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Neubau oder Bestand

Ob eine Mieterstromversorgung sinnvoll ist oder nicht, lässt sich in einem ersten Schritt mit einer Checkliste analysieren. Dabei geht es um eine einfache Bestandsaufnahme: Wie sieht die Strominfrastruktur im Gebäude aus? Wie viele Wohneinheiten gibt es im Gebäude oder sind geplant? Es geht hier aber auch um bereits bestehende oder geplante Erzeugungsanlagen.

Eine solche Bestandsaufnahme ist wichtig. Denn am häufigsten scheitern Mieterstromprojekte, weil zu wenig Leistung realisierbar ist, um ausreichend Strom selbst zu erzeugen und so eine effiziente Versorgung der Mieter und attraktive Amortisationszeiten für den Besitzer und den Anlagenbetreiber zu gewährleisten.

In Bestandsobjekten sind zum Teil sogar bereits gebaute Photovoltaikanlagen die größte Hürde. Denn sie können meist nicht in Mieterstromkonzepte integriert werden, vor allem wenn sie schon vor vielen Jahren installiert wurden.

Welchen Strom nutzen?

Denn dann ist die Einspeisevergütung so hoch, dass es für den Anlagenbetreiber attraktiver ist, den Strom weiterhin vollständig ins Netz einzuspeisen und dafür die Vergütung zu bekommen. In solchen Fällen muss auf das Auslaufen der Einspeisevergütung gewartet werden.

Verfügen Bestandsgebäude bereits über eine Photovoltaikanlage und soll diese um eine zweite Erzeugungsanlage ergänzt oder mit ihr zusammengeführt werden, dann reicht eine reine technische Integration nicht aus. Auch das neue Messkonzept muss zusammen mit dem Verteilnetzbetreiber überarbeitet werden.

Die zweite Erzeugungsanlage kann beispielsweise in einer vor- oder nachgelagerten Kaskade realisiert werden. Dazu wird ein Zwischenzähler installiert, der meistens ab einer Anlagenleistung von 30 Kilowatt als Wandlermessung ausgeführt werden muss.

Ab einem Jahresverbrauch von über 100.000 Kilowattstunden muss ein RLM-Zähler, das heißt eine registrierende Leistungsmessung, eingebaut werden, bei der alle 15 Minuten der Energieverbrauch erfasst wird. So kann beispielsweise bevorzugt Strom aus derjenigen Erzeugungsart genutzt werden, deren Eigenverbrauch sich im Einzelfall deutlich stärker rechnet als die Einspeisung ins öffentliche Netz.

Oft ist das bisher bei BHKW-Strom der Fall gewesen, kann sich aber im Zuge der Direktförderung von Mieterstrom zum Teil auch wieder ändern. Eine andere Möglichkeit ist die sogenannte gewillkürte Vorrangregelung.

Hier wird auf den teureren Zwischenzähler verzichtet und sich stattdessen auf eine Regelung zur Netzeinspeisung geeinigt, etwa dass jeweils 50 Prozent Photovoltaikstrom und BHKW-Strom vor Ort genutzt werden. Der Rest wird ins öffentliche Netz eingespeist.

Anlagen individuell planen

Im zweiten Schritt erfolgt basierend auf den erhobenen Eckdaten die technische Planung und ihre Umsetzung. Diese Phase ist die eigentliche Prüfung des Mieterstromdienstleisters. Oft kristallisieren sich erst hier spezielle Aspekte eines Projekts heraus, die individuelle Lösungen erfordern.

Zum Beispiel, dass die verfügbare Dachfläche nicht groß genug ist, um die Kriterien der KfW-40-Plus-Förderung zu erfüllen, oder dass ein Batteriespeicher zwar während der Bauphase installiert, aber nicht wieder so einfach am Ende seiner Lebenszeit abgebaut werden kann.

Schließlich kann ein Speicher für ein komplettes Mehrfamilienhaus durchaus mehrere Tonnen wiegen, und er ist größer als so mancher Türstock.

In einem Sanierungsfall muss mit den gegebenen Strukturen, der verfügbaren Dachfläche, den Kellermaßen sowie der vorhandenen Netzinfrastruktur gearbeitet werden. Zum Teil müssen Hausanschlüsse zusammengelegt werden, um möglichst viele Letztverbraucher hinter einem Anschluss zusammenzufassen. Nur so können sie mit lokal erzeugtem Strom innerhalb des Hausnetzes versorgt werden.

So war es auch bei einem Plattenbau in der Nähe von Leipzig, bei dem TnT Neue Energien aus Dresden als Elektroinstallateur die energetische Sanierung inklusive Mieterstromversorgung geplant hat. Mitte 2017 kam dann der Ökoenergieversorger und Mieterstromdienstleister Polarstern an Bord. Er realisiert das neue Mieterstromkonzept, nachdem ein anderer Dienstleister zuvor an der komplexen energiewirtschaftlichen Abwicklung gescheitert war.

Im Neubau ist es einfacher – fast

Für das neue Mieterstromkonzept, das Polarstern entwickelt hat, werden die bestehenden acht Hausanschlüsse auf einen reduziert. Diese Maßnahme ist wichtig, um die Bewohner der 110 Wohneinheiten mit Strom zu versorgen, den eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 123,45 Kilowatt und ein Blockheizkraftwerk mit 19,2 Kilowatt elektrischer Leistung produzieren. Insgesamt werden so 76 Prozent des lokalen Strombedarfs vor Ort erzeugt.

Nur auf den ersten Blick deutlich einfacher ist die technische Mieterstromplanung im Neubau. Der große Vorteil ist, dass Messkonzept und Zählerinfrastruktur von Beginn an mit einer zentralen Niederspannungshauptverteilung realisiert werden.

Diese ermöglicht die Versorgung von nachgeschalteten Unterverteilungen. Bei Mieterstromprojekten sind das die Zähler der Wohneinheiten und die einzelnen Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen.

80 Kilowatt fürs Passivhaus

Werden jedoch sehr leistungsstarke Erzeugungsanlagen oder Verbraucher ab in der Regel 30 Kilowatt integriert, muss die Messung als Wandlermessung an der Erzeugungsanlage und am Hausanschluss erfolgen. Der Wandler verringert die Stromstärke, um die Stromflüsse mit den Zählern messbar zu machen.

In einer neuen Passivhaussiedlung im Münchner Stadtteil Bogenhausen realisieren Polarstern und das Architektur- und Projektentwicklungsbüro Nest Ecoarchitektur eine fortschrittliche Mieterstromversorgung mit Sektorenkopplung und Integration eines Gewerbespeichers.

Durch eine energieeffiziente Gebäudearchitektur und wohnungseigene Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung reduziert sich der Heizwärmebedarf – verglichen mit einem durchschnittlichen Neubau – um 75 Prozent.

Mit diesem sinkenden Anteil der Heizenergie am Gesamtenergiebedarf steigt die Bedeutung des Stromverbrauchs und damit auch die Attraktivität von Mieterstrom.

Kernstück der Mieterstromversorgung in der Münchner Passivhaussiedlung ist eine Photovoltaikanlage mit 80 Kilowatt Leistung. Diese ist auf sechs einzelne Gebäude verteilt, um die gesamte Leistung aufs Dach zu bringen.

Nur so kann die Versorgung mit Solarstrom in der gesamten Siedlung gesteigert werden. Jeder Haushalt wird mit dem insgesamt vor Ort erzeugten Strom versorgt und nicht nur mit dem Strom, der vom eigenen Dach kommt.

Batteriespeicher integriert

Um das zu realisieren, mussten über eine spezielle Leitungsstruktur alle Teile der Photovoltaikanlage zu einem zentralen Elektroanschlussraum geführt werden. Dort befinden sich auch der Wechselrichter und der Batteriespeicher. Pro Jahr werden rund 80.000 Kilowattstunden Strom erzeugt, die rund 40 Prozent des Gesamtstrombedarfs der Mieter decken. Insgesamt können über 88 Prozent des erzeugten Stroms selbst genutzt werden.

Um den erzeugten Strom möglichst umfassend vor Ort zu nutzen, wurde ein Batteriespeicher integriert. Lokal produzierter Strom, der nicht direkt vor Ort genutzt werden kann, wird damit zunächst in den 150 Kilowattstunden großen Speicher geleitet. Aus diesem heraus werden die Haushalte auch dann mit lokalem Strom versorgt, wenn keine Sonne scheint oder der Strombedarf die Stromproduktion übersteigt. Nach Vorgabe des Verteilnetzbetreibers darf dieser Strom aus dem Batteriespeicher jedoch nicht in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden.

Dies wird durch sogenannte Stromrichtungssensoren sichergestellt. Sie melden dem hauseigenen Energiemanagementsystem, wann zu viel Strom produziert wird und nicht mehr gespeichert werden kann. Basierend auf dem aktuellen Strombedarf wird dann im gesamten Komplex an der Photovoltaikanlage eine dynamische Wirkleistungsbegrenzung realisiert.

Damit lässt sich die Abregelung der Photovoltaikanlage auf ein Minimum reduzieren. Denn bei Gebäuden mit KfW-Förderung 40 Plus ist die Leistungsabgabe am Netzanschlusspunkt auf maximal 60 Prozent der Wirkleistung der Solaranlage begrenzt.

Anschlussleistung reduzieren

Bei der Integration von Speichern gibt es neben Hinweisen des Forums Netztechnik/Netzbetrieb im VDE (FNN) Besonderheiten in jedem Verteilnetzgebiet. Insbesondere kommt es auf die Nutzung des Speichers an. Wird dieser ausschließlich zur Eigenverbrauchserhöhung verwendet, ist er entweder mit oder ohne eigenen Zweirichtungszähler als Verbraucher in das Mieterstrommesskonzept zu integrieren.

Soll der Speicher hingegen auch Netzdienstleistungen wie zum Beispiel Primärregelleistung erbringen, wird die Integration des Speichers in das Mieterstrommesskonzept deutlich komplexer und folgt keinem standardisierten Vorgehen mehr.

Ein im Mieterstromkonzept integrierter Speicher steigert nicht nur den Eigen- sowie Direktverbrauch des vor Ort erzeugten Stroms und damit die Autarkie, sondern reduziert auch im gesamten Gebäude die Leistungspreise. Dazu wird die Betriebsstrategie so gewählt, dass Leistungsspitzen des Netzbezugs auf Viertelstundenbasis verringert werden.

Elektromobilität mitgedacht

Im Gebäude sind neben dem Speicher auch Ladepunkte für Elektroautos integriert, um den Anteil des vor Ort verbrauchten Solarstroms weiter zu erhöhen. Dazu wurde die Hausanschlussleistung für Strom so weit erhöht, dass neben dem Haushaltsstrombedarf perspektivisch an jedem einzelnen Stellplatz in der Tiefgarage gleichzeitig auch Elektroautos geladen werden können.

Die Ladestationen sind den jeweiligen Wohnungszählern zugeordnet und können so direkt mit den Mietern abgerechnet werden. Wie viele Stromkosten ein Haushalt mit Mieterstrom spart, hängt vor allem von den lokalen Netzentgelten und der erzielbaren Stromautarkie des Gebäudes ab.

Gesteigert werden kann die Autarkie neben der Kombination von Energieerzeugungsanlagen und Speichern auch durch die intelligente Verknüpfung von Stromerzeugungs- und Stromverbrauchsstellen. Die Umsetzung im Smart Grid mit intelligenter Messtechnik steigert die effektive Nutzung von Mieterstrom. Entscheidet sich der Gebäudeeigentümer darüber hinaus für flexible Tarife, hat der einzelne Haushalt einen noch stärkeren Einfluss auf seine individuellen Stromkosten und auch einen Anreiz, möglichst viel Solarstrom vom Dach zu nutzen. Ohne solche flexiblen Tarife wird die größtmögliche Stromautarkie über das Gesamtgebäude berechnet.

Je mehr Energieerzeugungsanlagen in die Mieterstromversorgung eingebunden sind und je vernetzter das System realisiert ist, umso höher ist nicht nur die Stromautarkie, sondern auch die Komplexität in der Umsetzung und Administration. So erhält beispielsweise Strom aus einer Photovoltaikanlage eine andere Vergütung als Strom aus einem BHKW, was im jeweils individuellen Stromverbrauchsprofil eines Haushalts zu berücksichtigen ist.

Eine zusätzliche Komplexität in der Abrechnung kommt für Mieterstromanbieter durch die Direktförderung hinzu. Nach diesem Gesetz geförderte Angebote müssen mindestens zehn Prozent unter dem Grundversorgertarif liegen. Wie viel das konkrete Angebot darunter liegt, das muss jeweils auf der Mieterstromrechnung ersichtlich sein.

Geringer Verbrauch ist hinderlich

Ist dieser Unterschied kleiner als die geforderten zehn Prozent, muss der Mieterstromanbieter dem Letztverbraucher die Differenz erstatten. Gerade bei sehr niedrigen Verbräuchen sind die zehn Prozent zum Teil schwer zu erreichen. Denn der Vorteil von Mieterstrom liegt hauptsächlich in einem preiswerten Arbeitspreis. Dieser fällt aber weniger ins Gewicht, wenn wie im Passivhaus wenig Energie verbraucht wird.

Die unterschiedlichen Mieterstromlösungen mit ihren zahlreichen Gestaltungsoptionen bei Anlagentechnik, Schaltschema und Messkonzept unterstreichen die Komplexität der dezentralen Stromversorgung.

Sie zeigen, dass sich Mieterstrom mit intelligenten Versorgungskonzepten in verschiedensten Gebäuden realisieren lässt – in einem sanierten Plattenbau im Osten von Deutschland genauso wie in einer neuen Passivhaussiedlung in München.

www.polarstern-energie.de

Die Autoren

Florian Henle

ist Mitgründer und Geschäftsführer des Ökoenergieversorgers Polarstern. Das Unternehmen realisiert bundesweit Mieterstromprojekte. Henle ist ein gefragter Mieterstromreferent auf Veranstaltungen der Immobilien- und Energiewirtschaft.

Manuel Thielmann

arbeitet in der Geschäftsentwicklung von Polarstern. Er ist Ansprechpartner für die konzeptionelle Entwicklung und die praktische Umsetzung von Mieterstromprojekten in ganz Deutschland und Spezialist für die Integration von Batteriespeichern in Mehrfamilienhäusern.

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