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“Die Mindestpreise bremsen jegliches Wachstum“

Wie hat sich der Markt für Solarmodule in Deutschland, Österreich und der Schweiz für Jinko Solar im Jahr 2015 entwickelt?

Frank Niendorf: Leider konsolidiert sich der deutschsprachige Markt weiterhin auf eher niedrigem Niveau. Das führt dazu, dass die ehemals führende Region Europa und Deutschland immer weiter im internationalen Wettbewerb abgehängt werden. Während internationale Märkte wie USA, Lateinamerika, Mittlerer Osten oder Asien boomen und dank der stark gefallenen Systempreise fantastische Wachstumsperspektiven offerieren, sehen sich viele unserer europäischen Kunden leider gezwungen, ihre Organisationen deutlich zu verkleinern. Sie müssen ihre Aktivitäten ins Ausland verlagern oder das Solargeschäft komplett einstellen.

Was bedeutet das konkret für Deutschland?

Der Zubau belief sich im vergangenen Jahr auf rund 1,3 bis 1,57 Gigawatt. Davon waren zwischen 85 und 90 Prozent relativ kleine Dachanlagen mit unter 50 Kilowatt Solarleistung, meistens wahrscheinlich zwischen fünf und zehn Kilowatt. Bei den Großprojekten verzögern einige der Gewinner der deutschen Ausschreibungen die Umsetzung. Sie hoffen, dass der Mindestpreis für chinesische Module im Laufe dieses Jahres fällt. Das würde die Systemkosten deutlich reduzieren und die möglichen Renditen verbessern oder überhaupt Renditen ermöglichen.

Welche Einschätzung haben Sie für die Märkte in Österreich und der Schweiz?

Der Markt in Österreich hat sich als stabil erwiesen, mit rund 150 Megawatt Zubau. Das Bewusstsein für die Umwelt und für Qualität ist in der Bevölkerung sehr groß. In Österreich dominieren die Anlagen für Privatkunden. Um diesen Markt zu deutlich größerem Wachstum zu stimulieren, müssten die Systempreise spürbar sinken. Denn die Strompreise sind relativ niedrig. Das wäre möglich, wenn die Mindestpreise der EU fallen. Wie das funktioniert, beweist der Solarmarkt in der Schweiz. Der Zubau hat sich auf 300 Megawatt eingependelt, er ist stabil. In der Schweiz gelten die Mindestpreise der EU nicht, dort werden Solarmodule mit Weltmarktpreisen angeboten. Der Markt hat sich unabhängig von protektionistischen Maßnahmen aus Brüssel entwickelt. Trotz der relativ niedrigen Stromkosten in der Schweiz amortisieren sich Photovoltaikanlagen für Endkunden dank der niedrigeren Systempreise.

Welche Faktoren wirkten sich unterstützend aus, welche haben den Markt in Europa eher gehemmt?

Jinko Solar konnte trotz des ausbleibenden Wachstums und der Konsolidierung erfolgreich Marktanteile in Europa gewinnen und sich als einer der führenden asiatischen Modullieferanten in Europa positionieren. Das hilft jedoch wenig, um den europäischen Markt im internationalen Wettbewerb wieder voranzubringen. Die aktuellen politischen Rahmenbedingungen bremsen die europäische Photovoltaikindustrie bewusst aus und verhindern Wachstum.

Auch der türkische Markt ist von den Mindestpreisen ausgenommen. Sehen Sie dort eine ähnliche Entwicklung wie in der Schweiz?

Eher noch besser. Wir haben vor drei Jahren angefangen, den türkischen Markt zu entwickeln. Seit zwei Jahren sind wir mit einem eigenen Team unterwegs. Im Jahr 2015 wurden in der Türkei offiziell rund 300 Megawatt Photovoltaik ans Netz angeschlossen, wir haben dort rund 100 Megawatt verkauft. Das ist ein ordentlicher Anteil. Für das laufende Jahr sehe ich ein Potenzial von 800 bis 900 Megawatt, das ist enorm. In der Türkei wächst die Wirtschaft, und die Strompreise sind hoch. Ebenso ist die Sonneneinstrahlung sehr lukrativ, es gibt ausreichend Flächen für Solargeneratoren. Der türkische Solarmarkt kommt bereits ohne Subventionen aus.

Also sind die Mindestpreise der EU das Problem?

Nach unserer Auffassung – ja. Sie sind das hauptsächliche wachstumshemmende Problem. Auf dem Weltmarkt werden die Module mit 42 bis 45 Eurocent je Watt gehandelt, in der EU zwischen 56 und 61 Eurocent. Ohne Mindestpreise könnten unsere europäischen Kunden in sonnenreichen Regionen wie Spanien oder Portugal für Großprojekte auf Basis eines Abnahmevertrages (PPA) mit fünf bis sechs Eurocent je Kilowattstunde bauen. In Deutschland oder Großbritannien wären es sieben bis neun Eurocent je Kilowattstunde. Die Mindestpreise bremsen jegliches Wachstum aus. Sogenannte PPA-Projekte wären auch bei uns in Europa ohne Weiteres wirtschaftlich darstellbar, wenn es keine Mindestpreise gäbe.

Welche Rolle spielte die schnelle Absenkung der Einspeisetarife?

Die starke Reduzierung der Einspeisetarife hat sicherlich zum Einbruch in Deutschland beigetragen. Das ist jedoch nicht der Hauptgrund. Dieser liegt ohne Zweifel am Festhalten der Europäischen Kommission und der deutschen Bundesregierung am Mindestpreis für chinesische Module. Andere Länder wie Großbritannien, Italien, Spanien und die skandinavischen Staaten sind gegen die Mindestpreise.

Strafzölle gibt es auch in den USA, aber dort boomt der Markt. Was machen die Amerikaner anders?

In Brüssel und bei uns in Deutschland wird ein protektionistischer Ansatz verfolgt, hier will der Staat die Preise vorschreiben. Das hat zur Folge, dass die Märkte schwach bleiben. Das Geld fließt trotzdem zu den asiatischen Modulanbietern ab, die ja weiterhin in Europa verkaufen – eben zu höheren Mindestpreisen als anderswo in der Welt. In den USA wird ein Importzoll erhoben, der dem Steuerzahler zugutekommt, also in das Budget des Staates fließt. Zugleich haben die Amerikaner sehr interessante Steuererleichterungen, die es vor allem für die großen Investoren lukrativ machen, in Photovoltaik zu investieren. Diese ITC wurden kürzlich bis 2020 verlängert. Die Amerikaner denken vom Markt her, und das zahlt sich beim Zubau aus.

Welche Faktoren unterstützen den Markt in Europa?

Die Förderung von Speichern hat sicherlich zu einer leichten Wiederbelebung des deutschen Marktes beigetragen, wenn auch ausgehend von einem niedrigen Niveau. Die Ausschreibungen von Projekten haben geholfen, dieses Segment in Deutschland leicht zu stabilisieren. Allerdings wurde nur ein Bruchteil des theoretisch möglichen Installationsvolumens umgesetzt.

Wie bewerten Sie die Aussichten für 2016?

Das hängt wesentlich davon ab, wie lange es die Mindestpreise noch gibt. Würde die eingangs beschriebene Kostenreduktion von 30 Prozent bei den Modulen ermöglicht, wären keine hohen Einspeisevergütungen mehr notwendig. Dann würden sich auch größere Projekte wirtschaftlich rechnen – ohne hohe Subventionen. Alle unsere europäischen Kunden in UK, Deutschland, Italien, Spanien oder Frankreich haben solche PPA-basierten Projekte in der Entwicklung. Sie warten nur auf die Abschaffung des Mindestpreises.

Und wenn der Mindestpreis erst 2017 fällt?

Dann werden wir uns wohl auf ein weiteres Jahr ohne signifikante Wachstumsimpulse einstellen müssen. Die Lücke zwischen Europa und den außereuropäischen Boommärkten würde sich vergrößern. So lange haben wir noch mit einem weiteren Problem zu kämpfen, das sicher nicht im Sinne eines europäischen Marktes ist.

Welches Problem meinen Sie?

Aufgrund des EU-Mindestpreises gibt es bei chinesischen Solarmodulen keinerlei Preisschwankungen, solange der Mindestpreis nicht seitens der EU-Kommission neu angepasst wird. Dagegen hat sich das Preisniveau der nichtchinesischen Modulanbieter im Laufe des Jahres 2015 deutlich unter den Mindestpreis bewegt. Selbst deutsche Modulhersteller bieten aktuell gut zehn bis 15 Prozent unter dem als realistischer Marktpreis definierten Niveau an. Zugleich haben sowohl chinesische als auch europäische Anbieter wenig Anreize, die Preise zu senken, solange sie durch die EU festgelegt sind.

Welche Trends sind auf anderen Märkten in Europa erkennbar?

In Großbritannien, Spanien, Portugal und Frankreich stehen wir an der Schwelle zur Netzparität – wenn die Mindestpreise fallen. Dort könnten die Solarstrompreise im PPA-Modell auf vier bis sechs Cent je Kilowattstunde fallen. Zudem wandeln sich immer mehr Märkte in Europa hin zum Stromsparen durch Photovoltaik.

Neben Standardmodulen bietet Jinko intelligente Module mit integrierter DC-Optimierung an. Welche Rolle spielen smarte Solarmodule in Europa?

Den neuen leistungsoptimierten Modulen kommt eine immer größere Bedeutung zu, da über die neue Intelligenz der Module bisher nicht zugängliche Marktsegmente und Flächen erreicht werden können. Allein die Möglichkeit, bisher teilverschattete Dach- und Bodenflächen mit deutlich höherer Moduldichte zu nutzen, erschließt einen großen neuen Markt. Die durch Skaleneffekte stetig fallenden Kosten könnten langfristig sogar dazu führen, dass bei der Herstellung von Solarmodulen die Produktion grundsätzlich auf mit Mikrochips versehene intelligente Module umgestellt wird.

Welche Module sind Ihre Zugpferde?

Innerhalb von Jinko Solar setzen wir 2016 ganz auf unsere leistungsoptimierten Module, welche im Segment der Dachanlagen einen großen Wettbewerbsvorteil bieten. Unser aus verschiedenen Optimierungstechnologien bestehendes Produktportfolio für smarte Module hilft, sich als führender Qualitätsanbieter vom Wettbewerb zu differenzieren.

Die Smart Module sind seit Anfang 2015 im Markt. Welche Leistungen bieten Sie an?

Unsere Standardmodule mit 60 polykristallinen Zellen leisten zwischen 265 und 270 Watt. Sie sind frei von potenzialinduzierter Degradation (PID). Wir können auch Module mit 72 der 96 Zellen bauen. Allerdings spielen sie lediglich im gewerblichen Aufdachsegment eine Rolle, denn das Handling der schweren Module ist schwierig. Dafür braucht man mindestens zwei Leute. Die DC-optimierten Module eignen sich eher für den privaten Kunden und kleinere Dächer. Durch die eingebaute Elektronik verlieren sie zwischen drei und fünf Watt je Modul, wir liefern sie mit 260 bis 265 Watt aus. Daneben bieten wir für das Projektgeschäft auch Module für Strings mit 1.500 Volt Systemspannung aus, für kommerzielle Anlagen und Energieversorger. Wenn der Kunde es wünscht, können wir übrigens auch Solarmodule mit monokristallinen Zellen bauen.

In welchen Märkten verkaufen sich die intelligenten Module besonders gut?

In den Märkten von Deutschland und in Großbritannien, dort steigt die Nachfrage ordentlich an. Denn diese Module bieten einen Mehrwert, der den höheren Mindestpreis rechtfertigt. In den USA ist die Nachfrage auch sehr hoch. In Märkten, in denen geringe Kosten im Vordergrund stehen, wie in der Türkei, Indien oder Lateinamerika, werden vor allem preiswerte Standardmodule nachgefragt.

Das Interview führte Heiko Schwarzburger.

www.jinkosolar.com

Frank Niendorf

ist Diplomkaufmann und General Manager für Europa bei Jinko Solar. Zuvor hat er unter anderem Stationen bei LDK Solar Tech Europe, BP Solar und Conergy durchlaufen. Jinko Solar hat weltweit über 15.000 Mitarbeiter und produziert in China, Südafrika und Malaysia. Das börsennotierte Unternehmen ist vertikal integriert von Ingots bis zu Modulen.

Marktübersicht

Module mit mehr als 275 Watt (60 Zellen)

  • Rund ein Dutzend Hersteller und Anbieter
  • Elektrische Leistungsdaten und Anschlusswerte
  • Abmessungen und Gewicht
  • Garantien und Lebensdauer
  • Hinweise zur Verfügbarkeit
  • Weiterführende Webseiten
  • Alle Daten in Excel sortierbar

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