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Die Bank sind wir

Ulrich Schmid winkt ab. Eine Finanzierung von Projekten ohne Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sei für Banken derzeit schwierig bis gar nicht möglich. „Das können die Banken schlichtweg noch nicht“, urteilt Schmid. Und er muss es wissen. Denn Schmid leitet die Abteilung Erneuerbare Energien bei der GLS Bank mit Sitz in Bochum. Die Geldinstitute müssen bei der Finanzierung außerhalb des EEG dazulernen und neue Modelle und Finanzierungskonzepte entwickeln. „An das Thema müssen wir ran“, weiß auch der Berater.

Denn die Banken tragen künftig ein Abnahmerisiko für Ökostrom. Der Kreditnehmer muss dann eine besonders gute Bonität vorlegen. „Vielleicht eine so gute, dass er eben gar keine Bank mehr benötigt, um das fehlende Geld einzusammeln“, beschreibt Schmid das Dilemma. Das klingt paradox.

Die Finanzierung einer Ökostromanlage ist immer eine Projektfinanzierung. Das heißt, das Projekt finanziert sich aus den erwirtschafteten Einnahmen, so lautet die Maxime. Betriebs- und Kapitalkosten sind dabei zu decken. Dank der gesetzlich garantierten EEG-Zahlungen über 20 Jahre plus dem Jahr der Installation bewertet die GLS Bank, und wohl auch jede andere Bank, diese Kredite als relativ risikoarm.

Finanzieren ohne EEG

Was ändert sich nun, wenn die gesicherte Förderung über das EEG wegbricht? Aus Sicht der Banken ist es wünschenswert, dass künftig mehr kleine Direktvermarkter am Markt agieren. In der Regel muss der Vermarkter eine Bürgschaft vorlegen. Falls nicht, wird die Bank den Kunden bitten, eine entsprechende Reserve von ein oder zwei Monatserlösen auf einem Liquiditätskonto zu hinterlegen. Das Geld muss erst mal da sein.

Das neue Zauberwort, das derzeit umgeht, heißt: Crowdfunding. Über ein Internetportal geben Einleger Geld und bekommen dafür einen entsprechenden Zins. Am Ende ergeben viele kleine Beträge dann die erforderliche Finanzspritze für den Projektplaner oder die Genossenschaft. Manchmal wird das auch als Schwarmfinanzierung bezeichnet. Und das interessiert viele Anleger in Zeiten, in denen ein Sparkonto nur maximal ein Prozent Zinsen bringt.

Dividenden sind allerdings nicht die neuen Zinsen, auch wenn der ein oder andere Vermögensberater das gern so propagiert. Denn Geldeinlagen bei Banken mit Sitz in Deutschland sind über den Einlagenfonds abgesichert – zumindest bis 100.000 Euro. Bei einer Investition gibt es dagegen auch ein Risiko. Für eine Dividende gibt es keine Garantie.

Angriff auf die Banken

Auch Professorin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht die Banken vor einer neuen Herausforderung. Das EEG habe verlässliche Rahmenbedingungen gegeben. „Die Unsicherheiten durch die zukünftigen Ausschreibungen werden wachsen“, sagt Kemfert. Damit tun sich die Kreditinstitute schwer. Umso wichtiger sei es daher, dass die Politik verlässliche Rahmenbedingungen schaffe.

Die geplanten Ausschreibungen bergen enorme Risiken, vor allem für kleinere Teilnehmer wie beispielsweise Genossenschaften. „Banken werden sich künftig mehr absichern und vermutlich mehr Eigenkapital verlangen“, sagt DIW-Ökonomin Kemfert voraus.

Crowdfunding helfe hingegen, größere Mengen Geld einzusammeln. „Die Gefahr besteht natürlich, dass ein falsches Finanzierungsmodell eingesetzt wird oder zu hohe Risiken eingegangen werden. Wenn Crowdfunding sich allerdings für Erneuerbare durchsetzt, besteht eine echte Gefahr für das Geschäft der Banken und Energieversorger“, prognostiziert Kemfert.

Beteiligung bindet Kunden

Nicht umsonst betreiben und stärken die großen Energieversorger das Lobbying gegen Crowdfunding, beobachtet Thomas Hillig, Geschäftsführer der Beratung Thenergy aus München. Ausgenommen ist hier aus seiner Sicht EnBW. Zudem machten Stadtwerke eine relativ gute Figur. „Die sehen sich als Vorreiter“, sagt Hillig. Und nicht zuletzt stärkt eine direkte Beteiligung auch die Kundenbindung zum Versorger.

Generell ermöglicht es eine Schwarmfinanzierung, die ökologische Stromerzeugung noch direkter zu fördern – viel mehr noch als mit dem reinen Bezug von Grünstrom. „Privatleute investieren direkt in Erzeugungsanlagen, Kredite spielen nur eine untergeordnete Rolle“, erklärt er. Privatleute seien bereit zu investieren. „Mit einer Beschränkung der Nachrangdarlehen auf eine Million Euro versucht die Politik, Crowdfunding für Erneuerbare zu stoppen“, befürchtet Hillig. Hinzu kämen dann zusätzliche Verwaltungsauflagen.

Dabei bietet die neue Investitionsform ein riesiges Potenzial für etablierte Unternehmen, da ein Investor ungern Geld im Internet an ein ihm unbekanntes Unternehmen sendet. Bürgerenergiegenossenschaften weisen meist eine kosteneffiziente Verwaltung auf. Auch wenn sie nicht unter das klassische Crowdfunding fallen, da nur Mitglieder investieren können, erklärt Hillig.

Der Weg vom Crowdfunding zur Genossenschaft ist aber meist nur ein kleiner formeller Akt. Die Investition wird in Anteile an der Genossenschaft umgerechnet und der Anleger automatisch ein Mitglied. Natürlich sollte dem Anleger das Risiko vor der Investition deutlich werden, meint der Berater, aber die Vorzüge des Crowdfunding dürften dabei nicht verloren gehen. Wichtig ist: Die Bürokratie muss schlank bleiben.

Ein Leuchtturmprojekt ist der Solarpark Wachenbrunn. In nur 19 Tagen baute der Projektierer Max Solar aus Traunstein zusammen mit der Energiegenossenschaft Inn-Salzach (Egis) den Bürgersolarpark. Am 11. Mai ging er ans Netz, seit Ende März ist er bereits technisch betriebsbereit.

Dieses Datum ist wichtig: Es sichert den zu diesem Zeitpunkt gültigen Einspeisevergütungssatz, der jeden Monat weiter sinkt. Insgesamt verbauten Installateure mehr als 34.000 Module und rund 6.000 Fundamente für die Unterkonstruktion.

Bürgersolarpark mit 8,7 Megawatt

Die Photovoltaikanlage erstreckt sich auf 14 Hektar und hat eine Leistung von 8,7 Megawatt. Genug, um rund 2.200 Haushalte mit Solarstrom zu versorgen. Die Investition beträgt knapp 8,4 Millionen Euro. Mitfinanziert hat ihn die Umweltbank aus Nürnberg. „Der jährliche Ertrag aus der Anlage wird auf rund 755.000 Euro geschätzt“, berichtet Christoph Strasser, Vertriebsleiter bei Max Solar. 8,95 Cent pro Kilowattstunde verdient der Betreiber inklusive der Vermarktungsprämie. Strasser erhofft sich einen neuen Impuls von dem Projekt, da gerade Genossenschaften sich in den vergangenen Monaten zurückgehalten haben. Aber es gibt nun wieder Bewegung. Neun weitere Projekte hat sich Strasser bereits angeschaut.

Frühere militärische Schutzzone

Die Arbeitsteilung funktioniert: Projektierer kümmern sich um die Finanzierung, und die Genossen akquirieren die Fläche. Eine Rendite zwischen drei und vier Prozent verspricht der Prospekt zum Solarpark Wachenbrunn. Und das sei eher konservativ gerechnet, meint Strasser.

Am 20. Juni ist eine offizielle Einweihung geplant. Erwartet wird auch einer der Erfinder des EEG, der Grüne Hans-Josef Fell. Das Gelände, auf dem der Park steht, war lange tabu. Es war GVS, geheime Verschlusssache, wie es in DDR-Sprech hieß. Denn der Grenzbereich in Thüringen nahe der bayerischen Landesgrenze war militärische Schutzzone. Nach der Wende gehörte der Deutschen Telekom das Gelände. Es wurde aber nur mit Zäunen abgeriegelt, passiert ist 25 Jahre lang so gut wie nix. Bis die Genossen einen Solarpark aus dem Boden stampften.

Genossen arbeiten ohne Vergütung

Erst vor zwei Jahren haben sich rund „20 Verrückte“ zusammengetan und die Egis ins Leben gerufen, wie Vorstand Pascal Lang berichtet. „Ich war und bin einer von ihnen“, sagt der studierte Geograf. Er meint das im positiven Sinne. Denn 2013 war der Boom der genossenschaftlichen Gründungen schon vorbei.

Die Auflagen der Bafin haben viele Energiegenossenschaften verunsichert. Durch die nun vom Bundestag verabschiedete Novelle atmen sie auf. Die meisten Genossenschaften sind von der Prospektpflicht ausgenommen. Damit bleibt ihnen großer Aufwand erspart, und das betrifft Zeit und Geld. Denn die Mitarbeiter einer Genossenschaft arbeiten in der Regel ehrenamtlich – so bleiben die Kosten schlank. Lang ist hauptberuflich Klimaschutz- und Energiemanager im Landratsamt für den Landkreis Altötting.

„Mehr als die Hälfte der rund 10.500 Anteile à 150 Euro sind nach nur zwei Monaten vergeben“, freut sich Lang. Er leitet den Park zusammen mit Elmar Wibmer als Geschäftsführer. Nach rund einem Dutzend Infoveranstaltungen hat sich der Spieß umgedreht, berichtet Lang. „Nun werden wir gefragt, ob wir unseren Bürgersolarpark auf einer Veranstaltung vorstellen möchten.“

Weitere Projekte geplant

Crowdfunding gewinnt immer mehr an Bedeutung, um Solarparks in Deutschland zu finanzieren. Für den Park Langenbogen bei Halle kamen so 442.750 Euro von 322 Kleininvestoren zusammen. Pro Kopf sind das 1.375 Euro. Die Sammelaktionen finden dabei im Internet statt, beispielsweise auf der Plattform Econeers. Dabei handelt es sich um einen Ableger von Seedmatch aus Dresden, die sich eigentlich auf Start-up-Crowdfunding spezialisiert haben.

Für die Investoren biete der Solarpark Langenbogen eine Rendite von bis zu fünf Prozent pro Jahr, erklärt Michael Richter. Er ist Geschäftsführer bei Sonneninvest mit Sitz in Wien.

Die Mindesteinlage für das Projekt liegt bei 250 Euro. Das Risiko ist überschaubar: Denn der Sonnenstrom wird gemäß EEG bis 2030 zu einem garantierten Festpreis ins örtliche Stromnetz eingespeist.

Auch die Hamburger Firma DZ-4 hat so bei Kleinanlegern Geld eingesammelt. Innerhalb von knapp zwei Wochen kamen 180.000 Euro zusammen, mehr als ein Drittel des Betrags. Denn die gesamte Investition betrug 468.000 Euro.

Das durchschnittliche Investment eines Anlegers liegt mit 1.259 Euro bei einem ähnlichen Wert wie beim Solarpark Langenbogen. DZ-4-Gründer Tobias Schütt ist überzeugt, dass künftig auch weitere Projekte so finanziert werden: „Das ist wichtig, damit eine Skalierung des Geschäftsmodells möglich wird.“

DGRV

Niedrigere Hürden für Genossen

Die Bundesregierung hat Ende April die Novelle des Kleinanlegerschutzgesetzes verabschiedet. Damit stärkt sie auf der einen Seite die Verbraucher und schützt sie vor unseriösen und hoch riskanten Finanzprodukten. Auf der anderen Seite erhöht die Novelle aber nicht die Hürden für genossenschaftliche Projekte hinsichtlich der Prospektpflicht.

So können Anteile an Bürgersolaranlagen, die in der Regel genossenschaftlich organisiert sind, auch weiterhin ausgegeben werden, ohne dass die Genossenschaft einen ausführlichen und aufwendigen Prospekt zum Projekt erstellen muss. Die gleichen Regelungen gelten auch für Projekte mit einer Schwarmfinanzierung.

Aufseiten der Genossenschaften zeigt man sich zufrieden mit der Lösung. „Es ist erfreulich, dass sich Genossenschaften auch zukünftig über Darlehen ihrer Mitglieder finanzieren können, ohne dass ein aufwendiger Verkaufsprospekt erstellt werden muss“, lobt Eckhard Ott. Er ist Vorstandsvorsitzender des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbands (DGRV). „Damit kann die seit Jahrzehnten vertrauensvoll praktizierte Unternehmensfinanzierung beibehalten werden.“

Die bisher schon geltende Prospektbefreiung bei der Mitgliedereinwerbung von Genossenschaften wird so konsequent auf Angebote von Mitgliederdarlehen übertragen. „In seiner Begründung verweist der Gesetzgeber zu Recht auf den traditionell sehr hohen Mitgliederschutz der Genossenschaften, den insbesondere die Gründungs- und Pflichtprüfungen durch die gesetzlichen Prüfungsverbände gewährleisten“, erklärt Ott. „Die Ausnahmeregelungen bewahren Genossenschaften vor erheblichen administrativen Zusatzkosten, die das ohnehin schon hohe Schutzniveau nicht weiter verbessert hätten.“

Außerdem haben die Abgeordneten im Bundestag fraktionsübergreifend die Erklärung ihres Finanzausschusses unterstützt, wonach Genossenschaftsfonds grundsätzlich keine Investmentvermögen im Sinne des Kapitalanlagegesetzbuches sind.

www.dgrv.de

Universität Lüneburg

Verunsicherung schlägt sich nieder

Nach den starken Zuwächsen in den vergangenen Jahren ist der Gründerboom bei Energiegenossenschaften im Jahr 2014 eingebrochen. Zum Ablauf des Jahres 2014 waren 973 Energiegenossenschaften in den Genossenschaftsregistern eingetragen. Insgesamt wurden im Jahr 2014 66 Energiegenossenschaften neu in die Register eingetragen. Von denen wurden jedoch nur 29 auch im Jahr 2014 gegründet. Im Jahr 2013 wurden noch 104 Energiegenossenschaften neu gegründet und 172 in den Genossenschaftsregistern registriert. Das ergibt die Studie von Anfang 2015 „Zum Stand von Energiegenossenschaften in Deutschland“ von Jakob Müller und Lars Holstenkamp von der Universität Lüneburg. Unter den Neugründungen befinden sich schwerpunktmäßig Energiegenossenschaften, gleichauf mit Genossenschaften zum Nahwärmenetz.

Zur Studie der Uni Lüneburg

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