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Jede Medaille hat zwei Seiten

Das Jahr 2015 brachte für Solarworld die Trendwende. Letzten September erreichte das Unternehmen erstmals wieder ein positives operatives Ergebnis auf Konzernebene. Das Gesamtergebnis des Jahres übertraf sogar die selbst gesteckten Ziele.

Die Strategie von Firmenchef Frank Asbeck scheint aufzugehen: Er hat seinem Konzern verordnet, den Markt bei Qualität und Technologie anzuführen.

Zu den Neuheiten aus dem Hause Solarworld gehören die bifazialen Perc-Module, die seit Kurzem unter dem Namen Bisun erhältlich sind. Bifaziale Doppelglasmodule nutzen auch das Licht, das auf die Unterseite der Module trifft, also die Reflexion von Dachflächen, von Beton auf Parkplätzen oder auch von Schnee.

Mehrertrag geschenkt

Die Idee des bifazialen Moduls existiert schon sehr lange, doch bisher blieb die Technologie ein Nischenprodukt mit geringem Marktanteil. Dies lag vor allem daran, dass viele Ansätze auf kostenintensivem N-Type-Silizium oder Heterojunction-Solarzellen basierten. Solarworld entwickelte eine bifaziale Zelle auf Basis des Perc-Verfahrens, die 2015 erfolgreich in die Produktion implementiert wurde. Mit den Bisun-Modulen wird ein Mehrertrag von sechs bis 25 Prozent erreicht, je nach Albedo-Faktor, dem Rückstrahlvermögen des Hintergrundes.

Albedo und Höhe der Aufständerung sind die wichtigsten Einflussgrößen für die Ertragssteigerung, die einen eigenen neuen Parameter hat: den Energy Boost.

Je nach Installation haben die Module verschiedene Wirkungsgrade, die im Labor nur schwer zu messen sind. Deshalb werden die Module derzeit nur mit den Leistungswerten der Vorderseite verkauft. Den Mehrertrag auf der Rückseite bekommt der Kunde geschenkt.

Für die Messung der Leistung auf der Vorderseite wurden die Flasher so modifiziert, dass kein Licht auf die Rückseite des Moduls fallen kann.

Produktion leicht anpassbar

Die Ingenieure entwickelten ein Simulationsmodell für den Energy Boost, das in die Software Polysun implementiert wurde. So wird der Mehrertrag bereits während der Anlagenplanung abgeschätzt und beurteilt. Dabei kam das vom Fraunhofer ISE entwickelte Ray-Tracing-Modell zum Einsatz. Es berechnet die Verdeckung und Abschattung des Hintergrunds mithilfe dreidimensionaler Objektdaten und den Strahlen des Lichts. Das Modell wurde durch erste Pilotsysteme validiert.

Bei den bifazialen P-Typ-Zellen waren nur leichte Modifikationen des normalen Perc-Prozesses notwendig. Die Maschinen in Freiberg wurden relativ einfach umgerüstet. Die vollflächige Metallisierung der Rückseite wurde auf eine offene Finger-Grid-Metallisierung umgestellt, um auch dort das Licht einzufangen und in Strom zu verwandeln.

Die Entwicklung dieser Module ergab sich aus der Kombination der Perc-Technologie mit der Glas-Glas-Einkapselung. Perc steht für passivierte Emitter auf der Rückseite. Überrascht waren die Entwickler, wie gut der Ansatz funktioniert. Denn die Effizienz der beiden Zellseiten ist beachtlich. Der Wirkungsgrad auf der Vorderseite ist zwar leicht gesenkt, aber in der Summe leistet die bifaziale Zelle deutlich mehr. Nun richten die Ingenieure ihr Augenmerk auf die leichte Ertragseinbuße der Vorderseite.

Vorreiter in der Perc-Technik

Solarworld war der erste Hersteller, der mit der Umstellung seiner Fertigung auf Perc-Zellen schon 2012 begonnen hat und diese in großen Stückzahlen produziert. Derzeit hat das Unternehmen mehr als 800 Megawatt Fertigungskapazität für Perc-Zellen. Die Erweiterung auf 1,5 Gigawatt läuft und soll bis 2017 abgeschlossen sein.Zurzeit arbeitet Solarworld in zwei Forschungsprojekten an weiteren Verbesserungen seiner Module. Sie tragen wohlklingende Namen: Laura und Helene. Mehrere Firmen, Forschungsinstitute und Hochschulen sind beteiligt.

Demnächst noch kostengünstiger

Im Projekt Helene stecken knapp 20 Millionen Euro, die Hälfte stammt aus Fördertöpfen des Bundes. Das Ziel ist es, noch bessere und kostengünstigere Perc-Zellen zu entwickeln und in die Massenfertigung zu überführen. Dieses Projekt läuft noch bis September 2017.

Die Forscher optimieren die Maschinen, das Material, die Prozesse und die Analytik, um den Wirkungsgrad der monokristallinen Zellen auf 22,5 Prozent zu heben. Derzeit sind es 19,5 Prozent. Polykristalline Perc-Zellen sollen sich von 17,3 auf 19,5 Prozent verbessern.

Selbst überrascht

Im Januar konnten die Forscher einen Wirkungsgrad von 22 Prozent bei den monokristallinen Solarzellen verkünden. Dieses Ergebnis wurde vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg bestätigt.

Holger Neuhaus ist der Geschäftsführer von Solarworld Innovation. Er berichtet: „Wir hätten das selbst vor wenigen Jahren noch nicht für möglich gehalten. Wir dachten, dafür benötigen wir völlig neuartige Produktionstechnologien. Dass wir jetzt durch die Weiterentwicklung bestehender Prozesse so weit gekommen sind, ist ein Riesenerfolg.“

Der hohe Wirkungsgrad wurde dank eines Wafers möglich, dessen Ladungsträger sehr stabil sind. Störstellen und Elektronen rekombinieren kaum. Hinzu kommt ein selektiver Emitter, bei dem die Dotierung an den Kontakten sehr hoch ist. Die Kontaktierung wird im Siebdruck erstellt. Die besonders hohe Dotierung senkt den Übergangswiderstand zu den Leiterbahnen, hilft den Ladungsträgern also auf die Sprünge.

Weniger Abschattung und Widerstände

Außerdem hat die Zelle fünf Busbars. Gegenüber drei oder vier Busbars sinkt der Innenwiderstand, weil die Ladungen kürzere Wege zurücklegen müssen, um den Busbar zu erreichen.

Die neuen Busbars stehen hochkant und sind sehr fein, dadurch sinkt die Abschattung auf der Zelle. Solche feinen Kontaktfinger mit Silberpaste zu drucken ist gleichfalls eine Herausforderung.

Die Zellen aus kristallinen P-Typ-Siliziumwafern wurden in industriellen Prozessen gefertigt, deshalb kann das Verfahren schnell in die Massenfertigung gehen. Damit lassen sich Module mit 300 Watt aus 60 Zellen fertigen, die Solarworld ab dem zweiten Halbjahr 2016 in Europa anbieten will.

Beim Forschungsprojekt Laura stehen besonders langlebige Solarmodule im Mittelpunkt. Ein vielversprechender Ansatz sind die neuen Module mit Drahtelektroden.

Damit verabschiedet sich Solarworld von den bekannten Busbars und entwickelt eine Idee von Meyer Burger aus der Schweiz weiter: Die sogenannte Multiwire-Technik kontaktiert die Zellen untereinander nur noch durch hauchdünne Drähte.

Diese Drähte müssen auf der Zelle aufliegen, um die Ladungsträger aus der Metallisierung aufzunehmen und zur nächsten Zelle zu bringen. Knifflig ist vor allem, die sehr dünnen Drähte mit der Metallisierung zu verbinden.

Module aus dem Webstuhl

Im ersten Schritt werden die Solarzellen halbiert. Allein dadurch sinken die Widerstände im Modul deutlich, weil nur der halbe Strom von Zelle zu Zelle transportiert werden muss.

Die Kontaktierung erfolgt mittels dünner Kupferdrähte, jeder 0,2 Millimeter dick. Pro Modul werden rund 250 Meter Draht verwebt. Diese filigranen Drähte präzise und automatisch zu löten ist sehr schwierig.

In Freiberg läuft derzeit eine Versuchsstrecke mit einer Kapazität von 100 Megawatt. Mit den Drahtelektroden werden künftig verschiedene Zelltypen verarbeitet, um ihre Leistung um bis zu sechs Prozent zu steigern. Große Drahtspulen laufen in den Stringer, als wäre man in einer Weberei.

Bis zu sechs Prozent mehr Leistung

Tatsächlich hatten die Forscher anfänglich mit Textilmaschinen experimentiert. „Aber Kupferdrähte sind keine Textilfasern“, erzählt Joachim König, Mitarbeiter in der Modulentwicklung. „Deshalb hat das nicht funktioniert.“

Die Markteinführung könnte 2018 erfolgen. Zunächst muss der Prototyp die Serienreife erreichen. Im Drahtelektrodenmodul werden größtenteils Standardmaterialien verwendet. Deshalb kann das Modul mit nahezu gleichem Materialaufwand bis zu sechs Prozent mehr Leistung generieren – ohne wesentliche Steigerung der Fertigungskosten.

Ambitionierte Ziele

Bereits Ende 2015 konnte der Konzern stolze Zahlen vermelden. Die Absatzmenge wurde um 33 Prozent gegenüber 2014 gesteigert. Module mit mehr als einem Gigawatt Leistung wurden verkauft. In diesem Jahr soll die Absatzmenge um mehr als 20 Prozent steigen.

Besonders vom neuen Bisun-Modul verspricht sich Solarworld gute Verkaufszahlen. Mitte März hatte das Unternehmen bereits verkaufte Bestellungen sowie Aufträge von mehr als 800 Megawatt in den Büchern. Nach 763 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2015 strebt das Unternehmen für dieses Jahr bis zu einer Milliarde Euro an.

Zunächst dürfen wir gespannt sein, welche Neuheiten die Firma zur Intersolar nach München mitbringt.

www.solarworld.de

Kurz erklärt

Der Effekt der Albedo

Die Albedo beschreibt die reflektierenden und streuenden Eigenschaften des Untergrundes. Sie definiert sich aus dem Verhältnis der reflektierten Strahlung zu der eingestrahlten. Die Albedo besitzt keine Einheit und wird üblicherweise in Prozent ausgedrückt. In der Realität erstrecken sich die Albedo-Werte von unter zehn Prozent für schwarze Bitumendachbahnen über 23 Prozent für Gras und verwitterten Beton bis zu über 90 Prozent. Letzterer Wert ist der bisher höchste technisch ermittelte und wurde durch den Einsatz einer Dachisolationsmembran der Firma Renolit erreicht. Auch Alterung, Feuchte, Verschmutzung und Textur des Untergrundes beeinflussen die Albedo-Werte.

Flughafen Montpellier

Reflexionsfrei für Piloten

Auf den Carports des Flughafens in Montpellier wurde eine 4,5-Megawatt-Anlage in Betrieb genommen. Verbaut wurden 16.000 reflexionsfreie Solarworld-Module. Dafür wurde der komplette Laminierprozess umgestellt und die Module mit einem dickeren, reflexionsfreien Glas ausgestattet. Selbst bei starker Sonneneinstrahlung haben die Piloten keine Spiegelung zu befürchten. Für das ehrgeizige ökologische Projekt wurde ein Konsortium aus den Unternehmen Energies du Sud, La Compagnie du Vent, der Caisse des Dépôts und dem Flughafen Montpellier gegründet.

IMEC

Epitaktisch gewachsene Monozelle mit 22,5 Prozent Wirkungsgrad

Das belgische Forschungszentrum Imec in Leuven und Crystal Solar aus Kalifornien haben eine N-Pert-Zelle mit 22,5 Prozent Wirkungsgrad im Labor entwickelt und getestet. Der Wert wurde vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg bestätigt. Die Zelle wurde aus epitaktisch gewachsenen Siliziumwafern erzeugt. Anders als bei Wafern aus Ingots wächst das Siliziumsubstrat durch Abscheidung aus der Gasphase. Der Wafer wird nicht mehr aus einem festen Kristallblock (Ingot) gesägt und anschließend behandelt.

Diese Technik wurde vor 15 Jahren erfunden und verspricht, die Herstellungskosten für Siliziumwafer drastisch zu senken. Crystal Solar nutzt eine Technologie, bei der das Prozessgas direkt zum monokristallinen Wafer aufwächst (Direct Gas to Wafer). Auf diese Weise sinken nicht nur der Einsatz von Material und Energie, sondern vor allem die Höhe des Kapitals, das zum Bau neuer Zellfabriken benötigt wird. Auch die P-N-Übergänge lassen sich in diesem Prozess erzeugen.

Die jüngste N-Pert-Zelle vom Imec hatte sechs Zoll Kantenlänge. Sie wurde auf N-Type-Wafern von 160 bis 180 Mikrometern Dicke hergestellt. Die offene Klemmenspannung (Voc) der neuen Zelle betrug 700 Millivolt. Die Frontseite wurde durch Laser dotiert, die Emitter auf der Rückseite durch Aluminiumoxid passiviert und mit Nickel-Kupfer-Blättchen kontaktiert. Nun wollen die Forscher möglichst schnell an der magischen Marke von 23 Prozent Wirkungsgrad kratzen. Erst im Januar hatten die belgischen Wissenschaftler den Wirkungsgrad über 22 Prozent gehievt.

Die Pert-Zelle wird komplett auf der Rückseite kontaktiert, der Emitter der Frontseite durchstößt den Wafer. Also sinkt die Verschattung auf der Frontseite, was höhere Effizienz erlaubt. Pert steht für „Passivated Emitter, Rear Totally Diffused“. Solche Zellen lassen sich ähnlich den Perc-Zellen zu Modulen verarbeiten. Der Aufwand, um die Modulfabriken umzustellen, ist sehr gering. Die Belgier haben sich mittlerweile dafür entschieden, nur noch an der Pert-Technologie zu arbeiten. Pert-Zellen sind Solarzellen vom N-Typ, Perc hingegen vom P-Typ. N-Typ-Zellen sind in der Regel robuster gegen Verunreinigungen im Wafermaterial und in der Dotierung, weshalb die Kosten sinken.

Für die Rückseitenpassivierung wendet das Imec ein Verfahren an, das Atomic Layer Deposition genannt wird. Es ist besonders für die Massenfertigung solcher Solarzellen geeignet.

Trina Solar

Ingenieure holen 23,5 Prozent aus IBC-Monozellen

Trina Solar hat die Effizienz der monokristallinen Zellen auf 23,5 Prozent hochgeschraubt. Die Chinesen verwenden Sechs-Zoll-Siliziumzellen mit ineinandergreifendem Rückkontakt (Interdigitated Back Contact: IBC). Der Wirkungsgrad wurde vom unabhängigen Jet-Labor im japanischen Yokohama bestätigt. Die neue Zelle wurde mit Siebdruck kontaktiert. IBC-Siliziumzellen sind sehr effizient, jedoch aufwendiger in der Fertigung als beispielsweise die Perc-Zellen. Deshalb arbeiten die Ingenieure seit Jahren an den Prozessen, um die Kosten zu senken. Trina ist der weltweit größte Hersteller von Solarmodulen. Das Unternehmen hat mehr als 400 Ingenieure und Techniker unter Vertrag, um neue Solarzellen und neue Module zu entwickeln.

www.trinasolar.com

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