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Bundesregierung kippt Befreiung von Netzentgelten

Die Bundesregierung ändert die Regelungen für die Ausnahmen der stromintensiven Unternehmen bei der Zahlung der Netzentgelte. Statt einer generellen Befreiung müssen in Zukunft alle Betriebe ihren Beitrag zum Stromnetz leisten, gestaffelt nach ihrem Beitrag zur Netzstabilisierung.

Unter dem Druck eines Untersuchungsverfahrens der Europäischen Kommission gegen die Befreiung stromintensiver Unternehmen in Deutschland von den Netzentgelten ändert die Bundesregierung die Regelungen. Statt einer generellen Befreiung führt sie eine Staffelung ein, die sich nach dem tatsächlichen Verbrauch und dem Lastgang des Unternehmens richtet. Jetzt müssen Unternehmen, die zehn Gigawattstunden Strom pro Jahr verbrauchen und 8.000 Stunden unter Vollast fahren, nur zehn Prozent des Netzentgeltes bezahlen. Beträgt die Abnahme 7.500 Stunden pro Jahr, werden 15 Prozent des regulären Netzentgeltes fällig. Nimmt ein Unternehmen die zehn Gigawattstunden nur über 7.000 Stunden pro Jahr verteilt ab, muss es 20 Prozent des Netzentgeltes bezahlen.

Beitrag zur Netzstabilität

Die Staffelung ergibt sich daraus, dass der Beitrag eines großen Stromverbrauchers zur Netzstabilität größer ist, als wenn die gleiche Strommenge in weniger Stunden verbraucht würde. Denn je gleichmäßiger der Lastgang ist, desto besser ist er für den Netzbetreiber planbar. Kurzfristige Spitzenlasten jedoch bedeuten einen erheblichen Mehraufwand für den Netzbetreiber. Ab 1. Januar 2014 führt die Bundesregierung zusätzlich eine sogenannte physikalischen Komponente bei der Bemessung der Höhe des reduzierten Netzentgelts ein. Damit will sie bei der Höhe des Netzentgelts den tatsächlichen Beitrag zur Netzentlastung mit einrechnen, den der jeweilige stromintensive Verbraucher tatsächlich leistet, also seinen Stromverbrauch an die Erzeugung anpasst. Die jetzt festgelegte Staffelung der Entgelte bleibt dann bestehen. Allerdings bedeuten die jeweiligen Staffelungsbeiträge dann den Mindestbeitrag, den die Unternehmen zum Netzbetrieb bezahlen müssen. Trägt ein stromintensives Unternehmens tatsächlich nur wenig zur Netzentlastung bei, werden die Zahlungen des Netzentgeltes für dieses Unternehmen höher ausfallen. Die Bundesregierung erhofft sich dadurch, dass deutlich weniger Unternehmen ein reduziertes Netzentgelt geltend machen können.

Keine Neuregelungen für die EEG-Umlage

Insgesamt sind nach Angaben des BMWi derzeit 200 Unternehmen in Deutschland ganz von den Netzentgelten befreit. Die von den Betrieben dadurch eingesparten 237 Millionen Euro werden auf die restlichen Verbraucher umgelegt. „Mit dem heutigen Kabinettsbeschluss hat die Bundesregierung vor allem die besonderen Netzentgelte für stromintensive Letztverbraucher auf eine neue Grundlage gestellt“, sagt Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler. „Wir haben dieser Verbrauchergruppe eine stabile Basis für die Kalkulation ihrer Energiekosten gegeben und Planungs- und Rechtssicherheit hergestellt.“ Ob Deutschland damit aus dem Fadenkreuz der Kommission in Brüssel ist, bleibt abzuwarten. Schließlich monierte der EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia, dass durch die Befreiung von den Netzentgelten eine Wettbewerbsverzerrung entsteht, weil andere Unternehmen in der EU solche Befreiungen nicht genießen. Almunia hatte es als unerlaubte Beihilfe für die Industrie gewertet. Schließlich ändert sich mit dem jetzt gefassten Beschluss an der eigentlichen Tatsache nicht viel. Außerdem enthält der Kabinettsbeschluss keine Neuregelungen über die ausufernde Befreiung der großen Stromverbraucher von der EEG-Umlage. Da sieht die Bundesregierung offensichtlich keinen Handlungsbedarf, da die Europäische Kommission dazu noch kein Verfahren eingeleitet hat. Doch diese Befreiungen wiegen weit schwerer. Immerhin ist die Zahl der Unternehmen, die in den Genuss der Reduzierung oder Befreiung von der EEG-Umlage kommen, von 603 im Jahr 2011 über 734 im vergangenen Jahr auf 1.691 in diesem Jahr in die Höhe geschnellt. Entsprechen ist auch die betroffene Strommenge von knapp 76.000 Gigawattstunden im Jahr 2011 auf gut über 94.000 Gigawattstunden in diesem Jahr gestiegen – immerhin fast 16 Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Deutschland. Für den Strompreis der Privatkunden und der kleineren Unternehmen mit einem Stromverbrauch von weniger als einer Gigawattstunde pro Jahr bedeutet das erhebliche Mehrkosten. (Sven Ullrich)