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Lehrstunde für den Minister

Als bislang erster Bundeswirtschaftsminister traute sich Sigmar Gabriel (SPD) am letzten Messetag in die Höhle des Löwen, zur Intersolar nach München. Nach seinem desaströsen Auftritt bei SMA vor Jahresfrist musste ihm klar sein, dass er nicht mit offenen Armen empfangen wird.

Aber er kam, dafür gebührt dem Mann Respekt. Weniger für seine Rede, sie war lau und wiederholte altbekannte Irrtümer. Die Sonnensteuer auf Eigenverbrauch will er nicht antasten, weil er diese Politik für solidarisch hält. Auch Sigmar Gabriel ist nur ein Mensch. Der manchmal etwas länger braucht, bis er die Zeichen der Zeit erkennt.

Photovoltaik ist solidarisch

Denn die Intersolar zeigte eindrucksvoll, dass die Photovoltaik eine solidarische Form der Energieerzeugung ist, überhaupt nicht lau und altbacken. Im Gegenteil: Der anschließende Rundgang mit einer kleinen Gruppe dürfte Sigmar Gabriel die Augen geöffnet haben.

Längst geht es nicht mehr um Subventionen, sondern um die Ernte der Früchte, die das EEG reifen ließ. Und diese Trauben hängen tief, verlockend tief.

Es geht um einen ökonomisch und ökologisch sinnvollen Wandel in der Energieversorgung, der die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft stärkt – und zwar in allen Branchen.

„Ein zentrales Zukunftsprojekt“

Eigenverbrauch und saubere Energien sind preiswert, die Technologien verfügbar. „Die Energiewende ist eines der zentralen Zukunftsprojekte. Wir haben bereits einiges erreicht, aber es liegt auch noch ein gutes Stück Arbeit vor uns“, sagte Gabriel auf der Messe. „Ich bin beeindruckt, mit welcher Innovationskraft und mit welchem Engagement die Unternehmen zukunftsweisende Produkte und Lösungen entwickeln, um den Wandel der Energiesysteme weltweit voranzubringen.“

Deutlich zu sehen war in München, dass sich auch die großen Energiekonzerne bewegen – wenn auch in kleinen Schritten. Eon und RWE präsentierten interessante Dienstleistungen und Produkte. Langsam ändern diese trägen Tanker ihren Kurs.

Gabriel resümierte: „Wir sehen hier Technologien auf Weltniveau, die weit über die reine Energieerzeugung hinausgehen – in einer Branche, die so diversifiziert ist wie die Energiewirtschaft selbst. Hier auf der Intersolar Europe, im Zentrum der Solarwirtschaft, sehen wir neben den großen Konzernen und innovativen jungen Unternehmen den neuen Mittelstand in diesem Land.“

Ein ökonomisches Gebot

Da muss sich der Bundeswirtschaftsminister entscheiden, ob er seine politische Funktion ernst nimmt. Denn es ist mittlerweile ein ökonomisches Gebot, die Energiewende möglichst breit auszurollen, in alle Branchen der Wirtschaft.

Den Stromspeichern beispielsweise kommt bei der Energieeffizienz und beim Einsatz erneuerbarer Stromquellen eine zentrale Bedeutung zu. Die Zuschüsse der KfW für Stromspeicher wirken sich im Markt stimulierend aus, allerdings wird nur rund ein Drittel der neuen Speicher damit installiert.

Doch die Spielregeln sind viel zu kompliziert, viele Interessenten wollen nicht warten. Zumal die Zinsen bei den Banken im Keller sind, Geld ist billig wie nie. Dennoch sollte die Förderung am Jahresende verlängert werden, um den jungen Markt der Stromspeicher nicht zu verunsichern, wie es jahrelang mit der Photovoltaik gemacht wurde.

Zwei Branchen verschmelzen

In München fanden die Intersolar und die Speichermesse EES Europe gleichzeitig statt, für Laien kaum zu unterscheiden. Das zeigte, wie sehr Photovoltaik- und Speicherbranche mittlerweile verschmelzen.

War die Photovoltaik die Geburtshelferin für stationäre Stromspeicher, dreht sich die Dynamik nun um: Künftig werden in erster Linie Speicher verkauft, die Solargeneratoren gibt es im Paket obendrauf.

Solarwatt hat es vorgemacht, auch Solar Frontier hatte entsprechende Angebote am Start. Ebenso war dieser Trend bei Solarworld, IBC und anderen Ausstellern deutlich zu erkennen. Wer bisher nur Module verkaufte, wandelt sich nun zum Systemanbieter.

Reine Modulanbieter sterben aus

Reine Modulhersteller wird es bald nicht mehr geben, nicht einmal mehr in China. Dort fordert die Elektrifizierung der Gesellschaft immer neue Systemprodukte, bis hin zum elektrisch angetriebenen Auto.

Auch das war in München deutlich zu sehen: Kaum entwachsen die Stromspeicher den Kinderschuhen, kommt neue Dynamik aus der Elektromobilität. Speziell die gezeigten Ladesysteme lassen erwarten, dass die kleineren Hausspeicher schon bald auf vier Rädern unterwegs sein könnten. BMW, Mitsubishi, Nissan und Tesla zeigten solche Lösungen. Mercedes-Benz wagt sogar den Sprung ins Gebäude, bot die Batterien von Accumotive unter der eigenen Marke an.

Dieser Trend erhöht den Druck auf den Bundeswirtschaftsminister, denn im Grunde genommen haben die Autokonzerne ein ähnliches Problem wie die Energieversorger, nur dass die Verbrennungstechnik unter der Motorhaube steckt.

Da kommt neue Musik ins Geschäft, denn von allen Anwendungen bietet die Mobilität den größten ökonomischen Hebel für Investitionen in den Eigenverbrauch. Allein die Spritkosten eines durchschnittlichen Familienhaushalts erreichen im Monat einige Hundert Euro.

Ein Muss für die Unternehmen

Wer es in diesem Jahr noch nicht verstanden hat, dem sei gesagt: Der Auftritt auf der Intersolar gehört in den Kalender jeder Firma, die in Europa mit Photovoltaik, Stromspeichern, Netzdienstleistungen oder anderen Angeboten zur Energiewende Geschäfte machen will.

Obwohl die Ausstellungsfläche in diesem Jahr deutlich geschrumpft war, strömten mehr als 38.000 Besucher in die Messehallen. Die Krise der Branche in Deutschland scheint überwunden.

Etwa 50 Prozent der Besucher reisten aus dem Ausland an. Die meisten Aussteller kamen aus Deutschland, China, Österreich, Frankreich und Italien nach München. Eigens reisten Delegationen aus Marokko, Pakistan und der Türkei an. Unternehmen und Institute aus China, Frankreich, Korea und Taiwan präsentierten sich auf Gemeinschaftsständen.

Qualität der Gespräche stieg

Vom Start weg war die Intersolar in diesem Jahr ein Erfolg. Punkt neun Uhr am ersten Messetag herrschte bei SMA und Solar Frontier reger Betrieb. „Die Qualität der Gespräche war sehr hoch, wir hatten viele professionelle Kunden und Großkunden am Stand, auch aus dem Ausland“, schätzte Udo Möhrstedt ein, Chef von IBC Solar. Auch dort war viel los.

Der Stand von Solarwatt wurde regelrecht gestürmt. Gegenüber, bei Deutsche Energieversorgung, wurden am ersten Messetag fünfmal mehr Senec-Speicher verkauft als am ersten Tag vor einem Jahr.

Diese Beispiele sind Hinweise, dass die Messe ein wichtiges Instrument zur Pflege der Bestandskunden ist. Auch bietet sie die Chance, neue Kunden zu erreichen. Allerdings gilt das für Kunden entlang der Wertschöpfungskette, weniger für den privaten Häuslebauer aus dem Münchener Umland. Die Intersolar und die EES Europe bilden eine Wirtschaftsmesse, auf der Innovationen gezeigt und Verträge unterzeichnet werden.

Die Auffächerung der einstigen Solarmesse zu intelligenten Systemen, Netzintegration und Energiespeicherung ist kein Zufall. Weltweit verzeichnet die Photovoltaikbranche ein enormes Wachstum.

Nach Angaben des Branchenverbands Solar Power Europe (vormals Epia) wurden 2014 weltweit über 40 Gigawatt Photovoltaikleistung neu installiert. Die weltweite Gesamtkapazität erreichte damit im vergangenen Jahr 177 Gigawatt.

In voraussichtlich zwei Jahren wird in 80 Prozent der Länder weltweit der Sonnenstrom preiswerter erzeugt als heute von den Stromversorgern angeboten. In Deutschland ist der Eigenverbrauch für Wohnhäuser, aber auch für die Industrie aufgrund der Kosten schon seit längerer Zeit attraktiv.

Mit dem großen Zuwachs an Solarstrom stellt sich zunehmend die Frage, wie diese Mengen an erneuerbaren, dezentralen und fluktuierenden Energiequellen in die bisher zentralisierte Stromversorgung eingebunden werden.

Die Aussteller präsentierten neben den Speichertechnologien auch neue Energiemanagementlösungen, intelligente Stromzähler und Systemtechnik. Sie eignet sich nicht nur für das private Eigenheim, sondern auch für Gewerbe und Industrie. Verschiedene Erzeuger und Verbraucher von Wärme und Strom werden verbunden und gesteuert. Martin Hackl von Fronius kommentierte: „Wer den Eigenverbrauch erhöhen will, muss immer die Wärme mitdenken.“

Moderne Energiemanagementsysteme vernetzen kleine und große Erzeuger zu virtuellen Kraftwerken, um Leistungen einzelner Anlagen zu bündeln und gemeinsam zu vermarkten. Auch die Batteriespeicher werden zunehmend virtuell vernetzt, um ihre Potenziale als „Schwarmspeicher“ zu maximieren.

Kurz vor der Messe hat beispielsweise Deutsche Energieversorgung aus Leipzig damit begonnen, das Econamic Grid erstmals mit Netzstrom zu beladen. Auf diese Weise entstehen vielfältige Geschäftsmodelle, die internationale Investoren und Unternehmen anziehen. Auch bei den Großanlagen gibt es Bewegung, wie die neue Kooperation von SMA und Siemens zeigte. Sie wollen große Solarparks gemeinsam vermarkten und bauen.

www.intersolar.de

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