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Bis zum Ende geplant

Wer kennt sie nicht, die alte Binse vom Schuster, der die schlechtesten Schuhe hat. Dem hat das Bauunternehmen Züblin etwas entgegenzusetzen. Denn das neue Gebäude am Hauptsitz des Unternehmens in Stuttgart ist nach alles Regeln der Kunst entworfen und gebaut. Hier stimmt alles – von der Form über die verwendeten Materialien bis hin zur Gebäudetechnik.

Das Aushängeschild des Unternehmens ist natürlich mit zukunftsweisenden Komponenten gebaut. Denn die Fassade steht auf einem hölzernen Grundgerüst, das mit einer riesigen Fensterfront gefüllt ist. Diese wird wiederum von Streifen unterbrochen, die mit Solarmodulen realisiert wurden.

Optimierte Planungsmethode

Selbst die Module sind ein Blick von der Gegenwart in die Zukunft. Denn hier wurde das umgesetzt, was die Photovoltaik für die Fassade derzeit zu bieten hat und worauf die Architekten in Zukunft zurückgreifen sollen, wenn es darum geht, moderne Architektur umzusetzen, die auf den Klimawandel reagiert.

Doch nicht nur das Gebäude ist auf der Höhe der Zeit. Auch die gesamte Planung wurde mit Mitteln umgesetzt, die die Zukunft der Architektur bedeuten könnten. Denn hier hat Züblin das sogenannte Building Information Modeling (BIM) eingesetzt. Mit dem BIM bekommt die Digitalisierung in der Architektur und in der gesamten Baubranche einen neuen Schub.

Hier geht es nicht mehr nur darum, mit dem Computer dreidimensionale Modelle von Gebäuden zu entwerfen, sondern um die Vereinfachung der Kommunikation zwischen den einzelnen Beteiligten an einem Bauwerk. „Das BIM ist eine optimierte Methode zur Planung, Ausführung und zum Betrieb von Bauwerken mit einem partnerschaftlichen Ansatz“, erklärt Karoline Fath. Sie ist als Teamleiterin für die Einführung von Building Information Modeling in der Fassadentechnik bei Züblin zuständig. „BIM ist mehr als die Planung mit dreidimensionalen Computermodellen“, sagt sie. „Denn wenn im gesamten Planungsprozess die einzelnen Beteiligten entkoppelt voneinander arbeiten, werden weiterhin erst auf der Baustelle die Abstimmungsfehler bemerkt. Wenn die dreidimensionalen Modelle aber vorher zusammengeführt und gemeinsam geprüft werden, passiert das nicht. Erst dann wird ein dreidimensionales zu einem BIM-Modell.“

Zusätzliches Gewerk einbeziehen

Ob das der Photovoltaik weiterhilft, stärker in den Blick der Architekten zu kommen, ist unklar. BIM ist in der Architektur und in der Bauwirtschaft noch nicht weit verbreitet. „Denn das bedeutet auf den ersten Blick einen hohen Schulungsaufwand“, erklärt Björn Wolff, Vertriebsleiter von Hottgenroth Software. „Große Unternehmen leisten sich die Schulungen, weil sie am Ende den Mehrwert sehen, den BIM mit seinen Synergieeffekten bringt. Bei kleineren Unternehmen fehlen aktuell die zeitlichen und finanziellen Ressourcen.“ Auch in der Architekturbranche ist BIM derzeit noch umstritten.

Das wurde auch auf dem diesjährigen Deutschen Architektentag klar: BIM ist noch nicht angekommen, auch wenn es große Vorteile für alle Beteiligten verspricht.

Schnelle Änderung ist möglich

Ob das auch für die Bauwerkintegration der Photovoltaik gilt, ist noch nicht ausgemacht. „Es wird nicht automatisch durch BIM mehr Photovoltaik in die Gebäude kommen“, warnt Karoline Fath schon mal vor allzu viel Euphorie. „Doch durch die gemeinsame Planung mit BIM wird es einfacher. Schließlich kommt mit der Photovoltaik als Fassadenelement noch ein weiteres Gewerk hinzu. Mit BIM kann das leichter in die Planung einbezogen werden.“

Das könnte der Photovoltaik schneller in die Fassaden helfen. „Schließlich kommt sie in der Regel erst dann ins Spiel, wenn der Entwurf für die Fassade bereits fertig ist“, weiß Roland Frei, Geschäftsführer des BIPV-Planers Energiebüro in Zürich, aus leidvoller Erfahrung. „Dann ist es schwierig, diesen Entwurf zu ändern.“ Doch mit BIM könnte das in Zukunft einfacher werden. Schließlich geht die Idee weit über die eigentliche Kommunikation hinaus.

BIM verknüpft die Flächen des dreidimensionalen Modells der Architektursoftware mit einer konkreten Funktion wie beispielsweise einer Tür oder einem Fenster oder eben einem passiven beziehungsweise aktiven Fassadenelement. Die für dieses Stadium relevanten Daten wie etwa die Abmessungen bekommt das Programm aus Datenbanken. Auf diese Weise wird es einfach, der Fläche neue Attribute zuzuweisen, die ihr eine andere Funktion geben.

BIM braucht Informationen

Hier ist die Photovoltaikbranche allerdings gefragt. Denn für die technische Gebäudeausrüstung existieren inzwischen Vorgaben, in welcher Form die Daten aufbereitet werden und in welchem Format sie bereitgestellt werden müssen. „Damit ist sichergestellt, dass sie in verschiedenen Anwendungen genutzt werden können“, erklärt Björn Wolff von Hottgenroth den Vorteil dieser Standardisierung. „Solche elektronischen Produktkataloge gibt es für sehr viele Arten von Komponenten der technischen Gebäudeausrüstung. Für die Photovoltaik gibt es dies meines Wissens als eine der wenigen Ausnahmen derzeit nicht.“

Da besteht Handlungsbedarf. „Im BIM unterscheidet man dabei zwischen einem Detaillevel und einem Informationslevel, das in verschiedenen Planungsstufen relevant wird“, sagt Karoline Fath. „Auf dem Detaillevel geht es darum, wie geometrisch komplex das Bauteil ist. Hier reichen Informationen wie Ausmaße und Befestigung.“ Mit diesem Level arbeitet der Architekt selbst. Für ihn ist das Photovoltaikmodul im Entwurf nur eine Glasscheibe. Selbst Details wie die Position der Anschlussdose und die mögliche Kabelführung sind Informationen für die nächste Planungsstufe.

Nicht auf die Planung reduzieren

Dann geht es auf das Informationslevel. „Hier hinterlegt der Hersteller Details wie die verwendete Modultechnologie oder die Anschlussmöglichkeiten, die Leistung und die Art des Stroms, der produziert wird“, beschreibt Fath den notwendigen Datenumfang. „Diese Daten müssen nicht notwendigerweise mit dem Bauteil in der Datenbank selbst verknüpft sein. Hier reicht ein Link zum Datenblatt, aus dem sich der Planer der technischen Gebäudeausrüstung seine relevanten Daten herausziehen kann.“ Diese gibt er in sein Berechnungsprogramm ein und kann so die Verschaltung und die Wechselrichterauslegung planen.

Doch die Digitalisierung der Baubranche allein auf den Planungsprozess zu reduzieren ist zu kurz gesprungen, wie es Ilka May ausdrückt. Sie ist Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens Loc Lab, das sich auf die Digitalisierung im Bausektor spezialisiert hat.

An großen Schrauben stellen

Hier geht Züblin mit seinem BIM 5D schon in die richtige Richtung. Schließlich bezieht das Unternehmen nicht nur die Planung mit dem dreidimensionalen Modell ein, sondern verknüpft das in der vierten Dimension mit einem Terminplan. Auf diese Weise kann der gesamte Bauablauf besser koordiniert werden. „In der fünften Dimension koppeln wir das noch mit weiteren Datenprozessen wie der Kalkulation oder dem Materialeinkauf und dem Materialabruf“, erklärt Karoline Fath.

Ilka May geht aber noch weiter. „Denn wenn wir bei BIM nur über das Planen und Bauen reden, drehen wir an der kleinsten Stellschraube“, erklärt sie mit Blick auf die Kostenvorteile und die zu hebenden Synergien. Schließlich fallen beim Betrieb und bei der Wartung der Gebäude viel höhere Kosten an.

Noch mehr Einsparungen sind möglich, wenn die Gebäude und die Infrastruktur so gebaut werden, dass sie der Nutzung entsprechen und einfach zu „konsumieren“ sind. „Wir brauchen eine komplette Betrachtung des Lebenszyklus eines Gebäudes. Wir müssen nicht nur den Bau, sondern auch den Betrieb miteinbeziehen“, betont Roland Frei vom Energiebüro in Zürich.

Hier könnte BIM auch der Photovoltaik weiterhelfen. Denn wenn am Ende die Informationen aus dem Gebäudebetrieb und der Nutzung in die Planung der nächsten Gebäude einfließen, werden diese möglicherweise anders ausgelegt. Im besten Falle dann mit einer aktiven Gebäudehülle und einer regenerativ betriebenen Heizung oder Kühlung, die nicht nur die Betriebskosten senkt, sondern auch für den Komfort ein Gewinn ist.

Das wiederum wird Einfluss auf die Architektur haben. „Die Architekten haben eine ganz besondere Rolle“, sagt Ilka May. „Sie verdienen ihr Geld ganz am Anfang der Lebenszeit eines Gebäudes. Denn der Architekt wird für Planungsaufträge bezahlt. Aber was er schafft, hat sozioökologische Auswirkungen bis ans Ende der Kette, nämlich die Nutzung.“ Das ist ein Spannungsfeld, das er sich bewusst machen muss.

Züblin

Mit BIM geplant

Mit dem neuen Gebäude am Stuttgarter Hauptsitz hat sich das Bauunternehmen Züblin eine echte Referenz für zukunftsfähiges Bauen geschaffen. Das Gebäude ist eine sehr gute Kombination aus moderner architektonischer Gestaltung und nachhaltigen Energiequellen. Denn die Fassade besteht aus Photovoltaikelementen in sechs unterschiedlichen Größen und mehreren Designvarianten. Sie unterbrechen als Querstreifen die Glasfassade des Gebäudes, die ein Grundgerüst aus changierend geschnittenen Holzlisenen füllt.

So sind 240 Quadratmeter aktiver Gebäudehülle entstanden, die den Blick des Betrachters nicht scheuen müssen. Denn die Frontgläser der Solarmodule haben eine prismatische Oberflächenoptik, die von außen nach innen kleinteiliger wird. Eine Herausforderung war der Aufbau der Module, die Einscheibensicherheitsgläser ersetzen sollten, aber aus zwei Glasscheiben bestehen. Deshalb ist das Glas auf der Vorderseite größer als das Glas auf der Rückseite. Dieser Stufenaufbau mit einem überstehenden Frontglas ermöglicht eine unabhängige Verklebung beider Scheiben des Moduls auf der Unterkonstruktion.

www.zueblin.de

Im Überblick

Diese Firmen werden im Artikel erwähnt:

Züblin: www.zueblin.de

Hottgenroth: www.hottgenroth.de

Loc Lab: www.loclab-consulting.com

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