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Auf dem Prüfstand

Seit Oktober 2015 läuft am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) das Forschungsprojekt „Safety First“. Darin laufen 20 kommerzielle Heimspeichersysteme mit Lithium-Ionen-Batterien unter realen Bedingungen. Beteiligt sind auch Forscher vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg und vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in Ulm.

Nina Munzke ist Teamleiterin für stationäre Energiespeichersysteme am KIT. Sie verantwortet die Koordination und Auswertung der Versuchsreihen. „Wir am KIT testen selbst 16 Systeme auf Herz und Nieren, allerdings ohne spezifische Tests an den Batteriezellen“, erläutert sie. „Diese laufen beim Fraunhofer ISE und am ZSW.“ Unter anderem unterzieht das ISE die Zellen einem künstlichen Alterungsprozess, um ihre Leistungsfähigkeit über einen längeren Zeitraum beurteilen zu können.

Mängel schon beim Transport

Das Ziel ist es, einheitliche und belastbare Kriterien für Heimspeicher zu entwickeln. „Wir wollen außerdem aufzeigen, wo noch Entwicklungsbedarf besteht“, meint die Expertin. „Dazu werden wir der Industrie konkrete Empfehlungen geben, wie aus unserer Sicht Speichersysteme für private Anwender idealerweise ausgestaltet sein sollten.“ Untersucht werden im Wesentlichen drei Komplexe: Sicherheit, Performance und Netzdienlichkeit der Speicher.

Zum einen geht es darum, ob bei den angelieferten Speichersystemen die geltenden Transportvorschriften für den sicheren Versand von Lithium-Ionen-Batterien eingehalten werden. Das betrifft Anforderungen an Zellen und Batteriemodule (Kurzschluss, Überdruck etc.), die korrekte Beschriftung der Batteriemodule, zugelassene Verpackung sowie Kennzeichnungen und Beschriftungen.

Während die meisten Hersteller ihre Produkte vorschriftsgemäß verschicken, staunte das Karlsruher Team nicht schlecht über ein System, das inklusive Batterie lediglich mit schwarzer Folie umwickelt und ohne jegliche Beschriftung oder Warnhinweise angeliefert wurde. Die Batteriemodule eines anderen Systems wiesen offene Zellkontakte auf (Kurzschlussgefahr) und kamen in einer Verpackung, die das Gefahrgut nicht ausreichend vor Transportschäden schützte.

Insgesamt stellte das Team um Nicolaus Lemmertz bei vier angelieferten Systemen schwerwiegende Mängel in Sachen Transportsicherheit fest. Lemmertz leitet die Gruppe für Systemtechnik am KIT.

Der Leitfaden als Messlatte

Im zweiten Schritt beurteilen die Wissenschaftler die funktionale Sicherheit anhand des „Sicherheitsleitfadens für Lithium-Ionen-Hausspeicher“.

Auch diese Untersuchungen förderten einige Sicherheitslücken zutage. So ist in den meisten Fällen die Redundanz der Abschaltelemente nur über den Wechselrichter gewährleistet. Die Redundanz muss aber im Batteriesystem erfüllt sein. Oft fehlen wichtige Einschränkungen, was den geeigneten Aufstellort angeht.

So gab es kaum Hinweise für spezielle Vorschriften in Regionen, in denen mit Überschwemmungen zu rechnen ist. Auch wurden schwerwiegendere Verstöße gegen die Vorgaben des Sicherheitsleitfadens festgestellt.

Bei den Tests zur Leistungsfähigkeit der Systeme untersucht das KIT die Verluste durch Stand-by-Betrieb, die Wirkungsgrade von Batterie und Leistungselektronik, die Reaktionsgeschwindigkeit des Speichers und die intelligente Systemsteuerung. „Die Performance der Systeme untersuchen wir in kurzzeitigen Vergleichstests zu Beginn der Testreihe und am Ende der Projektlaufzeit, also nach drei Jahren“, beschreibt Nina Munzke den Ablauf der Forschungen. „Während der gesamten Projektlaufzeit werden die Systeme zusätzlich in einem Langzeittest unter realen Einsatzbedingungen getestet.“

Anhand der Veränderungen lässt sich hochrechnen, wie zuverlässig die Systeme nach fünf, zehn oder mehr Jahren arbeiten.

Zunächst wurden die Testsysteme einem zehntägigen Durchlauf mit Anforderungen unterzogen, wie sie für Privatanwender typisch sind. Für die Produktion von Solarenergie legten die Wissenschaftler eine Photovoltaikanlage mit drei Kilowatt Nennleistung zugrunde; der simulierte Haushalt verbraucht 4.000 Kilowattstunden Strom im Jahr. Für die Lastkurven bedienten sie sich bei der VDI-Richtlinie 4655. Sie weist Referenzlastprofile von Ein- und Mehrfamilienhäusern aus – im konkreten Fall für Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung.

Wirkungsgrade klaffen auseinander

Diese Lastprofile wurden in der Testsoftware ebenso hinterlegt wie die solaren Erzeugungsdaten an zehn unterschiedlichen Tagen im Jahresverlauf – wolkenlose Sommertage etwa, Übergangstage mit wechselhaftem Wetter oder Wintertage mit Dauerbewölkung.

Ein erstes Ergebnis: Die Wirkungsgrade der Batterien klaffen noch weit auseinander. Während die Forscher sich mit Systemen von Wirkungsgraden nahe 75 Prozent konfrontiert sahen, glänzten andere Batterien mit bis zu 97 Prozent.

Nicht ganz so ausgeprägt waren die Unterschiede bei den Gesamtsystemen inklusive Speicher und Ladeelektronik, Solarwechselrichter, Steuerungselektronik und Sensoren. Hier lagen die Werte zwischen 82 und 92 Prozent.

Die hier etwas geringer ausfallenden Unterschiede sind unter anderem auf die unterschiedlichen Speicherkapazitäten zurückzuführen. Diese variieren im Forschungsprojekt am KIT zwischen zwei und acht Kilowattstunden nutzbare Speicherkapazität. Zur Erklärung: Je kleiner der eingesetzte Speicher, desto weniger fallen schlechte Wirkungsgrade beim Gesamtsystem des Speichersystems ins Gewicht.

Die optimale Größe finden

Auf Basis von Lastkurven, Solardaten und Wirkungsgraden lässt sich bewerten, welcher Grad an Autarkie mit dem jeweiligen System unter Realbedingungen möglich ist, und wie hoch der Eigenverbrauchsanteil in etwa sein kann. Eine Rolle dabei spielt natürlich auch die Dimensionierung des Speichers: Je größer er ist, desto höher sind der mögliche Eigenverbrauchsanteil und der Autarkiegrad. Allerdings wirkt sich die Kapazität des Speichers natürlich auf seinen Preis und damit die Wirtschaftlichkeit aus. Gleichzeitig fallen auch schlechtere Wirkungsgrade wieder stärker ins Gewicht.

Bei Kapazitäten zwischen drei und sechs Kilowattstunden liegen die von den KIT-Forschern ermittelten Autarkiegrade zwischen 40 und knapp über 50 Prozent. Der erreichbare Eigenverbrauch schwankt zwischen 60 und etwas mehr als 70 Prozent. Die günstigste Speichergröße für einen Haushalt mit 4.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch liegt zwischen vier und sechs Kilowattstunden.

Wann wird es wirtschaftlich?

Für die Wirtschaftlichkeit eines Speichersystems sind folgende Kenngrößen ausschlaggebend: der Strompreis, der Preis für Solarstrom und der Preis für die Speicherung. Hinzu kommen Einspeisevergütung und KfW-Förderungen für Speichersysteme. „Aktuell liegen wir knapp unter 30 Cent pro Kilowattstunde aus dem Netz“, rechnet Nina Munzke vor. „Die Gestehungskosten für Sonnenstrom sind inzwischen unter zehn Cent gesunken. Damit der zwischengespeicherte Strom nicht teurer ist als der Netzbezug, dürfen die Speicherkosten also rund 20 Cent pro Kilowattstunde nicht überschreiten, wenn man Einspeisevergütung und KfW-Förderung außer Acht lässt.“

Diesen Wert erreichen allerdings bislang nur wenige der am KIT getesteten Speicher, wobei hier die Installationskosten nicht berücksichtigt sind. Lediglich bei qualitativ hochwertigen Speichern, die zu moderaten Kosten eine gute Performance und lange Batterielebensdauer bieten, passt das. „Im Durchschnitt aber müssen wir leider feststellen, dass die Systeme diese Marke noch überschreiten.“

Mischkalkulation ist besser

Allerdings relativiert sich diese Aussage, wenn man eine Mischkalkulation zugrunde legt, die nicht nur die reinen Speicherkosten berücksichtigt. So verbraucht ein Haushalt in der Regel zwischen 20 und 35 Prozent des erzeugten Solarstroms direkt, also ohne Zwischenspeicherung. Dieser Strom schlägt mit lediglich rund neun Cent pro Kilowattstunde zu Buche. Kurz: Je mehr Direktverbrauch, desto größer der Gewinn gegenüber dem Netzbezugspreis. Und desto wirtschaftlicher das Gesamtsystem.

Entscheidend für eine optimale Performance ist neben den Wirkungsgraden die intelligente Steuerung eines Speichersystems. Sie hat auch wesentliche Auswirkungen auf die Netzdienlichkeit. So kann der Speicher Erzeugungsspitzen im Netz nur dann effektiv reduzieren, wenn er an einem sonnigen Sommertag nicht schon vormittags voll ist.

Und nur dann nötigt das System den Anwender nicht, den ganzen Nachmittag über Strom ins Netz einzuspeisen. Ganz abgesehen davon, dass die Batteriezellen schneller altern, wenn sie über 80 Prozent gefüllt sind. Kurz: Ist die Batterie zu schnell voll, schadet das der Wirtschaftlichkeit des Systems und dem Netz.

Ernüchternd allerdings ist, was das Team um Nina Munzke bis dato dokumentiert hat: „Nur wenige Systeme verfügen über eine intelligente Systemsteuerung, die geeignet ist, die Lebensdauer der Batterie zu verlängern und die Netzdienlichkeit zu verbessern.“

Zu einer guten Performance gehört, dass das System möglichst schnell auf Veränderungen in der Last beziehungsweise der Solarleistung reagiert. Wobei Lastveränderungen üblicherweise wesentlich häufiger auftreten – zum Beispiel beim Ein- oder Ausschalten eines Haushaltsgeräts – und höher ausfallen als Änderungen in der Leistung des Photovoltaikgenerators.

Auch hier haben die Entwickler der Speichersysteme noch einige Aufgaben vor sich, stellt Nina Munzke fest. „Wir haben Systeme durchgetestet, deren Steuerung erst nach mehr als acht Sekunden überhaupt reagiert hat. Andere reagierten zwar schneller, benötigten aber bis zu zehn Sekunden, um sich auf die konkrete Situation einzupendeln.“

In dieser Zeit wird Strom ins Netz eingespeist oder, je nach Situation, aus dem Netz bezogen. Würde das System sofort und exakt reagieren, wäre dieser Effekt unbedeutend. Das System würde wirtschaftlicher arbeiten. Allerdings, so muss einschränkend gesagt werden, liegt der durch solche Effekte entstehende finanzielle Verlust für den angenommenen Referenzhaushalt und die meisten Systeme unter 40 Euro pro Jahr.

Hausaufgaben für die Industrie

Klar ist: Heimspeichersysteme stehen vor einem Massenmarkt. Und Produkte, die in großen Stückzahlen an die Verbraucher gehen, brauchen vernünftige Unterlagen. Davon aber, klagt Nina Munzke, ist die Industrie noch weit entfernt: „Die mitgelieferten Datenblätter sind extrem uneinheitlich. Das macht die Vergleichbarkeit der Systeme vor allem für den Endkunden sehr schwierig.“ Fazit: Nicht nur die Wissenschaftler am KIT haben noch viel vor sich.

Die Projektergebnisse werden nicht als Produktvergleich veröffentlicht, sondern Industrieverbänden, Herstellern, Normungsgremien und Prüflaboren zur Verfügung gestellt. Das Forschungsprojekt ist auf drei Jahre angelegt und wird mit knapp vier Millionen Euro vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert.

www.kit.edu

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