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Atomausstieg: Wachsam bleiben!

Ein interessanter Report vergleicht die Ereignisse und Folgen der Reaktorkatastrophen in Fukushima und Tschernobyl. Auch der Unfall in Harrisburg wird erörtert. Und die Autoren gehen der Frage nach: Wie riskant ist ein Supergau mitten in Europa?

Gegenwärtig gilt in Deutschland der Atomausstieg, der im Jahr 2012 von der Regierung verkündet wurde. Dennoch halten viele Gegner der erneuerbaren Energiewende an dieser riskanten Technologie fest. In Belgien und Frankreich laufen Schrottmeiler mit amtlicher Erlaubnis weiter, in Großbritannien sollen die Steuerzahler ein neues AKW finanzieren.

Die Halbwertszeit des menschlichen Gedächtnisses ist kurz, erst recht die Beständigkeit von politischen Entscheidungen. Da ist es hilfreich, sich die Fakten wieder vor Augen zu führen. Sachlich, ohne ideologische Voreingenommenheit.

Das ist den Autoren des Buches „Nukleare Katastrophen und ihre Folgen“ gelungen. Sie vergleichen die Reaktorbrände in der Ukraine (1986) und an der japanischen Ostküste (2011) und stellen die Folgen aus verschiedener Sicht dar. Einleitend ist die historische Entwicklung der Atomwirtschaft dargestellt, darin wird auch der Unfall im Kraftwerk von Three Mile Island in Harrisburg im US-Bundesstaat Pennsylvania (1979).

Konsequent wissenschaftliche Analyse

Interessant an dem knapp 350 Seiten starken Report ist die konsequent wissenschaftliche Analyse der Daten und Ereignisse. Die Autoren – aus Österreich und Deutschland – bemühen sich, keinerlei ideologische Vorurteile zu bedienen. Der sachliche Ton der Berichte erlaubt es dem Leser, die Vorgänge zu verstehen und selbst zu bewerten. Neben den lokalen Folgen für die Ukraine und Japan – aus ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Sicht – werden auch entfernt registrierte Schäden beschrieben, etwa durch die atmosphärische Ausbreitung der radioaktiven Wolken.

Oft werden die mittelfristigen und langfristigen Folgen solcher Katastrophen verharmlost oder unter den Tisch gekehrt. Nicht nur, weil man sie verschweigen will. Sondern weil es sehr schwierig ist, dafür belastbare Daten zu bekommen. Diese Schwierigkeit wächst mit der Entfernung der betrachteten Region zum Reaktor. Dennoch haben die Autoren versucht, das vorhandene Material auszuwerten.

Zeitloses Nachschlagewerk

In weiteren Kapiteln gehen die Autoren auf die regulatorischen Folgen für die europäische Atomwirtschaft ein, die nach Fukushima in Kraft gesetzt wurden. Wie lasch sie umgesetzt werden, zeigt der Streit um die schadhaften Atommeiler in Flammarion und Tihange, die weiterhin eine Betriebsgenehmigung haben. Dagegen sind bereits Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof anhängig.

Zu guter Letzt diskutieren die Autoren des Reports die verheerenden Folgen des Uranbergbaus und die Risiken, die sich aus einem schweren Unfall in einem europäischen Atomkraftwerk ergeben.

Das Buch ist ein zeitloses Nachschlagewerk zum gegenwärtigen Stand der Atomdebatte. Die einzelnen Kapitel sind so aufbereitet, dass auch Nichtfachleute gut folgen können. Die Daten und Grafiken sind didaktisch gut dargestellt, auf das Notwendige reduziert.

Es ist zu erwarten ist, dass die Debatte um die Atomenergie auch in Deutschland neu entflammen wird – wenn die Klimaziele bei den Emissionen aufgrund der politischen Hängepartie nicht erreicht werden. Spätestens dann wird das Handbuch eine wichtige Quelle sein, um auf den Boden der Realität und der historischen Erfahrung mit dieser riskanten Großtechnologie zurückzukehren. (HS)

Wolfgang Liebert, Christian Gepp, David Reinberger (Hrsg.):
Nukleare Katastrophen und ihre Folgen – 30 Jahre nach Tschernobyl, 5 Jahre nach Fukushima
Berliner Wissenschaftsverlag 2016
ca. 350 Seiten, zahlreiche Abb. und Grafiken
Druckausgabe: 44,00 Euro
ISBN 978-3-8305-3642-0

E-Book (PDF): 39,99 Euro
ISBN 978-3-8305-2120-4

www.bwv-verlag.de