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Ökostrom aus 300 bar

Ein Jahr Entwicklungsarbeit, viel Geduld und wenig Geld: Seit Januar 2019 läuft in Freienried bei Dachau der Prototyp eines neuartigen Speichersystems, das Sonnenstrom in Druckluft einlagert. Zu einem beliebigen Zeitpunkt wird die Pressluft genutzt, um wieder sauberen Strom zu erzeugen.

Dieses Speicherkonzept hat drei Vorteile: Es hat kaum Halteverluste, entlädt sich selbst nicht. Also kann die Druckluft wie ein saisonaler Energiespeicher wirken. Zudem besteht die Anlage ausschließlich aus handelsüblichen Komponenten der Pneumatik und Hydraulik. Soll heißen: In hoher Stückzahl gefertigt, wird dieser Speicher sehr, sehr preiswert. Und drittens: Das System ist intrinsisch sicher gegen hohe Temperaturen oder Brände.

Ein Team aus vier Experten

Der Prototyp steht in einer Garage, die zur Werkhalle umfunktioniert wurde. Der Erfinder ist Georg Tränkl, der schon 2014 einen ersten Prototyp dieses Speichersystems entwickelt hat (siehe photovoltaik 07/2014). Damals wie heute war uns die Idee einen persönlichen Besuch wert.

Hartnäckig hat der Entwickler das Projekt weiterverfolgt. Und hat Unterstützer gefunden: Seit Februar 2018 helfen ihm drei erfahrene Experten und bilden mit ihm ein schlagkräftiges Team: Peter Schiess aus Bern verfügt über jahrelange Expertise im Finanzgeschäft. Walter Holzer aus Andechs am Ammersee war viele Jahre lang IT-Ingenieur und Projektleiter bei Siemens. Der Vierte im Team ist Eberhard Herrmann, ein Hydraulikexperte für Maschinen zur Holzentrindung.

Die Sache nimmt Fahrt auf

Seit Januar 2019 läuft der neue Druckluftspeicher. Im April wurde das Patent angemeldet, zudem ist das ganze Projekt nun unter dem Dach der eigens gegründeten Firma 2-4 Energy angesiedelt. „Der Prototyp läuft zuverlässig“, erläutert Peter Schiess. „Nun brauchen wir starke Partner, um es zur Serienreife und in den Markt zu bringen.“

Die 2014 vorgestellte Maschine war ein Demonstrator, ein Vorführmodell, um die grundsätzliche Funktionsweise zu zeigen. „Nun haben wir einen echten Prototyp, der beweist, was der neue Druckluftstromspeicher alles kann“, berichtet Georg Tränkl. „Wir können so viel Energie speichern, wie wir wollen. Und wir können sie vor allem so lange speichern, wie wir wollen. Wir haben keine Selbstentladung und keine Probleme mit Tiefenentladung, auch keinen Stand-by-Verbrauch. Zudem braucht unser Speicher keine Wohlfühltemperatur wie die Lithiumbatterien.“

Ein Riesenkrake aus Metall

Ein bisschen sieht die Maschine aus wie ein Riesenkrake aus Metall. Zwölf hydraulisch-pneumatische Zylinder bilden das Herzstück des Systems. Der Prototyp hat eine Aufladeleistung von 15 Kilowatt und könnte auf 50 Kilowatt oder mehr ausgebaut werden.

Zwei Druckluftflaschen mit je 80 Litern und 300 Bar Überdruck sind angeschlossen. Das entspricht rund 7,5 Kilowattstunden Stromspeicherkapazität. Das System ist faktisch beliebig erweiterbar – zum einen durch weitere Gasflaschen und zum anderen durch Vergrößerung der Lade- und Entladeeinheiten.

Die Idee, Strom in Druckluft zu speichern, ist eigentlich nicht wirklich neu. Neu ist, dass es mit vertretbarem Aufwand und vor allem mit hoher Effizienz tatsächlich gelungen ist. Zunächst scheint es einfach, Sonnenstrom in Druckluft zu verwandeln. Dazu kann man einen handelsüblichen Kompressor nutzen, der elektrisch angetrieben wird. Doch schon bei diesem Schritt wird deutlich, wie schwierig die Sache sein kann.

Verdichtertechnik verbessert

Die üblichen Kolbenkompressoren erlauben nur einen Wirkungsgrad von sechs bis zehn Prozent, effizientere Schraubenkompressoren liegen bei zehn bis 20 Prozent. Das hat mit der Gasdynamik zu tun, mit der inneren Reibung der Gasatome während der Verdichtung. Die Kompressoren werden auch durch Reibung sehr warm, geben hohe Verlustwärme ab. „Wir haben deshalb einen eigenen Kolbenverdichter entwickelt, der wesentlich effizienter arbeitet“, erzählt Tränkl. „Er kann die Stahlflaschen bis auf 300 Bar füllen.“

Vereisung der Ventile verhindern

Tränkl verdichtet die Luft zunächst auf zehn bis 20 Bar vor, um erst danach in einer zweiten Verdichterstufe auf 300 Bar zu gehen. Die Hochverdichtung erfolgt als rein hydraulischer Schritt. Auf diese Weise hält er die zu verdichtenden Luftvolumina klein, reduziert die inneren Verluste im Speichergas. Im Test vor Ort werden die Zylinder kaum handwarm. Abwärme kann außerdem über Wärmetauscher für Warmwasser genutzt werden.

Sind die Druckluftflaschen mit 300 Bar gefüllt, erwartet die Entwickler ein neues Problem: Wenn die Druckluft zu schnell entspannt, vereist sie die Ventile. Das Problem war bisher kaum lösbar, daran sind ähnliche Versuche bereits gescheitert. Das Team um Georg Tränkl hat diesen Knackpunkt sehr elegant gelöst: „Der Prozess läuft nahezu isotherm“, erklärt Peter Schiess. „Wir müssen keine fossile Energie zuführen, um die Ventile künstlich zu enteisen.“

Über die Mehrkammerzylinder, die hydraulische Druckregulierung mit pneumatischer Technik kombinieren, kann das System von 300 Bar auf 2,5 Bar entspannen. Die Hydraulikpumpe läuft gleichmäßig und treibt einen Generator, der die mechanische Arbeit in elektrischen Strom umsetzt.

Gekammerte Zylinder

Durch die Kammerung der Zylinder werden intern verschiedene Druckstufen verarbeitet. Das abgestufte System nutzt internen Wärmeaustausch von Hydraulik und Pneumatik, um Vereisung zu verhindern. „Das ist der eigentliche Trick an der Sache“, meint Georg Tränkl. Die Leitungen vereisen nicht, das System regelt sich über die Steuerelektronik komplett selbst – ohne zu überhitzen oder zu vereisen.

Die Drücke im System lassen sich sehr schnell aufbauen und wieder entspannen. Aufgrund der kurzen Hubwege und der geringen thermischen Belastung ist der Verschleiß nur sehr gering.

Die Dichtungen der Kolben sind auf mehr als 40.000 Stunden ausgelegt, das ist ausgereifte und millionenfach bewährte Industrietechnik. So ist der Druckluftspeicher in Georg Tränkls Werkstatt außerordentlich robust und langlebig. Bei regelmäßiger Wartung ist die Lebensdauer unbegrenzt.

Starker Partner gesucht

Bisher haben die Entwickler das Projekt mit eigenem Geld finanziert. Ein Jahr Arbeit liegt hinter ihnen. „Der nächste Schritt geht nur mit einem Partner, der mit uns den Speicher zur Serienreife optimiert und weiterentwickelt“, gibt Walter Holzer einen Ausblick. Die ökonomischen Aussichten sind vielversprechend:

Die Elektromobilität wird den Speicherbedarf für Ökostrom enorm erhöhen. Hinzu kommt die Stromversorgung von ausschließlich elektrisch versorgten Gebäuden in der sonnenarmen Zeit. Wer diese Probleme mit Lithiumbatterien lösen will, kauft sein E-Auto faktisch zweimal.

Drei bis vier Cent je Kilowattstunde

Der Druckluftspeicher bietet eine mehr als wirtschaftliche Alternative. Zwar hat er im Roundtrip von der Kilowattstunde einzuspeicherndem Sonnenstrom bis zur Kilowattstunde ausgespeichertem Druckluftstrom nur einen rein elektrischen Wirkungsgrad von 35 bis 45 Prozent. Doch er erlaubt sehr geringe Kosten, nur drei bis vier Cent je gespeicherter Kilowattstunde.

Was Techniker gern übersehen: Wirkungsgrade lösen sich in den Kosten auf. Mit drei bis vier Cent je Kilowattstunde wäre der Druckluftspeicher jedem anderen Stromspeicher deutlich überlegen. Kombiniert mit zehn Cent für die Solarstromerzeugung, wären 14 Cent möglich.

Das liegt unterhalb des üblichen Stromtarifs für kleinere und mittlere Gewerbebetriebe – mit ganzjähriger Verfügbarkeit.

Hinzu kommt, dass der Druckluftspeicher im laufenden Betrieb einerseits Wärme (beim Ladevorgang) und andererseits Kälte (beim Entladevorgang) bereitstellen kann, etwa in Form von Warmwasser oder in Anwendungen mit Kühlaggregaten. Dadurch wird der Systemwirkungsgrad dieses Speichers sogar erheblich steigen.

Sehr charmant ist die Vorstellung, solche Speicher in Firmen einzusetzen, die ohnehin mit Druckluft arbeiten.

Oder die winterliche Speicherkapazität einfach durch den Zukauf voller Druckluftflaschen zu erhöhen. „In jedem Liter Druckluft stecken 40 bis 50 Wattstunden Energie“, rechnet Georg Tränkl vor. „Zwei volle 80-Liter-Flaschen haben bei 300 Bar einen Energiegehalt von 7,5 Kilowattstunden.“

www.druckluftspeicher.net