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Design trifft Standard

Der Leimgrubenweg in Basel ist nicht die erste Adresse, wenn es um die gut 1.700 Jahre Geschichte der Stadt geht. Etwas außerhalb des Zentrums liegt der Dreispitz Basel, wie das Viertel von den Einheimischen genannt wird. Es ist zusammen mit dem südlich daran anschließenden Münchenstein das größte geschlossene Gewerbe- und Dienstleistungsgebiet Basels.

Das alles klingt eher nüchtern. Keine aufregende Sache. Doch seit wenigen Tagen hat der Dreispitz Basel einen neuen Hingucker. Vom grauen Kasten zum Prunkstück hat sich die Hauptniederlassung des Autoherstellers Volvo in Basel, die Centra-Garage, gemausert. Nicht über Nacht, aber dennoch mit rasender Geschwindigkeit. Bis vor wenigen Tagen war es ein unscheinbares Gebäude mit einer weiß getünchten Betonfassade. Jetzt prangt an dieser Fassade eine riesige Photovoltaikanlage.

Insgesamt 203 Dünnschichtmodule hat der Projektierer Solvatec installiert. Das Unternehmen sitzt in direkter Nachbarschaft zur Centra-Garage.

Es ist nicht das erste solcher Projekte für Solvatec. Schon im vergangenen Jahr hat das Unternehmen einen ehemaligen Kohlebunker in ein schickes Büro- und Veranstaltungsgebäude verwandelt. Solvatec hat den alten Speicher, in dem einst der Brennstoff für eine Turbinenfabrik gelagert wurde, mit Dünnschichtmodulen unterschiedlicher Farbe und Größe ausgestattet. Das Ergebnis ist beeindruckend.

Auch die Fassade der Centra-Garage kommt jetzt ganz anders daher: jung, modern, urban. Die vorgehängte Konstruktion mit den horizontal eingehängten Dünnschichtmodulen von Solar Frontier ist direkt nach Süden ausgerichtet.

Erträge können sich sehen lassen

Auf der gegenüberliegenden Seite steht nur eine Tankstelle, an die sich ein dazugehöriger Garagenkomplex anschließt. Es gibt nichts, was die Anlage verschatten könnte, noch nicht mal einen Baum. Entsprechend erwirtschaftet die Anlage die optimalen Stromerträge für eine Solarfassade. Auch wenn diese niedriger sind, als wenn die Anlage auf dem Dach stehen würde, kann sich ein Ertrag vom 26.000 Kilowattstunden aus einer Fassadenanlage mit einer Leistung von 34,5 Kilowatt sehen lassen. So viel haben die Planer von Solvatec ausgerechnet.

Auf dem Dach wäre auch Platz für eine Solaranlage gewesen. Doch mit dem neuen Generator an der Außenhaut seines Gebäudes setzt der Volvo-Händler nicht nur auf eine neue Fassade, sondern auch auf ein neues Image. Er will sich damit als modernes und zukunftsgerichtetes Unternehmen positionieren. Direkt gegenüber der Tankstelle, wo alte Benzin- und Dieselschleudern ihren Kraftstoff tanken, wurde noch ein Ladepunkt für Elektroautos installiert, der von dem in der Anlage produzierten Solarstrom gespeist wird. Dort sollen Volvo-Kunden mit Hybridautos ihre Akkus laden können. Den restlichen Strom nutzt der Volvo-Händler im Gebäude – sowohl im Showroom als auch in der gleich nebenan liegenden Werkstatt.

Ohne Fassade gehts nicht

Bisher sind Solarfassaden wie die neue Anlage in Basel immer noch eine echte Seltenheit. Kaum eine dieser immer noch als exotisch angesehenen Anlagen, die nicht wahrgenommen wird – zumindest hierzulande. In China oder den asiatischen Tigerländern Taiwan und Singapur ist die Solarfassade längst als Lösung angekommen. Um die neu entstehenden Wolkenkratzer in den wachsenden Städten energieeffizient zu betreiben und um den riesigen Bedarf an Strom für die Kühlung im Sommer abzudecken, reichen die Dachgrößen längst nicht mehr aus, um sie mit Solaranlagen zu bestücken. Hier muss die Fassade mit ran.

Mit Blick auf diese Märkte sieht Florian Fey den Markt für die fassadenintegrierte Photovoltaik wachsen. Er ist bei Bosch CIS Tech in Brandenburg an der Havel Leiter des Produktmanagements. Die letzte Solarsparte des Bosch-Konzerns ist inzwischen in Auflösung begriffen. Die Brandenburger haben schon länger versucht, mit schlüsselfertigen Energiefassaden auf den Markt zu gehen. Bosch CIS Tech hat auch vier dieser Energiefassaden in Deutschland realisiert, und das Geschäft begann sich zu entwickeln. „Wir haben zunehmend Anfragen nach Energiefassaden in Asien, dort vor allem aus China und Singapur, aber auch aus Afrika und Europa“, sagte Fey auf der letzten Conference on Advanced Building Skins, dem inzwischen größten Treffen von Architekten, Solarbranche und Bauindustrie, das alljährlich in Bern stattfindet. „Selbst Projektträger interessieren sich immer mehr für dieses Thema“, berichtet Fey.

Doch Bosch hat zu schnell die Reißleine gezogen, gerade als es losging und das Geschäft sich entwickelte. Das ist genau die Situation, die der schweizerische Architekt und Pionier der Solarfassade Reto Miloni mit den Worten beschreibt: „Jetzt entwickelt sich der Markt. Doch zu diesem Zeitpunkt, an dem die Architekten gewissermaßen über die Kuppe kommen und den Schwung aufnehmen für BIPV, ist auf der anderen Seite niemand mehr da, der die gewünschte Technologie anbietet.“

Viele Partner sind involviert

Auch wenn die Tage der Energiefassade in Brandenburg gezählt sind, sieht Fey auch für andere Anbieter das Komplettpaket als Türöffner für den Markt. Denn kaum ein Fassadenbauer oder Architekt will sich auf elektrisches Fassadenmaterial einlassen. Da sind Kabel hinten dran und man muss eine elektrische Planung machen. „Es ist wichtig, dem Fassadenbauer und dem Architekten diese elektrische Planung abzunehmen und alle Arbeiten zu erledigen, die mit der Energiefassade anfallen“, erklärt Fey. Er sieht im Angebot solcher Komplettpakete auch für andere Hersteller, die im BIPV-Bereich aktiv werden und erfolgreich sein wollen, einen sehr guten Weg, ihre bisherigen Geschäftsmodelle zu überdenken und sich an den Markt anzupassen.

Die Anbieter müssen außerdem direkt auf die Architekten zugehen, so wie es die Hersteller von Baumaterialien auch machen. Sie müssen Lösungen liefern und nicht nur ein Produkt verkaufen. Die Photovoltaikbranche muss auf die Komplexität im Fassadenbau eingehen. „Das ist nicht so einfach“, erklärt Zeger Vroon. „Denn es sind viele Akteure involviert, und es gibt viele Produkte auf dem Markt, mit denen diese Partner zurechtkommen müssen.“ Vroon ist Professor für Solarenergie an Gebäuden an der Zuyd-Universität im holländischen Heerlen.

Alle unter einen Hut bringen

Vom Architekten über den Fassadenbauer, den Solarinstallateur, den Hersteller der Komponenten bis hin zum Kunden hat jeder seine eigenen Ziele mit der Solarfassade. „Der Architekt will mit der Fassade spielen, er braucht die Freiheit von Form und Farbe“, beschreibt Dieter Moor die Situation. Er ist Vertriebsleiter von Ertex Solar im österreichischen Amstetten. „Der Installateur wiederum braucht die Informationen, wie er das System an die Fassade montieren soll inklusive der elektrischen Verschaltung. Für den Kunden sind wiederum die Zertifikate und der Ertrag wichtig.“

Um diese ganzen verschiedenen Interessen unter einen Hut zu bringen, stellt Ertex Solar nicht nur Module für die Gebäudeintegration her, sondern liefert gleich ganze Komplettsysteme für die Fassade.

Die Preise sinken

Als eine Hürde wird immer wieder der Preis genannt. Kundenspezifische Lösungen können nicht preiswert sein. Die Kosten für den Solarstrom aus Dachanlagen sind in den vergangenen Jahren aufgrund der Skalierung in der Produktion gesunken. „Doch jede Fassade ist einzigartig, und sie ist ein Designobjekt“, weiß Patrick Hofer-Noser, Geschäftsführer von Meyer Burger Energy Systems. „Die Fassade sieht man, der Architekt will etwas Schönes machen. Doch das widerspricht eigentlich der Skalierbarkeit. Wenn wir die Kosten senken wollen, müssen wir gemeinsam Lösungen finden, die skalierbar sind“, fordert er alle Beteiligten auf.

Meyer Burger hat mit seinem dachintegrierten Komplettsystem gezeigt, dass skalierbare BIPV-Produkte möglich sind. Diese gelte es jetzt auch für die Fassade zu entwickeln. „Dazu müssen wir innovative Lösungen finden, und wir brauchen die Interdisziplinarität, sodass wir standardisieren können“, sagt Hofer-Noser mit Blick auf das Zusammenspiel der einzelnen Akteure.

Dass das Preisargument nicht immer gerechtfertigt ist, zeigt Christian Renken von CR Energie, einem Planer von Solarfassaden im schweizerischen Collombey. Immerhin müsse der Bauherr für eine Holzfassade 220 Schweizer Franken pro Quadratmeter bezahlen, rechnet er vor. Will er eine hochwertige Glasfassade, kostet diese schon 310 Franken pro Quadratmeter. Eine Natursteinfassade schlägt mit satten 360 Schweizer Franken pro Quadratmeter zu Buche.

Eine Fassade mit standardisierten Dünnschichtmodulen ist schon für 80 Franken pro Quadratmeter zu haben. Eine Fassade mit kristallinen Modulen kostet 200 Franken pro Quadratmeter. Erst wenn man eine hochwertige Fassade mit kundenspezifischen Modulen haben will, können die Preise bis auf 500 Franken pro Quadratmeter steigen.

Das Potenzial ist riesig

Sogar im Vergleich mit der an das Gebäude angebauten Photovoltaik schneidet die gebäudeintegrierte Variante gar nicht so schlecht ab. Zeger Vroon von der Zuyd-Universität prognostiziert, dass die Kosten für gebäudeintegrierte Anlagen bis zum Jahr 2020 im besten Falle auf das Niveau von Dachanlagen sinken. Im schlechtesten Fall werden sie nur noch um den Faktor 1,6 über den Preisen liegen, die an das Gebäude angebaute Solaranlagen kosten.

Vroon verweist dazu auf die ersten Ergebnisse der Task 15 des Photovoltaic Power Systeme Programme (PVPS) bei der Internationalen Energieagentur, in der er selbst mitarbeitet. Diese Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Entwicklung von Geschäftsmodellen für die BIPV in einem internationalen Rahmen für die Standardisierung von BIPV-Lösungen. Die Arbeitsgruppe soll so der BIPV den Weg an die Fassade und damit in den Markt ebnen.

Doch eigentlich gilt es, vor allem die Architekten zu überzeugen. Viele Fassaden können ohne Weiteres schon jetzt mit standardisierten Photovoltaikkomponenten bestückt werden. „Wir müssen aber dann an den Architekten herantreten, wenn das Projekt am Anfang steht“, beschreibt Christian Renken einen der Lösungswege. „Denn später ist das Projekt auf dem Papier fertig, dann sind kaum noch Änderungen möglich.“ Renken kennt das Problem nur zu gut. Er hat als Geschäftsführer von CR Energie viel Erfahrung mit der Planung von Solarfassaden gesammelt. Das letzte große Projekt hat er an der Außenhaut am CSEM in Neuchâtel realisiert.

Bisher bleibt die gebäudeintegrierte Photovoltaik aber weiter in der Nische, auch wenn diese in den letzten Jahren etwas größer geworden ist und die Anbieter ein Licht am Ende des Tunnels sehen. Das Potenzial ist riesig und die Möglichkeiten vielfältig. Vor allem in Mitteleuropa. „Denn dort sind die Bedingungen für die Solarfassade besser als in Südeuropa“, weiß Ulrich Köhl, Vertriebsleiter von Colt International, einem Projektierer von solaren Verschattungssystemen für Gebäude mit Sitz in Berlin.

Gute Erträge im Winter

Solvatec hat es nachgemessen. Der Baseler Projektierer hat die Erträge von Fassaden- und Dachanlagen mit gleichen Technologien verglichen. Die Monitoringergebnisse sprechen für sich. „Die Solarfassade hat eine bessere Ertragsbalance zwischen den einzelnen Monaten“, berichtet Dominik Müller, Geschäftsführer von Solvatec. „Bei unseren Messungen haben wir herausgefunden, dass wir mit der Fassadenanlage nicht im Juli, sondern im März den höchsten Ertrag haben. Insgesamt haben wir im Winter sogar einen Mehrertrag von 25 bis 30 Prozent gegenüber Dachanlagen.“

Das liegt nicht nur daran, dass im Winter die Sonne tiefer steht und damit die Module an der Fassade optimaler ausgerichtet sind, als die auf dem Dach, sondern auch am sogenannten Albedoeffekt. Der weiße Schnee reflektiert einen großen Teil des Lichtspektrums, den die Solarmodule zusätzlich für die Stromproduktion nutzen.

Zwar bleibt der über das gesamte Jahr hinweg gesehene Ertrag einer Fassadenanlage im Vergleich hinter den Erträgen einer Dachanlage zurück. Aber der Kunde bekommt dafür eine bessere Eigenverbrauchsanlage, als wenn sie auf dem Dach stehen würde. Das wird den Markt treiben. „Mit einer Fassadenanlage bekommt der Gebäudeeigentümer eine konstante und stabile Stromproduktion aus dem Solargenerator“, weiß Christian Renken von CR Energie. „Damit sind auch ohne Speichersysteme 80 Prozent Eigenverbrauch problemlos möglich. So brauchen wir keine riesigen Batterien mehr im Gebäude, in denen wir den enormen Stromüberschuss am Mittag speichern.“

So schließt Renken wieder den Bogen zum Preis. Denn selbst wenn im Jahr 2020 die BIPV immer noch leicht teurer sein sollte: Mit geringeren Investitionen in Speichersysteme macht sie diesen Preisunterschied allemal wett.

www.solvatec.ch

Advanced Building Skins

Konferenz geht in die nächste Runde

Jedes Jahr treffen sich Experten aus Architektur, der Bau- und der Photovoltaikbranche zur Conference on Advanced Building Skins. Gestartet ist die Konferenz einst im italienischen Brixen. Inzwischen findet sie in der Schweizer Hauptstadt Bern statt. Das hat gleich zwei Gründe. Einerseits ist die Schweiz Vorreiter in Europa bei der Gebäudeintegration von Solaranlagen. Andererseits ist das Interesse an der Konferenz inzwischen so weit angewachsen, dass der Umzug nach Bern fast unausweichlich war. Im vergangenen Jahr hatte sich die Zahl der Teilnehmer auf 480 nahezu verdoppelt. Andreas Karweger, der die Konferenz organisiert, rechnet für dieses Jahr damit, dass die Teilnehmerzahl weiter steigt, weil das Interesse an Solarfassaden immer größer wird.

Die diesjährige Conference on Advanced Building Skins findet am 10. und 11. Oktober 2016 auf der Expo in Bern statt. Die internationale Plattform für Architekten, Ingenieure, Wissenschaftler und Experten der Bauindustrie geht dann schon in die elfte Runde.

www.abs.green

Marktübersicht

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