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Schweiz bewertet Erdbebengefährdung der Atomkraftwerke neu

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat, die für die Sicherheit der Atomkraftwerke im Lande zuständig ist, verlangt neue Sicherheitsnachweise, dass die Schweizerischen Atomkraftwerke erdbebensicher sind. Allerdings müssen diese Nachweise erst in vier Jahren auf dem Tisch liegen, was auf heftige Kritik stößt.

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) hat die Erdbebensicherheit der Atomkraftwerke neu bewertet. Das Ergebnis: Die Atommeiler sind weniger gegen heftige Erdstöße gewappnet als bisher angenommen. Dies ist bei einer neuen Analyse der Risiken, die durch seismische Quellen entstehen, herausgekommen. Die Kernkraftwerksbetreiber haben in ihren eigenen Analysen, die sie Ende 2013 beim ENSI eingereicht haben, viel zu niedrige Werte für die seismische Aktivitäten angelegt. Die Experten des ENSI haben hingegen die Daten des Schweizerischen Erdbebendienstes (SED) zugrunde gelegt. „Somit fallen unsere neuen Gefährdungsannahmen strenger aus“, bringt Ralph Schulz, Leiter des Fachbereichs Sicherheitsanalysen beim ENSI, die Ergebnisse auf den Punkt.

Erdbebennachweis ist deutlich umfangreicher

Die Überprüfung der Erdbebensicherheit der eidgenössischen Atomkraftwerke wurde vom ENSI – damals hieß die Behörde noch Hauptabteilung für die Sicherheit von Kernanlagen (HSK) – bereits 1999 angestoßen und 2011 forciert, nachdem der Reaktor des Kernkraftwerks in Fukushima einem Erdbeben nicht standgehalten hat. Jetzt – fünf Jahre später – liegt endlich das Ergebnis auf dem Tisch. In der Zwischenzeit haben zwar die Kraftwerksbetreiber Nachweise erbringen müssen, dass ihre Atommeiler gegen Erdstöße und Hochwasser, das durch den erdbebenbedingten Bruch eines Staudamms ausgelöst werden kann, ausreichend gesichert sind. Doch war das bisher nur ein vorläufiger Sicherheitscheck.

Aufgrund der neuen Ergebnisse des ENSI sind weitergehende Überprüfungen notwendig. „Der jetzt geforderte Erdbebennachweis ist deutlich umfangreicher als jener, den die Kernkraftwerke nach Fukushima einreichen mussten“, betont Ralph Schulz. „Eine wesentliche Ausweitung betrifft die Methodik zur Ermittlung der seismischen Robustheit der wichtigsten Komponenten, die notwendig sind, um den Störfall zu beherrschen.“

Sicherheitsnachweise liegen auf der langen Bank

So weit die gute Nachricht. Der kritische Punkt ist allerdings, dass die Nachweise erst 2020 endgültig auf dem Tisch liegen müssen. Bis dahin dürfen die Atomkraftwerke mit den alten Sicherheitsnachweisen weiterlaufen. Das Kraftwerk in Mühleberg wird bis dahin schon nicht mehr am Netz sein. Ob das Kraftwerk Beznau jemals wieder ans Netz geht bleibt ebenfalls fraglich.

Bis die Betreiber von Atomkraftwerken nachweisen müssen, ob ihre Meiler erdbenensicher sind, werden seit Projektstart mehr als 20 Jahre vergangen sein. Bisher weiß niemand, ob das der Fall ist, kritisiert Greenpeace Schweiz. Dieser Zustand wird auch noch weitere vier Jahre anhalten. „Dann, also in vier Jahren, ist aber noch keine einzelne Schraube ausgetauscht“, kritisiert Thomas Mäder, energiepolitischer Sprecher von Greenpeace Schweiz. „Bis die Betreiber ihre AKW tatsächlich nachgerüstet haben, werden dann noch einmal viele Jahre ins Land ziehen – Jahre, in denen die Erde beben und Kerne schmelzen können.“

Zugeständnis an die Betreiber

Für die Experten von Greenpeace und der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES) ist die Lange Zeit bis die Sicherheitsnachweise erbracht werden müssen, ein Zugeständnis an die Betreiber der Atomkraftwerke. „Denn die Atomkraftwerke sind wegen der tiefen Strompreise jetzt ein finanzielles Risiko für die Strombarone. Da könnte jede zusätzliche Investition in die Sicherheit das wirtschaftliche Aus für Beznau und Co. bedeuten“, sagt Mäder. „Ein nun bereits 17-jähriges Verfahren wird damit weiter verschleppt. Zeit, die die wirtschaftlich klammen Betreiber bitter gebrauchen können, um kostspielige Nachrüstungen weiter hinauszuschieben“, ergänzt Nils Epprecht, Projektleiter Strom und Atom bei der SES. (Sven Ullrich)