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Branche will tickende Bombe entschärfen

Noch drei Tage bis zur Verabschiedung der EEG-Novelle im Bundestag. Die Reform droht zur Bremse für die Energiewende zu werden. Die Branchen fordern die Parlamentarier auf, sich der Realität zu stellen und den Entwurf in der derzeit geplanten Form abzulehnen.

Drei Tage vor der Verabschiedung der EEG-Novelle im Bundestag machen die Branchen der erneuerbaren Energien noch einmal Druck auf die Abgeordneten – mit guten Argumenten. So kritisiert der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) mit Sitz in Aachen, dass die Bundesregierung mit der Senkung der Stromkosten für die Verbraucher als Begründung für die Belastung des Eigenverbrauchs regenerativen Stroms mit einer EEG-Umlage den Blick auf eine vergleichsweise Nebensächlichkeit verengt. „Die Stromkosten sind mit Verlaub ‚Peanuts‘ im Vergleich zu den Schäden des Klimawandels“, betont der Vorstand des SFV. „Damit gibt Deutschland seine Trumpfkarte gegen den Klimawandel aus der Hand.“ Der SFV verweist auf die immer in immer kürzeren Abständen eintretenden Naturkatastrophen. „Hochwasserkatastrophen, Trockenheitskatastrophen, Sturmschäden, Zusammenbrüche des Verkehrs, Klimaflüchtliche in steigender Zahl beunruhigen uns und werden immer mehr zur Tagesordnung“, betont der SFV. „Die Beseitigung der Schäden verschlingt zunehmend größere Summen und wird über kurz oder lang unbezahlbar.“

Bundesregierung vernachlässigt Entwicklung der Stromkosten

Der SFV kritisiert auch die Kurzsichtigkeit mit der die Bundesregierung die Reform in dieser Art und Weise durchziehen will. Schließlich bedenke die Bundesregierung nicht die Weiterentwicklung der Stromkosten. Die Herstellungskosten für Strom aus Sonnen- und Windenergie sinken seit Jahren infolge der Massenproduktion. Deshalb ist es ein Fehler, die Massenproduktion von Sonnen- und Windenergie zu bremsen.“ Der SFV fordert den Bundestag auf, sich dieser Realität zu stellen und die Reform in der jetzigen Version abzulehnen.

Rettungspaket für die großen Vier

Statt dessen setzt die Regierung auf die verstärkte Nutzung fossiler Energieträger. Dabei ist nicht nur der steigende Einkaufspreis für die Brennstoffe entscheidend, sondern auch die unermesslichen Schäden, die die weitere Nutzung von fossilen Energieträgern weltweit anrichten. „Die können auch durch eine spätere Um-Entscheidung rückgängig gemacht werden“, warnt der SFV. Für den Entwickler von Solarprojekten Solar Art Kraftwerk ist die Fokussierung auf die fossilen Energien eine klare Rettungsaktion für die alte Energiewirtschaft. Der Projektentwickler aus Lauda-Königshofen verweist auf die Tatsache, dass die erneuerbaren Energien im vergangenen Jahr immerhin 29 Prozent des Nettostromverbrauchs in Deutschland abgedeckt haben. „Damit haben sie den vier großen Stromverkäufern in Deutschland Eon, Vattenfall, RWE und EnBw ein Viertel des Marktes genommen“, erklärt Solar Art Kraftwerk. „Damit nicht genug, die großen vier haben nicht nur ein Viertel des Strommarktes verloren, sie haben ausgerechnet die Teile des Marktes verloren in denen sie früher zu den höchsten Preisen verkaufen konnten.“ Schließlich produziert vor allem die Photovoltaik dann am meisten Strom, wenn die Preise an der Strombörse in früheren Zeiten am höchsten waren. „Nach dem die Erneuerbaren auch für die vier großen Quasimonopolisten nicht mehr zu übersehen sind, kommt nun nach über einem Jahrzehnt Ausbau der erneuerbaren Energien die Einsicht, dass ihre alten Geschäftsmodelle nicht mehr funktionieren“, erklärt der fränkische Projektentwickler. „Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien durch die Bürger gefährdet die Geschäftsmodelle der alten Energiewirtschaft. Deshalb versuchen sie mit allen Mitteln die Bürgerenergiewende zu behindern und ihre Geschäftsinteressen als Interessen der Gesellschaft zu deklarieren.“

Regierung torpediert ihre eigenen Förderinstrumente

Dass die Bundesregierung die Energiewende nicht nur ausbremst, sondern ihre eigenen Förderprogramme kannibalisiert, weißen die Marktforscher von EuPD Research in einer konkreten Berechnung nach. Denn die generelle Belastung des Eigenverbrauchs von Solarstrom ohne Größenklassenbeschränkung mit 40 Prozent der EEG-Umlage, hat weitreichende Konsequenzen für die Wirtschaftlichkeit von Speichersystemen beim privaten Endkunden. Die Bonner Marktforscher haben als Referenzanlage einen Photovoltaikgenerator mit einer Leistung von fünf Kilowatt genommen. Dieser erzielt in Deutschland jährlich etwa 4.500 Kilowattstunden Strom. Ist die Anlage mit einem Stromspeicher ausgerüstet, liegt der Eigenverbrauchsanteil beim etwa 60 Prozent, also bei 2.700 Kilowattstunden im Jahr. Wird dieser Eigenverbrauch mit 40 Prozent der EEG-Umlage – also derzeit etwa 2,5 Cent pro Kilowattstunde – müsste der Anlagenbetreiber 67,50 pro Jahr an EEG-Umlage bezahlen. Was zunächst wenig klingt, summiert sich bei einer Anlagenlaufzeit von 20 Jahren und einer Ertragsminderung von 0,25 Prozent und der Annahme einer konstanten EEG-Umlage auf 1.338 Euro. „Bezogen auf die Wirtschaftlichkeit des Photovoltaikspeichersystems führt die Einführung der Belastung des Eigenverbrauches mit 40 Prozent der EEG-Umlage zu einer Verminderung der Rendite des betrachteten Referenzsystems von 1,6 auf 0,9 Prozent“, rechnet EuPD Research vor. „Während der Beitrag zur EEG-Umlage des Referenzhaushaltes mit 67,50 Euro minimal ausfällt, führt die geplante EEG-Belastung des Eigenverbrauches von Photovoltaikstrom zu einer Verminderung der Attraktivität von Investitionen in Photovoltaikspeichersysteme. Insgesamt wirkt diese Eigenverbrauchsbelastung der bestehenden Förderung von Speichersystemen für Photovoltaik-Anlagen entgegen und bremst die notwendige Entwicklung von Technologien zur Integration der Photovoltaik in das Energiesystem der Zukunft künstlich aus.“ Das wird auch passieren, wenn die EEG-Umlage mittelfristig sinkt und damit die konkreten Belastungen für den Eigenverbraucher geringer werden. Auf der anderen Seite ist noch nicht klar, wie der Verbrauch des gespeicherten Stroms gerechnet wird. Wird er nicht als Eigenverbrauch anerkannt, droht den Betreibern der Systeme sogar die volle EEG-Umlage auf den gespeicherten und dann selbst verbrauchten Strom. EuPD Research sieht den Ausweg darin, dass die Speichersysteme billiger werden. „Um diese zusätzliche Belastung des Eigenverbrauches mit der EEG-Umlage zu kompensieren, müsste, unter der Annahme konstanter Rahmenbedingungen, der Preis des Speichersystems von 1.900 Euro pro Kilowattstunde um 210 Euro auf 1.690 Euro pro Kilowattstunde gesenkt werden“, rechnen die Bonner Analysten vor.

Die EEG-Novelle steht für den kommenden Freitag um 9:00 Uhr auf der Tagesordnung des Bundestages. Die Abstimmung über das Gesetz wird eine gute Stunde später stattfinden. (Sven Ullrich)