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Mit Gleichstrom statt Benzin

Zwischen den Solarmodulen taucht er plötzlich auf: Der zweisitzige Offroader sieht aus, als sei er einer amerikanischen Vorabendserie entsprungen. Doch wir sind nicht in Hollywood, sondern in Kielce. In der mittelpolnischen Stadt präsentiert das Institut für Elektromobilität (Komel) zusammen mit der Firma Eledriveco den kernigen Elektrojeep. „Komel hat das gesamte Management der Elektroenergie übernommen und liefert die Motoren. Wir haben die Batteriepacks entwickelt“, erzählt Mariusz Wnukiewicz, Marketingchef von Eledriveco. Die Lithium-Polymer-Zellen stammen vom südkoreanischen Anbieter Kokam, der seine Zellen in den USA fertigen lässt.

Im Gegensatz zu gängigen Lithium-Ionen-Akkus haben die Speicher eine höhere Energiedichte bei gleicher Entladungstiefe und gleicher Haltbarkeit. Bis zu 200 Wattstunden pro Kilogramm passen in die Zellen. Die Speicherdichte von Lithium-Ionen-Akkus liegt zwischen 100 und 150 Wattstunden pro Kilogramm.

Eledriveco kombiniert 36 der Kokam-Zellen zu Batteriepacks mit einer Kapazität von jeweils fünf Kilowattstunden. Zwei Packs sind im Buggy untergebracht. „Ein Batteriepack haben wir unter der Motorhaube platziert, ein weiteres liegt unter dem Sitz“, erläutert Wnukiewicz. „Außerdem haben wir das Lademanagement und das Temperaturmanagement für die Speicher entwickelt.“ Bis vor Kurzem war die Temperaturkontrolle das Alleinstellungsmerkmal des polnischen Herstellers. Inzwischen hat BMW nachgezogen, ein großer Konkurrent. Auch die Bayern verlängern die Lebensdauer der Fahrzeugakkus mit Temperaturmanagement. Dabei wird die Temperatur über das ganze Jahr und alle denkbaren Betriebszustände relativ stabil gehalten. „Im Winter heizen wir die Akkus auf, im Sommer werden sie gekühlt“, erklärt Wnukiewicz. „Dadurch halten die Akkus länger. Schließlich sind sie die teuersten Komponenten im Fahrzeug.“

Serienproduktion gestartet

Mehrere Jahre haben die Entwickler in den kleinen Buggy gesteckt. „Das hat viel Zeit und Geld gekostet“, sagt Wnukiewicz. „Vor ein paar Monaten sind wir in die Serienproduktion gegangen.“ In der kleinen Autoschmiede in Piastów, fünf Kilometer westlich von Warschau, montieren die Mitarbeiter von Eledriveco die elektrischen Buggys. Die Batteriepacks aus eigener Konstruktion und die bürstenlosen Gleichstrommotoren von Komel sind die wichtigsten Komponenten. Die Motoren leisten fast 15 Kilowatt, umgerechnet 20,2 Pferdestärken. Das reicht aus, um den fast 800 Kilogramm schweren Buggy auf 100 Stundenkilometer zu beschleunigen. Der Vorteil des Gleichstrommotors: Er entfaltet sein Drehmoment aus dem Stand und wird ohne DC-AC-Wandler aus der Batterie versorgt.

Inzwischen wurden 20 der kleinen Buggys verkauft, hauptsächlich in Polen. Auch andere Märkte hat das kleine polnische Unternehmen im Blick. Mittlerweile hat der Buggy auch die Zulassung für Europas Straßen. „Wir können das Auto in der gesamten EU verkaufen“, berichtet Wnukiewicz. „Die Käufer können mit maximal 100 Kilometern in der Stunde fahren, also auch auf der Autobahn.“

Der Offroader ist ein echter Hingucker, wenn er auf der Straße erscheint. „Der Besitzer kann damit zur Arbeit fahren und alle Erledigungen machen, für die er früher ein Auto mit Verbrennungsmotor benutzt hat“, sagt der Marketingchef aus Piastów. Die beiden Batteriepacks speichern genug Energie für eine Reichweite von bis zu 90 Kilometern. Das genügt für die tägliche Anwendung meistens aus. Immerhin 80 Prozent der Autofahrer legen mit ihrem Gefährt pro Tag weniger als 40 Kilometer zurück. Die Hälfte aller Autos wird für einen täglichen Arbeitsweg von unter zehn Kilometern genutzt. Oft liegen auch die Wege, die Solarteure zu ihren Kunden in der Region zurücklegen, innerhalb der Reichweite des kleinen Elektrobuggys. Der Preis: 18.500 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer.

Allerdings eignet er sich weniger, wenn der Installateur Solarmodule, Wechselrichter und Werkzeug mitnehmen muss. Da muss ein größeres Gefährt her. Das Angebot an Transportfahrzeugen mit elektrischem Antrieb ist sehr übersichtlich. Neben dem Renault Kangoo tummeln sich auf dem Markt nur die Kleinsttransporter von Citroen und Peugeot als serienmäßige Elektroautos. Auf diese Situation haben die beiden polnischen Partner reagiert. Sie bieten den Umbau eines Fiat Fiorino zum Elektroauto an. Der italienische Kleintransporter bekommt in Piastów vier der Batteriepacks, die auch in dem kleinen Buggy verwendet werden. Außerdem wird ein 90-Kilowatt-Motor eingebaut.

Transporter für das Handwerk

Mit diesen umgerechnet 122,4 Pferdestärken beschleunigt der Transporter auf maximal 150 Kilometer in der Stunde. Die Batterien verfügen über eine Speicherkapazität von 20 Kilowattstunden, das reicht für maximal 150 Kilometer. Die Batterien werden an verschiedenen Stellen im Auto verteilt: Zwei kommen unter die Ladefläche und ersetzen den früheren Benzintank. Ein Pack verstauen die Monteure im Laderaum. Das vierte Pack befindet sich unter der Motorhaube über dem Elektromotor.

An die normale Haussteckdose angeschlossen, sind die Batterien innerhalb von sieben Stunden vollständig aufgeladen. Drei Stunden dauert das Aufladen an einer öffentlichen Ladestation mit einer höheren Leistung. Mit einer geringeren Leistung von 60 Kilowatt und drei Batteriepacks mit einer Kapazität von 15 Kilowattstunden statten die Mitarbeiter in Piastów auch den Fiat Panda aus. Der schafft es damit auf 150 Kilometer in der Stunde und hat eine Reichweite von 140 Kilometern.

Das Konzept und das Marketing laufen zusammen mit einem Partner in der Schweiz. „Es ist auch möglich, diesen Autos auf deutschen Straßen zu begegnen“, sagt Lukasz Kubik, Designchef bei Komel. „Inzwischen haben wir 200 der umgebauten Fiat Fiorino und Fiat Panda in Deutschland, Österreich und der Schweiz verkauft.“ Allerdings bleibt fraglich, ob der Passant den elektrifizierten Fiat erkennen würde. Äußerlich unterscheidet er sich nicht von seinem fossilen Bruder.

Fossil betriebene Autos auf zeitgemäße Elektroantriebe umzurüsten, bietet auch das Hamburger Unternehmen Karabag an. Neben dem kleinen Fiat 500 sind auch größere Modelle im Programm. Die Palette reicht vom Fiat Fiorino mit Elektromotor über den elektrifizierten Kleintransporter Fiat Doblo, den Fiat Scudo (Vito-Klasse) zum elektrisch angetriebenen Transporter Fiat Ducato. Damit bietet Karabag Modelle in allen Größen und Gewichtsklassen bis vier Tonnen zulässigem Gesamtgewicht an. Inzwischen sind gut 500 Autos aus der Hamburger Werkstatt auf Deutschlands Straßen unterwegs. „Mittlerweile haben wir mehr Elektroautos auf die Straßen der Metropolregion Hamburg gebracht als alle großen deutschen Automobilkonzerne zusammen“, sagt Geschäftsführer Sirri Karabag selbstbewusst. „Allerdings bin ich sicher: Echte Akzeptanz wird die Elektromobilität nur erfahren, wenn alle Hersteller an einem Strang ziehen. Nur so können wir mit Vorurteilen wie etwa bei der Reichweite aufräumen.“

Karabag hat damit bereits angefangen. Der kleine Fiat 500 schafft 100 Kilometer Reichweite. Für den täglichen Gebrauch reicht das allemal aus. Der Strom wird in einer Batterie mit einer Kapazität von elf Kilowattstunden gespeichert, die in der Reserveradmulde untergebracht ist. Der Motor leistet 16,3 Kilowatt (22,2 Pferdestärken). Trotzdem schafft er es, den kleinen Stadtflitzer innerhalb von 8,5 Sekunden auf 50 Stundenkilometer anzuschieben. Am Ende erreicht das Auto eine Höchstgeschwindigkeit von 105 Kilometern pro Stunde, bevor der Motor abgeregelt wird. Die Batterie ist vergleichsweise schnell aufgeladen. An der normalen Haushaltssteckdose dauert die volle Aufladung der Batterie rund 5,5 Stunden. Innerhalb einer halben Stunde ist die Batterie so weit aufgeladen, dass das Auto 15 bis 20 Kilometer schafft.

Servicenetz für Gabelstapler

Karabag bietet nicht nur das Elektroauto von der Stange. Inzwischen hat das Unternehmen in Hamburg ein Kit entwickelt, mit dem sich nahezu jedes Auto zum Stromfahrzeug umrüsten lässt. Den Anfang machte ein Paket zur Elektrifizierung der legendären Käfer von Volkswagen. Das Kit funktioniert auch für jedes andere Auto, verspricht Karabag. Allerdings muss der Kunde etwas Geduld mitbringen, weil das Paket je nach Fahrzeugtyp angepasst werden muss. Wenn ausreichend Platz im Auto vorhanden ist, funktioniert es problemlos. Beim VW Käfer zum Beispiel musste Karabag lediglich den Flanschring an das Getriebe des Oldtimers anpassen. Am Ende liefert Karabag ein Bündel mit sieben Bauteilen aus. Dazu gehören der Elektromotor, die Batterie, das Ladegerät, ein Wechselrichter, eine Bioethanol-Heizung mit Tank und eine Multibox. In dieser befinden sich die Steuerung und die Sicherungen für das Batteriemanagement. Außerdem liegt der Lieferung eine sichere und einfache Bauanleitung bei. Damit sollte jede Autowerkstatt zurechtkommen.

Karabag hat für sein Konzept schwergewichtige Partner ins Boot geholt. Denn das eigentliche Problem der Elektromobilität ist der After-Sales-Service. Der normale Pannendienst ist nicht auf die Elektroautos vorbereitet. Dafür haben die Hamburger den Gabelstaplerriesen Still als Partner gewonnen. Mit 800 Partnern, Monteuren und Niederlassungen ist in Deutschland ein flächendeckendes Servicenetz vorhanden.

https://eledriveco.pl/

Karabag/Wemag

https://elektroauto.karabag.de

Komplettpaket mit Photovoltaik im Angebot

Vertriebspartner von Karabag ist der Schweriner Energieversorger Wemag. Zusammen mit Karabag bietet Wemag auch ein Komplettpaket mit Photovoltaikanlage und Solarstromspeicher an. „Durch die Kombination mit einer Photovoltaikanlage und einem Stromspeicher erreichen wir sogar Kostenneutralität zu einem konventionell betriebenen Fahrzeug“, erklärt Raymond See, Leiter der technischen Produktentwicklung bei Wemag. „Das ist Elektromobilität quasi zum Nulltarif.“ Die Schweriner haben die Rechnung aufgemacht: Nimmt der Kunde das komplette Paket, fallen inklusive Strom für den kleinen Fiat, die Solarstromanlage und den Speicher monatliche Kosten von knapp 510 Euro an. Im Vergleich dazu liegt der Preis für den Fiat 500 mit gleicher Ausstattung inklusive aller Nebenkosten wie Steuern und Versicherungen und Sprit bei monatlich 488 Euro. Allerdings geht der Energieversorger davon aus, dass der Benzinpreis weiter steigt. Damit ist der elektrische Fiat nicht teurer als sein fossiler Bruder.

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