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Von der Kür zur Pflicht

Aufgrund des schwachen Energiewende-Fahrplans der Bundesregierung sind wir auf regionale Initiativen angewiesen, um den Ausbau Erneuerbarer Energien in Deutschland voranzutreiben. Gleichermaßen radikal wie vielversprechend ist da der Vorstoß der Stadt Tübingen. Per Grundsatzbeschluss wurde eine Verpflichtung zur Photovoltaik-Nutzung bei allen Neubauten im Stadtgebiet erlassen. Nach der Einführung einer Solardachbörse im Jahr 2008 und bereits knapp eintausend registrierten Anlagen Ende 2017 ist dies für die Universitätsstadt ein konsequenter Schritt.

Der Erfolg der Photovoltaik-Pflicht wird maßgeblich von den zur Verfügung stehenden Realisierungsmodellen abhängen. Denn die Installation einer Solaranlage, gerade in Verbindung mit einem Batteriespeicher, bedeutet Mehrkosten für angehende Bauherren. Für preissensible Bevölkerungsgruppen, wie beispielsweise junge Familien, müssen Angebote geschaffen werden, um eine Ausgrenzung aufgrund von Budgetgrenzen nachhaltig zu vermeiden. Eine Ausweitung staatlicher Förderungen ist vorerst weder zu erwarten noch sinnvoll. Daher liegt es an der Wirtschaft eine Vernetzung von Handwerk, Kommune und Investoren anzustreben, um gemeinsam attraktive Finanzierungsmodelle für Bauherren zu entwickeln. Bürgerbeteiligungs- oder Crowdfundingkonzepte können dabei wichtige Bausteine sein.

Bei erfolgreicher Umsetzung ist die Photovoltaik-Pflicht eine Win-win-Situation für Hauseigentümer, regionale Wirtschaft und Klimaschutz. Der Solarstrom, der auf dem eigenen Dach produziert und direkt im Haus verbraucht wird, ist in ganz Deutschland die günstigste Form der Stromversorgung. Immobilienbesitzer senken mit einer Solaranlage ihre Stromkosten, machen sich unabhängig und nutzen erneuerbare Ressourcen. Von der zunehmenden Dezentralisierung der Stromproduktion profitieren die lokalen Installateursbetriebe. Die regionale Wirtschaft wird damit gestärkt.

Die Stimmen aus dem Markt lassen erwarten, dass weitere Kommunen dem Tübinger Beispiel folgen werden und die Energiewende im lokalen Kontext selbstständig und unabhängig von der Bundesregierung umsetzen. Um die Energiewende wirklich zu schaffen, kann eine Photovoltaik-Pflicht jedoch nur ein Anstoß sein. Eine strukturierte Ausweitung auf die Bestands- und Gewerbeimmobilien ist ebenso notwendig wie die sinnvolle Integration von Wärme- und Mobilitätskonzepten. Als Hamburger Unternehmen ist es uns ein Anliegen, dass dieser Impuls in der Hansestadt aufgegriffen wird. Mit der Einführung des Diesel-Fahrverbots im Juni 2018 hat die Stadt bereits gezeigt, dass sie das Zeug zum grünen Vorreiter hat.

Tobias Schütt ist Geschäftsführer von DZ-4, einem Unternehmen, das sich auf die Vermietung von Solaranlagen und Speichern in Deutschland spezialisiert hat.

Tobias Schütt

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