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“Eichrecht nicht unterschätzen“

Die Elektromobilität nimmt langsam Fahrt auf, im sprichwörtlichen Sinne. Doch im Detail lauern einige Fallstricke. Welche Hürden muss die Branche nehmen, um sich breit entfalten zu können?

Andreas Zumschlinge: Damit sich dieser Markt entwickeln kann, müssen die Anbieter von Ladestationen beispielsweise Vorgaben aus dem Eich- und Messrecht umsetzen. Das Eichrecht wurde 2015 novelliert und mittlerweile hat die zuständige Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig festgelegt, welche Anforderungen die Wallboxen und Ladesäulen zu erfüllen haben.

Worum geht es genau?

Es geht um die transparente und korrekte Abrechnung der Kilowattstunden, die der Fahrer eines E-Autos tankt. Wenn Sie eine Ladebox zu Hause nutzen oder Ladesäulen in Ihrer Firma ausschließlich zum internen Gebrauch für Ihre Kunden oder Mitarbeiter nutzen, gibt es keine Probleme. Wenn Sie aber Strom verkaufen wollen, dann kommt das Eich- und Messrecht ins Spiel.

Das kennen wir bereits von den Elektrozählern und Smart Metern, von den Zählern für Photovoltaik und Batteriespeicher. Eine heikle Angelegenheit …

Auf keinen Fall. Denn wenn die Abrechnung der getankten Kilowattstunden nicht genau und transparent erfolgt, kann die Elektromobilität sehr schnell viel Vertrauen verspielen. Da sind Streitigkeiten vorprogrammiert, auch wenn es im Einzelfall meist nur um ein paar Euro gehen wird. Das kann auf die Elektromobilität zurückfallen und die brauchen wir dringend, um die immer dramatischeren Folgen des Verkehrs mit fossilen Brennstoffen zu bremsen.

Brauchen die Ladestationen geeichte Zähler, wie beispielsweise Elektrozähler?

Genau. Die MID-Zähler in den AC-Ladestationen und die Zähler in den DC-Ladestationen müssen geeicht sein. Aber das allein genügt nicht. In Deutschland haben wir ein besonderes Eich- und Messrecht. Es muss unmöglich sein, die Daten über die getankte Energiemenge und den Preis je Kilowattstunde im Nachhinein – etwa bei der Abrechnung – zu manipulieren. Besser gesagt: Eventuelle Manipulationen müssen gerichtsfest vom E-Fahrzeug-Fahrer nachgewiesen werden können. Das deutsche Eich- und Messrecht hatten die Anbieter der Ladesysteme nicht berücksichtigt oder nicht verstanden. Nun rüsten sie ihre Produkte nach.

Gibt es bereits zertifizierte Systeme?

Die Ladestationen zum Beispiel von EBG Compleo haben eine solche Zertifizierung der PTB erhalten. Weitere Zertifizierungen für andere Hersteller wie Alfen werden in den kommenden Wochen erwartet. Auch wir führen diese Produkte in unserem Angebot. Damit steht den Investitionen in die Ladeinfrastruktur nichts mehr im Wege.

Haben die Investoren wegen der fehlenden Konformität mit dem Eichrecht gezögert?

Wir beraten zum Teil sehr große Unternehmen bei der Umstellung ihrer Fuhrparks auf E-Mobilität oder bei der Ausstattung ihrer Kundenparkplätze. Wer die alten Ladestationen eingebaut hat und sie lediglich für interne Zwecke nutzt, also nur für betriebseigene Fahrzeuge, ist auf der sicheren Seite. Bis 2020 kann ein Unternehmen auch Ladestrom kostenlos an Mitarbeiter abgeben, ohne dass der Mitarbeiter ihn als geldwerten Vorteil versteuern muss.

Wann sind geeichte Zähler unumgänglich?

Will man über die Ladestationen Strom verkaufen, vielleicht im Rahmen eines neuen Geschäftsmodells, und die Kilowattstunden genau oder nach Zeittarif abrechnen, braucht man die eichrechtliche Konformität. Sonst sind sie zur Abrechnung der Tankmengen weder geeignet noch zugelassen und werden gegebenenfalls von den Eichämtern stillgelegt.

Wozu raten Sie Ihren Kunden?

Wir erstellen Konzepte und beraten unsere Firmenkunden umfassend zu diesem Thema. Wir weisen immer wieder darauf hin, dass es eigentlich keinen Sinn macht, nicht zugelassene Ladestationen einzubauen – auch wenn sie im Augenblick nur für internen Gebrauch bestimmt sind und vielleicht erst später Strom über sie verkauft werden soll. Ich gehe davon aus, dass fast alle Ladepunkte im öffentlichen oder halböffentlichen Raum über kurz oder lang mit modernen Abrechnungssystemen ausgestattet sein werden. Für Stromverkauf müsste man die alten Ladeboxen komplett gegen rechtskonforme Systeme austauschen, soweit sie nicht mit zumutbarem Aufwand nachgerüstet werden können.

Warum?

Es wird für die Fahrer der E-Autos völlig selbstverständlich, irgendwo unterwegs ein paar Kilowattstunden zu tanken – vorausgesetzt, der Preis stimmt. Es wird davon ausgegangen, dass rund 80 Prozent der Ladungen von E-Autos zu Hause oder während der Arbeitszeit erfolgen werden, also wenn das Fahrzeug lange steht. Dazwischen wird es vor allem interessant, mal schnell ein paar preiswerte Kilowattstunden aufzunehmen, aber häufig nicht, um die Autobatterie vollzuladen.

Wer wird in diesem Geschäft tätig werden?

Das wird überall der Fall sein, wo öffentlich zugängliche Parkplätze sind, am Supermarkt oder am Rathaus, an der Kita, sogar an der Kirche. Überall werden Ladepunkte entstehen, an denen Strom verkauft wird. Viele Firmen werden die Parkplätze und die Ladepunkte für ihre Mitarbeiter und Kunden nach Dienstschluss für die Öffentlichkeit öffnen, um am Stromverkauf zu verdienen.

Bedeutet das nicht einen enormen Aufwand bei der Abrechnung, die wenigen Kilowattstunden, die man mal schnell zwischendurch ins Auto lädt?

Stimmt. Da kommen sehr viele Abrechnungen im Jahr auf uns zu, die sauber und nachprüfbar abzuwickeln sind. Auch wenn es sich nur um kleine Beträge handelt. Oder vielleicht gerade deshalb. Das kann man über das entsprechende Backend quasi automatisch abwickeln.

Sehen Sie bei den Tankkarten einen Trend zur Standardisierung?

Die vielen unterschiedlichen Tankkarten, die heute noch unterwegs sind, werden verschwinden. Ein aussichtsreiches Modell scheint mir die Lösung zu sein, mit EC-Karte mit NFC-Technik zu zahlen. Solche Karten wurden allein in Deutschland schon über 17 Millionen Mal ausgegeben. Wenn der Tausch der älteren EC-Karten abgeschlossen sein wird, dürften es rund 70 Millionen sein.

Eine gängige Bezahlkarte, mit der man auch tanken kann: Wäre das nicht eine charmante Lösung?

Der Vorteil von Giro-e liegt zum einen in der großen Verbreitung der EC-Karten. Zudem ist das Verfahren für die Payment-Dienstleister, die beteiligten Banken und die Kunden einfach und transparent. Es hält die Transaktionskosten des Ladevorgangs sehr niedrig. Dann können die Betreiber der Ladesäulen beispielsweise den Sonnenstrom viel besser vermarkten.

Die meisten Menschen werden nur gelegentlich Strom tanken, weil es am Supermarkt billiger ist als am Rathaus …

Richtig. Und wer eine intelligente Ladesäule oder Wallbox hat, kann, wenn sie konform mit dem Eich- und Messrecht ist, über Stromverkauf einen Teil seiner Investitionen zurückholen. Oder man kann den Stromverkauf je nach Standort und Anzahl der elektrifizierten Parkplätze sogar zum Geschäftsmodell machen. Viele Unternehmen haben bereits erkannt, dass sie Lademöglichkeiten für ihre Mitarbeiter und für ihre Kunden bereitstellen müssen. Ebenso gewinnen die Lademöglichkeiten für die Werte von Wohn- und Gewerbeimmobilien zunehmend an Bedeutung. Wenn dann auch noch Solarstrom bereitgestellt werden kann, wird es besonders interessant.

Sie sagten: Parkstrom entwickelt Konzepte und berät Firmen bei der Elektromobilität. Wer baut die Systeme, wer übernimmt die Wartung?

Die Installation machen wir mit kompetenten Partnern aus dem installierenden Handwerk. Auch den technischen Service übernehmen unsere Partner, die auch eine schnelle Reaktionszeit gewährleisten können. Etwas anderes ist die gesamte Durchführung des Bezahlsystems. Diese Dienstleistung bieten wir selbst an. Denn das kann – je nach Größe und Anforderungen der Kunden – sehr komplex und aufwendig werden und ist häufig wirtschaftlich für Unternehmen als eigene Leistung nicht abbildbar.

Stellen Sie eigene Ladetechnik her?

Wir sind Vertriebspartner von Herstellern, letztlich also Wiederverkäufer, wobei wir herstellerunabhängig sind. Das ist aus unserer Sicht ein Vorteil für den Kunden. Wir suchen entsprechend dem individuellen Bedarf der Kunden das geeignete Ladesystem aus. Wir arbeiten auch eng mit den Herstellern der Ladesysteme zusammen: Bei ihnen bringen wir unser Know-how und unsere Anforderungen in die Entwicklung neuer Systeme ein.

Das Interview führte Heiko Schwarzburger.

www.parkstrom.de

Dr. Andreas Zumschlinge

ist Geschäftsführer der Parkstrom GmbH. Der Jurist ist seit 2010 in der Elektromobilität tätig, zunächst als Berater. Parkstrom wurde 2012 gegründet, seit 2017 leitet Dr. Zumschlinge neben dem weiteren Geschäftsführer Stefan Pagenkopf-Martin die Geschäfte des Unternehmens.

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