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Wie eine zweite Haut

Ein Blick vom benachbarten Hochhaus zeigt die Szenerie: Photovoltaik, wohin man schaut. Auf der einen Seite die bekannte Solarsiedlung des Architekten Rolf Disch mit dem „Sonnenschiff“, auf der anderen Seite der nicht minder prominente Öko-Modellstadtteil Vauban, auf dessen Dächern ebenfalls zahlreiche Module in der Sonne blitzen. Und mittendrin, am Eingang zum Vauban-Viertel, ragt seit einigen Monaten das „Green City Hotel Vauban“ in die Höhe – entworfen und gebaut vom Berliner Architekturbüro Barkow Leibinger im Auftrag der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Freiburger Stadtbau.

Das neue Hotel bildet das Entree zum Viertel und den städtebaulichen Abschluss eines Platzes, insofern spielt die Architektur an dieser Stelle eine wichtige Rolle. Ein charakteristisches Merkmal des Hotels und des benachbarten Wohngebäudes, das mit dem Hotel eine architektonische Einheit bildet, sind die in verschiedene Richtungen geneigten Dachflächen, die dem Gebäudeensemble ein markantes Profil geben und zugleich zwischen den unterschiedlichen Höhen der umgebenden Bebauung vermitteln sollen.

Gemäß den städtebaulichen Vorgaben waren diese Dachflächen entweder zu begrünen oder mit einer Photovoltaikanlage auszustatten. Eine Dachbegrünung schied aus architektonischen Gründen aus: Diese hätte die klaren Dachformen des Entwurfs gestört, wie der für das Projekt zuständige Architekt Lukas Weder erklärt. Zudem war bereits eine Begrünung der Fassade vorgesehen. Somit war die Entscheidung pro Photovoltaik gefallen. Allerdings kamen weder aufgeständerte Module noch komplett mit Solarglas belegte Dachflächen in Frage, denn die Architekten wollten sich bewusst von der „technoiden“ Anmutung der vielen Modulflächen in der Umgebung absetzen. Man entschied sich schließlich für ein Aluminium-Stehfalzdach mit dachbündig aufgeklebten Dünnschichtlaminaten. Diese Lösung wurde sowohl auf dem Hotel als auch auf dem Wohngebäude realisiert. Auf beiden Gebäuden kam so eine Modulfläche von 293 Quadratmetern mit einer Leistung von 17,8 Kilowatt zusammen, davon 10,5 Kilowatt auf dem Hotel. Kalkuliert wurde ein jährlicher Stromertrag von rund 16.000 Kilowattstunden.

Grün statt Solarfassade

Während die verfügbaren Dachflächen – auch diejenigen mit Nordausrichtung – allesamt für die Photovoltaik ausgenutzt wurden, verzichteten die Architekten auf eine Belegung der nach Süden ausgerichteten Hauptfassade mit weiteren Modulen, denn diese hätten die gewünschte „Lowtech“-Anmutung des Gebäudes beeinträchtigt. Statt mit Photovoltaik wurden die Süd- und Westfassaden mit Holzlamellen verkleidet und mit einer Stahlseilbespannung für Kletterpflanzen unterschiedlicher Arten versehen. Diese sollen „als vertikaler Garten“ im Laufe der Zeit die gesamte Fassadenfläche bedecken und so im Sommer für eine natürliche Verschattung und Kühlung des Gebäudes (Verdunstungskälte) sorgen. Im Winter, wenn das Laub abgefallen ist, wird hingegen die solare Einstrahlung durch die raumhohen Fenster ausgenutzt.

Auch unter ästhetischen Gesichtspunkten fügt sich das „Holzhaus mit begrünter Fassade und einer bewegten Dachlandschaft“, wie Lukas Weder den architektonischen Entwurf beschreibt, gut in Freiburgs Ökoviertel ein, in dem es viel Grün und auch zahlreiche Häuser mit Holzfassade gibt. Aber nicht nur hinsichtlich der Architektur und der Energieeffizienz sollte das Green City Hotel Zeichen setzen, sondern auch beim Betreiberkonzept, das in der Freiburger Öffentlichkeit als das eigentlich Herausragende des Projekts wahrgenommen wird. Von den 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hotels haben zehn geistige, körperliche oder psychische Einschränkungen und wären somit auf dem Arbeitsmarkt nur schwer vermittelbar. Solche integrativen Betriebe sind noch rar gesät und praktisch nur mit finanzieller Unterstützung – in diesem Fall vonseiten der Aktion Mensch und des Kommunalverbandes Jugend und Soziales – realisierbar.

Keine Anlage wie jede andere

Zurück aufs Dach zur Photovoltaikanlage: Eigentlich schade, dass man diese nur vom benachbarten Hochhaus oder den umliegenden Schwarzwaldhügeln aus entdecken kann, denn Anlagen in dieser Form sieht man nicht häufig. „Das war das erste Mal, dass ich so eine Lösung umgesetzt habe“, bestätigt Thomas Krüger vom Esslinger Ingenieurbüro Paul & Gampe & Partner, der die Bauleitung für die Haustechnik innehatte. Zum Einsatz kamen Silizium-Dünnschicht-Laminate, die auf das fertige Aluminium-Stehfalzdach flächig aufgeklebt wurden. Sie passen sich der Dachform, wie es im Prospekt des Dachherstellers Prefa heißt, „wie eine zweite Haut“ an, sodass das charakteristische, scharfkantige Erscheinungsbild des Stehfalzdaches nicht gestört wird. Ein weiterer Vorzug des Systems, das als Komplettpaket unter dem Produktnamen „Prefalz Solar“ vertrieben wird, ist, dass für die Montage keinerlei Dachdurchdringungen erforderlich sind.

Die Laminate stammen vom US-amerikanischen Hersteller United Solar Ovonic, kurz Unisolar. Es gibt sie in zwei Standardlängen, mit 2.849 und 5.485 Millimetern, mit 68 oder 136 Watt Leistung (Produktbezeichnung PVL-68 T beziehungsweise PVL 136 T). Mit ihrer Breite von 394 Millimetern passen sie exakt zwischen die Falze des Aluminiumdaches. Das kurze Modul enthält elf in Reihe geschaltete Triple-Junction-Solarzellen aus amorphem Silizium mit einer Fläche von 356 x 239 Millimetern, beim langen Modul sind es 22. Die Zellen sind auf eine flexible Edelstahlfolie aufgebracht und samt der Trägerfolie in ein dauerelastisches, UV-beständiges Polymer (ETFE) eingebettet, das sie vor Witterungseinflüssen schützt. Der Verbund hat eine Dicke von nur 2,5 Millimetern. Auf dem Green City Hotel und seinem Schwestergebäude wurden 102 kurze und 80 lange Module verlegt. Ans Netz angeschlossen wurden sie über sechs Wechselrichter vom Typ Delta Solivia mit einer Leistung von 2,5, 3,0 beziehungsweise 3,3 Kilowatt, je nach Stranglänge. Denkbare Alternativen zur Volleinspeisung – etwa eine Eigenverbrauchslösung mit Energiespeicher zur Deckung des Strombedarfs der Klimaanlage und der Küchengeräte – wären sicher interessant gewesen, wurden aber aus Kostengründen nicht weiter verfolgt. Im Rahmen des energetischen Gebäudekonzeptes war die aktive und passive Nutzung der Sonnenenergie ohnehin nur ein Baustein von mehreren.

Knapp über Passivhausstandard

Im Vordergrund standen die Dämmung der Gebäudehülle und die Energieeffizienz der Haustechnik. Alle 48 Zimmer sowie die Suite im obersten Stockwerk sind an eine kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung angeschlossen, nur im Erdgeschoss, wo sich das Foyer, der Frühstücksbereich sowie ein Konferenzraum befinden, wurde eine klassische Split-Klimaanlage installiert. „Auch ein Vorzeigeprojekt muss sich noch rechnen“, erklärt Lukas Weder diesen Kompromiss. Deshalb – und wegen des hoteltypisch hohen Warmwasserverbrauchs – verfehlt das Hotel knapp das Passivhausniveau, das beim benachbarten Wohngebäude erreicht wird (sogenannter Freiburger Effizienzhausstandard 40). Ergänzend zu der über die Lüftung zurückgewonnenen Wärme werden die Räume über Wandflächenheizungen beheizt, sichtbare Heizkörper gibt es im ganzen Haus keine. Die Wärme wird vom Blockheizkraftwerk im Viertel geliefert, das mit Holzhackschnitzeln und Biogas betrieben wird. Im Vergleich zu anderen im Vorfeld geprüften Lösungen erschien der Anschluss an dieses Nahwärmenetz als die effizienteste Lösung.

Mit einem kalkulierten jährlichen Solarertrag von rund 9.500 Kilowattstunden wird die Photovoltaikanlage zumindest einen Teil des Jahresstrombedarfs des Hotelbetriebs – nach den Berechnungen im Energieausweis etwa 20 Prozent des Gesamtbedarfs beziehungsweise 80 Prozent des Strombedarfs der Klimaanlage – kompensieren. Dank der Triple-Junction-Technologie erreichen die Unisolar-Module einen Wirkungsgrad von 6,1 Prozent und können zudem diffuses Licht verschiedener Wellenlängenbereiche gut ausnutzen, sodass der gegenüber kristallinen Zellen geringere Wirkungsgrad teilweise kompensiert wird. So gibt es nach der Berechnung von Prefa-Anwendungstechniker Konrad Hanf nur etwa zehn Prozent Minderertrag auf den nach Norden ausgerichteten Dachflächen.

Diese sind mit neun Grad auf dem Hotel und sieben Grad auf dem Wohnhaus allerdings nur gering geneigt, während die nach Süden ausgerichteten Dachflächen mit 22,9 Grad beziehungsweise 17 Grad etwas steiler sind.

Speziallösung für flache Metalldächer

„Wir haben unsere Photovoltaiklösung speziell für flach geneigte Metalldächer bis etwa 20 Grad konzipiert“, erklärt Hanf. „Die dachbündige Aufbringung vermeidet die hohen Windlasten, wie sie bei aufgeständerten Modulen auftreten können, die sich dann unter Umständen vom Dach lösen oder den Falz zerreißen können.“ Dass sich die Laminate bei Wind und Wetter vom Dach lösen könnten, schließt er aus: „Die Klebekraft beträgt 800 Kilogramm pro Quadratmeter.“ Außerdem sei das Konzept ästhetisch ansprechend: „Man kann die Farbe des Daches so anpassen, dass man die Photovoltaikanlage kaum vom Untergrund unterscheiden kann. Dieser Aspekt steht für die Architekten oft im Vordergrund.“

Die einzige gestalterische Einschränkung ist, dass es die Laminate nur in zwei fixen Längen gibt und nicht als beliebig zuschneidbare Meterware. Ein weiterer Vorteil im Vergleich zu kristallinen Modulen ist das geringe Gewicht der Laminate von circa 1,4 Kilogramm pro laufendem Meter, sodass sie bei der statischen Auslegung des Daches praktisch keine Rolle spielen. Auch die thermische Ausdehnung des Aluminiumdaches bei starker Sonneneinstrahlung stellt laut Konrad Hanf kein Problem dar: zum einen sei der Klebstoff elastisch, zum anderen hätten die Laminate in etwa dieselbe Längenausdehnung wie die Dachscharen selbst.

Unauffällig und änderungsfreundlich

Prefa richtet sich mit seinem System aber nicht nur an Architekten, die auf eine dezente Photovoltaiklösung Wert legen, sondern auch an Metallbaubetriebe: „Unser Produkt Prefalz Solar stellt ein weiteres Standbein für den Spengler dar, wenn er ein Aluminium-Stehfalzdach verlegt“, erläutert Konrad Hanf die Vertriebsstrategie. Als aktuelle Modulkosten inklusive Generatoranschlusskästen und Verkabelung gibt er 1.700 bis 1.800 Euro pro Kilowatt (netto) an. Laut Bauleiter Thomas Krüger lagen die Gesamtkosten der anschlussfertigen Anlage inklusive Wechselrichter und Zählerplätzen bei 2.500 Euro pro Kilowatt (ebenfalls netto). Auch nach der Insolvenz des Modulherstellers Unisolar im letzten Jahr geht man bei Prefa davon aus, die Lösung weiterhin anbieten zu können, da geeignete Photovoltaiklaminate auch von anderen Herstellern verfügbar seien. Zurzeit gebe es ohnehin noch genügend Lagerbestände.

Zwischen Photovoltaik und Architektur gibt es seit jeher eine konfliktträchtige Beziehung. Viele Architekten wollen ihre Entwürfe nicht mit grobschlächtigen Modulen „verschandeln“. Beim Green City Hotel Vauban ist es gelungen, eine unauffällige Lösung, die mit der Architektur des Gebäudes harmoniert, zu realisieren.

„Besonders wichtig war uns, dass die Photovoltaik die Dachform nicht zerstört“, betont Lukas Weder vom Architekturbüro Barkow Leibinger. „Gebäude sind deutlich langlebiger als Photovoltaikanlagen und sollten daher nicht von diesen dominiert werden.“ Im klassischen 30-Grad-Winkel aufgeständert wirkten Solarmodule bei anderen Bauten hingegen häufig als Fremdkörper.

Außerdem sei das gewählte System besonders änderungsfreundlich: „Die Laminate lassen sich jederzeit wieder lösen, ohne den Untergrund zu beschädigen, und durch neue ersetzen, sollte es irgendwann einmal leistungsfähigere Ausführungen geben“, so Weder. Aus architektonischer Sicht ideal wären frei zuschneidbare Laminate, mit denen man das Dach ganzflächig belegen könnte – dies würde die solare Haut perfekt machen.

http://www.hotel-vauban.de

Daten der Anlage

Auf dem Green City Hotel

  • Gesamtleistung der Anlagen auf Hotel und Wohngebäude: 17,8 Kilowatt
  • Kalkulierter jährlicher Stromertrag: 16.000 Kilowattstunden
  • 182 Silizium-Dünnschichtlaminate von Unisolar
  • Sechs Wechselrichter Delta Solivia
  • Projektierung: Prefa/Paul & Gampe & Partner/Barkow Leibinger
  • Installation: Maurer & Kaupp Metalltechnik
  • Fertigstellung: November 2012

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