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Langfinger im Visier

Es war eine laue Frühlingsnacht im Mai des vergangenen Jahres. Die Transporter kommen von Osten und fahren auf der Bundesstraße 1 in Richtung Berlin. Nur noch fünf Kilometer bis zur Stadtgrenze. Plötzlich bremsen sie und biegen kurz vor dem kleinen Örtchen Vogelsdorf auf den Feldweg. Er führt sie direkt ans Ziel – den Solarpark Fredersdorf-Vogelsdorf. Die Täter parken ihre Autos gleich neben dem Zaun. Sie schneiden ein Loch hinein und fangen an, die Module abzuschrauben und in die Transporter zu verladen. Einem Wachmann fällt der Vorgang auf. Er alarmiert die Polizei, die die Diebe auf frischer Tat ertappt. Das ist das Ende einer Reihe von Diebstählen, mit denen die Polizei in Brandenburg schon seit Jahren zu kämpfen hat. Fast 380 Diebstähle registrierten die Beamten allein in den Jahren 2008 bis 2014. Dabei stiegen die Fallzahlen von Jahr zu Jahr. Allein der Sachschaden betrug über zwei Millionen Euro.

Die Brandenburger hatten sogar eigens dafür eine Sonderkommission gebildet. Die 18 Beamten der Soko „Sonne“ widmeten sich dem Problem der steigenden Fallzahlen von Diebstählen von Modulen und Wechselrichtern aus brandenburgischen Solarparks. Seit dem Fahndungserfolg können die Betreiber von Solarparks im Land wieder etwas ruhiger schlafen. Doch das Problem ist noch längst nicht aus der Welt – auch wenn der Diebstahl von Modulen angesichts sinkender Preise immer unrentabler wird. Nicht nur das Modul oder der Wechselrichter, der weg ist, macht dem Betreiber Sorgen. Dazu kommen noch die Ertragsausfälle und die Schwierigkeiten bei der Wiederbeschaffung passender Module.

Um sich viel Ärger und Verluste zu ersparen, sollten sich die Betreiber von Photovoltaikanlagen schützen, rät die Polizei. „Die wichtigsten Anlagenteile wie Solarmodule und die teilweise auch im Freien installierten Wechselrichter lassen sich mit handelsüblichen Werkzeugen leicht und schnell lösen“, warnt Kathlen Zink, Sprecherin des Landeskriminalamtes Sachsen. „Dies erleichtert ganz wesentlich den Diebstahl.“ Auch die Kriminalisten in Dresden haben in den vergangenen Jahren immer öfter Diebstähle von Photovoltaikkomponenten registriert. Fast 180 Diebstähle in den Jahren 2011 bis 2013 spuckt das Polizeiliche Auskunftssystem Sachsen aus, wenn die Beamten die Begriffe Photovoltaik oder Solar in die Suchmaske eingeben. „Nicht in die Auswertung einbezogen wurden dabei Diebstähle von Solarleuchten, Solarfiguren oder aus Solarien“, betont Kathlen Zink. Der Gesamtschaden beträgt im Freistaat in diesen Jahren gut 1,65 Millionen Euro. Die Aufklärungsrate ist mit 12,5 Prozent relativ gering. Bei Autodiebstählen liegt sie immerhin doppelt so hoch.

Aufklärung nützt wenig

Doch am Ende nützt auch die Aufklärung nichts. „Was weg ist, ist weg“, sagt Harald Brand, Geschäftsführer von PV-Protect Viasys. Die Spezialisten im bayerischen Frammersbach entwickeln und installieren Überwachungskonzepte für Photovoltaikanlagen. „Solche Systeme sind sehr komplex mit vielen Komponenten. Sie stehen und fallen damit, dass sie Diebstähle möglichst verhindern“, erklärt Brand. Vorsorge ist der beste Schutz. „Angriffe auf Photovoltaikanlagen sollten möglichst frühzeitig erkannt und Interventionskräfte alarmiert werden“, ergänzt Kathlen Zink. Sie empfiehlt die Installation von Überwachungstechnik wie Einbruch- und Videoüberwachungsanlagen. „Das Ziel dabei sollte immer sein, dass der Täter auf frischer Tat ertappt werden kann“, ergänzt Isabelle Haupt von den Mannheimer Versicherungen, die mit ihrem Paket Lumit eine umfangreiche Versicherung von Photovoltaikanlagen anbieten.

Zwar machen Diebstähle nur zwei Prozent aller bei den Mannheimer Versicherungen gemeldeten Schadensereignisse aus. Doch mussten die Mannheimer immerhin zehn Prozent der gesamten Summen zur Schadensregulierung in den letzten Jahren für die Schäden durch Diebstahl ausgeben. Das zeigt ganz klar: Diebstähle sind zwar nicht das zentrale Problem an Photovoltaikanlagen – jedenfalls aus Sicht der Versicherer. Aber wenn Module oder andere Komponenten gestohlen werden, dann wird es teuer. „Wir fordern deshalb für Solarparks neben einem Zaun mit Übersteigsicherung auch Detektionsmaßnahmen“, erklärt Haupt die Voraussetzungen, dass ein Solarpark überhaupt versichert wird. „Es wird dabei für jeden Solarpark ein sinnvolles Schutzkonzept erarbeitet. Neben einem Objektschutz, wie der Absicherung der Komponenten mit Lichtwellenleiter, kann auch ein Perimeterschutz in Betracht kommen. Ein Schutzkonzept ist für gefährdete Anlagen unerlässlich, wenn die Investition nicht in Gefahr geraten soll.“

Den Weg versperren

Der Lichtwellenleiter – besser bekannt unter dem Namen Glasfaserkabel – deckt den Zaun mit Lichtstrahlen ab. Werden diese unterbrochen, gestört oder verschattet, registriert eine angeschlossene Datenverarbeitung diese optischen Signale. Diese werden dann mit eingelernten Signalmustern verglichen. Weicht das Signal vom Muster ab, schlägt das System Alarm. Der Perimeterschutz wiederum ist das gesamte System aus Zaunüberwachung und entsprechender Kontrolle des Solarparks durch Wachschützer.

Für ein solches Schutzkonzept rät die Präventionsstelle des sächsischen Landeskriminalamtes als Erstes, den Zugang zum Solarpark so schwierig wie möglich zu gestalten. „Der Abtransport von Solarmodulen aus Freiflächenanlagen in großen Stückzahlen erfordert Fahrzeuge mit hoher Ladekapazität“, erklärt Zink. „Wenn es die örtlichen Gegebenheiten hergeben, sollte ein direktes oder nahes Heranfahren an die Anlage möglichst verhindert werden.“ Liegt der Solarpark an einem Weg, sollte der Betreiber zumindest versuchen, diesen so zu sperren, dass keine großen Transporter durchkommen. Auch das eigentliche Zufahrtstor sollte massiv genug sein, dass die Täter es nicht einfach aufhebeln können.

Das Zufahrtstor und der Zaun sind die ersten Hindernisse, die die Diebe überwinden müssen. Der Zaun selbst ist dabei eigentlich nur eine rechtliche Grenze. Er macht klar, dass hier das öffentliche Gelände endet. „Er kann aber nur Gelegenheitstäter abschrecken“, erklärt Harald Brand. „Gut ist es schon einmal, wenn er oben zusätzlich mit Stacheldraht ausgestattet ist. Dann ist das schon einmal ein guter Übersteigschutz.“ Doch ohne Sensortechnik, die erkennt, wenn jemand den Zaun übersteigt oder durchschneidet, nützt das auch nichts. Dann kommen die Täter mit einem Bolzenschneider oder einem Schneidbrenner in den Park hinein. Hat der Zaun aber eine entsprechende Sensortechnik – gleichgültig, ob diese als Lichtwellenleiter auf die Veränderung der Lichtbedingungen aus der Umgebung, als Mikrofonkabel auf das Durchtrennen oder als Perimetersysteme im Boden auf Druckveränderungen durch Laufen, Kriechen oder Springen reagieren –, braucht er noch eine Kameraüberwachung, um zu erkennen, wer oder was den Alarm ausgelöst hat.

Die richtige Kamera finden

Eine Kameraüberwachung klingt zunächst simpel. Allerdings muss der Planer von solchen Systemen eine Reihe von Faktoren beachten und für jeden Park die richtigen Kameratypen installieren. „Das Wichtigste ist, dass die Überwachung zu jeder Zeit den kompletten Zaun abdeckt“, weiß Brand. „Dabei spielt die Geländeform eine entscheidende Rolle. So nützt es nichts, wenn der Betreiber eines Solarparks in einem hügeligen Gelände Thermalkameras installiert. Die können zwar große Strecken abdecken. Aber in den Senken können die Diebe auf das Gelände, ohne dass die Kamera das sieht.“ Hier braucht der Betreiber digitale oder analoge Kameras, die auch diese Bereiche abdecken.

Alarmverfolgung ist ein Muss

Der Planer der Kameraanlage sollte aber auch die Wetterverhältnisse und die Umgebungsbedingungen beachten. „Es nützt zum Beispiel nichts, wenn er in einem sehr stark nebligen Gebiet Kameras verwendet, die im Nebel nichts sehen, oder wenn der Park in Gebieten gebaut wurde, wo möglicherweise Scheinwerfer sind, die die Kameras blenden“, erklärt Brand. Das heißt konkret: Wer eine Überwachungsanlage für einen Solarpark plant, muss sich das Gelände vorher ganz genau ansehen, um ein verlässliches System zu planen und aufzusetzen. Schließlich muss die Kamera deutlich sehen, wer sich am Zaun zu schaffen macht.

Löst der Alarm aus, muss er auf jeden Fall bei einer Notrufzentrale eines Wachschutzes ankommen, der jemanden losschickt und genau kontrolliert, was los ist, um Schlimmeres zu verhindern. Lösen die Sensoren am Zaun aus, schießt die Kamera ein erstes Auslösebild und überträgt es zum Wachschutz. „Danach macht die Kamera maximal zwei Bilder pro Sekunde, um die Bandbreite für die Übertragung nicht zu überfordern“, sagt Brand.

Er rät dringend davon ab, das Signal direkt zur Polizei zu leiten. „Das ist nicht gut, weil letztlich kein System so gut sein kann, dass es nicht auch mal irrelevanten Alarm überträgt“, erklärt er. „Wenn das zu häufig bei der Polizei passiert, werden kostenpflichtige Einsätze geltend gemacht. Da muss immer ein Wachdienst oder eine Notrufzentrale zwischengeschaltet sein, um die relevanten Alarme herauszufiltern.“ Sonst kann es passieren, dass jemand zum Solarpark rausfährt und am Ende bestenfalls Spuren von Rehen findet, die neben dem Zaun gegrast und ihn zufällig berührt haben. Passiert das öfter, lässt die Aufmerksamkeit des Wachdienstes nach.

Das wiederum nutzen die Diebe. „Sie werden immer die Anlage auschecken und Probealarme auslösen und abwarten, was passiert“, weiß Brand. „Wenn da zwei- oder dreimal nichts passiert, dann wissen die Diebe ganz genau, dass die Alarmanlage nicht ganz so funktioniert, wie sie sollte.“

Das Sicherheitskonzept endet aber nicht am Zaun. „Die Betreiber sollten besonderen Wert auf die Befestigung der Komponenten legen, die sich nur mit Spezialwerkzeug oder durch Zerstörung lösen lässt“, betont Kathlen Zink. „Dies erschwert den Diebstahl und hat einen erheblichen Einfluss auf den Faktor Zeit.“

Auch Dachanlagen sind gefährdet

Die Kriminalisten aus Dresden empfehlen dazu mechanisch codierte Schrauben, Schrauben mit speziellen Antrieben wie Innensechskant oder Torx mit eingeschlagenen Stahlkugeln oder Stahlstopfen oder Schrauben mit Einwegantrieben. Auch Brand rät, diebstahlsichere Schrauben wie sogenannte Abrissschrauben, bei denen der Kopf nach dem Festdrehen abgeschlagen wird, zu verwenden. Dann ist allerdings bei einem Schaden am Solarmodul der Austausch etwas aufwendiger. „Es gibt aber eine Vielzahl von anderen mechanischen Sicherungen wie Meldedrähte oder Schlösser an den Modulen“, erklärt Brand.

Solche Sicherungen eignen sich auch für Dachanlagen, die auf weit abgelegenen Scheunen oder anderen Gebäuden installiert sind. Schließlich ist das Problem von Diebstählen nicht auf die Solarparks begrenzt, auch wenn es dort viel größer ist. „Generell gilt: Je leichter die Komponenten von der Höhe her erreichbar sind, desto größer ist die Diebstahlwahrscheinlichkeit“, weiß Isabelle Haupt von den Mannheimer Versicherungen. „Das gilt auch für Anlagen, die sich in abgelegenen oder unbewohnten Regionen befinden. Unauffällig sind bisher Anlagen auf Einfamilienhäusern innerhalb von Ortschaften. Da Solarparks beide Voraussetzungen erfüllen (einfache Möglichkeit der Demontage und abgeschiedene Lage) und zudem noch eine große Anzahl von Anlagenkomponenten vorhanden ist, ist hier natürlich eine erhöhte Gefahr für Diebstahl gegeben.“ Für Dachanlagen empfiehlt die Präventionsstelle des Landeskriminalamtes in Dresden, keine Leitern fest an die Gebäudewände zu bauen. Leitern oder andere Hilfsmittel, die den Dieben den Aufstieg auf das Dach ermöglichen, sollten unbedingt in einem verschlossenen Raum verstaut werden.

Weder umsonst noch kostenlos

Die Zahlen der vergangenen Jahre zeigen: Der Diebstahlschutz ist nicht umsonst. Er ist aber auch nicht kostenlos zu haben. „Die Kosten, die ein Anlagenbetreiber für die Absicherung ausgeben muss, lassen sich schwer beziffern“, sagt Harald Brand. „Aber für die Absicherung eines Solarparks ist ein verlässliches System unter 30.000 oder 35.000 Euro pro Megawatt sicherlich nicht zu finden.“ Der Preis ist wiederum abhängig davon, wo der Solarpark installiert und wie er geschnitten ist. Ein quadratisches Solarfeld in einem ebenen Gelände ist preiswerter zu überwachen, als wenn der Solarpark in die Länge gezogen ist, die Fläche spitze Winkel aufweist oder das Kamerasystem einige Senken im Gelände mit überwachen muss.

Die Installation eines Überwachungssystems wird auch teurer, wenn es nachträglich integriert wird. „Wenn die Anlage bereits gebaut ist, dann ist vieles zu spät“, warnt Brand. „Wenn der Betreiber dann über ein Kabelsystem am Zaun entlang für die Kameras nachdenken muss, wird es teurer.“ Brand empfiehlt, die Überwachung gleich bei der Planung und beim Bau der Anlage mitzuberücksichtigen. Dann sind auch die Geräte und Maschinen schon vor Ort, um einen Kabelgraben zu ziehen. Außerdem muss das Überwachungssystem ohnehin mit in das Budget eingeplant werden. Sonst läuft die Wirtschaftlichkeit der Anlage aus dem Ruder.

Kurz nachgefragt

„Genau überlegen, wo Handlungsbedarf besteht“

Gab es bei den von Ihnen betreuten Anlagen in der Vergangenheit Diebstahlversuche?

Ingo Wackernagel: Nein. In den von uns überwachten Anlagen bislang keine.

Ganz allgemein gefragt: Ist der Diebstahl von Modulen oder Komponenten ein drängendes Thema in Ihrer Branche?

Das ist regional verschieden. Auch Versicherungen stellen oft keine besonderen Anforderungen an den Diebstahlschutz. Somit ist es für die Mehrheit der Betreiber eine individuelle Entscheidung, wie sie sich diesem Risiko stellen wollen. Nicht zu vergessen ist dabei, dass es Schäden geben kann, die über den eigentlichen Diebstahl hinausgehen. Zum Beispiel durchgeschnittene Kabel, die es erforderlich machen, ganze Kabelstränge neu zu verlegen, oder mit Gewalt herausgerissene Module, sodass auch die Gestelle leiden.

Worin besteht ein wirksamer Diebstahlschutz für eine Freiflächenanlage?

In der gesicherten Umfriedung des Geländes. Das heißt, das Gelände sollte vollständig umzäunt und der Zaun elektronisch gesichert sein. Sobald er durchgeschnitten oder beschädigt wird, erhält der Dienstleister ein entsprechendes Signal und kann schnell handeln. Ergänzend kann man Videotechnik einsetzen. Sieht man tatsächlich unbefugte Personen auf dem Gelände, kann die Polizei alarmiert werden. Nicht jede gemeldete Störung ist ein Einbruchsversuch. Hier kommt es auf die Erfahrung und die Kompetenz des Dienstleisters an. Besteht ein begründeter Verdacht, ist es wichtig, möglichst schnell vor Ort zu sein, auch um Ertragsverluste für den Betreiber gering zu halten.

Was sollten die Betreiberunbedingt beachten?

Jeder Betreiber sollte sich genau überlegen, in welchen Handlungsfeldern er Unterstützungsbedarf sieht, und was er eventuell selbst tun kann. Unsere Kunden sind dankbar für maßgeschneiderte Lösungen. Die Anforderungen sind doch recht verschieden. Wir versuchen, möglichst individuelle und kundenorientierte Pakete zu schnüren.

Das Gespräch führte Petra Franke.

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