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Dabei sein ist Pflicht

Betreiber von Photovoltaikanlagen wundern sich, schreibt die Industrie- und Handelskammer (IHK) Reutlingen in ihrer Mitgliederzeitschrift „WNA – Wirtschaft Neckar-Alb“ im Mai 2013: „Während für viele Anlagen auf dem eigenen Dach keine Gewerbeanmeldung nötig ist, sind die Einnahmen daraus plötzlich doch Einnahmen aus Gewerbebetrieb.“ Wer somit zur Gewerbesteuer veranlagt ist, wird automatisch Pflichtmitglied der regional zuständigen IHK. So regelt es das IHK-Gesetz in Paragraf 2 Absatz 1. Ausgenommen sind davon nur landwirtschaftliche Genossenschaften und Eigenbetriebe von Gemeinden und Gemeindeverbänden. Ebenfalls keine IHK-Mitglieder sind Landwirte, Freiberufler und Handwerker, letztere organisieren sich in den Handwerkskammern.

Kriterium gewerbliche Einkünfte

Zwar knüpft sich die gesetzliche IHK-Mitgliedschaft an die Frage der gewerblichen Einkünfte: Strom erzeugen, einspeisen und verkaufen zählt dazu. Doch muss man nicht erst den gewerbesteuerlichen Freibetrag von 24.500 Euro Jahresgewinn überschreiten und damit tatsächlich Gewerbesteuer bezahlen, um der Pflichtmitgliedschaft zu unterliegen. Auch wer keine Gewerbesteuer zahlt, wird IHK-Mitglied.

Dass Betreiber von Photovoltaikanlagen davon oft erst spät erfahren, liegt an der Systematik der Erfassung. Die IHK erfährt vom neuen Mitglied über zwei Wege: erstens durch eine Mitteilung des Ordnungsamtes, bei dem sich üblicherweise neue Gewerbetreibende anmelden, und zweitens durch das Finanzamt, sobald die erste Steuererklärung des Gewerbebetriebes abgearbeitet wurde. Da Betreiber in der Regel kein Gewerbe anmelden und das auch nicht müssen, dauert es nach der Inbetriebnahme ein bis zwei Jahre, bis die IHK vom Finanzamt die Mitteilung erhält. Axel Rickert, Leiter des Referats Kammerrecht beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), bestätigt, dass die Betreiber ohne Gewerbeanmeldung bei den IHK zunächst nicht bekannt sind: „Der schnellste Weg der Meldung erfolgt von den Gewerbeämtern an die IHK. Die Meldungen der Finanzämter erfolgen später.“

Ein dicker Umschlag

So ging es auch Lutz Rathsach aus Mittelfranken: „Unsere Anlage ist im Dezember 2011 fertiggestellt worden und seit Januar 2012 in Betrieb. Nach zwei Jahren bekam ich zuerst eine Zeitschrift von der IHK. Vielleicht ist das Werbung, dachte ich. Also habe ich das Heft durchgeblättert und entsorgt. Danach kam ein dicker Umschlag mit dem Willkommensschreiben in der IHK Mittelfranken.“

Wie Rathsach wissen viele Betreiber damit nichts anzufangen und werfen die vermeintliche Werbung in den Papierkorb. Dass dieses Vorgehen in den meisten Fällen ohne negative Folgen bleibt, hängt mit den Beitragspflichten zusammen – konkret mit der Tatsache, dass die meisten Anlagenbetreiber keine Mitgliedsbeiträge zahlen müssen. Bis zu einem Jahresgewinn von 5.200 Euro sind nicht ins Handelsregister eingetragene natürliche Personen und Personengesellschaften als IHK-Mitglieder beitragsfrei. Einfache Betreiber oder als GbR von mehreren Personen betriebene Anlagen gehören dazu, anders als juristische Personen wie beispielsweise eine GmbH.

Beiträge ab 5.200 Euro Gewinn

Für diese und bei Überschreiten der Freigrenze wird es komplizierter. Der Beitrag gliedert sich dann laut IHK-Gesetz in einen Grundbeitrag und die Umlage. Diese werden von den regionalen IHK-Versammlungen beschlossen und unterscheiden sich erheblich. So beginnt der jährliche Grundbeitrag zwischen 20 und 60 Euro (im Bundesdurchschnitt 41 Euro) und steigt bei einigen Kammern für große Unternehmen bis auf mehrere Tausend Euro. Die Umlage beträgt je nach IHK zwischen 0,05 und 0,39 Prozent vom Gewinn (durchschnittlich 0,19 Prozent), wobei hier für natürliche Personen und Personengesellschaften vom steuerlich ermittelten Gewinn ein Freibetrag von 15.340 Euro abgezogen wird.

Eine Beitragsbefreiung gibt es noch für neu gegründete Unternehmen ohne Handelsregistereintrag. In den ersten zwei Jahren sind diese Existenzgründer beitragsfrei und in den zwei folgenden Jahren von der Umlage befreit, wenn der Jahresgewinn 25.000 Euro nicht übersteigt. Damit eine Photovoltaikanlage diese Grenze überschreitet, müsste sie schon sehr groß sein oder zu sehr günstigen Investitionskosten unter früheren Vergütungskonditionen errichtet worden sein.

Altanlagen mit hoher Vergütung

Ältere Anlagen, die noch von hohen Vergütungssätzen früherer Jahre profitieren, können aber die niedrigere Schwelle des Grundbeitrags in Höhe von 5.200 Euro überschreiten, wenn die Erträge stabil und die Betriebskosten gering sind. So erging es einem Cremlinger Anlagenbetreiber. Für seine im Jahr 2009 installierte 30-Kilowatt-Anlage schickte ihm die IHK Braunschweig im Februar 2014 eine Beitragsrechnung über 40 Euro Grundbeitrag für das Jahr 2010. Die Anlage hatte in dem Jahr einen steuerlichen Gewinn von 7.740 Euro erwirtschaftet, den das Finanzamt nach Abschluss der Steuererklärung an die IHK übermittelt hatte. Entscheidend für die Beitragshöhe ist dann, zu welcher IHK der Standort der Anlage gehört. Weicht die Adresse des Betreibers vom Anlagenstandort ab und liegt im Bereich einer anderen IHK, kann der Anlagenbetreiber sogar in zwei Kammern Mitglied und beitragspflichtig sein. Die Freibeträge zählen dann nur einmal für das Unternehmen insgesamt, und sobald 5.200 Euro Gewinn überschritten sind, wird mindestens der Grundbeitrag beider IHK fällig.

Betreiber häufig beitragsfrei

Vor diesen Fragen steht bei Betreibern wie Lutz Rathsach aber zunächst die Frage, wie sie überhaupt IHK-Mitglied werden konnten. Ausgangspunkt ist oft das Missverständnis, die Mitgliedschaft wäre an die Gewerbeanmeldung gebunden, obwohl sie doch an die steuerliche Gewerbeeigenschaft geknüpft ist. Dabei nutzen die Kammern inzwischen viele Kanäle, um Anlagenbetreiber aufzuklären. Da diskutiert auch mal ein Vertreter der IHK Saarbrücken im Photovoltaikforum mit.

In einer Umfrage für das Magazin photovoltaik haben 47 der 80 bundesdeutschen IHK Fragen zur Mitgliedschaft der Betreiber beantwortet. Die meisten konnten anhand der bei Gewerbeanmeldung, Anmeldung beim Finanzamt oder gegenüber der IHK gemachten Angaben eine Zahl an Mitgliedern nennen, die zumindest unter anderem Photovoltaikanlagen betreiben.

Die IHK Mittlerer Niederrhein mit Sitz in Krefeld gibt beispielsweise an, dass von den rund 78.000 Mitgliedsunternehmen 1.750 eine Photovoltaikanlage betreiben. Davon brauchen 1.650 keinen Beitrag zu zahlen, dürften also reine Betreiber sein, auch wenn sich das aus den bei der IHK vorliegenden Informationen nicht zweifelsfrei ermitteln lässt.

Über zehn Prozent Solarstromer

Durchschnittlich 3,8 Prozent der IHK-Mitglieder sind Betreiber von Photovoltaikanlagen. Bei einzelnen IHK wie Aschaffenburg, Flensburg, Neubrandenburg und Villingen-Schwenningen sind es deutlich über zehn Prozent. Hochgerechnet auf die Gesamtzahl der IHK-Mitglieder wären es in Deutschland rund 200.000 von den derzeit rund fünf Millionen Mitgliedern.

Diese Zahl könnte noch deutlich zu niedrig sein, denn geht man davon aus, dass die aktuell 1,4 Millionen Anlagen etwa halb so vielen Betreibern gehören – weil manche mehrere Anlagen betreiben – und etwa 90 Prozent der Anlagen im steuerrechtlichen Sinn gewinnbringend betrieben werden, müssten es drei Mal so viele IHK-Mitglieder sein, was mehr als zehn Prozent aller IHK-Mitglieder entsprechen würde.

Alle Rechte und Pflichten

Dass viele Betreiber noch nicht als IHK-Mitglieder registriert sind, könnte an der zeitlichen Verzögerung durch die Meldungen der Finanzämter liegen oder auch daran, dass Betreiber – vielleicht einfach aus Unkenntnis – ihren steuerlichen Meldepflichten nicht nachkommen. Rein zahlenmäßig hätten die Anlagenbetreiber durchaus Potenzial, auf die Geschäftspolitik der IHK und des DIHK Einfluss zu nehmen. Auch ohne Beitrag zu zahlen, haben sie alle Rechte und Pflichten als Mitglied. Sie können an den Wahlen zur Vollversammlung der eigenen IHK teilnehmen und sich sogar als Kandidaten aufstellen lassen. Aufgrund der üblicherweise sehr niedrigen Wahlbeteiligung sind die Chancen nicht einmal schlecht, gewählt zu werden.

Hilfe und Mitwirkungsrechte

Axel Rickert vom DIHK sieht in den Mitwirkungsmöglichkeiten beispielsweise bei Energiefragen, der Raumplanung und dem Netzausbau, die ja auch die Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen betreffen, wichtige Chancen einer IHK-Mitgliedschaft. Gerade bei den energiepolitischen Statements des DIHK ist der Eindruck der Solaranlagenbetreiber allerdings bisher, dass ihre Interessen darin noch keine Berücksichtigung finden.

Problematisch ist dabei, dass sich die zahlenmäßig häufigsten Betreiber kleiner Anlagen gar nicht als Unternehmer sehen, sondern eher als Verbraucher mit einer Geldanlage, die Strom produziert. Sie verstehen ihre Investition vor allem als private Vermögensverwaltung. Für diese könnte interessant sein, dass die örtliche IHK auch Ansprechpartner bei rechtlichen Problemen im Zusammenhang mit der Solaranlage sein kann. So sind Anlagen- und Netzbetreiber Mitglied in der gleichen Kammer, unternehmerisch also Kollegen.

Voraussetzung Gewinnerwartung

Mancher Streit beim Netzanschluss ließe sich mit IHK-Hilfe reibungsloser und kostengünstiger lösen, vermutet auch Rickert und empfiehlt „als Ansprechpartner die Kollegen vor Ort, die Umwelt- und Energiethemen bearbeiten“, weil diese in den Sachfragen kompetent seien. Wichtig ist bei alledem, dass die IHK-Mitgliedschaft überhaupt eine Gewinnerwartung voraussetzt.

Die Photovoltaikanlage muss steuerlich also wenigstens einen Totalüberschuss erzielen. Einzelne Verlustjahre, zum Beispiel durch Sonderabschreibungen in den Anfangsjahren, sind dabei unproblematisch.

Das Finanzamt prüft, ob die Anlage langfristig mehr Erträge erwirtschaftet, als Investition und Betrieb kosten. Das war über viele Jahre selbstverständlich, ist es inzwischen bei vielen kleinen Anlagen nicht mehr. Gehört zur Anlage beispielsweise ein Batteriesystem und wird dieses steuerlich als Bestandteil der Anlage vom Finanzamt anerkannt, könnte die steuerliche Rechnung nicht mehr aufgehen und die Photovoltaik als Liebhaberei eingestuft werden. Dann gäbe es auch keine Veranlagung zur Gewerbesteuer und folglich keine IHK-Mitgliedschaft.

http://www.dihk.de

Buchtipp

Photovoltaik – Solarstrom vom Dach

Thomas SeltmannStiftung Warentest, 4. Auflage 2013, Preis: 24,90 EuroISBN 978-3-86851-026-3

Ein Photovoltaikhandbuch für Bauherren und Hausbesitzer aus der Ratgeberreihe der Stiftung Warentest. Es bietet kompakte und umfassende Informationen für alle, die sich zum ersten Mal mit der Möglichkeit einer eigenen Dachanlage beschäftigen wollen – und nicht in erster Linie auf die Rendite schauen. Potenzielle Betreiber sollten viele Aspekte berücksichtigen, und das macht die Sache komplex. Ein Buch für alle, die sich schnell und trotzdem umfassend in das Thema einlesen wollen. Neue technische Entwicklungen bei Solarmodulen und Wechselrichtern wurden bei der Aktualisierung ebenso berücksichtigt wie Batteriespeicher, Förderprogramme und der Trend zum Eigenverbrauch von Solarstrom. Über rechtliche und steuerliche Aspekte informiert der nichttechnische Teil des Buches.

http://www.photovoltaikratgeber.info

IHK-Mitgliedschaft

IHK wider die Interessen der Betreiber?

Auf die regionalen Industrie- und Handelskammern rollt zurzeit bundesweit eine Welle neuer Mitglieder zu. Nach und nach werden die Betreiber der in den letzten Jahren installierten Photovoltaikanlagen als neue Mitglieder registriert.

Die Industrie- und Handelskammern sind regional organisiert. Bundesweit gibt es 80 eigenständige Kammern, die in Norddeutschland auch Handelskammern heißen. Vereinigt sind sie im Deutschen Industrie- und Handelskammertag DIHK. Dort angesiedelt sind auch die Personen, die oft in den Medien auftreten, nämlich DIHK-Präsident Dr. Eric Schweitzer, Entsorgungsunternehmer in Berlin, sowie der Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Wansleben.

Im Vorfeld der Bundestagswahl verlangte im Juli letzten Jahres DIHK-Präsident Schweitzer in der Rheinischen Post: „Die Solarförderung muss nach der Wahl sofort für alle Neuanlagen komplett gestoppt werden.“ Solche Aussagen, die von Solarunternehmern als „Schlag ins Gesicht“ und „Beschimpfung der Branche der Erneuerbaren“ empfunden werden, mögen medienwirksam sein, zeugen aber weder von ausgeprägter Sachkenntnis noch werden sie den Interessen der zahlreichen Anlagenbetreiber als IHK-Mitglieder gerecht.

Dies und die unverhofften Begrüßungsschreiben der IHK an neue Betreiber sind immer wieder Anlässe für Diskussionen über die Pflichtmitgliedschaft. Und es mehren sich die Stimmen in der Solarbranche, die sich der Forderung anschließen, Pflichtmitgliedschaften in den Kammern abzuschaffen.

Gerade ist auch eine entsprechende Klage beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Wird die Beschwerde angenommen, hätte eine Entscheidung des obersten deutschen Gerichts auch Bedeutung für die Betreiber von Photovoltaikanlagen.

Der Autor

Thomas Seltmann

ist unabhängiger Experte und Autor des Ratgebers „Photovoltaik – Solarstrom vom Dach“, den die Stiftung Warentest veröffentlicht hat.

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