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Nicht wirklich sicher

Der Planer von Photovoltaikanlagen auf Flachdächern agiert in einem Spannungsfeld: Einerseits will er die Kosten, auch für die Gestelltechnik, minimieren und andererseits der berechtigten Forderung des Gebäudeeigentümers nach Unversehrtheit seines Gebäudes nachkommen.

Dies gilt für die Standsicherheit des Gebäudes wie auch für seine Gebrauchstauglichkeit. Der Begriff der Gebrauchstauglichkeit steht hier für die Einhaltung der Verformungsgrenzen der Tragschale des Daches, aber auch für die Dichtigkeit und die Dauerhaftigkeit des Daches. Gerade um die Dichtigkeit zu gewährleisten, haben sich in den vergangenen Jahren durchdringungsfreie, ballastierte Systeme durchgesetzt. Durch aerodynamische Optimierungen im Windkanal konnte bei vielen herstellerspezifischen Systemen die rechnerisch erforderliche Ballastierung so weit reduziert werden, dass diese auch auf Flachdächern mit geringen Tragreserven eingesetzt werden können. Schließlich muss für die Aufstellung einer Solaranlage in jedem Fall eine Überprüfung der verfügbaren Tragreserven einschließlich der auftretenden Durchbiegungen durchgeführt werden.

Insbesondere bei Gebäuden mit geringen Tragreserven, aber zunehmend auch im normalen Wettbewerbsumfeld, werden mitunter Befestigungslösungen verwendet, bei denen das Montagegestell mit verklebten Folienlaschen oder verschweißten Bitumenbahnstreifen mit der Dachhaut verbunden wird. In diesen Fällen wird dann normalerweise auch auf eine Ballastierung des Montagegestells verzichtet. Die Verklebung erfordert keine Durchdringung der Dachhaut und erscheint auf den ersten Blick pragmatisch.

Doch die Kehrseite der Medaille ist ein unwägbares Risiko: Die Standsicherheit solcher Anlagen ist gefährdet. Ohne einen entsprechenden Nachweis ist diese Art der Befestigung nicht zulässig.

Nachweis ist schwierig

Doch solch ein Nachweis ist nicht trivial. Folgende Punkte zeigen, wie knifflig es im Detail werden kann:

  1. Da es keine anerkannten Regeln der Technik gibt, nach denen der Nachweis eines aus-reichenden Tragvermögens geführt werden kann, erscheint eine experimentelle Nachweisführung zielführend.
  2. Bei einer punktuellen Befestigung treten an den Kleberändern Spannungsspitzen auf, die zu einer schälenden Beanspruchung der Verklebung führen. Dies bewirkt im Regelfall eine Vervielfachung der Spannungen im Vergleich zu einer vollflächigen Lastabtragung.
  3. Sowohl Kunststoffe als auch Kleber weisen ein sowohl zeit- als auch temperaturabhängiges Lastverformungsverhalten auf. Bei hohen Temperaturen verformen sich Kunststoffbauteile bei gleicher Belastung deutlich mehr als bei kühlen Bedingungen.
  4. Sowohl Klebeverbindungen als auch Bitumenverschweißungen können durch Alterungsprozesse über die Standzeit verspröden. Diese Effekte müssen im Fall eines experimentellen Nachweises berücksichtigt werden.
  5. Ziehende Kräfte an der Verbindung werden über die Lebensdauer mit unterschiedlicher Intensität mit großer Häufigkeit auftreten. Über die Ermüdungsfestigkeit von Klebungen und Verschweißungen liegen keine ausreichenden Erkenntnisse vor.
  6. Dachfolien oder Bitumenbahnen sind je nach Windeinwirkungen in vielen Fällen nur lose auf die Schalung oder die Wärmedämmung aufgelegt. Mechanische Sicherungen gegen abheben findet man vereinzelt in den Dachrand- und Eckbereichen vor. Durch den Aufbau einer aufgeständerten Solaranlage werden die abhebenden Kräfte im Regelfall signifikant erhöht.

Bei an der Dachhaut verklebten Befestigungssystemen sind in der Vergangenheit bei starkem Wind Schäden aufgetreten. In extremen Fällen wurde die komplette Anlage vom Dach geweht. Ein derartiger Schadensfall rief die Bauaufsichtsbehörden im Jahr 2010 auf den Plan. In diesem Zusammenhang wurde das Deutsche Institut für Bautechnik beauftragt, ein Hinweispapier zu erstellen, das alle baurechtlich relevanten Aspekte für die Herstellung, Planung und Ausführung von Solaranlagen zusammenfasst. Dieses wurde im Juli 2012 publiziert.

Darin heißt es unter anderem: „Die Verwendbarkeit von Befestigungen durch eine adhäsive Verbindung (Verklebung, Verschweißung) mit der Dachhaut muss durch eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung nachgewiesen werden. Bei dieser Befestigungsvariante müssen die einzuleitenden Zug- und Schubkräfte durch alle Schichten der Gebäudehülle hindurch dauerhaft in die tragende Konstruktion des Gebäudes weitergeleitet werden.“

Beim Entstehungsprozess einer bauaufsichtlichen Zulassung müssen die zuvor genannten Punkte auf Grundlage von wissenschaftlichen Untersuchungen, speziellen Berechnungen unter Berücksichtigung aller klimatischen Bedingungen und Alterungsprozesse umfassend nachgewiesen werden, bevor eine Zulassung erteilt werden kann.

Da in dieser Fragestellung die Grundlagenforschung fehlt, die bei anderen Baustoffen und Bauarten verfügbar ist, kann es sich dabei um einen sehr langwierigen Prozess handeln.

Eine häufig anzutreffende Argumentation ist, dass Verklebungen oder Verschweißungen von Dachbahnen im Dachdeckerhandwerk schon seit vielen Jahren Stand der Technik sind. Das stimmt, aber diese Verklebungen unterliegen keinen planmäßigen Lasten außer gleichmäßig verteilten Beanspruchungen aus Temperaturdehnung. Punktuelle Lasteinleitungen mit lokalen Spannungsspitzen, wie sie bei der Befestigung von Solargeneratoren auftreten, können nicht als Stand der Technik betrachtet werden. Und erst recht kann mit diesem Argument nicht die Standsicherheit solcher Systeme belegt werden. Insbesondere die Weiterleitung der Zug- und Schubkräfte in die tragende Konstruktion dürfte mit dieser Befestigungstechnik schwer zu erreichen sein.

Ablösen oder reißen

Aus einem Zugversuch in einer Klimakammer bei einer Temperatur von 80 Grad kann abgeleitet werden, dass bei hohen Temperaturen mit der Belastung erhebliche Verformungen einhergehen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht reversibel sind. Des Weiteren ist anhand der Verformungsfigur deutlich nachvollziehbar, dass Spannungskonzentrationen mit ausgeprägter Schälwirkung am Anschluss zwischen der Lasche und der Dachfolie auftreten.

Die zuvor verwendeten Begrifflichkeiten sollen nachfolgend exemplarisch anhand eines Schadenfalls aus dem Herbst 2013 verdeutlicht werden. Entsprechend Bild 1 handelt es sich dabei um ein aerodynamisch optimiertes System mit Rückwandblechen, bei dem hintereinander angeordnete Reihen durch Metallbänder miteinander verbunden sind. Über diesen Metallbändern ist über die gesamte Länge eine verklebte Lasche aus Folie angeordnet, zu sehen in Bild 2. Bei der ersten und letzten Reihe sind die Metallanschlüsse in einer Art Folientasche eingelegt.

Bild 3 verdeutlicht den Übergang zwischen Klebelasche, Metallstreifen und dem Gestell im Anschlussbereich. In den Abbildungen 4 bis 6 sind generell drei unterschiedliche Versagensformen zu erkennen. Bild 4 zeigt ein lokales Ablösen der Klebelasche, was sicherlich auch durch die geringe Biegesteifigkeit des Flachblechs begünstigt wurde. In Bild 5 ist ein großflächiges Ablösen der Klebelasche dargestellt. Anhand der hellen Verfärbungen auf der Unterseite der Klebelasche kann vermutet werden, dass diesem Stadium der Zustand in Bild 4 vorausgegangen ist. Bild 6 verdeutlicht ein Versagen durch Reißen der Folienlasche. Auch hier dürfte ein lokales Ablösen durch Schälspannungen vorausgegangen sein. Begünstigend können sich hier auch Effekte wie Verschmutzung in der Klebefuge oder Alterungsprozesse an der Folienoberfläche vor dem Kleben auswirken.

Nicht hinnehmbares Risiko

Verklebungen von Solargeneratoren auf Foliendächern oder Verschweißungen an Bitumenbahnen stellen aufgrund unzureichender Erfahrung mit planmäßiger Zug- und Schubbelastung ein erhebliches Risiko dar, welches auch aus der baurechtlichen Forderung nach Gewährleistung der Standsicherheit nicht hinnehmbar ist. Zwingende Voraussetzung ist eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt). Ohne diese Zulassung ist eine lastabtragende Verklebung gegenwärtig nicht erlaubt. Diese Feststellung gilt auch für eine Kombination aus Ballastierung und Verklebung, solange die Lagesicherung nicht allein durch die Ballastierung sichergestellt werden kann.

Es gibt auch noch eine andere Gefahr. Neben der örtlichen Tragfähigkeit der Verbindung ist auch ein großflächiges Abheben der gesamten Dachbahn inklusive Photovoltaikanlage möglich, sofern diese nicht flächig verklebt ist.

Installateur als Entwurfsverfasser

Die Konsequenzen werden erst im Schadensfall deutlich: Versicherungen setzen in den Bedingungen im Regelfall voraus, dass die Photovoltaikanlage nach den anerkannten Regeln der Technik installiert wurde. Ist dies nicht der Fall, kann die Zahlung verweigert oder zumindest deutlich reduziert werden.

Viel gravierender gestaltet sich das aber im Falle von Personenschäden. Hier steht der Bauherr beziehungsweise der Gebäudeeigentümer in der Verantwortung. Wenn er aus mangelnder Fachkenntnis einen „Entwurfsverfasser“, im Regelfall einen Architekten, eingeschaltet hat, dann ist dieser für eine regelkonforme Bauausführung verantwortlich und damit in der Haftung.

Im Fall der Errichtung einer Photovoltaikanlage tritt der Installateur als Planer in die Rolle des Entwurfsverfassers, häufig ist er sich dessen aber gar nicht bewusst. Der Gebäudeeigentümer darf aber bei Beauftragung einer Fachfirma davon ausgehen, dass diese über die entsprechenden Sachkenntnisse verfügt.

http://www.ing-zapfe.com

Auf einen Blick

Rechtliche Rahmenbedingungen

Durch die Herausgabe der „Hinweise für die Herstellung, Planung und Ausführung von Solaranlagen“ in der Ausgabe Mai 2012 informiert das Deutsche Institut für Bautechnik über die einzuhaltenden Regelungen und die bautechnischen Anforderungen (Produkt- und Bemessungsregeln) der Landesbauordnungen. In Bezug auf Photovoltaikanlagen werden die Regelungen für die Module, das Montagesystem und die Befestigungsmittel erläutert.

Module dürfen unter folgenden Voraussetzungen ohne zusätzlichen Verwendbarkeitsnachweis eingesetzt werden:

  • CE-Kennzeichnung
  • Zertifizierung nach DIN EN 61215 bzw. DIN EN 61464 sowie DIN EN 61730
  • Dachneigung 75 Grad
  • Freilandanlagen im öffentlich unzugänglichen Bereich (eingezäunt)
  • Modulfläche bis 2 Quadratmeter

In allen anderen Fällen ist der Verwendbarkeitsnachweis durch eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erforderlich, sofern dieser nicht auf Grundlage eingeführter technischer Regelwerke des Glasbaus geführt werden kann.

Montagesysteme dürfen ohne zusätzlichen Verwendbarkeitsnachweis eingesetzt werden, wenn der Nachweis auf Grundlage eingeführter Normen rechnerisch geführt werden kann. Eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung ist erforderlich wenn:

  • die Tragfähigkeit von Metallkonstruktionen im Versuch ermittelt wird,
  • relevante Teile des Montagesystems aus Kunststoff bestehen,
  • die Montageträger oder Aussteifungselemente des PV-Moduls geklebt sind.

Moderne, montagefreundliche Systeme weisen im Regelfall Konstruktionselemente auf, die normativ nicht erfasst sind. Demnach ist in nahezu allen Fällen eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erforderlich.

Befestigungsmittel zur Verankerung und Befestigung von Solaranlagen am Gebäude oder am Fundament (Schrauben, Dübel, Ankerschienen etc.) bedürfen einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung, sofern der Nachweis nicht basierend auf eingeführten Normen rechnerisch geführt werden kann. Befestigungen durch eine adhäsive Verbindung (Verklebung/Verschweißung) mit der Dachhaut müssen durch eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung nachgewiesen werden.

http://www.dibt.de/de/Fachbereiche/Data/Hinweise_Solaranlagen_Juli_2012.PDF

Der Autor

Dr.-Ing. Cedrik Zapfe

ist Geschäftsführer des Ingenieurbüros Dr. Zapfe GmbH und öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Metallbau bei der IHK München. Sein Büro führte unter anderem in den vergangenen Jahren die Tragfähigkeitsprüfungen für die Montagesysteme der Firma Schletter durch. Er hat diverse fachtechnische Stellungnahmen zur Befestigung von Solaranlagen veröffentlicht.

info@ing-zapfe.de

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