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Nasszelle im Keller

Die Nordseeinsel Pellworm hat sich bereits mehrmals als Energievorreiter präsentiert. Auf der kleinen, grünen Insel bauten Techniker bereits 1983 den damals größten Solarpark in Europa. Die Solarmodule von AEG verfügten über einen Wirkungsgrad von acht Prozent. Immerhin 240 Megawattstunden erzeugten die Module jährlich. Später erweiterten Techniker das Sonnenkraftwerk zu einem Hybridkraftwerk mit einer Windkraftanlage – rechtzeitig bevor der Vorläufer des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes, das Stromeinspeisegesetz, 1991 in Kraft trat.

Nun sind die rund 1.600 Insulaner wieder vorneweg. Das Projekt „Smart Region Pellwom“ soll Stromerzeugung und Verbrauch vor Ort energietechnisch zusammenbringen. Auf der Insel soll ein Stück Energiezukunft entstehen. Denn die Insel produziert über das Jahr gerechnet dreimal mehr Kilowattstunden, als sie verbraucht – der Rest geht übers Stromnetz zu Verbrauchern auf dem Festland. Und da Sonne und Wind nicht immer zuverlässig liefern, muss ein Batteriekraftwerk den Inselbedarf absichern.

„Wir wollen Stromerzeugung und -verbrauch so koppeln, dass das Energiesystem besser genutzt wird und dadurch leistungsfähig sowie bezahlbar bleibt“, verspricht Matthias Boxberger bei der feierlichen Eröffnung im September 2013. Er ist Vorstand beim Netzbetreiber Schleswig-Holstein Netz. Je erfolgreicher dieses Projekt sei, desto mehr Energie könne vor Ort verwertet werden. Und desto weniger abhängig sei die Insel von Energietransporten über Hunderte von Kilometern, erläutert Boxberger. Das Konzept eines Batteriekraftwerks ist eine Innovation. Das französische Unternehmen Saft lieferte die Lithium-Ionen-Batterie. Das Unternehmen Gildemeister Energy Solutions mit Sitz in Würzburg stellte einen sogenannten Cell-Cube-Speicher mit Redox-Flow-Technlogie. Der weiße Block verfügt über eine Grundfläche von 30 Quadratmetern und hat eine Leistung von 200 Kilowatt. Die Kapazität der Batterie liegt allerdings bei 1,6 Megawattstunden.

Ein innovatives Kraftwerk

„Testprojekte mit größeren Batteriespeichern wie auf Pellworm sind wichtig. Und weitere müssen folgen, um die Technologie voranzubringen“, sagt Jens Tübke. Er leitet den Bereich Angewandte Elektrochemie am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) in Pfinztal bei Karlsruhe. „Die zentrale Frage lautet: Werden wir es in Europa schaffen, einen Energiespeicher im Netz zu vergüten“, sagt Tübke. Wenn das gelänge, würden Redox-Flow-Batterien eine Chance für den Standort Deutschland bedeuten. Hersteller, Zulieferer und das nötige Know-how sind vorhanden. Denn auch die Wartungsleistung könnte von hier ansässigen Unternehmen übernommen werden.

Devise: weiter ackern

In Zukunft werden Stromspeicher im Leistungsbereich von 100 Kilowatt bis einige Megawatt benötigt. Dezentrale, netzintegrierte Speicher helfen, die Netzkapazitäten besser auszunutzen und Engpässe zu vermeiden.

Ingenieure und Wissenschaftler müssen dafür allerdings noch ackern: Entwicklung und Aufbau von großen Zellen stehen ganz oben auf der Liste. Zudem müssen Anlagenaufbau, Tankkonzept und Verschaltung verbessert werden. Das weiß auch Jens Tübke. Aber er kennt das Potenzial der Technologie. Der Vorteil liegt im Grundprinzip des Redox-Flow-Speichers: Denn Kapazität und Leistung lassen sich unabhängig voneinander skalieren und ausbauen. „Große Systeme lassen sich so günstiger bauen. Bei Lithium-Ionen-Batterien ist dagegen ein relativ festes Verhältnis vorgegeben“, sagt Tübke.

Wirkungsgrad bei 75 Prozent

Im aktuellen Energieforschungsprogramm des Forschungsverbunds Erneuerbare Energien (FVEE) wird die Bedeutung des Batteriespeichers betont. Dabei kommt es auf die Mischung an. „Die elektrochemische Stromspeicherung in Hybridsystemen kann je nach Anwendung zu einem optimalen Verhältnis von Energie und Leistung sowie von Lebensdauer und Kosten führen“, heißt es in dem Programm. Redox-Flow-Batterien lassen sich aufgrund des hohen Gewichts nur für stationäre Anwendungen planen – allerdings liegt der Wirkungsgrad bei 75 Prozent. Die Flüssigbatterie wird auch als Nasszelle bezeichnet. Die Batterie ist ein elektrochemischer Energiewandler mit flüssigen Redox-Paaren, die in externen Tanks gelagert werden. Die Stromumwandlung erfolgt dann in der Zelle. Die Elektroden werden dazu beim Entladen aus dem Vorratstank mit den Ladungsträgern versorgt. In einem geschlossenen Kreislauf fließt der Vanadium-Elektrolyt der positiven Seite wieder zurück in den Tank. Der Elektrolyt der negativen Seite befindet sich in einem zweiten Kreislauf.

Aufgrund der großen Wassermenge im Elektrolyten hat der Speicher allerdings nur eine geringe Energiedichte – 60 Wattstunden pro Liter. Das liegt etwa in derselben Größenordnung wie die Energiedichte einer Blei-Säure-Batterie. Die Energiedichte ließe sich erhöhen, beispielsweise indem die Stacks, also die Zellen, kleiner gebaut werden. Dann würde es allerdings noch mehr Abwärme geben. Konsequenz: Eine externe Kühlung wäre nötig, wie es bei Lithium-Ionen-Batterien gemacht wird. Das Wasser im Elektrolyten ist Vor- und Nachteil zugleich, wenn man so will. Es verursacht einerseits die geringe Energiedichte, andererseits ist es ein exzellentes Kühlmittel.

Es gibt verschiedene Kombinationsmöglichkeiten für die Anode und Kathode der Batterie: Eisen-Zink, Chrom-Eisen, Brom-Schwefel. „Der Vorteil von Vanadium-Vanadium ist, dass die Membran nicht komplett die Flüssigkeiten der positiven und der negativen Seite trennen muss“, erklärt Tübke. Durch eine Vermischung über die Membran werde der Elektrolyt nicht vergiftet. Es erfolgt hierbei nur ein Energieverlust durch Entladung. Bei Chrom-Eisen zum Beispiel müssten Techniker die Flüssigkeit nach einer Verunreinigung tauschen.

Komponenten austauschbar

Ein Vorteil der Batterie: Eine Selbstentladung gibt es nur in der Zelle und nicht im Tank – wo die weitaus größte Flüssigkeitsmenge gespeichert ist. Zudem besitzt das System aufgrund der niedrigen Energiedichte eine gewisse Robustheit. Verschiedene Komponenten können problemlos ausgetauscht werden, wie der Elektrolyt, vielleicht auch die Membran in der Zelle oder eine der mindestens zwei Pumpen. Die Batterie muss also nicht komplett erneuert werden. Eine Investition lässt sich darum besser über 20 oder 30 Jahre rechnen.

„Der wirtschaftliche Einsatz eines Speichers ist derzeit noch ungeklärt“, betont Fraunhofer-Mann Tübke. Das sei auch der Grund, warum die Firmen nur zaghaft einstiegen. „Es fehlen Geschäftsmodelle für Speicher im Netz“, sagt er. Über Preise gibt es derzeit kaum Angaben. Es fehlt bis dato an einer Massenproduktion, die den Speicherpreis nach unten bringt. Die Speichermodule von 200, 100 der 10 Kilowatt Leistung haben derzeit noch einen stolzen Preis. Zudem fehlt ein Angebot für den Megawattbereich. Derzeit werden bei einer modularen Lösung einfach mehrere Blöcke zusammengestellt.

Auch für den Einsatz im Keller von Haushalten ist die Nasszelle künftig vorstellbar – wenn auch nicht in den nächsten Jahren. „Wenn ein Hausbesitzer im Keller sein veraltetes Heizungssystem austauscht und regenerative Lösungen einbaut, vielleicht auch in Kombination mit Photovoltaik, kann er einen Speicher in den frei gewordenen Bauraum einbauen“, erläutert Tübke.

Redox-Flow im Haushalt

Dann könnte ein Redox-Flow-System durchaus interessant sein, wenn es gelänge, das System günstiger anzubieten. Vorausgesetzt, es gibt genügend Platz im Keller für einen Tank. Derzeit ist der Zehn-Kilowatt-Block von Gildemeister eine der wenigen kommerziellen Anlagen. Das Unternehmen brachte den kleineren Speicher 2008 auf den Markt.

Der promovierte Physiker Andreas Luczak kann dagegen Systempreise nennen. „Bei Anlagen mit einer Leistung ab einem Megawatt und einem System, das eine Nennleistung etwa vier Stunden lang speichern kann, kostet die Investition pro Kilowattstunde rund 750 Euro“, sagt Luczak. Der Geschäftsführer von Vanadis Power leitete zuvor die Energiespeichersparte von Siemens, bevor er 2013 zu Vanadis nach Nürnberg wechselte. Die Firma wurde 2013 gegründet, um Vanadium-Batterien zur Integration erneuerbarer Energien und anderer Anwendungen in den europäischen Markt einzuführen.

Für die gespeicherte Kilowattstunde ergibt sich Folgendes: „Wenn man die Batterie mit kostenlosem Überschussstrom jeden Tag einmal auflädt und einmal entlädt, ergeben sich in 20 Jahren 7.300 Zyklen. Jede gespeicherte Kilowattstunde kostet damit zehn Cent“, rechnet Luczak vor. Da die Batterie aber meist nicht jeden Tag voll auf- und entladen wird und auch noch jährliche Wartungskosten von bis zu drei Prozent der jährlichen Investitionskosten dazukommen, liegen die Kosten eher bei 15 bis 20 Cent pro Kilowattstunde, relativiert Luczak. Könnte man den Batterieladestrom alternativ ins Netz einspeisen, müsste die entgangene Einspeisevergütung hinzuaddiert werden. „Wir erwarten, dass unsere Kosten in den nächsten Jahren um rund ein Drittel sinken, langfristig vielleicht sogar auf die Hälfte“, prognostiziert der Physiker.

Es sollte weniger Geld in die Grundlagenforschung von Flow-Batterien gesteckt werden, da es von mehreren Anbietern seit mehreren Jahren bereits ausgereifte Systeme auf dem Markt gibt. „Stattdessen sollten mehr Pilot- und Demonstrationsprojekte von Vanadium-Redox-Flow-Batterien finanziell gefördert werden“, fordert Vanadis-Chef Luczak. Nur so können Hersteller Design und Produktion der Systeme optimieren und Anwender lernen, wie Batterien optimal betrieben werden.

Größe bringt Ersparnis

„Ein Einsatz von Vanadium-Redox-Flow-Batterien im Einfamilienhausbereich ist grundsätzlich möglich“, sagt Luczak. Mit einem verbesserten Elektrolyten, der die doppelte Energiedichte besitzt, könne der Platzbedarf deutlich reduziert werden. Und damit erreicht die Technologie den geringeren Platzbedarf von Lithium- und Bleibatterien. „Die Kostenvorteile der Redox-Flow-Batterie kommen jedoch erst bei Anlagen ab mehreren Hundert Kilowatt zum Tragen“, erklärt Luczak. Die Eigenheimbesitzer müssen sich noch ein paar Jahre gedulden, bis die ersten Redox-Flow-Systeme eingebaut werden.

https://www.vanadispower.com/

Speichertechnologien

Batteriekraftwerke stützen das Netz

Die Firma Younicos und deren Vorgängerfirma haben 27 vielversprechende Speichertechnologien untersucht. Der Fokus lag besonders auf Langlebigkeit, Verlässlichkeit und Sicherheit sowie Wirtschaftlichkeit und eben Kostensenkungspozential. Auch mechanische Speicher wie Schwungräder oder Druckluftspeicher haben die Ingenieure unter die Lupe genommen. Sieger waren elektrochemische Speicher, also Batterien.

Noch konkreter die Kombinationen: Natrium-Schwefel, Lithium-Ionen und Vanadium-Redox-Flow. Alle drei Technologien reagieren blitzschnell und auf Veränderungen und sind damit geeignet, fluktuierende Erzeugung millisekundengenau auszugleichen. Während aber Lithium-Ionen-Batterien sehr starke Aufmerksamkeit genießen, fristet die Vanadium-Redox-Flow-Technologie ein Schattendasein.

Dabei verfügt sie über viele Vorteile: Die Batterien sind gute Saisonspeicher fast ohne Selbstentladung. Weil der Energieträger zudem nicht altert oder verschleißt, sind sie wartungsarm und nahezu unbegrenzt haltbar. Derzeit baut Younicos einen Fünf-Megawatt-Batteriespeicher für den Schweriner Versorger. Seit Mitte Mai werden bereits erste Betriebstests durchgeführt. Künftig soll das Batteriekraftwerk das Stromnetz stabilisieren. Gerade im Netzgebiet an der Ostsee wird besonders viel Windenergie eingespeist. Ein klarer Vorteil: Die Akkus liefern ihre Leistung innerhalb von Sekundenbruchteilen.

http://www.younicos.com

Auf einen Blick

Vorteile des Redox-Flow-Speichers Cell Cube

  • hohe Sicherheit, nicht brennbar, nicht explosiv
  • skalierbares System durch einfache parallele Verbindung mehrerer Cell Cubes
  • Speicher ist 100-prozentig tiefentladefähig
  • schlüsselfertige Energiespeicher in wetterfestem und einbruchsicherem Gehäuse
  • bis zu 80 Prozent Wirkungsgrad
  • Systemlösung mit abgestimmten Wechselrichtern, daher Anschluss an diverse Energiequellen möglich
  • optionale Fern- oder Onlinewartung
  • zentrales Temperaturmanagement
  • optimales Betriebsverhalten mit Batteriemanagement
  • schnelle Reaktion auf Laständerung

energy.gildemeister.com

Foto: Heiko Schwarzburger

Vi-Zn Energy Systems

http://www.viznenergy.com

Alkali-Batterie mit Zink und Eisen

Eine neuartige Redox-Flow-Batterie entwickelt derzeit die amerikanische Firma Vi-Zn Energy Systems aus Columbia Falls im US-Bundesstaat Montana. Statt Vanadium nutzen die Forscher ein Gemisch aus Zink und Eisenzyanid. Mehrere Patente wurden für das Speichersystem Vi-Zn Z20 angemeldet, von dem ein Prototyp existiert. Der Basisblock leistet 160 Kilowattstunden. Die Batterie lässt sich problemlos vollständig entladen. Wie bei allen Redox-Flow-Batterien werden die flüssigen Betriebsmittel zwischen zwei Tanks in diesem Fall mit je 2.000 Gallonen Füllvolumen hin und her gepumpt.

Die vorgestellte Batterie kommt ohne Gefahrenstoffe aus. Vanadium beispielsweise ist für den Menschen und seine Umwelt giftig. Es gefährdet das Grundwasser. Zink und Eisen sind unbedenklich. Obendrein sind die Rohstoffe deutlich preiswerter als Vanadiumoxid. Die Zink-Eisen-Batterie gehört zu den Finalisten des erstmals auf der Intersolar ausgelobten EES-Awards für elektrische Stromspeicher.

Zinkzellen geben geringere Spannungen ab als Vanadiumzellen. Deshalb arbeitet diese Redox-Flow-Batterie mit 60 Volt. Immerhin kann sie bis zu 1.600 Ampere abgeben. Das ganze System ist in einem transportablen 20-Fuß-Container untergebracht. Den Preis gibt der Hersteller mit 600 bis 700 US-Dollar je Kilowattstunde an. Als Ziel sind 500 Dollar anvisiert. Noch in diesem Jahr soll ein Speicher mit 750 Kilowattstunden gebaut werden, der 560.000 Dollar kosten soll. Bis 2016 will Vi-Zn Energy den ersten Großspeicher mit einer Megawattstunde Kapazität fertigen. Er soll 440.000 US-Dollar kosten. Ursprünglich befasste sich das Unternehmen mit Zink-Luft-Batterien.

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