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“Ein Nischenmarkt mit Chancen“

Worauf sollte der Architekt oder Planer achten, wenn er Solarmodule an die Fassade bauen will?

Florian Reil: In Deutschland regeln die 16 Landesbauordnungen, was verbaut werden darf. Ferner unterscheidet man innerhalb der Bauregelliste des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) zwischen geregelten, nicht geregelten und sonstigen Bauprodukten. Photovoltaikmodule sind geregelt, allerdings mit Einschränkungen in Abhängigkeit des Installationswinkels und zum Beispiel der maximal zulässigen Fläche des Glases.

Gilt das für Anlagen auf dem Dach und Solarfassaden gleichermaßen?

Bei fassadenintegrierten Modulen weicht man von diesen Anforderungen ab. Das heißt, es liegt ein nicht geregeltes Bauprodukt vor. Sind die Bauprodukte nicht geregelt, kann der Hersteller seine Module bauaufsichtlich zulassen. Diese Möglichkeit gibt es für gewisse Sonderkonstruktionen oder Produkte, die nicht in der Bauregelliste stehen. Das kann beispielsweise ein Fassadenelement mit der Arretierung, der Aufhängung und der Fixierung sein.

Wer erteilt die bauaufsichtliche Zulassung?

Die bauaufsichtliche Zulassung bekommt der Hersteller ebenfalls über das DIBt. Wenn sich der Architekt für eine Photovoltaikfassade entscheidet, muss er auf jeden Fall beim Modulhersteller nachfragen, ob eine bauaufsichtliche Zulassung vorliegt. Er kann auch den pragmatischen Weg gehen und beim DIBt nachfragen, ob es diese Zulassung gibt. Das kann er dort online für jeden Hersteller einzeln abfragen.

Wenn eine solche Zulassung nicht vorliegt, was passiert dann?

Es gibt den Weg der Zustimmung im Einzelfall. Über diesen Weg wurden bisher die meisten Photovoltaikfassaden realisiert. Das heißt, die Anlage wird entsprechend konstruiert und ausgelegt. Dabei müssen der Architekt, der Planer und der Monteur konkrete Sicherheitsvorkehrungen treffen und einen Verwendungsnachweis führen.

Wann schaltet sich das Bauamt ein?

Am Ende wird die Anlage behördlich abgenommen. Grundsätzlich gilt, dass die Module trotz der Zustimmung im Einzelfall den Anforderungen der Niederspannungsrichtlinie und der Bauproduktenverordnung entsprechen müssen. Sie ist bei Fassaden unter anderem für Verbundsicherheitsglas gültig.

Welche Normen gelten für Photovoltaikmodule, die ins Gebäude integriert werden?

Es gibt momentan eine europäische Norm, die sich im Entwurfsstadium befindet. Das ist die EN 50583. Sie trägt den Titel „Photovoltaics in Buildings“. Diese befasst sich mit dem Thema gebäudeintegrierte Photovoltaik und orientiert sich an harmonisierten europäischen Normen. Sie ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil befasst sich konkret mit dem Modul und der zweite Teil mit dem Gesamtsystem. So geht es bei den dachintegrierten Systemen beispielsweise um Überlappungen, Fugen und Stöße, die gewissen Standards der Regendichtigkeit entsprechen müssen. Hier muss man zwischen System und Modul unterscheiden.

Bei Modulen gelten die Regeln für Überkopfverglasung. Wird das in der neuen Norm auch geregelt?

Das Thema Überkopfverglasung ist sehr speziell. Generell muss der Hersteller dabei zusätzliche Sicherheitsfaktoren berücksichtigen. Er muss Gläser verwenden, die nicht herabfallen, wenn sie beschädigt sind. Ein Glasverbund beziehungsweise Modullaminate müssen eine ausreichende Resttragfähigkeit haben, also einen Schutz gegen das Herunterfallen von Teilen.

Welche Richtlinien gelten dafür?

In Deutschland ist klar geregelt, wie eine Überkopfverglasung ausgelegt werden muss, damit diese Anforderung erfüllt ist. Lange Zeit gab es dazu technische Richtlinien. Diese sind jetzt in die DIN 18008 übergegangen. Dort ist vorgeschrieben, wie die Linien- und Punktlagerungen von laminierten Sicherheitsverglasungen ausgelegt sein müssen. Solarmodule müssen diese Ansprüche erfüllen. Zusätzlich regelt die harmonisierte europäische Norm EN 14449 die Auslegung von Verbundsicherheitsgläsern. In der neuen Norm für Photovoltaikmodule verweisen wir auf diese Regelungen.

Entsteht für die Modulindustrie ein Problem, weil sie sich auf die Suche nach neuen Gläsern machen muss?

Es ist eine besondere Herausforderung, weil die harmonisierte europäische Norm für Sicherheitsglas auf internationale Prüfnormen verweist. Diese stellen hohe Anforderungen an die statische Sicherheit. Diesen Anforderungen halten viele der derzeit verwendeten Standardmodule nicht stand. Da werden Prüfungen bei hohen Temperaturen – bei 95 oder 100 Grad Celsius – durchgeführt. Diese liegen weit über denen in der IEC 61215.

Wo sehen Sie darin das Problem?

Gemäß IEC 61215 testet man Solarmodule nur bis 85 Grad Celsius. Bei höheren Temperaturen können die Hersteller mit üblichen Einkapselungsmaterialien wie EVA gegebenenfalls Probleme bekommen. In Deutschland zum Beispiel darf man nach den bisherigen Regelungen für laminiertes Sicherheitsglas nur PVB einsetzen. Es sei denn, es gibt allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen für Modullaminate mit EVA. Auf der anderen Seite kann eine Herausforderung gleichzeitig eine Chance sein. Wenn ein Hersteller ein gewisses Know-how hat, kann er sich damit sehr gut abgrenzen. Denn er kann Marktsegmente bedienen, von denen Mitbewerber ausgeschlossen sind. Ein Beispiel sind Solarmodule für die Überkopf- oder Vertikalverglasung.

Gibt es schon Laminate, die diesen hohen Anforderungen entsprechen?

Es gibt bisher sehr wenige Hersteller, die den Weg einer bauaufsichtlichen Zulassung gegangen sind. Denn dann fällt neben der elektrischen Prüfung der Module noch die gesamte bautechnische Prüfung an. Der Weg führt in Deutschland zwangsläufig über das DIBt, das auch den Takt vorgibt, wie schnell der Prozess abläuft. Das kann mitunter sehr lange dauern. Das DIBt entwickelt ein entsprechendes Prüfprogramm und ist verantwortlich für die Zulassung. Das muss der Modulhersteller finanzieren. Aber diesen Prozess haben einige Modulhersteller durchschritten. Einige wollen ihre Module noch bauaufsichtlich zulassen, weil sie die Chancen im wachsenden Nischenmarkt der Gebäudeintegration erkennen.

Das Gespräch führte Sven Ullrich.

Linzmeier

Aktive Dachhaut mit Vorteilen

Die aktive Gebäudehülle kommt inzwischen auch bei Unternehmen an, die bisher auf die Passivität gesetzt haben. So hat der Dämmstoffspezialist Linzmeier Dünnschichtmodule in sein Dachbausystem integriert. Planer können mit dem System ohne zusätzliche Maßnahmen und ohne optische Beeinträchtigungen ein Dach entwerfen, das den Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV) und des EEG entspricht.

So gibt die EnEV vor, dass die Dachhülle von Neubauten nicht mehr als 0,20 Watt pro Quadratmeter Wärmeenergie pro Kelvin Temperaturunterschied zwischen innen und außen verlieren darf. Das erreicht Linzmeier durch eine PUR/PIR-Dämmung. Linzmeier liefert die Dachelemente vorgefertigt auf die Baustelle. Sie bestehen aus einer 22 Millimeter dicken Holzwerkstoffplatte.

Auf diese sind die Module montiert. Nachdem sie auf der Unterkonstruktion verlegt sind, befestigen die Handwerker nur noch die Kunststoffdachbahnen zwischen den einzelnen Dachelementen. Damit ist die Moduloberfläche die wasserführende Schicht. Der Hausbesitzer bekommt so ein vollständig dichtes Dach mit einer einheitlichen Optik. Die Schwaben können die einzelnen Dachelemente maßgeschneidert bis zu 13 Meter lang und nahezu 2,88 Meter breit anfertigen. Die Leistung der Anlage beziffert Linzmeier auf 45 Watt pro Quadratmeter.

Der zusätzliche Nutzen liegt in der Energieerzeugung. Mit der entsprechenden Haustechnik kann der Eigentümer eine Wärmepumpe oder die Lüftungsanlage betreiben. Damit schafft er mit geringem Kostenaufwand den Bau eines Effizienzhauses 40. Das heißt, er senkt den Primärenergiebedarf des Gebäudes um 40 Prozent unter den Standard, den die EnEV vorgibt.

Zwar ist das Dachelement mit integriertem Photovoltaikmodul teurer. Aber der Bauherr spart die Dacheindeckung und einen Großteil seiner Stromkosten. Dadurch amortisieren sich die Mehrkosten für die Module bei einer durchschnittlichen Anlagenleistung von vier bis fünf Kilowatt innerhalb eines Jahres. Das Dachelement lässt sich auch mit dachintegrierten solarthermischen Kollektoren bestücken. Dann kann der Bauherr entsprechende Förderungen bei der KfW beantragen, womit sich die Mehrkosten auf etwa 500 Euro für ein normales Einfamilienhaus belaufen.

https://www.linzmeier.de/

Themendossier

Für Architekten: Solares Bauen

Speziell für Architekten bieten wir im Internet unter dem Menüpunkt Dossiers und Themen die gesammelte Fülle unserer Fachartikel und Meldungen an. Dort finden Sie auch exklusive und kostenfreie Downloads unserer Partner. Der Zugang erfolgt über eine spezielle Eingabemaske.

http://www.photovoltaik.eu/Dossiers-Themen

Architekten und Recht

https://www.tga-fachplaner.de/

Neue Ratgeber-App

Speziell auf die Bedürfnisse von Architekten, Ingenieuren und Planern zugeschnitten ist die neue App aus dem Gentner Verlag. Sie gibt Antworten auf die häufigsten Fragen im Bau- und Architektenrecht sowie zum öffentlichen Baurecht. Folgende Themen finden Sie in diesem Ratgeber:

  •  Vertragsrecht
  •  Honorarrecht/HOAI
  •  Abnahme, Mängel und Gewährleistungsrechte
  •  Bauvertragsrecht
  •  Baubetrieb
  •  Bauplanungs- und Bauordnungsrecht
  •  Sicherheiten am Bau
  •  Baustreitigkeiten
  •  Arbeitsrecht
  •  Gesellschaftsrecht
  •  Der Architekt im Netz
  •  Steuerrecht
  •  Versicherungsrecht
  •  Existenzgründung und Nachfolge (inkl. Checklisten)

Die neue App kann seit Anfang November in den App Stores für Android und I-OS erworben werden.

SolarWorld

Dachintegriertes System für Frankreich

Der Modulhersteller Solarworld schlägt gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Der Bonner Konzern wagt den Schritt in den Markt für gebäudeintegrierte Photovoltaik und positioniert sich stärker als Systemanbieter. Das Unternehmen hat ein neues dachintegriertes Komplettsystem für den französischen Markt entwickelt. Die Module des Toit Solaire IAB werden zur wasserführenden Schicht und ersetzen damit die eigentliche Dachhaut. Das System erfüllt die harten Anforderungen für dachintegrierte Solarstromanlagen in Frankreich. Dort bekommen Hauseigentümer, die sich für eine solche voll integrierte Anlage entscheiden, die höchste Einspeisevergütung. Die Zulassung als vollständiges dachintegriertes System für den französischen Markt ist auch für die deutschen Kunden ein Zeichen, dass es funktioniert.

Solarworld hat für die Entwicklung und den Vertrieb des Systems mit zwei französischen Montagesystemanbietern kooperiert, die spezielle Systeme für die Dachintegration anbieten. Die Bonner steuern eigentlich nur die Module bei, die aus ihrem Werk im sächsischen Freiberg kommen. Der Anlagenbetreiber kann seinen Generator zusätzlich über ein Onlineportal überwachen und bekommt den sogenannten Sunpass. Das ist eine umfangreiche Anlagendokumentation, die als Voraussetzung für eine spezielle Versicherung dient.

http://www.solarworld.de

Florian Reil

leitet das Geschäftsfeld für Solarforschung und Großprojekte beim TÜV Rheinland in Köln. Außerdem sitzt er in den europäischen Normungsgremien. Derzeit arbeitet er an einer Norm für Photovoltaikkomponenten zur Gebäudeintegration mit.

http://www.tuv.com

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