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Grünstrom statt schwarzGold

Nur noch wenige Minuten, dann kommt der Bahnhof Saarbrücken. Die gewohnte Betriebsamkeit, die in einem ICE einsetzt, wenn der Zug den Endbahnhof erreicht, hat bereits eingesetzt. Die Reisenden holen ihr Gepäck aus den Ablagen und ziehen sich ihre Jacken über. Kinder werden lautstark aufgefordert, sich doch endlich etwas schneller anzuziehen. Dabei entgeht den Reisenden gerade jetzt etwas, was im Saarland nicht nur zur Geschichte gehört, sondern inzwischen auch Teil der Natur geworden ist: die Steinkohle.

Hier, nur 15 Kilometer vor Saarbrücken, am Rande von Sulzbach, taucht der schwarze Moloch auf. Es ist die einzige Möglichkeit, ihn im Vorbeifahren zu Gesicht zu bekommen. Noch vor zwei Jahren raste der Zug an riesigen Bergen von Steinkohle vorbei. Heute ist das schwarze Gold vollständig verschwunden. Stattdessen steht hier ein riesiges Solarkraftwerk. Fast einen halben Kilometer lang rast der Zug an endlosen Modulreihen vorbei. Ebenso tief in die Landschaft ragen die Modulfelder.

Dunkel wie die Kohle

Nur der Untergrund, auf dem die Modultische stehen, erinnert noch daran, dass hier die Steinkohle einst das Leben und die Wirtschaft bestimmte. Denn dieser ist ebenso schwarz wie die Kohle selbst. Auf den etwa 19,5 Hektar wurden früher die Waschberge abgelagert. „Das ist das Nebengestein, das mit der Kohle zutage gefördert und ausgewaschen wird“, erklärt Rudolf Krumm, Geschäftsführer der Montan Solar. Das Unternehmen ist eine Beteiligungsgesellschaft der Immobilientochter der einstigen Ruhrkohle AG, die heute als RAG firmiert. Jahrzehntelang wurde im Saarland, so auch in Sulzbach, das schwarze Gold aus dem Berg gefördert.Die unbrauchbaren Rückstände aus der Kohlenwäsche kamen auf die Halde.

So war es auch am Ortsrand von Sulzbach. Immer mehr Nebengesteine hat die RAG aufgeschüttet und die Fläche so verdichtet. Später lagerte das Unternehmen hier die kostbare Steinkohle. Riesige schwarze Berge, die davon zeugten, wovon die Stadt lebte. Doch 2012 legte die RAG die letzte Mine im Saarland still. Es blieben viele ungenutzte Flächen übrig, wie hier das ehemalige Kohlelager Mellin bei Sulzbach. Die Montan Solar hat die Aufgabe, auf den ehemaligen Bergbauflächen und auf angemieteten Flächen von anderen Eigentümern Solarparks zu errichten. Damit macht sie die Flächen des Steinkohlebergbaus wieder wirtschaftlich nutzbar. Satte 8,85 Megawatt leistet der Solarpark Mellin. Er wurde in drei Bauabschnitten zwischen 2012 und 2014 geplant und gebaut. „Wir mussten den Park in drei Bauabschnitte einteilen, weil ja noch die Kohle hier aufgetürmt war“, erinnert sich Dennis Seiberth, Projektleiter von Wircon. Das Unternehmen aus dem schwäbischen Waghäusel hat den gesamten Park geplant und gebaut.

Extrem harter Untergrund

Zug um Zug wurde die gesamte Kohle weggeschafft. „Jedes Mal, wenn wieder ein Teil der Kohle abgefahren war, konnten wir diesen Platz mit Solarmodulen belegen“, sagt Seiberth. Doch so einfach war das nicht. Denn das gelagerte Nebengestein aus dem Bergbau war über die Jahrzehnte so verdichtet, dass ein extrem harter Untergrund entstand. Damit verbunden sind gleich zwei Probleme. „Wir mussten uns zuerst einmal Gedanken über ein Entwässerungskonzept machen, um die Standfestigkeit der Unterkonstruktion dauerhaft gewährleisten zu können“, erinnert sich Dennis Seiberth.

Deshalb hat Wircon vor dem Bau der Anlage noch ein umfangreiches System von Entwässerungskanälen auf dem Gelände angelegt. Über diese läuft das anfallende Regenwasser ab. „Danach mussten wir schauen, wie wir die Montagegestelle befestigen“, sagt Seibert. „Es war die Frage, ob wir hier rammen können oder mit Bettungsfundamenten arbeiten müssen. Deshalb haben wir erst einmal umfangreiche Proberammungen durchgeführt.“ Dazu wurden einige Gestellpfosten eingerammt und wieder herausgezogen. Über die beim Herausziehen der Pfosten benötigten Kräfte konnten die Projektierer bestimmen, ob und wie tief sie rammen können.

Mit schwerem Gerät

Es hat sich herausgestellt, dass die Beschaffenheit des Untergrunds ausgereicht hat, um die Pfosten für die Modultische in den Boden zu rammen. Zwar musste Wircon dafür schweres Gerät auffahren. Das war aber immer noch billiger und ging schneller, als wenn die Monteure Fundamente hätten anlegen müssen.

Zudem hat das Kohlelager einen eigenen Bahnanschluss und eine Straße, die für Schwerlastverkehr ausgelegt ist. So war es kein Problem, die schweren Rammen zum Bauplatz zu transportieren. Ein dritter zusätzlicher Planungsschritt war ein Brandgutachten. Ein solches ist obligatorisch, wenn es sich um ehemalige Kohlelager handelt. Ganze zwei Jahre hat es gedauert, bis die gesamte Anlage am Netz war. Zur Einweihung kam sogar der einstige saarländische Wirtschaftsminister Heiko Maas aus Saarbrücken angereist. Eine Geste, die Signale setzen sollte. Schließlich hinkt das Saarland hinter den anderen Flächenländern beim Ausbau der Photovoltaik hinterher. Zudem kann sich Maas hinter die Energiewende stellen und muss nicht wie seine Kollegen in Nordrhein-Westfalen noch auf die Belange der Kohlekumpel Rücksicht nehmen.

Die gelben Gummistiefel angezogen

Er musste vielmehr sehen, wie er sein Bundesland nach dem Rückzug der RAG wirtschaftlich am Leben erhält. „Der Bau der Solarparks auf den ehemaligen Bergbauflächen steht für regionale Wertschöpfung“, kennt Rudolf Krumm einen Ausweg. „Von der Finanzierung über die komplette Bauleistung bis zur Gewerbesteuer profitiert die Region.“

Kein Wunder, dass für Heiko Maas das Projekt in Sulzbach bedeutend genug war, um zur Einweihung zu kommen. Im Anzug und in Halbschuhen steht er auf dem ehemaligen Kohlelager und drückt den Knopf, um den letzten Teilabschnitt in Betrieb zu nehmen. Seine Nachfolgerin im Amt und Parteigenossin Anke Rehlinger musste sich bei einer ähnlichen Zeremonie gelbe Gummistiefel überstreifen. Sie musste zur Inbetriebnahme des Solarparks in Landsweiler einen ehemaligen Absinkweiher betreten. In das Becken wurden einst die trüben Abwässer aus der Kohleaufbereitung eingeleitet. Dabei konnten sich die im Wasser fein verteilten Feststoffe am Boden absetzen und füllten so das Becken nach und nach. Anschließend wurde es mit verschiedenen Böden bedeckt. Die ausgedehnte Fläche, die solch ein Absinkweiher beansprucht, ist nach der Stilllegung nur schwer rekultivierbar. Eine Photovoltaikanlage ist dann ein erstklassiges Nutzungskonzept für ein solches Gebiet.

Flächen liegen noch brach

Auch dieser Baugrund fordert Planer und Installateure heraus. Denn es ist kein fester Untergrund entstanden wie in Mellin. Deshalb mussten sich die Planer von Greencells aus Saarbrücken und von SGGT/Heintzmann Solar aus Ottweiler etwas einfallen lassen, um die Anlage standsicher aufbauen zu können. „Wir profitieren als Planer dabei immer wieder von den Erfahrungen der RAG“, erklärt Dennis Seiberth von Wircon. „Schließlich hat das Unternehmen schon jahrzehntelange Erfahrung mit der Bearbeitung solcher Untergründe.“ Derzeit ist Mellin der größte Solarpark der Montan Solar. Insgesamt hat die Projekttochter der RAG Montan Immobilien bisher schon acht solcher Anlagen aufgebaut. Die Parks mit einer Gesamtleistung von 27,12 Megawatt stehen auf 54,9 Hektar ehemaliger Bergbaufläche der RAG. Damit hat das Unternehmen gerade mal gut die Hälfte der gesamten Flächen, die für Solarparks im Saarland zur Verfügung stehen, bebaut.

Jetzt wird es aber schwieriger, solche Solarparks auch zu vermarkten. Denn auch die Montan Solar ist von der neuen Regelung betroffen, dass in Zukunft Freiflächenanlagen ihre Einspeisevergütung im Auktionsverfahren bekommen. „Wir sind auf die Einspeisevergütung angewiesen“, sagt Rudolf Krumm. „Bei uns herrschen dieselben Grundrechenarten wie bei jedem anderen Projektentwickler auch. Entweder wir können ein Projekt über die Netzeinspeisung finanzieren, dann können wir es auch realisieren, oder wir bekommen keine Einspeisevergütung, und dann können wir es nicht bauen.“

Montan Solar wird sich jetzt an der ersten Ausschreibung beteiligen. „Dann werden wir sehen, welche Chance wir in Zukunft haben und inwieweit wir den finanziellen Mehraufwand, den die Bebauung einer solchen ehemaligen Bergbaufläche mit sich bringt, bei den Ausschreibungen unterbringen können“, sagt Krumm. „Wir haben ja noch weitere Flächen im Saarland, die wir momentan entwickeln, und wir möchten weitere Projekte dort realisieren“, ergänzt Dennis Seiberth von Wirsol. Noch im März wird das Gebot der Montan Solar bei der Bundesnetzagentur auf dem Tisch liegen.

Alternative Finanzierung im Blick

Die Projektpartner haben sich auch schon Gedanken über eine alternative Finanzierung gemacht. „Wir haben uns mit dem Thema der Direktvermarktung über Stromlieferverträge schon auseinandergesetzt“, berichtet Seiberth. „Aber wir haben da momentan noch keinen gangbaren Weg gefunden.“ Das Problem dabei kennen die Partner. Zwar liegen die Anlagen in der Nähe von Ortschaften. Aber die Rahmenbedingungen im EEG für Eigenverbrauchs- und Stromlieferprojekte sind schlecht für eine wirtschaftliche Vermarktung des Stroms.

So bleibt das bisher letzte Projekt eine Anlage in Ludweiler, einem Ortsteil von Völklingen. Dort steht der Generator auf dem Gelände einer ehemaligen Bergarbeitersiedlung aus den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Nachdem die Kohleförderung eingestellt worden war, verwaisten die Häuser und die RAG hat sie abgerissen. Intensiv hat die Stadt Völklingen geprüft, ob sie dort neue Wohnhäuser errichtet. Nachdem sie dies negativ beschieden hatte, suchte sie nach einer alternativen Nutzung der Fläche. Am Ende fiel die Entscheidung zugunsten der Solaranlage. „Die Erstellung der Photovoltaikanlage ist ein gelungenes Beispiel für die Konversion einer Wohnbaufläche und stellt eine sinnvolle Nachnutzung dieser Fläche sicher“, lobt Wolfgang Bintz, Bürgermeister von Völklingen.

Doch auch diese Fläche erwies sich nicht als einfach. Die exponierte Hanglage stellte die Planer vor große Herausforderungen. Sie mussten sicherstellen, dass die Unterkonstruktion sicher steht und nicht abrutscht. Um den Hang zu stabilisieren, wurde zunächst Klee ausgesät. Außerdem haben die Monteure rund um den Solarpark und zwischen den Modulreihen ein Entwässerungssystem angelegt, um das anfallende Regenwasser abzuleiten. Damit haben sie sichergestellt, dass der Untergrund nicht erodiert und der Solarpark auch in 20 Jahren noch dort steht, wo er aufgebaut wurde.

http://www.wircon.eu

THEnergy

Erze mit Solarstrom fördern

Die Photovoltaik ist nicht nur ein gutes Nachnutzungskonzept für ausgediente Bergbauflächen. Auch für die Förderung von Erzen und Mineralien bietet sich die Solarenergie an. Die Minen liegen in der Regel weitab von jeglicher Stromversorgung und sind deshalb auf Insellösungen angewiesen. Das übernehmen bisher in der Regel Dieselgeneratoren mit hohen und steigenden Treibstoffkosten. Diese durch Photovoltaikanlagen zu ergänzen, bietet für die Bergbauunternehmen eine riesige Kostenersparnis. Die Photovoltaik ist im Schnitt um 70 Prozent billiger als die Stromerzeugung mit den Dieselgeneratoren. Zudem ist im Umfeld der Minen genügend Platz für üppige Solarparks, und der Solarstrom kann meist vollständig für die Förderung von Erzen verbraucht werden. „Dies gilt besonders für abgelegene Gebiete, wo der Transport einen großen Bestandteil der gesamten Dieselkosten ausmacht“, erklärt Thomas Hillig. Er ist Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Thenergy. Das Münchner Unternehmen hat sich unter anderem auf die Etablierung der erneuerbaren Energien im Bergbau spezialisiert.

Traditionell wird der Bergbau nicht unmittelbar als gutes Einsatzgebiet für erneuerbare Energien angesehen. „Ein genauerer Blick zeigt, dass dies nicht mehr richtig sein muss“, weiß Hillig. „Zahlreiche Solar- und Windanlagen liefern bereits heute Strom für Bergwerke, und Experten sowohl aus dem Bergbau als auch aus der Solarbranche stimmen darin überein, dass in diesem Gebiet ein Boom bevorsteht.“

Die Chancen für die Projektentwickler liegen vor allem im Bereich der Hybridanlagen, bei denen die Photovoltaik oder die Windkraft die Hauptlast bedienen und Dieselgeneratoren nur als Back-up bereitstehen. Die Photovoltaik hat dabei noch den Vorteil, dass die Systeme geringe Investitionen erfordern, rasch geplant und installiert sind und sich zügig amortisieren. Das ist vor allem für die Bergbauindustrie wichtig. Denn die Unternehmen sehen sich in den letzten Jahren einem großen Preisdruck ausgesetzt. „Viele ertragreiche Bergbaugebiete sind bereits erschöpft, die Rohstoffe, die heute gefördert werden, sind schwerer zugänglich und erfordern einen höheren Energieaufwand in den anschließenden Verarbeitungsschritten“, sagt Hillig. „Der Energiebedarf je Rohstoffeinheit wird immer höher. Zudem steigen Strom- und Dieselpreise, wohingegen die Kosten für erneuerbare Energien während der letzten Jahre stetig gefallen sind. Aus diesem Grunde schenken Bergbauunternehmen erneuerbaren Energien eine immer größere Aufmerksamkeit.“

th-energy.net