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Es hagelt Kiesel und Nüsse

Es gibt eine Vielzahl von Ursachen für Glasbruch. Häufig und bekannt sind Steine, die aufs Glas schlagen, oder Schäden an den Kanten. Weniger bekannt und seltener sind Ursachen, die auch Experten manchmal verborgen bleiben. Davon sind nicht nur Fenster und Fassaden aus Glas betroffen, sondern in zunehmendem Maße auch Photovoltaikelemente, gemeinhin als Solarmodule bezeichnet.

Unabhängig davon, ob deren Aufbau aus zweimal Drei-Millimeter-Glas, aus Glas-Folien-Verbund oder bei objektspezifischen Sonderanfertigungen aus beispielsweise zweimal Zehn- oder Zwölf-Millimeter-Glas bestehen, bleiben ihre Eigenschaften der verwendeten Glasart untergeordnet.

Verwendung finden alle Glasarten: von nicht vorgespanntem Floatglas über thermisch vorgespanntes Glas (TVG) bis hin zu Einscheibensicherheitsglas (ESG).

Hohe Schäden sind kein Einzelfall

In den meisten Fällen handelt es sich um extraweißes, eisenoxidarmes oder eisenoxidfreies Glas, das eine hohe Energieausbeute der Solarzellen erlaubt.

Auch bei all diesen Glasarten und Kombinationen gibt es eine Vielzahl an Einwirkungen, die Glasbruch verursachen können. Dazu zählen Hagel, zu starke Einspannung, Verwindungen in der Unterkonstruktion, Überhitzung durch Kurzschluss oder Ähnliches.

Da solche Solarelemente, vor allem wenn es sich um objektspezifische Sonderkonstruktionen mit unterschiedlichsten Abmessungen handelt, wesentlich teurer als ein Standard-Zweifach-Isolierglas sind, können die Kosten bei Glasbruch schnell im vier- bis fünfstelligen Bereich liegen.

Wo liegt die Ursache?

Ist nicht nur ein Element, sondern sind mehrere davon beschädigt, addieren sich die Schäden schnell zu noch höheren Summen. Bei derart hohen Schäden ist es natürlich besonders wichtig, die Schadensursache und den wirklich Schuldigen feststellen zu können.

Nur dann lassen sich Regressforderungen aufmachen und durchsetzen. Einbaufehler, zu dünn dimensionierte Gläser, Konstruktionsfehler oder Vandalismus sind einige Ursachen für Glasbruch bei hochwertigen Photovoltaikmodulen.

Ein außergewöhnlicher Fall soll hier beschrieben werden: Bei dem Verwaltungs- und Repräsentationsgebäude einer Bank wurden über dem Eingangsbereich in rund sechs Metern Höhe 22 Photovoltaikelemente eingebaut. Da es sich um eine Art Lichtdach im Flachdach des Gebäudes handelt, sind diese natürlich semitransparent.

Das Lichtdach einer Bank

Hinter diesem (begehbaren) Flachdach des Eingangsbereiches mit den Solarmodulen ragt in etwa fünf Metern Abstand der 26-stöckige Verwaltungsturm in die Höhe. Die Module wurden korrekterweise nicht waagrecht, sondern mit leichtem Neigungswinkel eingebaut, um stehendes Wasser und dadurch verursachte starke Verschmutzung zu vermeiden. Sie bestehen aus zweimal Zehn-Millimeter-TVG und 1,52-Millimeter-PVB-Folie mit eingebetteten Solarzellen.

Statisch von einem Ingenieurbüro korrekt dimensioniert und sorgfältig blasenfrei vom Modulhersteller produziert, wurden die einzelnen Photovoltaikelemente flächenbündig in die Unterkonstruktion eingebaut. Eine äußere Versiegelungsfuge anstelle eines Deckprofils sorgt dafür, dass an keiner Stelle stehendes Wasser oder eine Schattenbildung auf den Modulen auftreten kann.

Korrekt dimensioniert und eingebaut

Damit wird die Leistung der Solarmodule nicht durch konstruktive Einbaudetails reduziert. Auf diese Weise ist die bestmögliche Produktion von Solarstrom, abhängig von der Einbausituation, möglich.

Der Einbau erfolgte 2010 durch den Fachunternehmer, der auch die Metallunterkonstruktion erstellt hat. Bei der Abnahme ergaben sich diesbezüglich keinerlei Probleme. Im Jahr 2012 wurden erste Schäden an den Glasscheiben – Zehn-Millimeter-TVG aus Weißglas als Deckscheibe – entdeckt. Im Folgejahr wurde eine starke Zunahme der Glasschäden registriert und deshalb beim Ersteller der Konstruktion und der Verglasung dieser Glasschaden reklamiert.

Der Bauherr reklamierte Glasbruch in erheblichem Umfang, denn über die Hälfte der eingebauten Photovoltaikelemente war betroffen. Er forderte den ausführenden Metallbaubetrieb auf, den Schaden im Rahmen seiner Gewährleistung durch Austausch aller beschädigten Solarmodule zu beheben. Da sich die Schadenshöhe inzwischen im oberen fünfstelligen Bereich befand, war ein schneller und kulanzmäßiger Austausch einiger Photovoltaikelemente nicht mehr möglich.

Also musste der eigentliche Verursacher gefunden werden. Dabei wurden alle Parameter der Planungsphase nochmals überprüft: Statik der Photovoltaikelemente, Verglasung, Einspannung, Verwindungen der Konstruktion, Glasart und Glasdicke, wobei dies zu dem Schluss führte, dass keine Fehler erkennbar waren.

Zur Klärung der Glasbruchursache wurde deshalb der Autor dieses Beitrages eingeschaltet, der sich durch Fachbücher zu Glasschäden einen Namen gemacht hatte. Bei der Begehung vor Ort wurden folgende Ergebnisse festgestellt:

  • Der Verlauf der Glasbrüche lässt keinen eindeutigen Schluss zu. Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichsten Bruchverläufen. Während einige Elemente nur einen durchgehenden Sprung aufweisen, zeigen andere eine starke Zerstörung mit diversen Brüchen.
  • Es war immer nur die äußere Glasscheibe betroffen. Bei keinem Element zeigte die untenliegende Scheibe irgendeine Beschädigung.
  • Ein spinnennetzähnliches Bruchbild war an keinem Element vorhanden.
  • Besondere, auffällige Kantenbeschädigungen wurden im eingebauten Zustand an keinem Photovoltaikelement erkannt. Die Kanten waren absolut sauber und ohne sichtbare Beschädigungen.
  • Der Bruchverlauf mit wenigen Bruchinseln und einigen parallel zur Kante laufenden Sprüngen weist klar auf die Verwendung von TVG hin. Denn vorgespanntes Glas zeigt einige typische Sprungverläufe, die weder bei nicht vorgespanntem Floatglas noch bei ESG zu beobachten sind.
  • Auf der Dachfläche und vereinzelt auch auf zwei Photovoltaikelementen lagen runde Kieselsteine von der Größe einer Haselnuss bis zur Walnuss.
  • Größere Steine, die eventuell von der Straßenseite auf die Verglasung geworfen worden wären, wurden nicht gefunden.

Ursache blieb ein Rätsel

Diese oberflächlichen Betrachtungen ergaben keinen Rückschluss auf die Bruchursache. Deshalb wurde jedes einzelne Photovoltaikelement und jeder Glasbruch genau untersucht, um den Bruchausgangspunkt und die Bruchlaufrichtung festzustellen.

Erst bei dieser detaillierten Betrachtung ergaben sich einige interessante und eindeutige Feststellungen:

  • Bei allen Sprungverläufen ließ sich der Sprungbeginn eindeutig feststellen. Sowohl aufgrund einiger erkennbarer Wallnerschen Linien wie auch anhand von Sprungverzweigungen war der Ausgangspunkt unzweifelhaft feststellbar.
  • Alle Ausgangspunkte der Glasbrüche zeigten ein nahezu identisches Erscheinungsbild mit etwa zwei bis sechs Millimeter großen, meist kreisrunden Flächenbeschädigungen.
  • Auch an den Photovoltaikelementen ohne Glasbruch zeigten sich bei genauer Untersuchung solche ein bis drei Millimeter großen kreisrunden Flächenbeschädigungen. Von ihnen ging jedoch kein Sprung aus.

Ein Bruchspiegel konnte leider deshalb nicht exakt festgestellt werden. Denn am Sprungbeginn zeigte die Glasoberfläche eine meist kreisrunde Beschädigung mit feinen Glaskrümeln auf der Oberfläche. Leider lassen sich die VSG-Elemente nicht zerlegen, um die Oberfläche am Bruchbeginn genauer untersuchen zu können.

Aus diesen Untersuchungen und Feststellungen konnte nur folgender Schluss gezogen werden: Es ist in Fachkreisen hinlänglich bekannt, dass vor allem Möwen Muscheln aus größerer Höhe fallen lassen, um die Außenhülle zu zerstören und an das Fleisch im Inneren zu gelangen. Es ist ebenfalls bekannt, dass Rabenvögel wie Krähen, Dohlen oder auch Elstern Nüsse aus größerer Höhe abwerfen, um die harte Schale zum Platzen zu bringen und an den schmackhaften Kern zu gelangen.

Spuren von Aufprall

Die kreisrunden Oberflächenbeschädigungen an den gesprungenen, aber auch an den nicht zerstörten Scheiben kann nur mit einem senkrechten Aufprall eines sehr harten, kleinen und runden (kugelförmigen) Gegenstandes auf die Glasoberfläche erklärt werden. Dieser muss allerdings aus größerer Höhe abgeworfen werden, um die Oberfläche von zehn Millimeter dickem Glas in der beschriebenen Form zu beschädigen.

Auf dem Flachdach neben den Photovoltaikelementen lagen runde Kieselsteine in der Größe von Haselnüssen bis Walnüssen. Dieses Flachdach hat keine Kiesschüttung, sondern bestand nur aus verschweißten Dichtbahnen. Ergab sich die Frage: Woher stammten die Kiesel?

Kiesel, so groß wie Walnüsse

Der 26-stöckige Büroturm im Abstand von fünf Metern hinter diesem Photovoltaikdach hat ebenfalls ein Flachdach, allerdings mit Kiesschüttung. In der Nähe der Gebäude wurden viele Dohlen, Krähen und Elstern, sogar einige Möwen beobachtet. Somit können die Oberflächenbeschädigungen, die ursächlich zum Glasbruch geführt haben, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur von den Vögeln verursacht worden sein.

Sie werfen Kiesel vom sehr hohen Flachdach des Büroturms ab, vermutlich in der Annahme, dass es sich hierbei um Nüsse handelt. Ob der Spieltrieb der Krähenvögel eine weitere Rolle spielt, ist unbekannt.

Diese kleinen Kiesel erreichen aufgrund der großen Höhe eine sehr hohe Aufprallenergie und beschädigen die Oberflächen der Photovoltaikelemente.

Eventuell führen diese Stöße bei weiterer thermischer Belastung zum Glasbruch. Die grob geschätzte Schadenssumme lag zwischen 60.000 und 70.000 Euro, die in diesem Falle dem Bauherren angelastet wurden.

Zur Vermeidung von weiteren Vogelschäden wurde diskutiert, im Abstand von zehn bis 20 Zentimetern ein sehr feines, hoch belastbares Netz zu spannen, das die Photovoltaikelemente möglichst wenig abschattet, aber den Steinschlag auf die Glasoberfläche unterbindet.

www.ertl-glas.at

Der Autor

Ekkehard Wagner

leitet das Vertriebsbüro für Deutschland der österreichischen Ertl Glas AG in Allersberg. Ferner ist er als Referent, Lehrbeauftragter und als kompetenter Fachbuchautor in der Glasbranche bekannt.

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