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Kein Halt ohne Reibung

Der größte Vorbehalt von Installateuren gegenüber aerodynamischen Montagesystemen drückt sich oft in der Frage aus: „Fliegt das bei einem starken Sturm nicht vom Dach?“ In den letzten fünf Jahren meiner Tätigkeit als technischer Leiter bei Ilzosurf machte ich die Erfahrung, dass neben der Aerodynamik noch ganz andere technische Anforderungen für die reibungslose Funktion der durchdringungsfreien Montagesysteme erfüllt sein müssen.

Mit dem Begriff „reibungslos“ sind wir schon beim Thema. Denn genau das dürfen aerodynamische Systeme nicht sein. Bei vernünftig konstruierten Produkten werden abhebende Windkräfte zum größten Teil durch die Geometrie der Windleitbleche kompensiert.

Reibwert muss ausreichen

So sind die resultierenden Sogkräfte meist auf ein Zehntel oder weniger der entsprechenden Normwerte verringert. Doch verbleiben besonders in den Randbereichen des Daches relativ hohe Schubanteile des Windes, die von hinten auf die Windleitbleche wirken. Diese Schubkräfte gilt es nun über Reibung in die Dachkonstruktion einzuleiten.

Ist zwischen dem Bautenschutzmaterial und der Dachbahn kein ausreichender Reibwert gegeben, muss das System deutlich höher ballastiert werden, um die absolute Reibung zu erhöhen. Der Reibwert ist ein einfacher Quotient zwischen dem Gewicht eines Körpers und der horizontalen Kraft, die man aufwenden muss, um den Körper gegen die Reibung der Berührungsfläche in Bewegung zu setzen. Die Größe der Berührungsfläche ist dabei erstaunlicherweise unerheblich – sie beeinflusst den spezifischen Reibwert nicht.

Ein Beispiel zum Verständnis: Sie kleben ein Eisenteil auf eine Bautenschutzmatte, zusammen wiegt der Verbund ein Kilogramm. Wenn Sie das Ganze auf ein Flachdach stellen und mit einem Kilogramm horizontal daran ziehen müssen, bis sich der Klotz in Bewegung setzt, ist der gemessene Reibwert gleich eins. Wenn Sie nun lediglich mit einem halben Kilogramm horizontal daran ziehen müssen, bis die Haftreibung überwunden wird, beträgt der gemessene Reibwert 0,5. Um dann bei diesem halbierten Reibwert die gleiche Lagesicherheit einer Photovoltaikanlage zu gewährleisten, muss ihr Eigengewicht durch Zugabe von Ballast verdoppelt werden.

Das ist Ballast, den Sie beschaffen, bezahlen und auf das Dach hieven müssen. Das ist Ballast, der das Dach dauerhaft zusätzlich belastet. Auch wenn eine Dachkonstruktion ausreichende statische Reserven für dieses Zusatzgewicht aufweist, ist jedes Kilo, das dauerhaft auf Abdichtung und Dämmung drückt, zu vermeiden.

Die Tücke steckt wie so oft im Detail. Ein guter Reibwert bei trockener Witterung ist bei Nässe noch lange nicht gegeben. Die Berechnung der Windlast und der damit verbundenen Ballastierung basiert auf verlässlichen Reibwerten – zu jedem Zeitpunkt und bei jedem Anlagenzustand. Ob Sonnenschein oder Regen, ob Frost oder Hitzestau, auch unter Berücksichtigung der Materialalterung muss der Planer einen angenommenen oder gemessenen Reibwert dauerhaft sicherstellen.

Nicht dem Zufall überlassen

Reine Auslegungstools, die es dem Anwender überlassen, die erforderlichen Parameter richtig zu erfassen, sind klar im Nachteil. Sie müssen deutlich höhere Sicherheitsbeiwerte berücksichtigen, um Fehleinschätzungen des Planers zu kompensieren. Das führt in den meisten Fällen zu deutlich überhöhter Ballastierung. Oft kann der Planer die Tragweite seiner Eingaben nicht einschätzen. Er wird mit dem Risiko von Fehleingaben und den möglichen Folgen allein gelassen.

Es klingt zwar merkwürdig, aber es sind schon viel mehr durchdringungsfrei erstellte Anlagen weggeschwommen als weggeflogen, also vom Wind verweht worden.

Hier ein paar Beispiele, welche Faktoren den ursprünglich angenommenen Reibwert im Alltagsbetrieb einer Anlage deutlich verschlechtern können:

  • Trennfolien wie Aluminium auf Bautenschutzmatten begünstigen durch ihre Kapillarwirkung zwischen Folie und Dachhaut den schleichenden Feuchteeintrag bei längeren Regenfällen. Der Reibwert sinkt in der Folge bereits drastisch ab. Kommt nun noch Frost und Tau dazu, wird der Reibwert fast ganz eliminiert. Einmal eingedrungene Feuchtigkeit benötigt sehr lange, um wieder auszudiffundieren, da die Alufolie praktisch diffusionsdicht ist. Die Feuchtigkeit muss also (nach unten) durch die Dachbahn abgeführt werden.
  • Auch unbeschichtete Bautenschutzmatten erleichtern den Feuchteeintrag aufgrund ihres lose verbackenen Gefüges. Die geschredderten Recyclingkunststoffe werden bei der Herstellung meist nicht ganz eingeschmolzen, sondern nur miteinander verklebt. Wasser kann von oben und den Seiten eindringen und sich unter den Bautenschutzmatten sammeln. Dazu kommen noch feinste Schmutzpartikel (Staub), die in Verbindung mit dem Wasser einen tückischen Schmierfilm direkt unter der Bautenschutzmatte bilden.
  • Vlieslagen, die häufig von Dachdeckern oder Dachbahnherstellern als Trennlage gefordert werden, verschlechtern den Reibwert erheblich. Vlies auf Folienbahnen fühlt sich an wie ein Schlitten auf der Schlittenbahn. Und das schon im trockenen Zustand. Auch hier ist dem Wasser- und Schmutzeintrag jede Tür geöffnet. Da ist es mit der Lagesicherheit von PV-Anlagen nicht mehr weit her.

Lediglich Bautenschutzunterlagen mit geschlossenem, gummiartigem Gefüge, die den Wasser- und Schmutzeintrag wirksam verhindern, sind aus Sicht des Verfassers in der Lage, dauerhaft zuverlässige Reibwerte sicherzustellen. Dazu gehören EPDM oder TPO. Denn sie dichten gegenüber der Dachhaut regelrecht ab. Außerdem lassen sie Feuchtigkeit aufgrund ihres Diffusionswertes schnell entweichen.

Zur Vermeidung von Weichmacherwanderungen bei Montagen auf PVC-Dachbahnen bieten sich als Alternative zu Alu-Kaschierungen Trennlagen aus Weich-PVC an. Sie neigen nicht zum kapillaren Wassereintrag. Sie wirken wie eine Verschleißschicht, die die darunter befindliche Dachbahn über viele Jahre zuverlässig schont. Allein die so vermiedene UV-Belastung im Bereich der Trennlage reduziert die Weichmacherwanderung erheblich.

Die Anlage lernt schwimmen

Es gibt aber noch eine andere Form von wegschwimmenden Anlagen. Abgesehen von Wasser, das sich zwischen Dachhaut und Bautenschutz einschleicht, erzeugt Stauwasser ein erhebliches Gefahrenpotenzial für durchdringungsfrei errichtete Anlagen. Wenn Montageschienen auf durchgängigen Bautenschutzstreifen aufliegen und diese quer zur Entwässerungsrichtung verlegt werden, bildet die Schiene quasi einen Staudamm, der den Wasserabfluss behindert.

Vor allem breite Montageschienen wirken wie ein Floß und neigen zum Aufschwimmen. Wer einmal gesehen hat, wie bei einem Starkregen das Wasser auf Flachdächern ansteigt, wenn sowohl die Regelabläufe als auch die höher angebrachten Notüberläufe die Wassermengen nicht schnell genug abführen, kann sich vorstellen, was mit der Solaranlage geschieht.

Auch wenn der Wasserstau in der Regel nur wenige Minuten oder sogar nur Sekunden anhält, reicht dieser kurze Moment völlig aus, um die komplette Anlage einen halben Meter zu versetzen. Unterbrechungen der Bautenschutzstreifen reichen nicht aus, um diese Gefahr wirklich zu bannen. Bei nur sechs bis zehn Millimetern Höhe dieser Streifen verschmutzen die Durchlässe zu schnell und verlieren ihre Wirkung. Im Übrigen geht aus der Flachdachrichtlinie klar hervor, dass auf Flachdächern keine Aufbauten errichtet werden dürfen, die den direkten Wasserabfluss in der geplanten Gefällelinie behindern.

Solarteur geht in die Gewährleistung

Bei solchen regelwidrigen Montagen geht meist der Solarinstallateur mit in die Gewährleistung des Dachdeckers oder trägt sie sogar letztlich allein. Einmal verschobene Anlagen müssen komplett demontiert und neu aufgebaut werden. Folgeschäden sind kaum auszuschließen.

Hier schaffen nur ausreichend hohe Füße, mindestens 20 Millimeter groß, oder großzügige Unterbrechungen der Montageschienen in kurzen Abständen Abhilfe. Sie werden dem zu erwartenden Wasseranfall bei jedem Regenaufkommen gerecht. Auch bei Verunreinigung des Daches bleiben sie wirksam.

Lediglich bei eindeutigen Gefälleverläufen und wenn die Montageschienen parallel zur Gefällerichtung angeordnet sind, können gefahrlos Bautenschutzunterlagen ohne großflächige Unterbrechungen eingesetzt werden.

Neben Wasser ist die zweite große Herausforderung die Materialausdehnung. Der Wärmeausdehnungskoeffizient ist ein Kennwert, der das Verhalten eines Stoffes bei Temperaturveränderungen beschreibt. Da Modulrahmen sowie Unterkonstruktionen fast ausnahmslos aus Aluminium gefertigt werden, ist der entsprechende Ausdehnungswert meist relevant.

Tiefenentspannung für den Generator

Eine ein Meter lange Aluminiumschiene dehnt sich pro Kelvin Temperaturanstieg um 0,023 Millimeter aus. Im ungünstigen Fall herrscht auf dem Dach eine Temperaturdifferenz von 80 Grad Celsius, die innerhalb eines Tages auftreten kann, etwa an einem sonnigen Wintertag mit hoher Einstrahlung. Dann erreicht die Modultemperatur rund 60 Grad Celsius, sinkt in der Nacht jedoch auf minus 20 Grad Celsius ab.

Unterstellt man nun eine 20 Meter lange Modulreihe, bei der die gerahmten Module mit herkömmlichen Modulklemmen verbaut wurden, führt dies zu einer Gesamtausdehnung von 3,7 Zentimetern. Die auftretenden Kräfte lassen sich quasi nicht bändigen. Nimmt man idealisiert an, dass die Reibungsverhältnisse überall auf dem Dach gleich sind, müssen sich die beiden Reihenenden bezogen auf die Reihenmitte um jeweils beinahe zwei Zentimeter verschieben. Es gibt drei Szenarien, wie sich diese Ausdehnung auf Anlage und Dach auswirkt:

  1. Die Dachfolie dehnt sich mit. Gerade bei Kälte sind Folien häufig sehr unelastisch und unter Einbeziehung von Alterungseffekten sogar spröde. Somit ist die Beanspruchung der Dachhaut vor allem im Winter ungewollt hoch. Schäden sind nicht auszuschließen.
  2. Der Bautenschutz schiebt auf der Folie hin und her. Unterstellen wir den eingangs erwähnten wünschenswert hohen Reibwert, stellt auch das für die Dachabdichtung auf Dauer eine unzumutbare Beanspruchung dar. Eine Schädigung ist absehbar.
  3. Der Bautenschutz löst sich von der Unterkonstruktion. Da dieser Schiebevorgang nicht immer gleichermaßen vorwärts wie rückwärts abläuft, kann es vorkommen, dass die Unterkonstruktion ganz vom Bautenschutz rutscht und dann direkt auf der Dachhaut liegt – im schlimmsten Fall mit scharfkantigen Bauteilen, die die Dachhaut beschädigen. Eine gute mechanische Verbindung zwischen Bautenschutz und Montagesystem ist somit dringend erforderlich.

Leider gibt es viele Anbieter von Montagesystemen, die die zu verbauenden Reihenlängen nicht einmal auf die in der Beispielrechnung betrachteten 20 Meter beschränken. Sie überlassen es ganz der Einschätzung und Verantwortung der Montagefirma, gegebenenfalls auch 50 Meter lange Reihen zu bauen.

Gefahren vermeiden

Um diese Effekte und die damit verbundenen Gefahren ganz zu vermeiden, muss die Verbindung zwischen Modul und Unterkonstruktion schwimmend erfolgen. Modulklemmen geben die auftretenden Schubkräfte voll weiter, sodass man die Einzelausdehnungen der Module in der Reihe aufsummieren muss. Etwas besser stellen sich Einlegesysteme dar, wenn die einzelnen Einlegeschienen nicht starr miteinander verbunden werden. Ideal ist aus Sicht des Autors eine Hakenmontage, bei der sich jedes Modul frei ausdehnen und wieder zusammenziehen kann, ohne die resultierenden Kräfte auf die Unterkonstruktion zu übertragen.

Positiver Nebeneffekt dieser klemmenlosen Montage ist die flexible Geometrie zwischen zwei Modulen. Flachdächer sind eigentlich nie ganz eben. Schon durch die geplanten Gefälleverläufe ergeben sich häufig vielfältige Unebenheiten. Die auftretenden Verschränkungen führen bei Modulklemmen zwangsläufig dazu, dass entweder die untere oder die obere Klemme zwischen zwei Modulen nicht korrekt auf dem Rahmen aufliegt.

Notgedrungen wird die Klemme dann häufig verdreht eingebaut, klemmt aber nur noch mit einer kleinen Ecke. Kommen jetzt die beschriebenen Ausdehnungen hinzu, kann die Klemme ganz vom Modul rutschen. Das Risiko eines Dominoeffekts ist sehr groß. Die klemmenlose Hakenmontage ermöglicht dem Modul bis zu drei Zentimeter Fugenmaßabweichung entlang einer Stoßkante und gibt dabei immer noch sicheren Halt.

Halt! Schiebung!

Die eingangs erwähnten Schubkräfte aus den Dachrandbereichen müssen in der Regel durch gezielte Ballastierung der betroffenen Module kompensiert werden.

Dadurch verschwinden diese Kräfte aber nicht. Sie werden über die Reibung lediglich in die Dachbahn verlagert und dann über die Folienanker oder die Verklebung der Dachbahn weiter in die Dachkonstruktion abgeleitet. Dies führt zu lokal erhöhten Belastungen der Dachbahn.

Zur Wasserführung oder aus Logistikgründen kleinteilig unterbrochene Schienen oder sogar frei stehende Modulstützen, die lediglich über den Modulrahmen miteinander verbunden sind, können solche Kräfte nicht ausreichend aufnehmen und verteilen. Einzelne Modulreihen werden hochgedrückt, wenn kein biegesteifes Bauteil dieses Ausweichen verhindert.

Ein solider Vertikalverbund

Die weitaus elegantere Variante, diese Kräfte abzuführen, ist ein solider vertikaler Schienenverbund. Er ermöglicht es, reine Schubkräfte auf Bereiche im Modulfeld zu übertragen, die noch rechnerische Reserven besitzen.

Dazu sind aber durchgehend verlegte Schienen mit entsprechenden Querschnitten erforderlich. Diese Praxis ist zwar eingeschränkt durch Unterbrechungen zur Ausdehnungskompensation. Sie ermöglicht aber durchaus die Verteilung von Schubkräften einer frei angeströmten Nordreihe auf weitere drei Modulreihen. Der Ballastierungsbedarf wird erheblich verringert.

Der Autor

Willi Jung

ist seit 2011 technischer Leiter bei Ilzosurf in Wetzlar. Ilzosurf ist die Photovoltaikmarke der Ilzhöfer GmbH. Er zeichnet verantwortlich für zahlreiche Produktentwicklungen und Markteinführungen. Nach über 15 Jahren Planungstätigkeit und Bauleitung in verschiedenen Architekturbüros begann er 2004 mit freiberuflichen Planungsaufgaben für erneuerbare Energien. Von 2008 bis 2010 leitete er den technischen Vertrieb der Handelssparte des Systemhauses Geckologic.

https://ilzo.com/startseite-photovoltaik/

Unsere Serie

Experten geben Tippsfür Flachdächer

Gewerbliche und Industriebauten verfügen oft über leichttragende Flachdächer. Auf den ersten Blick erscheint die Installation von Photovoltaikanlagen auf diesen Gebäuden sehr einfach. Doch die Praxis beweist: Im Detail werden diese Dächer und ihre Konstruktionen oft unterschätzt. Bauvorschriften und Regelwerke werden in grob fahrlässiger Weise ignoriert.

In den folgenden Ausgaben fungiert Wolfgang Schröder als Autor; er ist Sachverständiger für Photovoltaik, Dachkonstruktionen, Dacheindeckungen, Dachabdichtungen und baulichen Brandschutz.

Grundlagen der Flachdächer: Januar 2015

Bestandserhebung und Planung: Februar 2015

Konstruktion der Solaranlage: März 2015

Besonderheiten und Spezialfälle: April 2015

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https://www.photovoltaik.eu/

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