dem Niederspannungsnetz entspricht.

Firmenaudits und Probeaufbauten

Speziell bei aerodynamischen Flachdachsystemen kommen Nachweise der Kippsicherheit, Rutschfestigkeit sowie Versuche im Windkanal für die Ermittlung der aerodynamischen Beiwerte hinzu. Bei integrierten Systemen und Systemen mit Dachdurchdringung müssen dagegen die Dichtigkeit und Brandsicherheit auf Basis der Europäischen Normen EN 15601 (Regendichtigkeit) und ENV 1187-1, -2, -3 beziehungsweise -4 mit EN 13501-5 (Brandsicherheit) nachgewiesen sein. Schließlich enthält der umfangreiche Prüfbericht Hinweise zu Sicherheitsmaßnahmen mit entsprechenden Basisvorschriften, Informationen zur Wartung, zu Garantiebedingungen und zum Haftungsausschluss.

Auf dem Werksgelände des Kunden

Wie fehleranfällig das System ist, wird auf dem Werksgelände des Kunden untersucht. Dabei stehen die Überprüfung aller Prozesse und Arbeitsabläufe und des Qualitätsmanagements im Vordergrund. Von der Kundenanfrage bis zur Baustelle untersuchen die Mitarbeiter von TÜV Rheinland den gesamten Prozess. Sie sprechen mit dem Hersteller über die eingereichten Dokumente und die Ergebnisse, besichtigen die Fertigung, den Wareneingang und den Warenausgang und überwachen einen Probeaufbau des Montagesystems.

Ob die relevanten Standards eingehalten werden und die Qualität langfristig gesichert ist, wird von Fachauditoren des TÜV Rheinland im Zwei-Jahres-Rhythmus kontrolliert. Die Zertifizierung dauert rund acht bis zehn Wochen. Das Zertifikat für das Montagesystem gilt im Prinzip weltweit. Denn der Zertifizierungsprozess entspricht sowohl den nationalen als auch den internationalen Standards. Hierzu werden unter anderem auch besondere nationale Anforderungen betrachtet, wie im Microgeneration Certification Scheme (MCS) in Großbritannien oder nach UL 2703 in den USA. In Europa gibt es zudem alleine vier verschiedene Brandprüfungen, die für dachintegrierte Systeme Relevanz haben.

Vorteil im Wettbewerb

Mit der Qualifizierung des Systems tragen wir aktiv dazu bei, Schäden zu vermeiden. Viele Hersteller nutzen unsere Qualifizierung und die Audits, um ihre Montagesysteme weiter zu optimieren. Genau das wollen wir erreichen.

Die bisherigen Prüfprojekte – rund 30 im Jahr 2012 – haben gezeigt, dass großer Bedarf zur Qualifizierung besteht: So mussten 90 Prozent der geprüften Hersteller ihre Montagesysteme vor einer Zertifizierung im Bereich der Statik nachbessern. Grund hierfür sind zum großen Teil fehlerhafte Lastannahmen. Eine grundlegende Prüfung der Statik durch einen Prüfstatiker ist daher ein fundamentales Element der Projekte.

Als weltweit führender Prüfdienstleister untersuchen wir die Grenzen der Belastbarkeit, qualifizieren das System und überprüfen die Fehleranfälligkeit und das Haftungsrisiko. Der Hersteller erhält einen umfassenden Prüfbericht und kann mit dem Zertifikat seinen Kunden nachweisen, dass seine Systeme geprüft sind.

GesamtCheck für die Montagesysteme

Was der TÜV Rheinland prüft

Statik:

  • Eurocodes 1, 3, 5 und 9
  • IEC-Vorgaben
  • EN-Vorgaben
  • DIN-Vorgaben
  • mögliche Dach- und Modulneigungen
  • Sparrenabstände

Allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen:

  • für zulassungspflichtige Komponenten
  • für zulassungspflichtige Verbindungen
  • für zulassungspflichtige Verbindungsmittel

Benutzerfreundlichkeit:

  • Handhabung
  • Dokumentation

Sicherheit:

  • Arbeitssicherheit
  • Leitungsführung
  • Blitzschutz
  • Brandschutz

Firmeninspektion:

  • Technologie
  • Arbeitsabläufe
  • Qualitätsmanagement
  • Probeaufbau

http://www.tuv.com

Der Autor

Jörg Althaus

ist im Geschäftsfeld Solarenergie beim TÜV Rheinland in Köln tätig. Er koordiniert die Dienstleistungen des Solarlabors. Althaus ist Mitglied in den Normungsgremien wie IEC, CENELEC und DKE.

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