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“Es gelten die Normen am Bau“

Wie hat sich der Markt für gebäudeintegrierte Photovoltaik in Europa entwickelt?

Dieter Moor: In Europa gab es einen regelrechten Boom ab 2008, wobei die Zugänge am jeweiligen Markt teilweise sehr unterschiedlich waren. 2008 beispielsweise gab es in Frankreich eine sehr hohe Einspeisevergütung für BIPV. Als sie reduziert wurde, brach der Markt extrem ein. Daran kann man erkennen, dass solche Förderungen nicht zwangsläufig nachhaltig sind.

Welche Lehren ziehen Sie daraus?

Es zeigt sich, dass man erst mit dem Energieverbrauch der Gebäude herunterkommen muss, um den geringeren Bedarf anschließend mit erneuerbaren Energien zu decken. Grundsätzlich glaube ich, dass sich der Markt gut entwickeln wird. Denn ab 2020 greift die EU-Direktive, die den fossilen und atomaren Energieverbrauch im Neubau auf nahezu null begrenzt. Schon 2018 gilt sie für öffentliche Gebäude. Dabei spielt die Photovoltaik eine sehr wichtige Rolle. Die Frage ist: Wie lässt sie sich architektonisch einbauen?

Wie sehen Sie die deutschsprachigen Märkte für BIPV?

In der Schweiz erleben wir zurzeit eine sehr hohe Nachfrage. Dort müssen Sie 20 Prozent des Energiebedarfs eines Neubaus und meines Wissens nach auch in der Bestandssanierung mit erneuerbaren Energien decken. In der Schweiz läuft rund die Hälfte unserer Projekte. Hinzu kommt, dass in der Schweiz die freie Fläche sehr kostbar ist. Dort gibt es wenig Standorte für Solarparks. Deshalb müssen die Schweizer ihre Gebäude nutzen. Das merken die Architekten natürlich auch. Zudem können die Schweizer augenblicklich in der Eurozone viel günstiger einkaufen, was uns als Anbieter aus Österreich zugute kommt.

Wie schaut es in Ihrem Heimatland aus?

In Österreich entsteht langsam ein gewisser Druck. Eine Art Wettbewerb unter den Bauherren sehen wir beispielsweise für Bürostandorte aus dem Windkraftbereich. So etwas Ähnliches hatten wir schon einmal unter den Stromversorgern. Österreich hat neun Bundesländer. 2006 haben wir für einen Landesenergieversorger eine Solarfassade gebaut. Das brachte den Stein ins Rollen, und andere Energieversorger wollten dem nicht nachstehen. Ähnlich verhält es sich bei Banken, Kindergärten und so weiter. Es tut sich etwas, wenn auch nicht so deutlich wie in der Schweiz.

Bleibt noch Deutschland. Eigentlich wäre es von der Fläche und der Zahl der Gebäude her der größte Markt in Europa ...

Ja, das stimmt. Aus Sicht eines Herstellers ist es in Deutschland schwieriger, weil einige Modulhersteller ihre Einbrüche bei den Standardpaneelen nun mit der BIPV kompensieren wollen. In Deutschland haben wir mehr Konkurrenz als bei uns in Österreich. Manchmal schreiben Architekten zunächst eine Solarfassade mit den am Bau üblichen Normen und Standards aus, entscheiden sich aber schließlich doch für Standardpaneele. Auch das ist schon vorgekommen, wir hatten so einen Fall in München. Aber Referenzprojekte wie die Kita Marburg oder das NEW Blauhaus in Mönchengladbach stimmen uns zuversichtlich.

Die Kosten für Photovoltaik auf den Dächern oder auf dem Freiland sind in den vergangenen Jahren dramatisch gesunken. Wie entwickeln sie sich in der BIPV?

Es ist nicht einfach, Kosten zu nennen. Denn wir kalkulieren jedes Projekt individuell. Generell kann man für Fassaden mit Standardpaneelen zwischen 60 und 70 Euro je Quadratmeter Fassadenfläche rechnen. Werden die Solarzellen wirklich in die Fassade integriert, geht die Kalkulation bei 150 Euro für den Quadratmeter los, nach oben offen. Je nach Aufwand sind bis zu 2.000 Euro möglich, je nach Glasdicke, Zellbelegung und Format. Sehr teure Projekte mit großformatigen, maßgeschneiderten Paneelen sind jedoch selten.

Wie verteilen sich Ihre Umsätze innerhalb Europas?

Der Vertrieb bei Ertex Solar konzentriert sich auf die deutschsprachigen Märkte, also auf die sogenannte DACH-Region. Dort machen wir etwa 80 Prozent unseres Umsatzes. Das restliche Fünftel erzielen wir in Ländern wie Frankreich, Italien oder Großbritannien. Manchmal werden auch BIPV-Projekte in den USA, den Emiraten oder an exotischen Orten wie in Asgabat in Turkmenistan realisiert.

Wie aufwendig ist der Vertrieb in der BIPV?

Prinzipiell ist es viel schwieriger und langwieriger, Solarfassaden zu verkaufen als Standardsysteme für die Aufdachmontage oder das Freiland. Je individueller die Fassade nach den Wünschen des Architekten geplant wird, je mehr die Paneele nach besonderen Vorgaben gefertigt werden, desto mehr Gespräche muss man führen. Denn auch die Zielgruppen sind ganz andere als im normalen Photovoltaikgeschäft.

Welche Zielgruppen sind in Ihrem Geschäft wichtig?

Eine zentrale Rolle spielen die Architekten, die aber meist nicht unsere Kunden sind. Sie beraten die Bauherren und bringen ästhetische oder optische Wünsche ins Projekt ein. Wenn es um die Kosten geht, entscheidet der Bauherr. Unsere Kunden sind aber auch Fassadenbauer, Elektriker oder Glaser. Deshalb muss man das Produkt mindestens dreimal anpreisen. Denn der Fassadenbauer wiederum hat ganz eigene Anforderungen. Ihn interessiert etwa diese Frage: Wo und wie oft kommen die Kabel aus den Paneelen heraus? Muss er sich eventuell mit dem Elektriker abstimmen und was für einen Zusatzaufwand bedeutet das? Und so weiter.

Auf welche Weise vertreiben Sie Ihre Produkte?

Bei uns im Vertrieb sind vier Leute unterwegs. Hinzu kommen Partner in den verschiedenen Ländern und Regionen, die quasi als externe Agenten fungieren und die Projekte vor Ort betreuen. Wir haben solche Agenten in Italien, Frankreich, Großbritannien, in der Türkei, in Polen, neuerdings sogar in Russland. In der Schweiz wollen wir den Vertrieb ausbauen, weil der Markt dort abhebt und von Amstetten aus schwer zu betreuen ist.

Nun zu den technischen Anforderungen: Warum ist es mit standardisierten Fassadenelementen so schwierig, den Markt zu erobern?

Für bestimmte Gebäude bietet sich dieser Weg an, etwa für Zweckbauten in der Industrie. Wenn Sie für ein Logistikzentrum eine Solarfassade mit 10.000 Quadratmeter bauen, spielen das optische Erscheinungsbild oder die Randabstände vielleicht kaum eine Rolle. Bosch bietet solche standardisierten Fassaden mit CIS-Modulen an. Wir bieten eher flexible Lösungen, individuell maßgeschneiderte Fassaden an: aus großflächigen, färbigen und semitransparenten Elementen.

Welche Erfahrungen bringen Sie dafür mit?

Ertex Solar ist eine Tochter der Ertl AG, deshalb können wir auf viele Erfahrungen aus der Glasbranche zurückgreifen. Allerdings ist auch in diesem Segment eine gewisse Standardisierung unumgänglich, um die Kosten im Griff zu halten. Weil wir längst nicht die Stückzahlen wie bei Standardmodulen erreichen, ist die Standardisierung nur begrenzt möglich, ebenso die Senkung der Kosten.

Bauen Sie Ihre Fassaden mit kristallinen Zellen oder mit Dünnschichtpaneelen?

Mit klassischen Waferzellen aus Silizium. Früher haben wir auch mit amorphen oder mikrokristallinen Dünnschichtmodulen gearbeitet, zum Beispiel mit den Paneelen von Schott Solar. Damit haben wir sogar viele Fassaden und Dächer gebaut, in der Summe rund 5.000 Quadratmeter.

Schott hat die Fertigung der Glaspaneele jedoch eingestellt, ebenso Schüco bei Malibu in Osterweddingen. Das hat Ihr Geschäft sicher nicht einfacher gemacht, oder?

Zuletzt haben wir Abschattungslamellen für ein Versicherungsgebäude in Bern mit Modulen von Masdar PV geplant. Als auch die Fabrik von Masdar in Thüringen geschlossen wurde, konnten wir es nicht mehr realisieren. Übrig geblieben ist Next Power aus Taiwan, die semitransparente Dünnschichtmodule aus amorphem Silizium anbieten.

Beziehen Sie die Dünnschichtmodule aus Fernost?

Die langen Transportwege sind sehr riskant, vor allem für Halbzeuge, die in der Zwischenzeit beispielsweise korrodieren können. Das Sterben der Lieferanten war sehr schwierig für uns, weil die Dünnschichtmodule aufgrund ihrer Homogenität und semitransparenten Eigenschaft gut für Fassaden verwendbar waren.

Also bleibt es bei kristallinen Modulen?

Vorerst ist es wohl so. Semitransparente Module hatte Sunways angeboten, auch dieser Hersteller ist mittlerweile in die Insolvenz geschlittert. Der Nachfolger ist Blue Cell, von dieser Firma haben wir schon die ersten semitransparenten Zellmuster bekommen. Das probieren wir gerade aus.

Welche neuen Produkte verlangt die BIPV?

Relativ einfach sind schöne, optisch ansprechende Indachsysteme oder hinterlüftete Fassaden mit Normformaten. Sie lassen sich gut standardisieren und somit kostengünstiger darstellen. Ungleich schwieriger und aufwendiger sind Fassaden mit unterschiedlichen Modulformaten oder extrem große Elemente. Bei Ertl Glas, unserer Muttergesellschaft, können wir Paneele mit drei mal sechs Metern Kantenlänge laminieren. Wir können spezielle semitransparente oder färbige Zellen verbauen. Wichtig ist, dass für Solarfassaden oder Überkopfverglasungen andere Vorschriften gelten als für Standardmodule oder die Aufständerung auf dem Flachdach.

Haben Sie dafür Beispiele?

Für die Montage an der Fassade oder die Lagerung der Paneele in den Profilen gelten andere Vorschriften als bei Aufdachsystemen. Was vielen Installateuren nicht klar ist: Das CE-Zeichen der Solarmodule gilt nicht automatisch für die bautechnische Anwendung an der Fassade.

Welche Folgen kann dieser Irrtum haben?

Wenn man solche Module installiert, kann es passieren, dass die zuständige Behörde die Abnahme verweigert. Aus diesem Grunde wurden schon fertig installierte Anlagen demontiert, obwohl alles bereits bezahlt war. Die Fassade muss exakt den Baunormen entsprechen, sonst trägt der Installateur ein erhebliches Risiko.

Schreckt die Komplexität nicht viele Akteure ab?

Die BIPV ist keine Raketenwissenschaft. Auch wenn es manchmal kompliziert klingt, weil man zahlreiche zusätzliche Dinge beachten muss. Wenn die Architekten, Bauherren und die Industrie als Hersteller der Fassadenelemente, der Montagesysteme und der Elektrik zusammenarbeiten, können wundervolle Dinge entstehen. Schert nur einer der drei beteiligen Player aus, wird es kritisch. (Interview: HS)

Dieter Moor

war vor seinem Studium der Kulturtechnik und Wasserwirtschaft in zahlreichen Ingenieur- und Architekturbüros beschäftigt. Nach dem Studium war er zuständig für Projekte in der Photovoltaik, Wasserkraft und Biogas bei Österreichs erstem Ökostromproduzenten. Seit 2005 leitet er den Vertrieb und das Marketing bei Ertex Solar. Mittlerweile ist er Geschäftsführer des Unternehmens mit Sitz in Amstetten.

Ertex Solar

Großflächige Elementemit VSG-Technologie

Die Ertl Glas AG ist ein österreichischer Produzent von Verbundsicherheitsglas. Die VSG-Technologie für großflächige Photovoltaikelemente zu nutzen ist das Geschäftsfeld der Firmentochter Ertex Solar aus Amstetten in Niederösterreich. Ertex Solar versteht sich als Partner von Architekten, die Ästhetik und Solartechnik vereinen wollen. Die Großflächenmodule in VSG-Technologie werden in Amstetten in Sonderserie gefertigt. Der umfangreiche Maschinenpark im eigenen Glasbearbeitungszentrum bietet für individuelle Anfertigungen eine hohe Vielfalt der Varianten.

www.ertex-solar.at

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