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Vor dem Boom

Mittelständische Unternehmen treiben den Speichermarkt voran. Von mehr als fünf Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2018 werden rund drei Milliarden Euro von neuen Speichertechnologien und -anwendungen generiert. Das ergibt eine aktuelle Marktanalyse von Team Consult, das den Markt im Auftrag des Branchenverbandes BVES untersucht hat. Demnach steigen die Mitarbeiterzahlen bei den Speicherfirmen kontinuierlich.

Das Energiesystem braucht Puffer

Für 2018 rechnen die Berater mit einem Plus von neun Prozent. Damit sei die Branche bereits halb so groß wie die Braunkohleindustrie. Das ist sicherlich auch als Wink an den neuen Energieminister Peter Altmaier (CDU) zu verstehen, was künftig Priorität haben sollte. Die Zahlen sprechen für sich: Die installierte Stromspeicherleistung betrug 2017 etwa 7,3 Gigawatt. Gleichzeitig können die in Deutschland installierten Wärmespeicher mit insgesamt etwa 30 Terawattstunden sieben Millionen Menschen mit Wärme versorgen. Strompuffer werden benötigt, um Erneuerbare effizienter ins Energiesystem zu integrieren. So führt der systematische Einsatz von Energiespeichern aktuell zu einer Einsparung von jährlich 10,4 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalenten oder zehn Prozent der deutschen Pkw-Emissionen. Auch für das Erreichen der Klimaziele der Bundesregierung sind Speicher ein Kernelement.

Aber nicht nur Zahlen, auch neue Produkte gab es in Düsseldorf auf der Energy Storage Europe zu begutachten. Der Batteriespeicherhersteller Tesvolt beispielsweise hat sein neues Outdoor-System vorgestellt. Mit ein mal zwei Metern Grundfläche ist der Outdoor-Speicher platzsparend und kann auch auf einem kleinen Parkplatz installiert werden.

Tesvolt: Alujacke für draußen

Der Batteriespeicher verfügt über eine doppelwandige Außenhaut aus Aluminium. Damit stellt das Modell TS HV 70 Outdoor eine preiswerte Lösung im Vergleich zu einem großen Batteriecontainer dar.

Mit der neuen Schutzwand sei das System gut gegen äußere Einwirkungen geschützt, erklärt Victor Schäfer. Er leitet die Forschung und Entwicklung beim Unternehmen aus Wittenberg. Das Batteriesystem trotzt auch rauen Umweltbedingungen wie salzhaltiger Luft, Hitze oder Kälte. Der Schrank wird optional ohne, mit einer oder mit zwei zusätzlichen Klimaanlagen ausgeliefert, die automatisch für perfekte Umweltbedingungen für den Speicher sorgen.

„Durch die neue Aluminiumjacke sind die Batteriezellen im Inneren zuverlässig geschützt“, versichert Schäfer. Das ermöglicht es beispielsweise, das System auf Autobahnraststätten aufzustellen, wo es leicht zu Schäden kommen kann.

Das Wittenberger Unternehmen stellt sich mit dem TS HV 70 Outdoor frühzeitig für den künftigen Elektromobilitätsmarkt auf. Das Indoor-Modell der Serie stellte Tesvolt bereits auf der Intersolar 2017 in München vor.

Auch der Heimspeicherhersteller Solarwatt drängt nun in den Gewerbemarkt. Durch das Verschalten von bis zu fünf Systemen können 60 Kilowattstunden mit einer Leistung von 20 Kilowatt erreicht werden. Zudem wurde das Leistungsmessgerät, der AC-Sensor, weiterentwickelt. So können künftig auch Photovoltaikanlagen mit höheren Strömen angeschlossen werden: 250 statt 63 Ampere.

Großspeicher bei Solarwatt und Varta

Neben der Lastverschiebung seien vor allem das Lastspitzenmanagement und die Notstromversorgung für Industrie, Gewerbe und Landwirte interessant. Die Elektromobilität bringt zusätzlichen Zug in das Thema. „Gerade im mobilen Service oder bei Kurierdiensten kommen die Fahrzeuge häufig zur gleichen Zeit zur Basis zurück und müssen geladen werden, beispielsweise etwa zum Schichtwechsel oder abends“, berichtet Stutz aus Erfahrungen mit seinen Kunden. Das neue AC-gekoppelte System Varta Flex Storage deckt Leistungen von 20 bis 600 Kilowattstunden ab und kann bedarfsgerecht an die jeweilige Situation beim Kunden angepasst werden.

Speicherförderung in NRW

Besonders interessant sind auch zwei neue öffentliche Förderprogramme, denn sie steigern die Wirtschaftlichkeit von Strompuffern. Batteriesysteme in Verbindung mit Photovoltaikanlagen über 30 Kilowatt installierter Leistung werden auf Bundesebene bislang noch nicht gefördert. Aber neue Landesförderprogramme aus Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg werden diese Lücke schließen. Sie bieten Zuschüsse für stationäre Energiespeicher, die zusammen mit neu gebauten Photovoltaikanlagen errichtet werden. Seit März fördert NRW Batteriespeicher mit Photovoltaikanlagen, die mehr als 30 Kilowatt Leistung verfügen mit bis zu 50 Prozent, maximal aber mit 75.000 Euro.

Zuschüsse aus Baden-Württemberg

Auch das Land Baden-Württemberg bietet für die Jahre 2018 und 2019 ein neues Förderprogramm für netzdienliche Batteriespeicher. Um den Bau größerer Anlagen zu fördern, bietet das Landesprogramm für Batteriesysteme an Anlagen mit mehr als 30 Kilowatt sogar höhere Zuschüsse als für Heimspeicher. Netzdienliche Speicher an größeren Photovoltaikanlagen werden ebenfalls mit bis zu 30 Prozent und bis 60.000 Euro gefördert.

Die Europäische Kommission hofft ebenso auf ein rasantes Wachstum. Auf ein Volumen von 250 Milliarden Euro jährlich könnte der europäische Batteriemarkt bis 2025 anwachsen. Deshalb unterstützt Brüssel den Aufbau einer eigenen Zellfertigung in Europa. „Damit ist der Batteriemarkt so groß wie die gesamte dänische Wirtschaft”, veranschaulicht Maroš Šefovi. Er ist als EU-Kommissar für die Energieunion zuständig und geht davon aus, dass Europa zehn bis 20 Gigafabriken braucht, um den Bedarf abzudecken. Die erforderlichen Investitionen zum Aufbau einer Großfertigung mit einem Ausstoß von zehn Gigawattstunden Batteriekapazität beziffert er auf etwa eine Milliarde Euro pro Fabrik. Insgesamt schätzt er das Investitionsvolumen auf 20 Milliarden Euro.

Die Gigawattfabrik von Terra E

Die ersten riesigen Batteriefabriken, die derzeit konzipiert werden, erhalten finanzielle Unterstützung von der EU-Kommission. „Die European Battery Alliance wird Terra E weiterhin unterstützen, einschließlich ihres Ansatzes, mehrere Industrie- und Forschungsakteure in ihr Projekt einzubeziehen”, betont Šefovi. Die Terra E Holding plant immerhin den Aufbau einer Großfertigung von Lithium-Ionen-Zellen in Deutschland mit einer Produktionskapazität von 34 Gigawattstunden pro Jahr. Diese soll 2028 fertig sein. Der Geschäftsführer der Holding, Holger Gritzka, geht davon aus, dass das Ziel termingerecht erreicht wird.

Eine zunehmend dezentrale Energieerzeugung durch Windräder, Photovoltaikanlagen und neue Verbraucher wie Elektroautos führt viele Stromnetze an ihre Grenzen. Dabei liegt das Problem nicht an einer generell zu knappen Kapazität. Die Herausforderungen ergeben sich durch zeitlich und örtlich begrenzte starke Leistungsspitzen sowohl bei Einspeisung als auch bei Entnahme aus dem Netz. Temporäre Engpässe und Spannungsprobleme können die Folge sein und die Versorgungssicherheit und -qualität gefährden. Ein flächendeckender Ausbau der Netzinfrastruktur, um Spitzenbelastungen zu decken, wäre teuer und würde die Strompreise über steigende Netzentgelte in die Höhe treiben.

Ads-Tec und Porsche: 320 Kilowatt Power

Die Firma Ads-Tec stellt in Düsseldorf ihre neue speicherbasierte Schnellladelösung High Power Charger aus. Der Clou: Das System ermöglicht das besonders schnelle Laden mit hohen Leistungen. Je nach Situation lädt man im Eigenheim mit elf oder 22 Kilowatt, bei der Arbeit oder beim Supermarkt mit 50 Kilowatt oder bei Schnellladestationen an der Autobahn.

Genau dieses schnelle Laden auf Transitstrecken adressiert der High Power Charger. In Zusammenarbeit mit der Porsche Engineering Group entstand so ebenfalls eine separate Ladesäule, die sogar das Laden mit 320 Kilowatt ermöglicht. „Das ist fast drei Mal so viel Leistung, wie Tesla bisher einsetzt“, bestätigt Andreas Schimanski, Vertriebsleiter bei Ads-Tec.

Der dazugehörige Speicherwürfel misst kompakte 1,20 Meter an allen drei Seitenlängen. Die Netzentlastung durch Speicher, damit Elektroautos künftig schnell geladen werden können, ist ein klarer Trend in Düsseldorf. Weitere Hersteller werden folgen. Enercon nahm Mitte März im ostfriesischen Aurich den ersten Prototyp des E-Charger 600 in Betrieb. Die Ladeleistung liegt bei 350 Kilowatt.

www.energy-storage-online.de

AEG Power Solutions

Bidirektionaler Konverter stabilisiert das Netz

AEG Power Solutions zeigte auf der Energy Storage Europe in Düsseldorf seinen verbesserten Storage Converter, den Convert SC Flex. Das System wurde laut Hersteller komplett überarbeitet und verfügt nun für jede Einheit über einen Leistungsbereich von bis zu einem Megawatt Leistung. Damit bietet die neue Version mehr Flexibilität bei der Eingangsleistung. Der bidirektionale Konverter bietet damit sowohl für das Laden als auch für das Entladen einen hohen Wirkungsgrad. Der Convert SC Flex deckt einen großen Spannungsbereich von 330 bis 1.000 Volt ab. Hierdurch kann das System mit allen verfügbaren Batterietechnologien eingesetzt werden.

Als Kernstück eines jeden Batteriespeichers lädt und entlädt der Konverter die Batterien, um Strom je nach Anforderung zu speichern oder bereitzustellen. Mögliche Anwendungen sind zum Beispiel Frequenzstabilisierung, Spitzenlastmanagement, Verlagerung des Energieverbrauchs oder Spannungsstabilisierung. Wie sein Vorgänger, der SC.600, verfügt der Convert SC Flex über eine Option für einen unterbrechungsfreien Übergang zwischen Offgrid- und Ongrid-Betrieb. Damit werden die Einsatzmöglichkeiten des Speichersystems über seine Kernfunktionen hinaus erweitert, wie beispielsweise zum Peak-Shaving der Notstromversorgung bei einem Netzausfall. Diese Funktion ist besonders bedeutend bei Batteriespeichersystemen in Gebieten, in denen die Verfügbarkeit des Stromnetzes unzuverlässig ist oder an Standorten gänzlich ohne Netzanbindung.

www.aegps.com/de

KURZ NACHGEFRAGT

„Der Endkunde muss sich darum keinen Kopf machen“

Würden Sie sich einen Speicher, der den Sicherheitsleitfaden erfüllt, in den Keller stellen?

Thomas Timke: Wenn das System in einem akkreditierten Labor getestet wurde, das sich an diese Prüfbestimmungen hält, kann ich klar mit ja antworten. Denn zum Sicherheitsleitfaden gehört bei korrekter Umsetzung auch der Prüfleitfaden. Aus diesem Grund kann der Endkunde sicher sein, dass zudem alle gesetzlichen Normen zum Transport und zum Recycling der Batterien erfüllt werden. Das gilt für jedes System, egal ob die Zellen aus Lithium- Eisenphosphat oder Nickel-Mangan-Cobalt, kurz NMC, oder weiteren Komponenten bestehen. Persönlich achte ich bei Käufen zusätzlich darauf, dass der Hersteller zur Produktsicherheit keine Aussagen trifft, die nicht untermauert sind. Dann müsste ich ja bewerten, ob das nur Slogans sind oder die tatsächlichen Meinungen der Entwickler.

Was muss passieren, wenn das Betriebsfenster einer Lithium-Ionen-Zelle verlassen wurde?

Wenn eines der Betriebsfenster auch nur ein einziges Mal verlassen wurde, gilt die Zelle als vorgeschädigt. Das ist die Besonderheit dieser Technologie und vergleichbar mit einer angeknacksten Windschutzscheibe. Die Vorschädigung bleibt beim weiteren Betrieb erhalten, sie ist irreparabel.

Was kann passieren, wenn so eine Batterie weiter eingesetzt wird?

Die Vorschädigung setzt sich weiter fort. Daraus erstehen unnötige Sicherheitsrisiken. Beispielsweise kann eine tiefentladene Zelle bei erneuter Ladung ausgasen und sich gegebenenfalls sogar entzünden. Genau deshalb untersagt der Sicherheitsleitfaden den Weiterbetrieb, und Heimspeicher können auch automatisch sofort abgeschaltet werden. Der Sicherheitsleitfaden fordert die Abschaltung bei Hausspeichern, eine konkrete Norm gibt es dazu bisher noch nicht. Unter anderem aus diesem Grund können Kunden bei Heimspeichern, die den Sicherheitsleitfaden erfüllen, davon ausgehen, dass sie sicher sind.

Jede Zelle wird automatisch von einem Batteriemanagement überwacht. Der Aufwand hält sich für den Betreiber also in Grenzen?

Genau, ein sicheres Batteriesystem ist keine Preisfrage, sondern eine des richtigen Know-hows. Der Hersteller muss die Zelle und die daraus entstehenden Anforderungen verstehen, der Endkunde muss sich darum keinen Kopf machen – und das will auch niemand. Nach einer Sicherheitsabschaltung kann nur Solarwatt den Speicher wieder in Betrieb nehmen. Das Gleiche gilt, wenn das System merkt, dass es nicht mehr richtig messen kann, weil beispielsweise Sensoren ausgefallen sind. Dann muss das System runterfahren, die Zelle darf nicht weiter be- oder entladen werden. Apropos: Genau diese fehlende Sperre führte dazu, dass einige No-Name-Pedelec- oder E-Bike-Batterien abgebrannt sind, wenn sie über lange Zeit nicht genutzt wurden, sich tiefenentladen haben und dann wieder geladen worden sind. Markenhersteller solcher Batterien berücksichtigen diese und andere Anforderungen, auch wenn sie nicht in Normen stehen.

Muss der Kunde die Reparatur oder den Tausch einer Zelle oder eines Moduls bezahlen?

Nein, so ein Fall liegt in der Verantwortung des Herstellers. Die Batterie muss sich selbst schützen, das kann nicht auf den Käufer abgewälzt werden. Das System schreibt intern alle Daten mit, so lässt sich ein Fehler im Nachhinein analysieren. Nur äußere Einflüsse wie bei einem Lagerbrand können wir nicht verantworten. Dadurch könnte sich die Batterie weiter erhitzen als erlaubt. Bei Solarwatt hat bisher noch keine Zelle in einem installierten System ihr Betriebsfenster verlassen.

In der Branche wird über die Lieferknappheit bei Lithium-Ionen-Zellen diskutiert. Merken Sie etwas davon?

Die Zellhersteller haben vor Jahren angekündigt, die Marktentwicklung erst mal zu sponsern. Ab 2018 wollen sie nun langsam Geld verdienen, da sich der Markt recht positiv entwickelt. Und das führt zu den aktuellen Fehlinterpretationen im Markt. Über bestimmte Rohstoffe wird immer diskutiert werden, sei es Lithium oder Grafite. Knappheit kann neben der Preisgestaltung natürlich ein Thema werden. Bei Arbeitsspeichern von PCs gab es vor Jahren dieselbe Diskussion um Engpässe. Die Systemhersteller kennen das Thema und sichern sich langfristig dagegen ab. Denn der Wechsel einer Zelle ist sehr aufwendig und kostspielig, weil alle Komponenten genau aufeinander abgestimmt sind und viele Tests wiederholt werden müssen.

Das Gespräch führte Niels H. Petersen

Thomas Timke

ist Experte für Batterieentwicklung und -normung. Von 2007 bis 2010 war er bei der Firma Li-Tec im Business Development und Projektmanagement tätig. Bis April 2013 war er Berater und Projektmanager bei SK aus Korea. Beide Unternehmen sind Hersteller von hochwertigen Lithium-Ionen-Zellen für automobile und stationäre Anwendungen. Anschließend war er im Forschungsbereich Competence E am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) insbesondere für Transport- und Betriebssicherheit elektrischer Stromspeicher zuständig. Seit September 2016 arbeitet er für die Firma Solarwatt.

www.solarwatt.de