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“Das ist solare Detektivarbeit“

Als Gutachter für Photovoltaik sind Sie vornehmlich mit Schäden, Ertragsausfällen und sicher auch Streit befasst. Was fällt Ihnen ein, wenn das Wort Wartung fällt?

Christian Dürschner: Wartung – sollte man unbedingt machen. Wird aber meistens nicht gemacht. Oftmals wurden die Photovoltaikanlagen als wartungsfrei verkauft. Das stimmt natürlich nicht, denn eine Photovoltaikanlage ist höchstens wartungsarm. Leider werden viele Anlagen nach der Installation nie wieder angeschaut.

Was genau ist Wartung für Sie?

Wartung dient – ganz allgemein gesagt – dazu, den Gebrauchszustand eines technischen Produkts zu erhalten. Sie wird nach allgemeinen technischen Regeln oder speziellen Herstellervorgaben durchgeführt. Übertragen auf eine Photovoltaikanlage: Was kann oder muss der Betreiber tun? Was kann oder muss er einen erfahrenen Installateur tun lassen, um die Anlage über 20 und mehr Jahre in Betrieb zu halten.

Wie wichtig ist die Wartung?

Dabei ist zu unterscheiden zwischen einerseits den nur ertragsrelevanten Mängeln, die zwar den Gewinn des Betreibers mindern, aber nicht sicherheitsrelevant sind. Daher könnten sie – wenn ihre Behebung nicht wirtschaftlich ist – auch bestehen bleiben. Andererseits gibt es sicherheitsrelevante Mängel, die unbedingt behoben werden müssen, um weitere oder Folgeschäden zu verhindern.

Was sind minimale Anforderungen an die Wartung?

Zunächst einmal ist oft schon viel gewonnen, wenn der Betreiber oder der Installateur regelmäßig nachschaut, ob und wie sich die Anlage verändert. Das sollte am besten im Frühjahr geschehen, um Winterschäden zu erkennen. Nach besonderen Witterungsereignissen wie Sturm oder Hagelschlag empfiehlt sich eine Sichtprüfung außer der Reihe. Allerdings ist die Inaugenscheinnahme noch keine Wartung. Aber sie ist eine wichtige Voraussetzung, um Maßnahmen zur Wartung einzuleiten.

Welche weiteren Tipps haben Sie?

Jede Anlage sollte ein Betriebstagebuch haben. Darin werden die monatlichen Zählerstände, besondere Witterungsereignisse, Schäden und Reparaturen, die Kontrollen des Wechselrichters und die Wartung festgehalten. Das ist weniger ein Scheckheft wie beim Auto, sondern eher ein Logbuch wie in der Seefahrt. Auch besonders gute Erträge sollte man notieren. Auf alle Fälle sollte der Betreiber die überschlägigen Werte für die Anlagenleistung und die Erträge seiner Anlage bei guter Sonneneinstrahlung kennen.

So etwas gehört in die Dokumentation, nicht wahr?

Das Inbetriebnahmeprotokoll zeigt die Werte, mit denen die Anlage gestartet ist. Die Messungen kann man regelmäßig wiederholen, um Veränderungen und Abweichungen vom Sollzustand festzustellen. Sofern die Anlage mit einem Monitoringsystem ausgestattet ist, kann man fortlaufend beobachten, ob und was sich ungünstig verändert.

Haben Sie eine besonders interessante Anekdote, um uns die Bedeutung der Inspektion und der Wartung zu verdeutlichen?

Keine Anekdote, eher ein Trauerspiel: Immer wieder finde ich abgebrannte Steckverbinder und beschädigte Stringleitungen, die dauerhaft in Feuchtigkeit liegen. Für anhaltende Feuchtigkeit sind sie aber nicht ausgelegt. Bei jeder Sichtkontrolle sollte man unbedingt die Leitungsbefestigung hinter den Modulen prüfen. Kabelbinder sind per se keine dauerhafte Befestigung, denn auch ein UV-beständiger Kabelbinder hält nur drei bis vier Jahre, aber niemals 20 Jahre.

Was gehört für Sie zur professionellen Wartung?

Bei gewerblich genutzten Photovoltaikanlagen sollte spätestens alle vier Jahre eine Wiederholungsprüfung durchgeführt werden. Diese Wiederholungsprüfung umfasst im Wesentlichen die Inbetriebnahmeprüfung (Leerlaufspannung, Kurzschlussstrom, Isolationswiderstand). Das empfiehlt sich auch bei privaten Anlagen. Unverzichtbar ist eine regelmäßige, mindestens monatliche Ertragskontrolle. Die Monatserträge der eigenen Photovoltaikanlage können zum Beispiel über die Ertragsdatenbank des Solarenergie-Fördervereins Deutschland (SFV) mit weiteren Anlagen aus der gleichen Postleitzahlenregion verglichen werden.

Warum ist das Monitoring so wichtig?

Über fortlaufend aufgezeichnete Betriebsdaten kann ich Abweichungen sehr gut erkennen. Das erlaubt es, die Wartungsintervalle zu strecken, wenn man die Monitoringdaten regelmäßig im Blick hat. Ich würde sagen, dass Monitoring bei Anlagen mit mehr als 15 Kilowatt Solarleistung ein Muss ist. Sind die Anlagen kleiner, ist das Monitoring nicht unbedingt wirtschaftlich.

Was empfehlen Sie bei kleineren Generatoren?

Dann reicht die einfache Analyse der monatlichen Ertragsdaten sowie der aktuellen Betriebsdaten am Wechselrichter oder das erwähnte Betriebstagebuch. Je größer die Anlagen, desto mehr Betriebsdaten fallen an. Dann wird man mehr in die Stringüberwachung gehen. Wenn zum Beispiel von 30 Strings einer fehlt, dann sind das nur drei Prozent. So kleine Abweichungen können Sie eigentlich nur über ein fortlaufendes Anlagenmonitoring sicher erkennen.

Viele Anlagen sind herrenlos, was die Wartung betrifft. Sollten Installateure die Chance nutzen und beim Betreiber klingeln: Mein Herr, mir ist an Ihrer Anlage etwas aufgefallen?

Das würde ich nicht machen. Die Leute mögen es nicht, wenn man ungefragt bei ihnen auf der Matte steht. Gefällt mir ja auch nicht. Aber es ist schon hilfreich, sich beispielsweise bei der Bundesnetzagentur die Adressen der Solaranlagen in der Region zu besorgen. Oder man macht seinen Sonntagsspaziergang im Quartier. Dann kann man gezielt Flyer in die Briefkästen werfen. Wenn man klingelt, entsteht sofort der Verdacht, dass man den Leuten einen Wartungsvertrag aufschwatzen will.

Für kleine, private Anlagen ist ein Wartungsvertrag unter Umständen nicht lohnenswert. Reicht die Begehung im Frühjahr aus?

Wenn man ohne Gerüst aufs Dach kommt, sicher. Oder eine Anlegeleiter hilft, einen Blick unter die Module zu werfen. Manchmal gibt es auch Dachflächenfenster, über die man einen guten Blick auf und unter die Module hat. Um Kosten zu sparen, könnte man es wie beim Baumschnitt machen: Da kommt der Gärtner einmal angefahren und schneidet mehrere Bäume im Quartier. Die Nachbarn teilen sich die Kosten, An- und Abfahrt fallen nur einmal an. Das kann man bei der Wartung benachbarter Photovoltaikanlagen auch machen.

Setzen Sie Drohnen ein, um Anlagen zu begutachten?

Bisher habe ich noch keine eigene Drohne im Einsatz, aber hin und wieder nutze ich dazu einen erfahrenen Dienstleister. Der bringt neben einer visuellen Kamera auch eine Infrarotkamera mit. Für die wirklich guten Thermokameras braucht man sehr teure Drohnen. Wenn man so ein Fluggerät gewerblich nutzt, braucht man einen Drohnenführerschein, eine Aufstiegsgenehmigung und die Genehmigung des Grundstückseigentümers. Da ist es für mich einfacher, einen erfahrenen Drohnenpiloten zu buchen. Vor allem bei größeren Anlagen ist der Einsatz von Drohnen hilfreich und ermöglicht eine schnelle Vor-Ort-Inspektion. Die eigentliche Arbeit passiert nachher am Schreibtisch, wenn die zahlreichen Aufnahmen auszuwerten sind.

Reparieren Sie auch Anlagen?

Nein, ich bin ausschließlich gutachterlich tätig. Ich begleite die fachgerechte Errichtung von neuen Photovoltaikanlagen. Ich suche und finde Fehler in Bestandsanlagen und schlage Maßnahmen zur Beseitigung der entdeckten Mängel und Schäden vor. Außerdem gebe ich Tipps zur Wartung oder empfehle gegebenenfalls eine Reinigung der Solarmodule. Es gibt auch Installateure, die als Gutachter unterwegs sind. Sie sind meist auch in der Reparatur tätig. Das sehe ich kritisch. Dann sind auch die Betreiber misstrauisch, weil sie unterstellen, dass der Installateur unbedingt den Reparaturauftrag und den Wartungsvertrag haben will. Gutachten, Wartung und Reparatur sollten voneinander getrennt sein, damit kein Konflikt entsteht.

Woraus ziehen Sie Ihre Motivation für den schwierigen Job als Gutachter?

Schwierig ist relativ: Es gibt durchaus einfache Fälle, bei denen die Fehler offensichtlich sind. Aber ich liebe auch die schwierigen und die kniffligen Fälle: Es macht mir Spaß, weil meine Arbeit die Grundlage dafür ist, eine defekte Anlage wieder in Betriebsbereitschaft zu versetzen. Hin und wieder ist das solare Detektivarbeit!

Die Fragen stellte Heiko Schwarzburger.

www.pv-gutachter.de

www.pv-ertraege.de

Christian Dürschner

ist Ingenieur für Maschinenbau und wurde bereits in den 1980er-Jahren durch die Teilnahme an der „Tour de Sol“ in der Schweiz mit dem „Solarvirus infiziert“. Seit seinem Studium ist er in der Solartechnik tätig. Er war bei verschiedenen Unternehmen, unter anderem beim Solarberatungszentrum Solid in Fürth und bei der Berliner Solarpraxis. Seit 2000 führt er ein eigenes Ingenieurbüro in Erlangen. Als Gutachter kümmert er sich um kleine, mittlere und große Dach- und Freilandanlagen.

VDE-Verlag

Nützlicher Ratgeber zur Wartung

Der VDE-Verlag hat 2017 in seiner Schriftenreihe Gebäudetechnik einen Ratgeber zum störungsfreien Betrieb von Photovoltaikanlagen und Speicherbatterien veröffentlicht. Er richtet sich an Anlagenbetreiber, aber auch an Solarteure und Elektrohandwerker, die sich mit der Wartung und der Optimierung von Solarstromanlagen sowie der Fehlererkennung ein zusätzliches Standbein aufbauen.

Die Autoren sind Heiko Schwarzburger und Sven Ullrich aus der photovoltaik-Redaktion. Sie geben praktische Hinweise auch für die Reinigung, die Kontrolle und Instandhaltung von Photovoltaikanlagen und Stromspeichern. Sie zeigen zusätzlich Möglichkeiten auf, um Anlagen und Systeme zu optimieren. Es werden außerdem alle relevanten Normen und Vorschriften beschrieben, die bei der Instandhaltung von Photovoltaikgeneratoren und Speicherbatterien zu beachten sind.

Zusätzlich kommen der Diebstahlschutz und der Schutz vor Schäden durch Tiere zur Sprache. Zudem beschäftigen sich die Autoren intensiv mit der Sicherheit der Mitarbeiter bei der Prüfung und Instandhaltung von Solaranlagen.

www.vde-verlag.de/buecher/524126

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