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Kaufen war gestern

Not macht bekanntlich erfinderisch. Als der deutsche Photovoltaikmarkt vor drei Jahren massiv zu schwächeln begann, brachte das die ganze Branche in Schwierigkeiten.

Das mediale Dauerfeuer aus Halbwahrheiten und Falschinformationen verunsicherte die Verbraucher derart, dass sich die Meinung festsetzte, Photovoltaik lohne sich nicht. Da nützte es auch nichts, dass es Kenner der Materie besser wussten. Wenn der Kunde nicht kauft, gibt es kein Geschäft.

Zwar hielt sich die Not bei der Baywa r.e. selbst zu dieser Zeit in Grenzen. Dennoch wollte Tobias Schwarz, kaufmännischer Leiter des Unternehmens, neue Impulse im Markt setzen: „Wir haben im Laufe der Jahre ein bundesweites Netz an sehr guten und verlässlichen Partnern für Vertrieb und Installation aufgebaut“, erläutert er. „Gelistet sind bei uns mehrere Tausend Partner, davon sind über 1.000 aktive Kunden. Dieses Netzwerk wollten wir nutzen, um die Nachfrage neu anzuregen.“

So entstand die Idee des Pachtmodells, das Baywa mit Stadtwerken umsetzen wollte. Das Ziel: vor allem den Besitzern von Eigenheimen und privaten Bauherren eine Solaranlage schmackhaft machen. Und zugleich Installateuren und regionalen Energieversorgern einen Weg öffnen, um neue Kunden zu gewinnen.

Das Prinzip ist ebenso einfach wie vorteilhaft für alle Beteiligten: Regionale Energieversorger wie die Stadtwerke Stuttgart bieten den Hausbesitzern und Bauherren an, einen Solargenerator auf dem Dach zu installieren.

Ein einfaches Prinzip

Betreiber im Sinne des EEG ist der Eigner der Immobilie. Die Anlage selbst bleibt im Eigentum des Energieversorgers. Er ist während der 25-jährigen Laufzeit des Pachtvertrags verantwortlich für die Funktionsfähigkeit der technischen Komponenten, vom Montagegestell über die Solarmodule, ihre Verkabelung, die Wechselrichter und die Systemsteuerung.

Damit erhält der Immobilienbesitzer ein Komplettpaket aus Beratung, Installation und nachgelagertem Service. Den selbst produzierten Solarstrom kann er sofort für die Deckung seines Eigenbedarfs nutzen. Dabei ist ihm überlassen, ob er seinen Eigenverbrauch steigert – beispielsweise durch den Einsatz einer Batterie oder einer Wärmepumpe mit Warmwasserspeicher. Der nicht selbst verbrauchte Solarstrom wird ins öffentliche Netz eingespeist.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Energieversorger gewinnt Kunden und investiert in realwirtschaftliche Güter in Form von Photovoltaikanlagen, die ihm monatliche Pachterträge bringen. Der Nutzer der Anlage tut etwas für die Umwelt, indem er Solarstrom selbst produziert. Er tut etwas für das Stromnetz, denn er senkt die Stromentnahme und produziert eigenen Strom.

Und er tut etwas für sein Energiebudget, denn er spart durch die geringeren Kosten für den Sonnenstrom. Für ins Netz eingespeisten Strom erhält er die Einspeisevergütung – derzeit etwas mehr als zwölf Cent pro Kilowattstunde.

Je mehr Eigenverbrauch, desto besser

Dass das Modell umso günstiger ist, je mehr Solarstrom selbst genutzt wird, zeigt eine einfache Rechnung: Der durchschnittliche Strompreis für private Kleinverbraucher liegt derzeit bundesweit zwischen 28 und 29 Cent pro Kilowattstunde. Für eingespeisten Solarstrom aus einer typischen Aufdachanlage bis zehn Kilowatt Leistung gibt es – siehe oben – rund zwölf Cent.

Wer also seinen Strom selbst verbraucht, spart pro Kilowattstunde zwischen 16 und 17 Cent. Denn Anlagen bis zehn Kilowatt sind von der EEG-Umlage, der bundesweit gültigen Strafsteuer für Sonnenstrom, befreit.

Auch den anderen Beteiligten bringt das Pachtmodell Vorteile: Baywa r.e. verkauft die komplette Anlagentechnik an die Stadtwerke und Installateure, die sich in diesem Vertriebsmodell treffen. Zusätzlich regt das Unternehmen die Nachfrage nach Wärmepumpen und Batteriespeichern an – Produkte, die ebenfalls zum Portfolio des Großhändlers gehören. Und die Installationsbetriebe, die bei Baywa r.e. kaufen, bekommen zusätzliche Aufträge für den Aufbau der Anlagen.

So weit die Idee, mit der Tobias Schwarz bei den Stadtwerken Stuttgart vorstellig wurde. Der Energieversorger der baden-württembergischen Landeshauptstadt war erst im Herbst 2011 gegründet worden. Derzeit ist das Unternehmen damit beschäftigt, sich einen eigenen Kundenstamm aufzubauen.

Sonnendächer in Stuttgart

Das Stuttgarter Stadtwerk hat die Aufgabe, vorrangig Ökostrom zu erzeugen und zu vertreiben. Als Lieferanten hatten die Stadtwerke im Februar dieses Jahres die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) gewonnen.

Die sogenannten Stromrebellen aus dem Schwarzwald halten an der gemeinsamen Vertriebsgesellschaft 40 Prozent, die übrigen 60 Prozent halten die Stadtwerke Stuttgart.

Erklärtes Ziel des jungen Kommunalversorgers ist es, den elektrischen Strom für alle 303.000 Haushalte in Stuttgart vollständig aus erneuerbaren Energiequellen zu liefern. Die privaten Stromkunden in Stuttgart brauchen im Jahr rund 850 Gigawattstunden pro Jahr.

Gut gestartet

Um dieses Ziel zu erreichen, beziehen die Stuttgarter nicht nur umweltfreundliche Energie von der EWS. Sie bauen auch eigene Generatoren zur grünen Stromerzeugung, vor allem Windrotoren und Solarkraftwerke. Aktuell verfügt das Unternehmen über Erzeugungskapazitäten von mehr als 60 Megawatt.

Die Rahmenbedingungen für die Idee der Baywa r.e. waren zweifach günstig: Zum einen waren die Stadtwerke bereits in Kontakt mit der Baywa, weil sie deren Windpark im nordrhein-westfälischen Everswinkel kaufen wollten. Everswinkel liegt rund 20 Kilometer östlich von Münster. Mittlerweile ist dieser Verkauf über die Bühne gegangen.

Zum anderen heuerte just zu dieser Zeit Stefan Ronzani als neuer Mitarbeiter in Stuttgart an – ein Experte aus der Solarbranche. Zuvor war er Projektierer bei einem größeren Installationsbetrieb in Baden-Württemberg.

Gemeinsam feilten die Partner am Pachtmodell, wurden das Vertriebskonzept und Ideen zum Marketing entwickelt. Dazu gehören Flyer, eine eigene Website, Veranstaltungen für die Medien und Auftritte bei Stadtteilfesten. Seit Herbst 2014 bieten die Stadtwerke in Kooperation mit Baywa r.e. das Pachtmodell an. Erste Zielgruppe: Besitzer von kleinen Wohngebäuden für eine oder zwei Familien. Übliche Anlagengröße: unter zehn Kilowatt.

In der Regel werden um die fünf Kilowatt Leistung pro Haus installiert. „Mehr als 75 Prozent aller Dachflächen in der Stadt sind sehr gut oder gut für die Nutzung von Photovoltaik geeignet“, urteilt Stefan Ronzani. „Der Ökostrom kommt in der Stuttgarter Bevölkerung gut an. Wir stoßen mit unserem Modell bei den Stadtteilfesten auf großes Interesse.“ Kein Wunder, schließlich ist Stuttgart die erste Landeshauptstadt in Deutschland mit einem grünen Oberbürgermeister.

Das Marketing angekurbelt

Für die ersten Schritte zur Realisierung einer Solaranlage hat das Team um Stefan Ronzani eine exzellente Website entwickelt. Unter dem Motto „Mein Dach. Mein Strom“ finden sich hier alle relevanten Informationen inklusive Solarrechner, der erste Eckwerte für den möglichen Ertrag liefert.

Besonders pfiffig ist der Solaratlas, der in Kooperation mit dem Stadtmessungsamt der Landeshauptstadt entstanden ist. Hier sind alle Dachflächen des Stadtgebiets mit ihrer Ausrichtung und ihrem Neigungswinkel hinterlegt. Wie gut die jeweilige Dachfläche für die Installation einer Photovoltaikanlage geeignet ist, zeigen vier Farbabstufungen: Rot steht für „sehr gut“, Orange für „gut“, Blau für „bedingt“ und Grau für „nicht geeignet“.

Zu den Installationsbetrieben, die in das Modell eingebunden sind, gehört unter anderem die Firma Regiosol Solartechnik aus Filderstadt südlich von Stuttgart. Geschäftsführer Armin Stickler, nebenbei Stadtrat in seiner Gemeinde, ist ein klassischer Überzeugungstäter. „Ich habe mein Dach bereits im Jahr 2000 mit einer Drei-Kilowatt-Anlage bestückt“, erinnert er sich. „Damals war das noch richtig teuer.“

Der gelernte Elektriker hatte ursprünglich vor allem Telekommunikationsanlagen installiert. Vor der Gründung von Regiosol Solartechnik im Jahr 2009 absolvierte er eine Zusatzausbildung zum Solarteur und Vertriebstechniker für erneuerbare Energien. „In dieser Zeit habe ich mich nach einem verlässlichen Partner umgeschaut, von dem ich meine Komponenten beziehen konnte“, erzählt er. Auf der Intersolar kam er in Kontakt mit MHH in Tübingen, dem Vorläufer der Baywa r.e. Seither zählt er zu den Stammkunden des Großhändlers.

Und er profitiert vom neuen Pachtprodukt. „Ich hatte zwar erfreulicherweise immer gut zu tun“, kommentiert er. „Über die Kooperation mit den Stadtwerken Stuttgart bin ich aber an manchen Kunden gekommen, den ich allein bestimmt nicht gewonnen hätte.“

Finanzierung anbieten

Mittlerweile haben Baywa r.e. und die Stadtwerke Stuttgart ihr Modell weiter verfeinert. So bieten sie inzwischen zwei Finanzierungsvarianten an:

  1. Die Stadtwerke mieten das Dach in Verbindung mit einer Nutzungsvereinbarung und lassen die Photovoltaikanlage installieren. Gleichzeitig wird die Anlage über eine Laufzeit von fünf Jahren verpachtet – mit Verlängerungsoption. Jeweils nach fünf Jahren erhält der Kunde einen Treuebonus von fünf Prozent auf die Pachtrate. Endet die Verpachtung, wird die Anlage auf Wunsch wieder abgebaut.
  2. Optional kann der Hausbesitzer die Photovoltaikanlage auch von den Stadtwerken Stuttgart käuflich erwerben.

Hat ein Interessent konkretes Interesse, sichtet ein Vertriebsmann der Stadtwerke oder einer der kooperierenden Installateure die Bedingungen vor Ort. „Es geht ja nicht nur um die Größe und Neigung des Daches, sondern auch um die Anschlussbedingungen“, erklärt Armin Stickler. „Da wir eine Erzeugungsanlage installieren, muss der Zählerplatz den gesetzlich vorgeschriebenen technischen Anschlussbedingungen, kurz TAB, entsprechen. Vor allem bei älteren Häusern müssen wir deshalb den vorhandenen Zählerplatz oft durch einen neuen ersetzen.“

Nachfrage nach Speichern steigt

Klar ist: Das Modell wird mit jeder selbst verbrauchten Kilowattstunde finanziell attraktiver. Kein Wunder also, dass auch die Nachfrage nach Speichern steigt. Stefan Ronzani vom Stuttgarter Stadtwerk rechnet vor: „Ohne Speicher erreichen wir eine Eigennutzungsquote zwischen 25 und 30 Prozent, mit Speicher liegt die Quote zwischen 60 und 70 Prozent.“

Dass sich das Ganze dann sehr gut rechnet, zeigt ein Beispiel: Eine gute Anlage produziert etwa 4.000 Kilowattstunden Solarstrom im Jahr. Mit einem guten Speicher werden bis 3.000 Kilowattstunden selbst genutzt. Auf diese Weise reduziert sich die Stromrechnung des Nutzers um 840 Euro im Jahr – bei einem Preis von 28 Cent pro Kilowattstunde aus dem öffentlichen Netz. Die 1.000 eingespeisten Kilowattstunden bringen weitere rund 120 Euro. Finanzieller Gesamtnutzen: rund 960 Euro. Dem stehen rund 720 Euro für die Pacht im Jahr gegenüber.

Inzwischen führt Baywa r.e. intensive Gespräche mit mehreren regionalen Energieversorgern und greift auf die positiven Erfahrungen aus Stuttgart zurück. Ein Energieversorger vertreibt das Photovoltaikmodell als Pachtlösung bereits im Großraum München. Tobias Schwarz bestätigt: „Wir haben Anfragen nicht nur aus Süddeutschland, sondern auch aus dem Norden.“

Modell für viele Anbieter

Viele regionale Versorger seien derzeit dabei, sich dem Thema zu nähern – um Neukunden zu gewinnen und sich als Anbieter von grünem Strom zu positionieren. Und mancher Betreiber von Gasnetzen sieht hier eine Möglichkeit, ins Geschäft mit Ökostrom einzusteigen.

Die Stadtwerke Stuttgart sind mit den Anfängen zufrieden, wie Stefan Ronzani meint: „Wir haben zwei Dutzend Projekte mit Photovoltaik realisiert. Davon haben wir etwa die Hälfte verpachtet und die andere Hälfte verkauft. Im zweiten Halbjahr werden wir bestimmt weitere 20 Anlagen installieren.“

www.baywa-re.com/de/

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