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Kampf für Windmühlen

Albert Fink fühlt sich in den vergangenen Jahren immer mehr wie Cervantes‘ Romanfigur des Landadeligen Don Quijote. Der führte im 17. Jahrhundert in der spanischen Provinz Castilla-La Mancha einen ausweglosen Kampf gegen Windmühlen. „Ich kämpfe für Windmühlen“, sagt Fink. Das ist der kleine Unterschied. Er leitet einen Meisterbetrieb für Heizung und Sanitär in Bingen, bereits in zweiter Generation. Sein Vater gründete den Betrieb 1962, heute heißt die Firma Albert Fink Regenerative Energie. Im Oktober 2013 hat er nun die erste Kleinwindakademie in Rheinland-Pfalz eröffnet. Seit knapp fünf Jahren beschäftigt sich Fink mit Kleinwindanlagen und ärgert sich über Behörden und Beamte, die seiner Meinung nach das geltende Baurecht der Landesbauordnungen nicht richtig kennen oder verstehen. „Da braucht man schon einen langen Atem“, resümiert der 52-jährige Heizungsinstallateur. In seiner Stimme schwingt dabei der typisch sympathische Singsang der Rheinhessen-Region mit.

Windertrag kann stark schwanken

Im Saarland werden Kleinwindanlagen aktuell mit bis zu 1.600 Euro von der Landesregierung gefördert. „Die Genehmigung der Kleinwindanlagen sollte einfach sein, ist sie aber nicht“, so Fink. Auf eigene Kosten zieht er schon mal vor den Kreisrechtsausschuss, um die Genehmigung für eine kleine Windanlage durchzuboxen. Das bedeutet aber auch, dass die Genehmigung sich wie im letzten Fall um ein Jahr verzögert. Am Ende hätte er eine Entschädigung von 4.000 Euro erhalten. Aber das Geld will Fink gar nicht; er will nur seine Windmühlen aufstellen. Denn die Kosten für seine Entschädigung trägt die Allgemeinheit, so wie private Stromverbraucher und Mittelständler durch eine steigende Erneuerbare-Energien-Umlage (EEG) belastet werden. Sieben genehmigte Anlagen gebe es inzwischen im Bundesland Rheinland-Pfalz, viele weitere hängen irgendwo in der Warteschleife, vermutet Fink.

Wer sich heute mit kleinen Windmühlen beschäftigt, ist meist ein Überzeugungstäter, denn auf eine üppige EEG-Vergütung muss er verzichten. Die Anlage kann sich nur über den Eigenverbrauch rentieren. „Zu Kleinwind gehört eine grüne Seele“, spricht Fink aus Überzeugung. Was viele nicht wissen: Der Windertrag kann selbst von Jahr zu Jahr deutlich stärker schwanken als bei der Photovoltaik. „Auf drei gute Windjahre kann ein schlechtes folgen, das lässt sich nur bedingt vorhersagen“, erzählt Fink aus seinem Erfahrungsschatz. Die Messgenauigkeit liege bei rund 70 Prozent, bei Photovoltaik lägen die Daten dagegen bei einer Genauigkeit von über 95 Prozent. Aufgrund der stärkeren Stromerträge im Herbst und Winter eignet sich eine Windmühle als Pendant zu einer Photovoltaikanlage, die im Sommer auf Hochtouren einspeist.

So ein Hybridsystem hat Fink neben seiner Akademie in Allenbach im Naturpark Saar-Hunsrück rund 90 Kilometer von Bingen entfernt aufgestellt. Rund 20 Meter neben der Akademie befindet sich das Kleinwindrad Antaris mit 3,5 Kilowatt Nennleistung, auf dem Dach ist zusätzlich eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 3,5 Kilowatt installiert. Der schöne Naturpark eigne sich auch dafür, ein Seminar mit einem Wochenendausflug zu verbinden, um die grüne Seele zu entspannen. Die ersten im Oktober geplanten Seminare musste Fink gesundheitsbedingt absagen. „Die Nachfrage ist aber da“, fühlt er sich bestätigt.

Niemals auf dem Hausdach

Bei der Installation der Kleinwindanlagen gibt es einiges zu beachten – viel Stoff für die Seminare. Beispielsweise sollten Anlagen immer auf einem separaten Mast aufgestellt werden, niemals auf dem Hausdach, rät er. Es sei einfach kaum abzuschätzen, welche Kräfte oder Windströme herrschten. Fink hat viele Anlagen getestet, bevor er sich für ein Windrad der Firma Braun aus Nauroth im Westerwald entschied. „Einerseits läuft die Anlage zuverlässig, und zweitens kommt der Kleinwindanlagenhersteller Braun aus der Region“, argumentiert der Installateur. Falls mal Ersatzteile gebraucht werden, sei das kein Problem. Bei einem Hersteller aus dem fernen Ausland werde das ganze schon komplizierter. Von rund 100 Anbietern auf dem unübersichtlichen Markt hält er 90 für unseriös, nur etwa zehn Hersteller würden die versprochene Leistung erbringen. Der Hersteller Braun baut die Windmühlen seit mehr als 20 Jahren und hat weltweit 1.100 Anlagen verkauft. Für den Nischenmarkt der Kleinwindanlagen ist das enorm. Auch in der Wüste bei den Saudis drehen sich die Anlagen aus Nauroth. Fink hat auch deshalb die Gebietsvertretung für die Firma Braun übernommen.

Neben der Installation muss auch auf Artenschutzrecht geachtet werden, wenn ein Windrad geplant wird. Vier bis fünf verschiedene Fledermausgutachten hat er schon von verschiedenen Experten in unterschiedlichen deutschen Regionen erstellen lassen. Jedes Mal war das Ergebnis dasselbe. „Es besteht keine Gefahr für die Fledermäuse“, so Fink. Er war auch persönlich als Nachteule unterwegs. Zusammen mit einem Biologen hat er sich in 20 Nächten auf die Lauer gelegt. In sieben Nächten hatte er Glück und bekam die Silhouetten einer Fledermaus zu sehen. Dort beobachtete er, dass die Nachtschwärmer meist nur etwa ein bis zwei Meter über dem Boden flogen, um Nahrung zu suchen. Eine Flughöhe über Straßenlaternenniveau konnte demnach nicht festgestellt werden, und die Fledermaus meidet den Bereich von rund fünf Metern um die Anlage. Eine Kleinwindanlage befindet sich meist in einer Höhe von 7 bis 20 Metern. Bis heute sei keine tote Fledermaus in einer Kleinwindanlage gefunden worden, berichtet Fink.

Vertikalläufer mit weniger Leistung

Für die Form einer Windanlage hat Fink klare Vorstellungen. Nicht umsonst seien alle Megawattturbinen horizontal angebracht, obwohl das für die Statik der Anlage weitaus anspruchsvoller sei. Die Vertikalläufer bringen im Schnitt mindestens zehn Prozent weniger Leistung. „Optisch sind das tolle Anlagen, die die Aufmerksamkeit der Leute auf sich ziehen“, so Fink. „Aber wenn Sie mal nachrechnen, was die Anlage an Leistung auf dem Prospekt erbringen soll und was sie tatsächlich leistet, liegen oft Welten dazwischen.“ Der Handwerksmeister kann nur einen Rat geben: „Erkundigen Sie sich nach drei Referenzkunden, bei denen die Anlage steht. Da werden Sie schnell merken, wenn die Hersteller und Vertreiber sich in Ausflüchten verlieren, warum die Anlage nur so wenige Kilowattstunden produziert.“ Für die Antaris-Anlage komme er sofort auf fünf Referenzkunden. Natürlich gebe es daneben auch ein paar weitere gute Anlagen von anderen Herstellern, räumt er ein. Kleinwindanlagen sollten jedoch eine gewisse Mindestgröße haben, denn alle Angaben sind Volllastangaben – im Binnenland herrschen jedoch nur Winde zwischen zwei und sechs Metern pro Sekunde. Mit einer Anlage mit einem Kilowatt könne höchstens eine Spielzeugeisenbahn betrieben werden, veranschaulicht Fink.

Neues Seminar im Januar

Eine neue Seminarrunde in der Kleinwindakademie ist im Januar 2014 geplant. Die Kurse umfassen neben Genehmigungsverfahren auch die Standortbeurteilung und Windmessung sowie die Auswahl von Windgeneratoren. Ebenso werde auf die Auslegung des gesamten Systems geachtet und auch auf den Artenschutz werde entsprechend eingegangen – auch wenn keine nächtlichen Exkursionen zur Beobachtung von Fledermäusen geplant sind. Der genaue Inhalt hängt auch von den Teilnehmern und deren Kenntnissen ab. Bei Fachleuten wie Installateuren werde auch auf die Steuerungstechnik eingegangen, also die Einbindung der Kleinwindanlage in ein Gesamtsystem mit einem Speicher. Dieser werde als Puffer mittels Heizstab eingebunden. Es sei zwar nicht optimal, mit Strom zu heizen, wie es meist die Nachbarn in Frankreich mit Atomstrom machen, aber immerhin liegen Wärmebedarf und Heizkosten deutlich über der Stromnachfrage von Haushalten und auch vielen Unternehmen.

600 Euro für die Genehmigung

Besonders hoch sind auch die Anforderungen an einen Wechselrichter bei einer Kleinwindanlage im Vergleich zu einer Photovoltaikanlage. Bei Wind muss der Stromumwandler viel schneller reagieren. „Wichtig ist es, die Leistungskurven des Generators mit dem Wechselrichter abzustimmen“, erklärt Fink. Sprich, es muss immer wieder beobachtet und nachjustiert werden, um möglichst hohe Erträge aus dem Wind herauszuholen.

Den Hauptfokus legt der Heizungsinstallateur aber immer wieder auf das Thema, das ihn umtreibt: die Genehmigungsverfahren. In das Landesbauordnungsrecht und den Winderlass hat er sich nach Feierabend und am Wochenende in den vergangenen Jahren gut eingearbeitet. Fazit: Die Genehmigungen müssten radikal vereinfacht werden, um dem Nischenmarkt auf die Beine zu helfen.

Es ist wichtig zu wissen, wie eine Kleinwindanlage richtig angemeldet wird: nämlich als „Anlage zur energetischen Gebäudeversorgung“, erklärt Fink. Aus der Baubeschreibung würde sich dann schließlich ergeben, dass es sich um eine Kleinwindanlage handelt. Die Beschreibung muss ebenso wie der Plan der Anlage und ein Lageplan eingereicht werden. „Mit rund 600 Euro für die Genehmigung muss der Antragsteller schon rechnen“, sagt Fink aus Erfahrung. Aber das sei alles bezahlbar. Viel schlimmer findet er es, dass viele seiner Kollegen immer noch unbedarft „Kessel“ einbauen und gar nicht durchrechnen, ob sich eine Photovoltaikanlage oder eine Wärmepumpe rentieren. Seit fünf Jahren baut Fink Photovoltaikanlagen immer in Verbindung mit einer Wärmepumpe für Warmwasser, um den Eigenverbrauch von Sonnenstrom auf 50 bis 70 Prozent zu erhöhen – und das ohne Speicher.

Autarke Deckung des Energiebedarfs

So betrachtet, hat Albert Fink wenig mit Don Quijote gemein, der vergeblich gegen die drohende Modernisierung kämpft – im Gegenteil. Fink will die Energiewende und damit moderne Versorgungssysteme vorantreiben. „Eine autarke Deckung des Energiebedarfs von Eigenheimen mit Erneuerbaren ist heute – bei entsprechender Kombination aus Windkraft- und Photovoltaikanlage gepaart mit Wärmepumpe und Stromspeicher – schon problemlos möglich.“

https://albertfinkbeepworld.beepworld.de/

Themendossier

Mehr Praxis: Kleinwindkraft

Für unsere Abonnenten haben wir auf unserer Homepage ein Themendossier aufgebaut. Dort finden Sie alle Informationen, die wir seit Mai 2013 über die Kleinwindkraft gesammelt haben. Das Dossier wird kontinuierlich gepflegt und erweitert. Außerdem stehen Ihnen zum kostenlosen Download bereit: eine Liste der wichtigsten Anbieter und Beispielrechnungen für die Amortisation verschiedener Kleinwindturbinen.

Der Zugang ist nur für Abonnenten möglich, die sich über ihre Zugangsdaten einloggen können. Die Daten finden Sie auf dem Adressaufkleber auf Ihrem persönlichen Exemplar der photovoltaik.

KLEINWIND UND PHOTOVOLTAIK

Das Duo für den Eigenverbrauch

Innerhalb weniger Jahre hat sich die Photovoltaik zu einer erprobten und bekannten Generatortechnik für das Eigenheim oder den Gewerbebetrieb entwickelt. Die Chancen der Kleinwindkraft sind vielen Planern und Installateuren hingegen noch zu wenig bekannt. Die Vorteile im Überblick:

Der meiste Wind weht im Herbst und im Winter, wenn die Solarerträge aus der Photovoltaik aufgrund der sinkenden Sonnenstände und der kürzeren Einstrahlungsdauer stark zurückgehen. Die Kennlinien beider Generatorsysteme ergänzen sich in der Regel im Jahresverlauf sehr gut.

Windstrom wird auch nachts erzeugt, wenn die Solaranlage schläft. Das bedeutet: Zur Eigenstromversorgung kann die Pufferbatterie kleiner gewählt werden, als wenn es sich nur um eine Photovoltaikanlage handelt. Dadurch sinken die Systemkosten der gesamten Stromerzeugung am Gebäude.

Windstrom steht auch in der Heizperiode zur Verfügung, was für Sonnenstrom meist nicht zutrifft. Das Duo aus Windkraft und Photovoltaik erlaubt die elektrische Vollversorgung eines Gebäudes über das ganze Jahr.

Allerdings erfordert die Planung und Installation einer Kleinwindkraftanlage ebenso viel Sorgfalt wie bei einer Photovoltaikanlage.

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