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Hängepartie um Solarschrott

Anderthalb Jahre hatten die Beamten des Bundesumweltministeriums Zeit, die neue EU-Richtlinie zum Elektroschrott (WEEE) in nationales Recht umzusetzen. Passiert ist nichts, nicht einmal ein Entwurf liegt auf dem Tisch. Eigentlich hatte die EU eine Frist gesetzt: Bis Februar 2014 sollte die neue Verordnung in Kraft treten, die auch ausrangierte Solarmodule als Elektroschrott klassifiziert.

Nun ließ das Ministerium verlauten, dass frühestens Ende dieses Jahres ein Entwurf vorliegen könnte. Schuld sei die außergewöhnlich lange Regierungsbildung im Herbst. „Die neuen Vorschriften zum Recycling von Elektrogeräten werden wohl erst Ende 2014 oder gar Anfang 2015 kommen“, bestätigt auch Andreas Wade, beim amerikanischen Modulhersteller First Solar für das Recycling zuständig. First Solar ist derzeit der einzige Hersteller, der eine eigene Verwertungsanlage betreibt, in Frankfurt an der Oder. „Das ist für die Photovoltaikindustrie eine ziemlich schräge Situation. Deutschland ist der größte Photovoltaikmarkt der Welt, unsere Politiker haben das Recycling der Altmodule auf EU-Ebene jahrelang in die Debatte gedrückt.“

Nun machen uns Großbritannien und Frankreich vor, wie man das Modulrecycling in die Altgerätegesetze integriert. Beide Länder legten fristgerecht die neuen Regeln fest. „Wir in Deutschland haben noch nicht einmal einen Gesetzentwurf, um die europäische WEEE-Richtlinie in unsere nationalen Gesetze zu überführen“, kritisiert Wade.

Die Beamten spielen Mikado, doch langsam wachsen die Modulberge. Allerdings ist das Problem noch nicht wirklich drückend. „Bis zum Jahr 2020 werden die jährlichen Rücklaufquoten unter 10.000 Tonnen bleiben“, rechnet Wade vor. „Ein signifikanter Anstieg ist erst danach zu erwarten.“ In Deutschland wurden bisher mehr als 30 Gigawatt Photovoltaikleistung installiert, das entspricht rund drei Millionen Tonnen Solarmodulen. Wade prophezeit: „Weil sie sehr langlebig sind, wird ein nennenswertes Recyclinggeschäft erst im nächsten Jahrzehnt zu erwarten sein.“

Langsam wachsen die Modulberge

Die EU-Richtlinie gibt einige Regeln vor, um den Markt der Altmodule in Schwung zu bringen. Denn darum geht es: Die wertvollen Rohstoffe nach dem Ende der Lebensdauer zurückzugewinnen: Silizium, Metalle der Kontaktierung und der Rahmen, Glas. Klar ist bereits: Alle Anbieter von Solarmodulen auf dem deutschen Markt müssen sich bei der Stiftung EAR (Stiftung Elektro-Altgeräte Register) registrieren lassen und am Entsorgungssystem teilnehmen. Klar dürfte auch sein, dass damit erhebliche Kosten auf die Modulhersteller und die Importeure zukommen. Unklar ist noch, ob die Solarmodule eine eigene Sammelnummer erhalten. Oder ob sie mit anderen elektronischen Produkten gemischt gesammelt werden. „Wir setzen uns dafür ein, Solarmodule getrennt von Fernsehern oder Geräten der Unterhaltungselektronik zu erfassen und zu sammeln, denn sie entscheiden sich in Aufbau und Lebensdauer signifikant“, erläutert Andreas Wade. „Dafür brauchen wir spezielle Paletten oder Container. Die Solarmodule getrennt zu sammeln, könnte die Logistik und die Recyclingverfahren nach vorn bringen.“

Auch der Branchenverband PV Cycle favorisiert diese Lösung. Bisher war die Initiative vor allem in Brüssel tätig. Nun spaltet sie sich in nationale Gesellschaften auf, denn künftig wird jedes EU-Land eigene Vorschriften für die Altmodule haben. Diese Umstrukturierung von PV Cycle ist notwendig, um der Branche schnell ein funktionierendes Verwertungssystem an die Hand zu geben. Sitz der Gesellschaft ist München. Der Hauptsitz in Brüssel wird weiterhin alle Anfragen zur Sammlung und zum Recycling bearbeiten.

PV Cycle baut neue Struktur auf

Bisher hat PV Cycle insgesamt rund 4.000 Tonnen Altmodule behandelt. Die Metallrahmen wurden entfernt, der Glas-Laminat-Verbund wanderte in den Schredder und ins Altglas. PV Cycle hat auch einen Sammelcontainer entwickelt, um die Altmodule auf kommunalen Recyclinghöfen aufzunehmen. Wohlgemerkt: In Österreich und der Schweiz gelten andere Bestimmungen.

Branche fordert eigene Sammlung

Solarmodule haben eine lange Lebensdauer, mit 20 oder mehr Jahren. Dieser Zeitraum ist durch die Garantie der Hersteller abgedeckt, wenn nicht sogar ein längerer. „Fernsehgeräte oder DVD-Player sind viel kurzlebiger. Auch ist bei ihnen der Markt bereits gesättigt“, analysiert Andreas Wade von First Solar. „Wer einen neuen Fernseher kauft, wirft den alten in der Regel weg. Bei Solarmodulen ist der Markt sehr volatil, weil er derzeit noch von der politischen Förderung abhängt.“

Das hat die Branche in Spanien, Tschechien und zuletzt in Deutschland erlebt. Deshalb wird es schwer sein, die Rücklaufquoten in den ersten Jahren annähernd genau vorherzusagen.

Die EU-Kommission hat Sammelziele definiert, die sich am Gewicht der in Verkehr gebrachten Geräte ausrichten. First Solar erwartet von den deutschen Behörden, die Auflagen zu verschärfen. Denn die Masse des Moduls machen die Gläser aus. Im Silizium steckt jedoch eine Menge Energie, die man zur Schmelze des Quarzsands, zur Fertigung der Ingots und Wafer benötigt. Sie wird weggeworfen, denn derzeit macht sich niemand die Mühe, die Siliziumschnipsel von den Scherben zu trennen. Alles wandert in die Glasschmelze.

First Solar gewinnt in der Hammermühle in Frankfurt rund 95 Prozent des Halbleiters Cadmiumtellurid aus seinen Altmodulen zurück. Für Silizium sind solche Quoten ebenfalls möglich, wenn auch der Aufwand beträchtlich ist. Das haben Versuche bei Solarworld in Freiberg gezeigt. „Wir fordern, dass für das Recycling nicht nur Massenquoten gelten, sondern auch qualitative Vorgaben gemacht werden“, resümiert Andreas Wade. „Bisher landen kristalline Solarmodule meist im Glasschrott, weil das Silizium der Zellen kaum ins Gewicht der Altmodule fällt. Auch für die Metalle wären solche Vorgaben ökologisch und ökonomisch sinnvoll.“

Auch Silizium wieder verwerten

Denn hinter dem Recycling von elektronischen Geräten steht ja vor allem die Idee, wertvolle Rohstoffe wiederzugewinnen. Vielleicht kommt beim Beamtenmikado eine gescheitere Lösung heraus, als die Altmodule ins Altglas zu schicken. Jürgen Fuchs von der E-Bell Recycling GmbH hofft, dass sich die Beamten zu einem wirklich intelligenten Gesetzentwurf durchringen können. Denn nach 2020 werden die Modulberge schnell wachsen, weltweit. Dann hätte die deutsche Entsorgungswirtschaft die Chance, mit Recyclingtechnologie zu punkten. Schon jetzt heben die Metallpreise ab, was die Wirtschaftlichkeit des Verwertungsgeschäfts weiter antreiben dürfte.

Wie PV Cycle und First Solar will auch E-Bell beim neuen Abfallgesetz mitreden. E-Bell ist Tochter der Landbell AG aus Mainz. „Wir stehen im engen Austausch mit dem Ministerium über die Fortschritte bei der Umsetzung“, bestätigt Jürgen Fuchs. Auch er fordert eine eigene Sammelkategorie: „Die EU hat PV-Module in dieselbe Sammelkategorie wie Unterhaltungselektronik, wie zum Beispiel Fernseher, einsortiert. Das bedeutet, dass die Module im selben Container landen könnten.“ Im Sinne eines effizienten und umweltgerechten Recyclings sollten die Module jedoch möglichst unversehrt und nicht mit anderen Stoffen vermischt in den Recyclingbetrieben eintreffen. „Die Richtlinie erlaubt die Einrichtung einer eigenen Sammelkategorie.“

Solarparks als Gewerbeschrott

Fuchs regt an, die Sammlung von Altmodulen zu splitten: für die Betreiber von kleineren Anlagen und für große Solarparks. „Kleinanlagen können nach der Deinstallation durchaus zu kommunalen Sammelstellen transportiert werden“, meint er. „Großanlagen bestehen aus mehreren Tausend Modulen. Kommunale Sammelstellen haben nicht die Kapazitäten für deren Lagerung.“ Der Transport von der Abbaustelle direkt zum Recyclingdienstleister und damit die gewerbliche Entsorgung seien in diesem Fall sinnvoller.

Ein wirklich kniffliges Problem sind die Altmodule, deren Hersteller mittlerweile aus dem Markt ausgeschieden sind. „Das ist der sogenannte historische Abfall, für den – auch gemäß der neuen EU-Richtlinie – jeder Hersteller seit August 2005 individuell aufkommen müsste“, erklärt Wade von First Solar. „Diese älteren Module kommen zuerst in die Verwertung, deren Hersteller sind jedoch größtenteils längst aus dem Markt ausgeschieden. Dafür gibt es weder jemanden, der sie zurücknehmen könnte, noch jemanden, der dafür Rücklagen gebildet hat.“

Für eine solidarische Lösung der Branche stehen in Deutschland nur noch wenige Modulhersteller zur Verfügung. First Solar hat von Beginn an einen eigenen Recyclingprozess entwickelt und Rückstellungen gebildet. „Damit sind wir für unsere Module auf der sicheren Seite, ebenso unsere Kunden“, sagt Wade. „Wir wollen natürlich nicht, dass wir nun auch noch die Verwertung anderer Module mitfinanzieren müssen, deren Hersteller diese Vorsorge nicht getroffen haben. Ein Solidarpakt der Photovoltaik- beziehungsweise Elektronikbranche muss die Kosten fair verteilen.“

http://www.firstsolar.com

PV Cycle

Forschungsprojekt für mobile Verwertung

Im Oktober 2013 haben PV Cycle in Brüssel, die italienische La Mia Energia, die Universität in Florenz und das Leitat-Technologiezentrum in Spanien ein neues Forschungsprojekt gestartet. Gemeinsam wollen sie ein mobiles Recyclinggerät für Solarmodule (PV Morede) entwickeln. Bis 2016 soll die Technik in Deutschland, Spanien, Frankreich und Italien einsatzreif sein. PV Cycle will damit im Jahr bis zu 4.735 Tonnen Glas, 669 Tonnen Aluminium (Modulrahmen) und 7,6 Tonnen Kupfer (Kontaktierung) gewinnen. Die mobile Station soll die Verwertungskosten pro Tonne Altmodule um 40 Prozent senken. Die Entwicklung kostet rund 900.000 Euro. Eine Hälfte wird von den Partnern beigesteuert, die andere von der Europäischen Kommission.

https://pvcycle.org/

Kurz nachgefragt

„Die reellen Kosten kennt bislang niemand“

Was müssen die Hersteller und Importeure von Solarmodulen tun?

Oliver Friedrichs: Sie müssen eine insolvenzsichere Garantie für die Entsorgung nachweisen sowie sich und die jeweiligen Modultypen, gekennzeichnet mit der durchgestrichenen Mülltonne, bei der Stiftung Elektro-Altgeräte Register registriert haben. Bei der EAR sind die monatlich in Verkehr gebrachten Mengen zu melden. Als Hersteller gilt, wer Module erstmalig anbietet. Also nicht nur, wer über eine Produktionsanlage verfügt.

Was empfehlen Sie den Modulanbietern?

Es empfiehlt sich, das Regelwerk der Stiftung EAR anzuschauen. Ebenso die Bestimmungen für das Recycling von Elektro- und Elektronikgeräten im Elektrogesetz, die sinngemäß auch für Module gelten werden. Große Änderungen sind nicht zu erwarten. Die Mengenmeldung sollte rechtzeitig in die betrieblichen Abläufe integriert sein. Wer Module fremdländischer Hersteller bezieht, muss darauf achten, dass diese normgerecht gekennzeichnet sind. Weiterhin sollte man sich nach einem Dienstleister umsehen, der eine insolvenzsichere Garantie anbietet und bei den anstehenden Aufgaben unterstützt.

Sollte man jetzt einen Entsorgungsvertrag abschließen?

Nein. Noch sind die einzelnen Faktoren für die Berechnung des Garantievolumens nicht festgelegt. Ebenso ist offen, in welche Sammelgruppe die Module eingeordnet werden und welche Sammelbehälter zu verwenden sind. Daher sind reelle Kostenberechnungen derzeit nicht möglich.

Der Nachweis einer insolvenzsicheren Garantie ist Voraussetzung, dass man sich registrieren kann. Was muss man hierzu wissen?

Die Garantie ist als Verpflichtung aller Hersteller zu verstehen, für die Entsorgung von Altmodulen aufzukommen. Dabei übernimmt jeder, entsprechend seinem Anteil an den im Verkehr befindlichen Modulen, einen bestimmten Teil der gesamten Garantiesumme.

In welcher Form erfolgt die Garantie?

Diesen Beitrag kann man durch eine Sparbucheinlage leisten, mit dem Nachteil, dass versteuertes Kapital auf einem Sperrkonto liegt. Oder in Form einer Bankbürgschaft, für welche die Bank aber über Jahre Gebühren verlangt. Take-E-Way bietet eine Versicherung an, vergleichbar einer Haftpflichtversicherung. Sie ist in jedem Fall günstiger als eine Bürgschaft.

Welche Dienstleistungen bietet Take-E-Way außerdem?

Wir übernehmen die Registrierung und unterstützen beim Zusammenstellen hierfür notwendiger Unterlagen sowie beim Erfüllen der Kennzeichnungspflicht. Unser Internetportal für die Mengenmeldung ist direkt mit dem Register der Stiftung EAR verknüpft. Ein integrierter Algorithmus warnt vor Fristversäumnis, prüft die Plausibilität gemeldeter Mengen und errechnet laufend die zu entrichtende Garantiesumme. Die von der Stiftung EAR an den Hersteller erteilten Entsorgungsaufträge erledigen wir kostengünstig. Dazu kooperieren wir mit Logistik- und Verwertungsunternehmen.

Wie viel kosten diese Dienstleistungen?

Für deutlich unter einem Euro je Modul können wir von der Registrierung bis zur Modulentsorgung alle Aufgaben übernehmen. Neben den bereits genannten Faktoren hängt der genaue Betrag von zu entsorgenden Mengen sowie den Kosten für Transport und Recycling ab.

Das Gespräch führte Klaus Wagner.

E-Bell Recycling

Neuer Dienstleister für Altmodule

Mitte 2013 gründete die Landbell AG aus Mainz die neue Tochterfirma E-Bell Recycling, um Modulherstellern und Importeuren den kompletten Service für die Rücknahme und Entsorgung ausgedienter Solarmodule zu bieten. Landbell ist seit mehr als zehn Jahren im Recycling von Verpackungsmaterialien und Elektroaltgeräten unterwegs. Dieser Markt ist hart umkämpft. Das Unternehmen erwartet, dass die Rücklaufmengen der Solarmodule in den kommenden Jahren exponentiell steigen. Es will Überschüsse aus diesem Geschäft als Rückstellungen an die Kunden zurückgeben, in Form von Treuhandkonten. Damit werden die Kunden am Erfolg der Rücknahme und Verwertung ihrer ausgedienten Produkte direkt beteiligt.

https://landbell.de/

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