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“Oft ist der Zweck unklar“

Bei den Heimspeichern entsteht langsam ein Massenmarkt. Gewerbespeicher sind eher ein Projektgeschäft. Nimmt auch dieses Segment langsam Fahrt auf?

Andreas Lipphardt: Die Projekte laufen gut, wir verzeichnen immer mehr Anfragen und Installationen. Gewerbespeicher sind in der Regel individuell zu planende Projekte, bei denen es um Energiemanagement, um Peakshaving, Lademanagement für E-Autos oder um die Optimierung des Eigenverbrauchs von Solarstrom im Unternehmen geht. Je nach Einsatz handelt es sich um verschiedene Anforderungen. Auch Anwendungen ohne Photovoltaik spielen eine Rolle.

Wie viele Projekte haben Sie im vergangenen Jahr betreut?

Andreas Lipphardt: Wir hatten im vergangenen Jahr viele Anfragen. Von diesen Projekten haben wir rund die Hälfte geplant und realisiert. Interessanterweise haben wir im ersten Quartal 2019 bereits fast so viele Anfragen erhalten wie im ganzen letzten Jahr. Die Nachfrage scheint sich weiter zu beleben.

Welche Größe haben die Gewerbespeicher im Durchschnitt?

Andreas Lipphardt: Das ist schwer zu sagen, weil jedes Projekt ganz eigene Anforderungen hat. Somit ist der Speicher nach der Planung genau auf die Anwendung zugeschnitten. Über den Daumen gepeilt kann man von 100 Kilowattstunden ausgehen. Manchmal deutlich weniger, manchmal einiges mehr.

Harald Müller: Das Problem ist, dass sich viele potenzielle Kunden zwar einen gewerblichen Speicher für ihr Unternehmen wünschen, aber es ist völlig unklar, zu welchem konkreten Zweck. Wofür sich ein Speicher tatsächlich lohnt, wird erst im Verlauf des Prozesses und der Gespräche deutlich.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Harald Müller: Etliche Kunden wollen den Eigenverbrauch optimieren. Das kennen sie von den Heimspeichern und finden es auch für die Firma sinnvoll. Aber die Eigenverbrauchsoptimierung durch elektrische Stromspeicher lässt sich wirtschaftlich nicht ohne Weiteres auf ein Unternehmen übertragen. Gewerbestrom ist günstiger als Strom für private Haushalte, und es gibt gleichzeitig wegen des günstigeren Lastprofils geringere Solarüberschüsse. Da stellen sich mögliche Einsparungen anders dar. Die Amortisation über diesen Erlöspfad ist schwieriger.

Wie gehen Sie vor, um den Stromspeicher passend zu planen?

Harald Müller: Eigentlich braucht man zunächst ein Energiemess- oder Energiemanagementsystem mit seinen Sensoren und Zählern, um die Energieflüsse im Unternehmen zu analysieren. Dann erkennt man relativ gut, mit welchen Funktionen sich Speicher lohnen. Energie kann nämlich auch ohne Stromspeicher gespeichert werden. Ein Betrieb aus der Lebensmittelbranche zum Beispiel kann überschüssigen Sonnenstrom speichern, indem die Temperatur der Kühlzellen abgesenkt wird. Oder man wirft Kompressoren an, um Druckluft zu erzeugen. Auch Prozesswärme lässt sich solarelektrisch erzeugen, ohne Stromspeicher.

Wie umfangreich sollte die Datenerfassung sein?

Harald Müller: Für den Anfang und eine erste Auslegung genügen die bekannten Lastgangmessungen des Energieversorgers am Netzverknüpfungspunkt (NVP). Sie liefern Lastprofile mit einer Auflösung von fünf bis 15 Minuten. Damit kann man schon viel machen. Für eine detaillierte Auslegung und die spätere Regelung sollte man Messungen am NVP und zusätzlich an den wichtigsten Verteilstellen im System vornehmen. Zur besseren Kontrolle der Leistung und Schieflasten überwachen diese Messungen die Phasen sogar einzeln.

Andreas Lipphardt: Das Monitoring der Stromverbraucher ist für die Optimierung der Energiekosten entscheidend. Dann erkennt man recht schnell, welche Einsatzmöglichkeiten ein Stromspeicher bietet. Die Optimierung des Eigenverbrauchs von Sonnenstrom gewinnt an Bedeutung, auch für die Unternehmen. Doch letztlich geht es um eine Investition, die sich rechnen soll. Deshalb müssen die Stromspeicher meist mehrere Aufgaben erfüllen.

Wie ermitteln Sie die optimale Größe des Speichers?

Harald Müller: Lieber klein anfangen, denn er muss gut passen. Geht es vor allem um Leistung, oder geht es um Speicherkapazität? Sind Schnelllader für die E-Autos der Firma angeschlossen, entstehen leicht sehr hohe Netzspitzen, die teuer sind und die man vermeiden möchte. Dort fungiert der Speicher als Leistungspuffer zur Lastspitzenkappung (Peakshaving), um die Abregelung zu vermeiden. Man will ja die 50, 100 oder 150 Kilowatt an der Schnellladesäule tatsächlich verfügbar haben, nicht nur 20 oder 30 Kilowatt.

Andreas Lipphardt: Zudem kann sich die Speichernutzung im Laufe der Zeit ändern, weil sich das Unternehmen ändert. Da werden Elektroautos angeschafft, um die alten Dieselfahrzeuge zu ersetzen, oder Beleuchtungskonzepte und Energieeffizienzmaßnahmen umgesetzt, um nur zwei Beispiele zu nennen. Aus diesem Grund ist es besser, den Speicher gut zu überwachen und zu schauen, ob er immer noch optimal eingesetzt ist. Bei Bedarf kann man ihn in die eine oder andere Richtung mit Leistung und/oder Speicherkapazität ausbauen.

Eine komplexe Sache. Sind die Installateure damit nicht überfordert?

Andreas Lipphardt: Es gibt Fachpartner, die verstehen und können das. Oftmals die, die schon alltäglich in dem Bereich aktiv sind. Doch für einen Großteil der installierenden Firmen, deren Aufgabenschwerpunkt bisher ein anderer ist, ist das noch Neuland und somit schwieriger. Das sehen wir auch beim Repowering von Anlagen. Viele Installateure geraten an die Grenzen ihrer Kapazitäten – Stichwort Fachkräftemangel. Da bleiben solche Aufträge liegen und es werden zunächst nur die Neuinstallationen bedient.

Harald Müller: Der eigentliche Einbau des Speichers ist nicht das Problem. Er hat den AC-Anschluss und die Kommunikationsleitung, dazu einige Sicherungen. Das ist keine große Kunst. Schwieriger sind das Messkonzept für die Abrechnung und die Gebühren und die kommunikative Einbindung des Stromspeichers ins Netzwerk des Unternehmens über Energiemanagementsystem – also der planerische Vorlauf und die vielen Gespräche und Abstimmungen mit den Kunden, die dafür notwendig sind.

Andreas Lipphardt: Manchmal sind mehrere Photovoltaikanlagen einzubinden. Zudem ist der NA-Schutz zu beachten. Das macht die Sache nicht einfacher. Technisch sind die Fachpartner in der Lage, die Speichersysteme einzubauen. Aber mit dem Kunden zu klären, was er eigentlich will, scheitert oft an den Ressourcen, an der Zeit und dem Personal. Die Wahl des geeigneten Systems ist von der Funktion des Speichers im Unternehmen abhängig. Da geht es um Feinheiten, die man verstehen muss.

Unterstützen Sie Ihre Fachpartner bei der Planung und Auswahl der Systeme?

Andreas Lipphardt: Wir helfen bei der Planung, betreuen die Fachpartner bei der Installation und unterstützen bei der Inbetriebnahme vor Ort. Das ist ganz wichtig, zumal die Anfragen unserer Fachpartner zunehmen. Das kann so weit gehen, dass wir als EPC auftreten. Der Fachpartner kann sich dann auf die eigentliche Installation konzentrieren. Das Interesse aus den Unternehmen wächst und erreicht langsam die Etagen, in denen das Geld zur Verfügung steht und Entscheidungen getroffen werden können.

Harald Müller: Deshalb ist es wichtig, dass wir unsere Fachpartner so gut wie möglich unterstützen. Art und Umfang dieser Unterstützung hängen sehr davon ab, wie tief unser Fachpartner selbst ins Metier eingetaucht ist beziehungsweise überhaupt eintauchen möchte und welche Ressourcen er dafür aufwenden will und kann. Denn die Komplexität nimmt weiter zu.

Wie bewerten Sie die Entwicklung der Preise bei den Gewerbespeichern?

Harald Müller: Dafür muss man verschiedene Faktoren berücksichtigen. Da stecken auch das Energiemanagementsystem, Zähler und so weiter drin. Meinen Sie nur die Speicherpreise, also die Preise für diese spezielle Komponente?

Die Systempreise für die Speicher, ohne Zubehör, so schwierig und vage eine Schätzung auch sein mag …

Andreas Lipphardt: Derzeit liegen wir bei 600 bis 700 Euro je Kilowattstunde Speicherkapazität für einen größeren Gewerbespeicher. Der Systempreis im Ganzen ist zum Beispiel von der erforderlichen Leistung und dem Funktionsumfang stark abhängig.

Harald Müller: Gehen wir davon aus, dass es sich um ein kompaktes, nicht kaskadiertes System handelt, ohne aufwendiges Energiemanagementsystem, ohne Klimaanlage oder Brandschutzsystem, ohne Container. Also die reinen Batteriemodule, Wechselrichter und eine einfache Steuereinheit. Dann würde ich sagen: Bis Jahresende landen wir bei unter 550 Euro je Kilowattstunde. Das wäre dann ein Speicher mit 100 bis 150 Kilowattstunden.

Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.

www.ibc-solar.de

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