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Das Modul wird zum Bauteil

Für Ertex Solar ist die Weltausstellung 2017 in der kasachischen Hauptstadt Astana schon ein voller Erfolg, bevor die Technikschau überhaupt begonnen hat. Das Unternehmen aus dem österreichischen Amstetten wird den zentralen Bau der Ausstellung mit einer Solaranlage ausstatten, die direkt in die Gebäudehülle eingepasst ist.

Der kasachische Pavillon selbst ist schon ein architektonischer Höhepunkt. Er besteht aus einer 80 Meter hohen, kugelförmigen Stahl-Glas-Konstruktion. Die Solaranlage wird in einen Luftkanal im oberen Drittel des Gebäudes integriert. An dessen Ende werden noch zwei Windräder integriert, die zusammen mit der Solaranlage das gesamte Gebäude mit Strom versorgen werden.

Es ist nicht nur für die Österreicher, sondern für die gesamte BIPV-Branche ein wichtiges Pilot- und Prestigeprojekt. Die 1.500 Quadratmeter große Photovoltaikanlage besteht aus 380 Solarelementen, die Ertex Solar in seiner Produktionsstätte in Amstetten individuell anfertigen wird. Jedes einzelne Solarelement ist hinsichtlich der Form, Fassung, Abmessung und Anzahl der Zellen ein Unikat und auf die kugelförmige Fassade abgestimmt. Gemeinsam ergeben sie eine komplette Anlage, die Teil der Gebäudehülle ist.

Mehr als 1.000 Projekte umgesetzt

Es ist zwar nicht die größte Anlage, die die Niederösterreicher bisher realisiert haben, aber wohl die exponierteste, und es ist derzeit der größte Auftrag für Ertex Solar im Ausland.

Es ist auch nicht das einzige Projekt, das Ertex in diesem Jahr mit den speziell auf die Wünsche des Architekten zugeschnittenen Modulen ausgestattet hat. Seit 2004 hat das Unternehmen schon über 1.000 Projekte mit seinen Modulen realisiert und dabei einige Durststrecken überlebt, die die BIPV-Branche durchmachen musste. „Nach einem Auftragsrückgang in den vergangenen Jahren ist in der heimischen Solartechnikbranche ein deutlicher Richtungswechsel zu spüren“, sagt Geschäftsführer Dieter Moor mit Blick auf die Gebäudeintegration von Solaranlagen. Er führt das vor allem auf individuelle Lösungen zurück, die Architekten im Vergleich zu Standardprodukten eine höhere Flexibilität und Designfreiheit geben.

Der Wind in der Baubranche, aber auch in der Photovoltaik hat sich gedreht. „Die Gebäuderichtlinie sieht ab 2020 das Nahe-Nullenergie-Haus vor“, erklärt Dieter Moor. „Da müssen sich die Architekten jetzt Gedanken machen, wie sie das umsetzen wollen. Einfach eine Anlage auf das Dach schrauben geht dann nicht mehr. Das wird nicht reichen, um die Anforderungen umzusetzen.“ Dazu braucht der Architekt die Fassade, und das spürt auch Ertex Solar in seinen Auftragsbüchern.

Die Photovoltaik in der Fassade zeigen

Inzwischen erkennen das die Architekten. Dazu kommt noch ein Dominoeffekt, bei dem solche Anlagen wie die in Astana eine wichtige Rolle spielen. Denn je mehr dieser Projekte umgesetzt werden, desto mehr lernen die Architekten auch, dass es die Produkte jenseits des Standardmoduls gibt, dass es die Möglichkeit gibt, die eigenen Designvorstellungen mit der Photovoltaik umzusetzen. „Dabei gibt es zwei völlig konträre Richtungen“, weiß Moor. „Die einen Architekten wollen, dass alle sehen, dass Photovoltaik in die Fassade integriert ist. Das Gebäude muss die Philosophie des Architekten ausstrahlen.“

Manche Architekten spielen auch mit der Photovoltaik als Gestaltungsmittel. So hat Ertex Solar den Eingangsbereich einer Kita mit einem semitransparenten Solardach ausgestattet. Die Idee des Architekten war, die Photovoltaik zu zeigen und mit dem Schattenmuster, das die Solarzellen auf den Boden werfen, eine ganz eigene Lichtstimmung zu erzeugen. „Jeder sollte sehen, dass Photovoltaik in dem Dach verbaut ist“, erinnert sich Dieter Moor.

Technologie wird unsichtbar

Es sind aber auch die Kunden, die damit werben wollen, dass sie auf Photovoltaik setzen. „Der Betreiber eines Supermarktes in Berlin hat auf dem Dach eine riesige Solaranlage montieren und das gesamte Gebäude energieeffizient ausstatten lassen. Es ist der erste Einkaufsmarkt, der nach den Normen der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen zertifiziert ist. Doch die Kunden sehen das nicht“, sagt Moor. „Deshalb hat der Betreiber ein Vordach mit extra großen Glas-Glas-Modulen bauen lassen, um den Kunden zu zeigen, dass die Kühlschränke mit Solarenergie betrieben werden.“ Moor weiß, dass viele Projekte so ablaufen.

Die andere Richtung bei Architekten und Bauherren ist, dass sie die Photovoltaik überhaupt nicht mehr sehen wollen. Die Solarfassade soll nach etwas anderem aussehen, nur nicht nach Photovoltaik.

Doch auch für diese Kunden hat die BIPV-Branche schon längst die Lösungen parat. Denn Modulgläser zu bedrucken ist schon etabliert, und Moor sieht einen deutlichen Trend in diese Richtung. „Es ist aber eine schwierige Gratwanderung, dem Kunden zu erklären, dass bei einem bedruckten Modul der Stromertrag sinkt, aber der Preis steigt“, sagt Moor. Schließlich muss er die Kosten für den Druck mit einpreisen, auch wenn die Zusatzkosten für einen Druck nicht mehr so hoch sind wie früher.

Doch die niedrigere Leistung bleibt. „Wir haben in letzter Zeit sehr viele Messungen mit unterschiedlichen Farben und Drucktechniken gemacht, sodass wir genau wissen, bei welcher Bedruckungsdichte ein Modul noch wie viel Leistung hat“, sagt Dieter Moor. Wenn ein Modul so bedruckt wird, dass aus drei Metern Entfernung keine Zelle mehr zu sehen ist, sinkt die Leistung gegenüber einem unbedruckten Modul. Darf die Technologie auch aus der Nähe gar nicht mehr zu sehen sein, gibt es einen weiteren Leistungsverlust, weil die Druckdichte dann höher sein muss.

Physik nicht über den Haufen werfen

Das muss der Käufer von bedruckten Modulen auf jeden Fall beachten. Ertex lässt lieber einen Auftrag sausen, der nicht zu realisieren ist, als dem Kunden eine Leistung und damit einen Energieertrag vorzugaukeln, der am Ende nicht zu erreichen ist. Schließlich kann man auch mit noch so viel Erfahrung die Physik nicht komplett über den Haufen werfen.

Insgesamt hat die Branche der gebäudeintegrierten Photovoltaik mindestens drei Hürden zu überwinden. Auf der einen Seite stehen die Anforderungen von Architekten und auch deren immer noch weit verbreitete Unsicherheit, was inzwischen mit der Photovoltaik in der Fassade möglich ist. Bisher werden vor allem die schlechten Beispiele hervorgehoben. Dabei gibt es viele umgesetzte Projekte, bei denen die Solaranlage ein echter ästhetischer Gewinn für die Fassadengestaltung ist und sich der Architekt nicht von der bisher gewohnten Gestaltungsfeiheit verabschieden musste. „Der Architekt sollte von sich aus an die Photovoltaik denken, wenn er eine Fassade plant“, betont Dieter Moor. „Das geht aber nur, wenn er weiß, dass es so etwas gibt und was es da alles gibt.“

Zwischen den Stühlen

Für die Architekten selbst ist das gar nicht so einfach. Sie müssen ohnehin schon alles im Blick haben – von den gesamten Planungs- und Bauabläufen bis hin zu den Energiekennzahlen. Da hat es eine neue Technologie schwer, sich zu etablieren. Ertex hat als Tochter eines gestandenen Glaslieferanten für die Bauindustrie zwar die besten Voraussetzungen. Doch bleibt das Unternehmen „nur“ Modullieferant. Die schlüsselfertigen BIPV-Fassaden inklusive Modul, Montagegestell und Verschaltung liefern in der Regel die Partner.

Die zweite Hürde ist immer noch der Preis. Hartnäckig hält sich die Meinung, gebäudeintegrierte Photovoltaik sei zu teuer und rechne sich nicht. Hier sitzt die BIPV-Branche zwischen den Stühlen der Photovoltaik- und Baustoffindustrie. Denn sie wird immer noch mit der Photovoltaik als Massenprodukt in einen Topf geworfen. „Sicherlich, wir beziehen unsere Solarzellen von den gleichen Herstellern, die auch Produzenten von Standardmodulen beliefern“, sagt Moor. „Doch ist die BIPV trotzdem etwas ganz anderes.“ Die Branche sieht sich eher als Lieferant von Halbzeugen, die Fassadenbauer in eine schlüsselfertige Gebäudehülle als Endprodukt einfügen.

Die Gebäudeintegration ist ein ganz anderes Geschäft. Da zählen Dinge wie Amortisationszeit in einer anderen Dimension, als wenn die Anlage auf dem Dach oder dem freien Feld steht. „Wir sehen den derzeit besten Markt bei hinterlüfteten Fassaden, die bei einem Preis von 400 Euro pro Quadratmeter beginnen“, sagt Dieter Moor. „Wenn die Photovoltaikfassade einen Aufpreis von 200 Euro pro Quadratmeter hat, rechnet sich das sehr schnell.“

Dabei liegt die Betonung auf Aufpreis. Denn die Kosten für die Module müssen gegen das Fassadenmaterial gerechnet werden, das sowieso installiert wird. Dazu kommt noch der Preis für den höheren Aufwand der Installation einer Solar- im Vergleich zu einer herkömmlichen Fassade. Wenn der Bauherr die Solarfassade aus diesem Blickwinkel betrachtet, sieht die gesamte Rechnung schon ganz anders aus. Dann relativiert sich der Preis für das einzelne Modul.

Jedes Modul einzeln entwerfen

Da sich Ertex Solar darauf spezialisiert hat, zum großen Teil Einzelanfertigungen herzustellen, ist es schwer, einen konkreten Preis zu nennen. Er hängt von der Projektgröße und der Anzahl der Einzelstücke für die Solaranlage ab.

So werden die Module für ein Projekt weniger kosten, wenn 100 Elemente gleich aussehen. Wenn aber 100 völlig unterschiedliche Elemente gefordert sind, steigt natürlich der Preis. Denn dann müssen die Ingenieure von Ertex Solar jedes Moduldesign nicht nur separat entwerfen, sondern auch in Handarbeit herstellen.

So schlagen sich unterschiedliche Formate, Größen, die Dicke der Gläser, die verwendeten Zellen und nicht zuletzt der Druck auf den Preis nieder. Dabei kann Ertex Solar alles anbieten, was das Bauherren- oder Architektenherz begehrt.

Die optimale Drucktechnik

Die Oberösterreicher beherrschen zwei unterschiedliche Drucktechniken, die je nach Projektgröße und Anforderungen angewendet werden. Grob gesagt kommt die Siebdrucktechnik bei größeren Stückzahlen zur Anwendung. Wenn kleinere Stückzahlen gefordert sind, dann wird eher digital gedruckt.

Allerdings erreicht man mit dem Siebdruck eine höhere Farbdichte und dickere Farbschichten. Deshalb werden die Österreicher auch Dummymodule eher mit Siebdruck realisieren und größere Stückzahlen nur ganz dünn bedruckter Module eher in den Digitaldruck geben. Auf diese Weise optimieren sie den Druck mit Blick auf das Ergebnis und die Kosten.

Bei beiden Druckverfahren ist jede Farbe und jedes Muster möglich. Derzeit nähern sich die Ingenieure von Ertex Solar der richtigen Farbgebung an, indem sie eine Reihe von Mustern mit unterschiedlichen Farbdicken oder unterschiedlicher Dichte der einzelnen Farbpunkte anfertigen. Denn die Farben werden vor allem beim Digitaldruck nicht vollflächig aufgetragen, sondern als einzelne Punkte.

Durch die Zwischenräume kann das Sonnenlicht hindurch, sodass die Solarzelle darunter Strom produzieren kann. Je enger die einzelnen Punkte zusammenliegen, desto weniger ist von der Solartechnologie unter dem Druck zu sehen. Aber gleichzeitig dringt weniger Licht zur Zelle durch, und die Leistung des Moduls sinkt. Hier muss der Ingenieur mit dem Architekten einen Kompromiss finden zwischen der richtigen Farbdichte und dem notwendigen Energieertrag.

Die Normen sind beschlossen

Eine dritte Hürde ist aber immer noch die Normung und Zertifizierung. Denn kein Architekt, Planer oder Fassadenbauer will sich damit auseinandersetzen, ob er denn die angebotenen Solarmodule überhaupt verwenden kann und diese den Normen der Bauindustrie auch gerecht werden. Bisher sind die Hersteller auf der sicheren Seite, wenn das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) ihre Module zertifiziert hat. Dann kann der Architekt sie wie normales Verbundsicherheitsglas einplanen und verbauen. Er kann mit diesen Normen planen und die Statik der Fassade berechnen.

Inzwischen ist eine europäische Norm verabschiedet, die EN 50583. Sie besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil bezieht sich auf das Modul selbst und der zweite Teil auf dessen Integration ins Gesamtsystem. Die Norm fasst die bisher schon existierenden Voraussetzungen zusammen. Sie behandelt das Photovoltaiksystem in der Fassade unter anderem als elektrisches Betriebsmittel im Sinne der Niederspannungsrichtlinie, aber auch als Gebäudekomponente im Sinne der Bauproduktenrichtlinie.

Sie behandelt die gebäudeintegrierte Photovoltaik auch als Teil eines elektrischen Systems mit schnell schaltenden Elementen im Sinne der elektromagnetischen Verträglichkeit, aber auch als Beitrag zur Performance des Gebäudes. „Die europäische Norm ist für uns ein Meilenstein“, sagt Dieter Moor mit Blick auf die Anbieter von gebäudeintegrierten Systemen und Komponenten. „Damit gibt es konkrete Vorgaben, und die Produkte müssen mit dieser Norm konform sein, um überhaupt in die Fassade eingebaut werden zu dürfen.“

Moor ist sich sicher, dass damit der BIPV der Weg in die Fassade zumindest ein bisschen geebnet wird, und zwar auf europäischer Ebene. Denn bisher gibt es eine Reihe von Anbietern, die sich einfach durchschummeln und behaupten, ihre Komponenten wären für die Gebäudeintegration geeignet. „Wenn dann etwas passiert, fällt es auf die gesamte BIPV-Branche zurück“, kritisiert Moor die schwarzen Schafe. Mit der neuen Norm können diese ausgesiebt werden. Dann kann der Planer oder Architekt im Ausschreibungsverfahren auf die neue Norm als Voraussetzung verweisen und ist auf der sicheren Seite.

www.ertex-solar.at

Otti

Forum Bauwerkintegration

Das Forum Bauwerkintegrierte Photovoltaik ist inzwischen ein fester Termin im Vorfeld der großen OTTI-Konferenz im Kloster Banz in Bad Staffelstein geworden. Im kommenden Jahr werden sich die Spezialisten für die Gebäudeintegration von Solarmodulen bereits zum neunten Mal am traditionellen Tagungsort in der fränkischen Stadt über die aktuellen Entwicklungen in diesem Segment austauschen.

Die Teilnehmer bekommen die neuesten Informationen zur Photovoltaik als tragendem Bestandteil der Gebäudehülle und Antworten auf ihre Fragen zur Bauwerkintegration von Solarmodulen. Hersteller von Fassaden- und Dachelementen und Anbieter aus dem Glasbau werden den aktuellen Stand der Technik und das gegenwärtige Angebot an entsprechenden Produkten präsentieren. Viele frisch errichtete Solarfassaden zeigen, wie die Photovoltaik den Weg in die Gebäudehülle findet.

Das OTTI-Forum Bauwerkintegrierte Photovoltaik findet am 7. März 2017 im Kloster Banz in Bad Staffelstein statt. Die Konferenz richtet sich an Architekten, Planer, Ingenieurbüros, Vertreter von Kommunen, Stadtwerken sowie an Stadtplaner.

www.otti.de

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