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Ganz oder gar nicht

Der schwierige Photovoltaikmarkt veranlasst viele Solartechnikfirmen, sich nach neuen Geschäftsfeldern umzuschauen. An erster Stelle stehen Energiespeicher, auch das Thema Elektromobilität weckt zunehmend Interesse als neue Umsatzquelle. Die Integration von Kleinwindkraftanlagen als neuer Bestandteil des Produktportfolios ist ebenfalls eine interessante Option. Vor allem in Kombination mit Solargeneratoren können kleine Windräder die Selbstversorgung deutlich erhöhen. Wenn die Photovoltaikanlage nachts und im Winter eine Ruhephase hat, kommen Kleinwindkraftanlagen oft erst richtig in Fahrt.

In der letzten Ausgabe wurde über die Besonderheiten des Marktes für Kleinwindkraft berichtet (photovoltaik 09/2013: Nur erprobte Typen). Alles in allem handelt es sich im Vergleich zur Photovoltaikbranche um einen Markt in früher Entwicklungsphase. Schaut man 15 Jahre zurück, so kann man Parallelen erkennen. Der Solarsektor in Deutschland ist mittlerweile professionell, und die Projekte gehen schnell über die Bühne. Das muss dem Installateur bewusst sein: Kleinwindkraft so nebenbei funktioniert kaum. Die Umsetzung von Projekten ist langwieriger. Vor allem als Newcomer braucht man ein dickes Fell und Geduld in der Anfangsphase. Das muss jedem bewusst sein, bevor er sich in das Abenteuer der Kleinwindkraft begibt. So mancher Solarteur, der sich für den Vertrieb kleiner Windräder entschieden hat, musste nach den ersten Hürden aufgeben. Auf Besonderheiten im Vertrieb von Kleinwindkraftanlagen und deren Installation wird im Folgenden eingegangen.

Gute Standorte erkennen

Ein entscheidender Unterschied zwischen Photovoltaik und Kleinwindanlagen ist das standortspezifische Energiepotenzial und dessen Erfassung. Das bezieht sich auf die Frage, ob auf einem Grundstück überhaupt genug Wind vorhanden ist. An vielen für Photovoltaik geeigneten Standorten ist der Betrieb von Kleinwindkraftanlagen nicht möglich. Das hat einen einfachen Grund: Die Sonnenstrahlen fallen vor allem in sonnenstarken Monaten von oben auf die Module. Aufgrund der vertikalen Einstrahlung führen Hindernisse wie Bäume selten zu einer Verschattung. Ganz anders verhält sich die Windströmung: Der Wind bewegt sich parallel zur Erdoberfläche. Vor allem in Bodennähe führen Vegetation und Gebäude zu ungünstigen Windverhältnissen. Je weiter der Rotor vom Boden entfernt ist, desto stärker weht der Wind. Deshalb weitet man bei Großwindkraftanlagen die Turmhöhe sukzessive aus. Bei Kleinwindkraftanlagen ist das aufgrund des Genehmigungsrechts nicht möglich. Bei 30 Metern Rotorhöhe ist in Deutschland in der Regel Schluss.

Anbieter von Kleinwindkraftanlagen müssen sich mit der windenergiespezifischen Standortevaluierung auseinandersetzen. Mit Online-Tools und Windkarten lassen sich keine genauen Winddaten eines konkreten Standorts erfassen. Nur eine Windmessung mit guter Messtechnik am geplanten Installationsort wird zur korrekten Ermittlung der mittleren Jahreswindgeschwindigkeit führen. Windmessungen als Dienstleistung sollten vom Solarteur somit angeboten werden. Windmessgeräte kann man kaufen oder mieten.

Mit der Zeit wird man einen Blick für gute und schlechte Standorte bekommen. Immer wieder interessieren sich Hausbesitzer für Kleinwindanlagen, deren Grundstücke nicht geeignet sind. Das gilt oft für Wohngebiete. Wenn ein anderes Wohnhaus oder eine große Tanne in der Hauptwindrichtung stehen, braucht man keine Windmessung, sondern kann dem Kunden gleich eine Absage erteilen. Andererseits gibt es Grundstücke mit guten Lagen, deren Besitzer sich noch nicht mit Kleinwindkraft beschäftigt haben und die man auf diesen Standortvorteil aufmerksam machen sollte. In Frage kommen frei liegende landwirtschaftliche Höfe oder Randgebiete von Industrie- und Gewerbegebieten und weiträumige Privatgrundstücke in westlicher Randlage von Siedlungen.

Ein Solarteur aus Bayern könnte sich berechtigterweise die Frage stellen, ob die Installation kleiner Windräder im Binnenland überhaupt Sinn macht. Denn grob betrachtet befinden sich die windstärksten Standorte in Norddeutschland in Küstennähe. Im Binnenland dagegen sind die mittleren Jahreswindgeschwindigkeiten in der Regel geringer. Das ist allerdings eine pauschale und großräumige Betrachtungsweise. Auch im Landesinneren gibt es geeignete Standorte, die aus Hauptwindrichtung frei angeströmt werden. Dazu zählen die sogenannten Mühlberge, die schon im Mittelalter als Standorte für Windmühlen genutzt wurden. Manche Hersteller berichten, dass das Geschäft in einigen niedersächsischen Regionen schleppend läuft, was mit der Genehmigungspraxis zu tun hat. Aus Bayern dagegen kommen eher positive Signale, die dortigen Behörden scheinen offener gegenüber der Kleinwindkraft zu sein.

Das Problem der Genehmigung

Der Hauptgrund, warum so mancher Installateur die Kleinwindflinte ins Korn geworfen hat, betrifft die Genehmigung. Warum kleine Windgeneratoren oftmals eine Baugenehmigung benötigen, ist offensichtlich: Der Rotor kann Schall und Schatten emittieren, zudem stellt er ein Sicherheitsrisiko dar. Auch visuelle Aspekte sind relevant: Während sich die Solaranlage an die Dachhaut schmiegt, sind Kleinwindanlagen visuell sehr präsent. Das hängt unmittelbar von der Masthöhe und dem Rotordurchmesser ab. Ein Miniwindrad kaum größer als eine Satellitenschüssel fällt weniger ins Gewicht. Im Vergleich mit Großwindkraftanlagen ist die Präsenz von Kleinwindturbinen im Landschaftsbild marginal. In manchen Bundesländern ist die Aufstellung einer Kleinwindkraftanlage bis zehn Meter Höhe ohne Genehmigung zulässig. Dann müssen Planer und Installateur dafür sorgen, dass alle öffentlichen Anforderungen erfüllt werden. Es versteht sich von selbst, dass eine zehn Meter hohe Anlage nur Sinn macht, wenn in Rotorhöhe der Wind ausreichend stark ist.

Wahl der Generatoren und Partner

Entscheidend für den Erfolg des Bauantrags sind die Einschätzungen und Urteile des Bauamts und der Fachbehörden vor Ort. Dies hängt wiederum an einzelnen Personen. Manche Bauamtsmitarbeiter sind offen und kooperativ. Es gibt aber auch Personen, die Windräder skeptisch beurteilen. Es kann von Vorteil sein, wenn sich das Vertriebsgebiet über mehrere Kommunen mit unterschiedlichen Bauämtern erstreckt. Wenn in einer Kommune die Projekte ins Stocken geraten, gehen sie beim kooperativen Bauamt in der Nachbarkommune eventuell schneller von der Hand.

Je höher und je größer der Windgenerator, desto anspruchsvoller werden in der Regel die genehmigungsrechtlichen Anforderungen. Es muss die Bereitschaft vorhanden sein, sich mit baurechtlichen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Auch der richtige Umgang mit den Bauamtsmitarbeitern will gelernt sein. So manchem hemdsärmeligen Solarteur, der die schnelle und reibungslose Umsetzung von Solargeneratoren gewohnt ist, reißt der Geduldsfaden. Geduld und diplomatisches Auftreten sind die bessere Lösung. Von großer Bedeutung ist die Wahl der Windgeneratoren. Kleine Windturbinen können entweder vom Hersteller, über den Großhandel oder über Vertriebspartner bezogen werden, die den Generalvertrieb ausländischer Hersteller übernommen haben. In Ausgabe photovoltaik 09/2013 wurde erläutert, dass längst nicht alle auf dem Markt angebotenen Kleinwindkraftanlagen erprobt und hochwertig sind.

Die Größe der Kleinwindkraftanlage in Form der Nennleistung und des Rotordurchmessers orientiert sich am Strombedarf des Kunden. Manche Anbieter bieten Systemlösungen an, um mit dem überschüssigen Strom zu heizen. Der Windstrom wird nicht ins Netz eingespeist, sondern in einen Heizstab im Warmwasserspeicher geleitet. Die Heizperiode entspricht schließlich den windstarken Zeiten.

Neben der Qualität der Technik sollte geprüft werden, welche unterstützenden Dienstleistungen der Hersteller oder Händler bei der Abwicklung von Kleinwindprojekten anbietet. Das fängt beim Thema Standortevaluierung und Windmessung an. Weitere Schritte sind die Anlagendimensionierung und die Systemauslegung. Schließlich kann eine Unterstützung bei der Genehmigung von großem Nutzen sein. Dazu zählen technische Dokumentationen, Zertifizierung oder Typenprüfung. Sie können beim Bauamt eingereicht werden. Auch juristische Beratungsleistungen zu speziellen Fragen oder im Diskurs mit dem Bauamt können dem Installateur eine große Hilfe sein. Vereinzelt haben Hersteller für diese Zwecke Anwälte fest eingestellt. Wichtig sind auch die Abwicklung von Garantiefällen und die schnelle Bereitstellung von Ersatzteilen. Im Zweifelsfalle kann ein deutscher Hersteller schneller und besser auf Garantiefälle reagieren und professionellen Support leisten.

Nebenbei wird nicht klappen

Wer seinen Kunden Kleinwindkraftanlagen anbieten will, muss voll hinter der Sache stehen. Es gilt: ganz oder gar nicht. Nebenbei ein paar Kleinwindanlagen verkaufen, das wird kaum funktionieren. Die Komplexität steigt mit der Anlagengröße. Eine Zehn-Kilowatt-Turbine mit sieben Meter Rotordurchmesser auf einem 30 Meter hohen Mast ist in der Projektabwicklung erheblich aufwendiger als das Hobby-Windrad auf einem Zehn-Meter-Mast. Entsprechend unterschiedlich sind die Umsätze.

Man muss die Bereitschaft haben, sich in neue Themen einzuarbeiten. Dazu zählen Standortprüfung, Windmessung und genehmigungsrechtliche Grundlagen. Mit der Zeit werden die Projekte schneller umgesetzt, da die Erfahrung wächst. Erfolgreiche Referenzprojekte werden das Geschäft beleben.

Kleinwindkraft und Photovoltaik

Starkes Duo fürs Heim

Innerhalb weniger Jahre hat sich die Photovoltaik zu einer erprobten und bekannten Generatortechnik für das Eigenheim oder den Gewerbebetrieb entwickelt. Die Chancen der Kleinwindkraft sind vielen Planern und Installateuren hingegen noch zu wenig bekannt. Die Vorteile im Überblick:

  • Der meiste Wind weht im Herbst und im Winter, wenn die Solarerträge aus der Photovoltaik aufgrund der sinkenden Sonnenstände und der kürzeren Einstrahlungsdauer stark zurückgehen. Die Kennlinien beider Generatorsysteme ergänzen sich in der Regel im Jahresverlauf sehr gut.
  • Windstrom wird auch nachts erzeugt, wenn die Solaranlage schläft. Das bedeutet: Zur Eigenstromversorgung kann die Pufferbatterie kleiner gewählt werden, als wenn es sich nur um eine Photovoltaikanlage handelt. Dadurch sinken die Systemkosten der gesamten Stromerzeugung am Gebäude.
  • Windstrom steht auch in der Heizperiode zur Verfügung, was für Sonnenstrom meist nicht zutrifft. Das Duo aus Windkraft und Photovoltaik erlaubt die elektrische Vollversorgung eines Gebäudes über das ganze Jahr.

Allerdings erfordert die Planung und Installation einer Kleinwindkraftanlage ebenso viel Sorgfalt wie bei einer Photovoltaikanlage. Hinweise und Tipps finden Sie auf dieser Website:

http://www.heywind.de

Neues Geschäftsfeld

Wenn Solarteure mit Kleinwindanlagen ein neues Geschäftsfeld aufbauen wollen, sollten sie die Erfolgskriterien genau kennen. Denn die Umsetzung von Kleinwindprojekten ist anspruchsvoll und eine eigene Wissenschaft – wie die Photovoltaik auch. Patrick Jüttemann ist Experte, er betreibt das Webportal http://www.klein-windkraftanlagen.com. Im Oktoberheft unserer Fachzeitschrift erläutert er hilfreiche Strategien und die Fallstricke in diesem Markt.

Windstrom statt Windeier

Themendossier

Mehr Praxis: Kleinwindkraft

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Aktueller Marktreport

Kleinwind 2013–2014

- 55 horizontale Kleinwindanlagen von 22 Herstellern- Nennleistung von 100 Watt bis 100 Kilowatt- Inklusive Fotos, technischen Daten und Hintergründen- Vergleichslisten- Ratgebertexte

Medienform: PDF-DateiErschienen am: 15. Juli 2013Autor: Patrick JüttemannUmfang: 113 Seiten (zwei Megabyte)Preis: 24,99 Euro (inkl. MwSt.)Bestellung unter:

http://www.klein-windkraftanlagen.com/marktreport

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