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Grobe Raster taugen nicht

Tübingen hat die Solarpflicht eingeführt, Stuttgart diskutiert darüber. Weitere Städte werden demnächst nachziehen. Die Energieeinsparverordnung (EnEV) unterstützt die Anwendung von Photovoltaik am Gebäude. Ebenso wirken sich langsam die Vorgaben der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) aus.

Man muss kein Prophet sein, dass ein kommendes Gebäudeenergiegesetz (GEG) und die 2020 in Kraft tretende Gebäuderichtlinie der Europäischen Union der solaren Architektur neue Schübe verleihen werden.

Königsklasse in der Nische

Doch ist es mit verschärften Vorschriften getan? Reichen diese Zwänge aus, Architekten, Bauplanern, Immobilienverwaltern oder Facility Managern die Chancen der Photovoltaik für ihre Gebäude näherzubringen? Warum fristet die bauwerkintegrierte Photovoltaik – die Königsklasse unserer Branche – noch immer ein sehr bescheidenes Nischendasein? „Dabei gibt es durchaus unproblematische und gut gelungene Solararchitektur“, bestätigt Wolfgang Willkomm, selbst Architekt und Professor an der Hafen University in Hamburg.

Bei seinem Vortrag auf dem Treffen der Solarbranche in Düsseldorf Ende September räumte er zudem mit einem zweiten Vorurteil auf: „Architekten sind nicht nur an der Gestaltung von Gebäuden interessiert. Daneben sind Wirtschaftlichkeit und Funktionalität für sie sehr wichtig.“

Photovoltaik nur als Ergänzung?

Dennoch stellte er die Frage: „Warum haben wir das Gefühl, dass die Mehrheit der Architekten die Photovoltaik noch immer ablehnt?“

In seiner Analyse stellte er fest, dass die Solargeneratoren in der Regel als Ergänzung der Gebäude obenauf geplant und propagiert werden. „Echte Integration ist bisher eher selten“, sagte er. „Die Solarmodule legen ein recht grobes Raster an Dächer und Fassaden. So wirken sie oft als Fremdkörper gegenüber den viel kleineren und feineren Rastern der traditionellen Bauprodukte.“ Nicht selten sehe man „weiße oder silberne Raster auf schönen Biberschwanzdächern“.

Das sei nicht zu unterschätzen. „Für uns Architekten ist das Dach die fünfte Fassade“, erklärte er. „Oft kann man sie von höheren Gebäuden einsehen oder von benachbarten Hügeln aus überblicken.“ So könnte man die Solarmodule auf dem Süddach des Reichstags in Berlin sehr gut von der Besucherplattform an der gläsernen Kuppel aus erkennen. Sie ist aber so diskret und elegant integriert, dass viele sie nicht wahrnehmen.

Gelungene Integration

Sehr steile Solardächer etwa auf Kirchenbauten sind auch vom Boden aus einsehbar. Es gibt aber gute Beispiele, wie auch diese unauffällig und mit dem Denkmalschutz vereinbar integriert werden können.

Dass solare Architektur gut und ansprechend funktionieren kann, beweisen zahlreiche Beispiele intelligenter Gebäudeintegration. Ein wichtiger Fortschritt sei der Übergang zu farbigen Solarmodulen. „Früher kannte man nur die blauen Module“, erläuterte Wolfgang Willkomm. „Heute gibt es Solarmodule in Grau, Anthrazit oder sogar Weiß.“

Für den Architekturprofessor gibt es drei verschiedene Ansätze der Gebäudeintegration. Sehr diskret in den Baukörper oder ins Dach eingefügte Solarmodule sind unauffällig oder nahezu unsichtbar. Als dezente Integration bezeichnete er Solarsysteme, die erkennbar, aber elegant und zurückhaltend eingebaut sind. Der dritte Anwendungsfall sind betonte und deutlich hervorgehobene Solarsysteme, mit denen die Bauherren und Architekten eine sichtbare Botschaft verbinden. Damit wolle ein Unternehmen oder ein Hauseigentümer nachhaltiges Image und technologische Innovation demonstrieren.

Wie rentabel ist eine Granitfassade?

Sehr häufig lehnen Architekten die Solartechnik ab, weil sie sich nicht rentiere. Willkomm wich dieser Frage nicht aus: „Wann amortisiert sich Photovoltaik?“ In seiner Antwort stellte er vor allem die integrierten Systeme als wirtschaftlich heraus. „Beim Neubau sparen Sie am meisten, wenn die Photovoltaik schon bei der Gebäudeplanung berücksichtigt wird. Oder wenn Sie in der Sanierung die klassische Dacheindeckung oder die äußere Fassadenbekleidung komplett durch Solarmodule ersetzen.“

Dann bieten die Solarpaneele den Wetterschutz, Schallschutz, Sonnenschutz und gegebenenfalls Wärmeschutz zugleich. Weil sie zudem Strom erzeugen, sind sie konventionellen Produkten überlegen. „Das kann kein anderes Bauteil. So gesehen müsste die Frage anders lauten: Wann amortisiert sich eine Granitfassade? Niemals, weil sie keinen Strom produziert.“

Ersatz konventioneller Bauprodukte

Nicht selten wird die Investition in Photovoltaik mit einer Geldanlage verglichen, etwa als verzinsliches Guthaben auf dem Konto. „Solche Geldanlagen produzieren keinen Strom“, kommentiert Willkomm. „Sie können kein Dach dichten, und sie versehen keine Fassade mit Sonnenschutz.“ Er rechnete vor, dass eine Solarfassade innerhalb von zehn Jahren durch die Stromerzeugung rentabel wird – „wenn sie konventionelle Bauprodukte ersetzt“.

Der Professor konstatierte ein wachsendes Interesse der Architekten und der Wohnungsbaugesellschaften am solaren Mieterstrom. Zudem sieht er die Integration der Solarmodule ins Dach oder die Fassade längst nicht als Ende der Fahnenstange. „Die Integration des Solarsystems wird im Innern der Gebäude weitergehen“, prophezeite er. „Dort werden Sonnenstrom, Speicherbatterien, Wärmepumpen und E-Mobilität integriert, um Plusenergiegebäude zu bauen.“

E-Autos als Treiber der BIPV

Bei gewerblichen Kunden werde die E-Mobilität eine wachsende Rolle spielen, um die Fuhrparks und elektrische Betriebsmittel mit selbst erzeugtem Sonnenstrom zu versorgen.

Die Anforderungen an die Architekten und die Gebäudeplaner wachsen, ebenso an die Gewerke, die auf dem Bau koordiniert und verzahnt werden müssen. Dem Häuserkampf geht der Kampf um die Köpfe voraus.

Schätzungen zufolge könnte der Markt für gebäudeintegrierte Photovoltaik in Europa im Jahr 2020 bereits über fünf Milliarden Euro erreichen. Dazu müssen die am Bau und bei der Bauplanung agierenden Zielgruppen besser mit Informationen rund um die Photovoltaik versorgt werden.

70 Gebäude in der Datenbank

Im Sommer startete in Berlin das neue Architekturportal Solar Age. Hier können sich Architekten, Gebäudeplaner, Bauherren, Facility Manager und die Immobilienwirtschaft über neue Solarprodukte und beispielhafte Referenzobjekte der solaren Architektur informieren.

Im Mittelpunkt des Angebots steht eine Datenbank zu weltweit realisierten Referenzgebäuden der solaren Architektur. Bislang sind bereits mehr als 70 Referenzen eingestellt. Bis zum Jahresende werden es mehr als 100 sein.

Jedes Gebäude wird mit einer Kurzbeschreibung und einem ausführlichen Dossier vorgestellt, bis hin zu Schnittzeichnungen und Details der Konstruktion. Die Datenbank wird laufend erweitert und ergänzt.

420 Produkte gelistet

Neben den Beispielgebäuden bietet das Portal den professionell am Bau tätigen Zielgruppen eine Datenbank für Solarprodukte, in der bereits 420 Einträge vorhanden sind. Umfangreiche Dossiers zu integrierten Solargeneratoren, Blitzschutz, Brandschutz und Stromverbrauch im Gebäude ergänzen das Angebot.

Außerdem erhalten die Abonnenten zahlreiche Tipps, Hinweise, Planungstools und Checklisten. Der Branchendienst bietet seine Fachinformationen auf Deutsch und Englisch. Chefredakteur ist der Fachjournalist Sven Ullrich aus Berlin.

Die Solararchitektur braucht ein Webportal für Spezialisten. Denn es ist mühsam, sich die komplexen Informationen aus dem Internet oder anderen Quellen zu suchen. Solar Age bietet den Architekten eine Experten-Community, die ihnen professionelle Informationen rund um die solare Architektur anbietet.

Denn zuerst muss das Wissen um die vielfältigen und weiter wachsenden Möglichkeiten in die Köpfe, bevor sich die Solartechnik überall an den Gebäuden zeigt.

Was heute schon möglich ist, beweisen bereits viele gelungene Beispiele. Sie zeigen auch: Die Architekten sind nicht das Problem, sondern wichtiger Motor seiner Lösung. Sie wollen gestalten und zukunftsfähige Gebäude bauen, mit möglichst geringen Betriebskosten. Das geht nur mit Sonnenstrom. Dafür brauchen sie die BIPV.

Die dezentrale Energiewende, die sauberen Strom vor Ort erzeugt und die Verbraucher im Gebäude direkt versorgen kann, definiert die Anforderungen an das Bauen auf neue Weise.

www.solarage.eu

Für Schnelle Leser

Hier erfahren Sie:

  • Solar Age am Start: Expertenportal für solare Architektur gegründet
  • Sicht der Architekten: Hille Bekic aus Berlin spricht über die Anforderungen
  • Vielfältige Innovationen: Die Solarindustrie rollt neue Produkte für die BIPV aus
  • Module parallel schalten:Kleine Spannungen in der Fassade sind von Vorteil
  • Gelungene Beispiele: Zahlreiche Bauten zeigen, was technisch möglich ist

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