Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Der Speicher als Blackbox

Was besagt der von Ihnen mitentwickelte System Performance Index (SPI) für Speichersysteme?

Johannes Weniger: Der SPI setzt die erzielte Kosteneinsparung eines Batteriesystems mit Solarstrom ins Verhältnis zu einem errechneten Einsparungspotenzial eines theoretisch verlustfreien Systems. Mit anderen Worten: Der SPI beschreibt, wie sehr Energieverluste die finanziellen Erlöse verringern. Denn wir haben festgestellt, dass es derzeit keine Kennzahl gibt, die alle Verluste berücksichtigt. Mit dem SPI wollen wir Produkte wirklich vergleichbar machen. Der Index soll zudem zeigen, wie groß die Wirkung der einzelnen Stellschrauben ist: Zuerst müssen die Umwandlungsverluste minimiert werden.

Können Sie das konkreter beschreiben?

Der Autarkiegrad beispielsweise sagt nichts darüber aus, wie viel Strom zwischen dem Speicher und dem Netz fließt. Ein Systemwirkungsgrad des Speichers berücksichtigt nicht, woher der Strom kommt, also ob er aus der eigenen Solarstromanlage stammt oder doch aus dem Stromnetz. Aber für den Betreiber ist es ein ökonomischer Unterschied, ob er den Strom beim Versorger für rund 28 Cent pro Kilowattstunde oder aus der eigenen Anlage bezieht.

Was haben Sie also gemacht?

Wir wollten verschiedene Systeme vergleichbar machen. Deshalb haben wir den Netzanschlusspunkt als Referenzpunkt ausgewählt. Im Fokus liegt so der Einfluss der Systeme auf die Netzeinspeisung und den Netzbezug. Wir definieren zum Vergleich einen Referenzfall mit einer bestimmten Größe der Photovoltaikanlage und einem Lastprofil. Ein verlustfreies System unter optimalen Bedingungen mit einem Wirkungsgrad von 100 Prozent dient als Vergleichsmaßstab. Voraussetzung für einen Vergleich mit einem realen Speicher ist, dass die Nutzkapazität des verlustfreien Systems identisch ist. So werden die Betriebsergebnisse des Speichers vergleichbar. Wenn der optimale Speicher nun 1.000 Euro pro Jahr einsparen kann und der Strompuffer im Feld auf 900 Euro pro Jahr kommt, dann ergibt sich ein SPI von 90 Prozent. Die Simulation eines Systems ist in anderen Bereichen, wie auch bei rein netzeinspeisenden Photovoltaikanlagen, längst Standard.

Brauchen Systeme eine hohe Entladeleistung?

Wenn die Heimspeicher am Regelenergiemarkt teilnehmen können, scheint das erst mal vorteilhaft zu sein. Aber der Haushalt braucht die hohe Leistung oft gar nicht selbst. Daten aus dem Feld zeigen, dass meist nur mit 500 Watt oder weniger entladen wird. Die Wechselrichter haben in diesem Bereich oftmals Wirkungsgrade von deutlich unter 90 Prozent. Je größer die Nennleistung des Batteriesystems ist, desto mehr Verluste fallen bei geringer Entladeleistung an. In durchschnittlichen Haushalten ist eine maximale Entladeleistung von zwei bis drei Kilowatt meist völlig ausreichend.

Was kann der SPI leisten, wo liegen seine Grenzen?

Die relevanten Energieverluste werden gut abgebildet. Die Aussagen der Simulation hängen aber natürlich von der Qualität der Messergebnisse im Labor ab. Deshalb führen wir eine Validierungswoche auf dem Teststand für das System durch, um die Berechnungsergebnisse zu überprüfen. Das angesprochene Thema der Alterung lassen wir noch außer Acht. Wir bewerten nur die Effizienz im Neuzustand. Mit dem SPI lassen sich so die effizientesten Speichersysteme ausfindig machen.

Wie kann bei einem Speichertest im Labor verhindert werden, dass sich wie bei Abgas- und Verbrauchstests der Autobauer unrealistische oder manipulierte Werte ergeben?

Die veröffentlichten Ergebnisse der Hersteller können zunächst mit den Messergebnissen von unabhängigen Institutionen verglichen werden. Allerdings ist kein Labortest 100-prozentig sicher gegen Manipulationen. Dennoch gibt es nicht viele Stellschrauben, um Effizienzwerte zu verfälschen, ohne die komplette Hardware zu tauschen. Dieselben Manipulationsanreize wie beim Dieselmotor sehe ich deshalb nicht.

Wie hat sich der Markt für Heimspeicher in den vergangenen drei Jahren aus Ihrer Sicht entwickelt?

Vor drei Jahren war der Anteil von Photovoltaikanlagen, die mit Batteriespeicher gebaut wurden, noch relativ gering. Mittlerweile wird mehr als die Hälfte aller neu installierten Solarstromanlagen mit Speicher installiert. Tendenz steigend. Die Verknüpfung von Photovoltaikanlagen mit Batteriespeichern hat sich zum Standard entwickelt. Das liegt natürlich auch an der rasanten Kostenentwicklung der Akkus. Fertig installierte Speichersysteme bekommt man heute schon für unter 1.000 Euro pro Kilowattstunde. Vor einigen Jahren hat das noch 3.000 oder 3.500 Euro gekostet. Bei privaten Wohngebäuden sind Speicher nun der Treiber, um Photovoltaik zu installieren. Hier steht oft der Autarkiewunsch im Vordergrund.

Wo liegen noch Hemmnisse und wie können sie beseitigt werden?

Die künstliche Beschränkung des Photovoltaikausbaus begrenzt auch den Speichermarkt. Um die Pariser Klimaschutzziele und eine entsprechende Dekarbonisierung des gesamten Energiesektors zu erreichen, brauchen wir eine installierte Solarstromleistung von mindestens 200 Gigawatt. Das bedeutet einen jährlichen Zubau von mindestens zehn Gigawatt. Als Ausbauziel der Bundesregierung sind derzeit lediglich 2,5 Gigawatt festgehalten – und die wurden in den letzten drei Jahren nicht einmal erreicht. Wichtig ist auch, dass der Aufwand für den Netzanschluss der Photovoltaikanlagen sowie die Bürokratie gerade für Privatpersonen künftig vereinfacht werden.

Wie hat sich die Qualität der Produkte entwickelt?

Die Hersteller sind professioneller geworden, die Sicherheit sowie die Effizienz und Langlebigkeit der Produkte sind besser. Das ist sicherlich auch auf das Marktanreizprogramm 275 der KfW zurückzuführen. Für Speicherinteressierte ist es jedoch aktuell noch schwierig, Unterschiede in der Effizienz und Langlebigkeit zwischen den Produkten festzustellen. Die Speicherwahl gleicht einer Schatzsuche. Die Einführung eines Labels könnte die Lage künftig verbessern.

Brauchen Speicher weiterhin eine KfW-Förderung?

Die Förderung war als Markteinführungsprogramm gedacht. Und in der Tat war die staatliche Unterstützung auch die beste Werbung. Denn sie hat unterstrichen, dass die Technologie von der Bundesregierung gewollt ist. Die Einspeisebegrenzung der Photovoltaikanlage, die von der KfW-Speicherförderung verlangt wird, war wichtig, damit sich die Branche mit der Kappung der solaren Erzeugungsspitzen frühzeitig auseinandersetzt. Es muss aber auch vorausschauend gedacht werden, was mit den Systemen künftig passiert, die nicht an eine Einspeisebegrenzung gebunden sind. Derzeit ist das jede zweite Anlage. Eine Lenkungswirkung wäre aus Sicht der Politik wünschenswert und richtig. Die Umwandlung der Förderung in einen Investitionskostenzuschuss könnte eine Lösung sein. Bei anderen Gebäudetechnologien wie Wärmepumpen wird das bereits so gemacht.

Was muss bei den Bedingungen für die Installation der Heimspeicher plus Photovoltaikanlage beachtet werden?

Eine Einspeisebegrenzung von 50 Prozent der Leistung der Solarstromanlage ist sinnvoll. Das KfW-Programm hat in der Vergangenheit jedoch nicht vorgegeben, wie das in der Praxis realisiert wird. Wenn der Speicher früh volllädt, kann er die Einspeisespitzen nicht reduzieren. Für den Speicherbetreiber ist die Abregelung der Solarstromerzeugung zur Mittagszeit mit Einnahmeverlusten verbunden. Ein intelligentes Lademanagement, das die Speicherladung in die Mittagsstunden verlegt, kann Abhilfe schaffen. Zudem ist denkbar, dass die Netzbetreiber zukünftig Anforderungen an die Betriebsweise der Systeme definieren. Wenn wir einmal drei Millionen Batteriespeichersysteme in Deutschland haben, können aus Sicht der Netzbetreiber einheitliche Betriebsweisen vorteilhaft sein.

Das Gespräch führte Niels H. Petersen.

HTW Berlin

Die Effizienz wird durch den SPI vergleichbar

Wie effizient Heimspeicher im Keller arbeiten, ist mit Systemwirkungsgradangaben nicht ermittelbar. Deshalb haben Wissenschaftler der HTW Berlin im Forschungsprojekt Laura eine neue Effizienzkennzahl entwickelt. Die neue Kennzahl hört auf den Namen System Performance Index, kurz SPI.

Diese simulationsbasierte Vergleichsgröße bewertet den ökonomischen Systemnutzen und macht erstmals die Energieeffizienz von Batteriesystemen für Solarstrom mit unterschiedlicher Batterieanbindung und unterschiedlicher Batteriegröße vergleichbar. „Der neu entwickelte System Performance Index ist demnach die ideale Vergleichsgröße, weil er neben den Regelungs-, Dimensionierungs- und Umwandlungsverlusten auch die Einflüsse des Energiemanagements und des Bereitschaftsbetriebs berücksichtigt“, sagen die Wissenschaftler der HTW Berlin.

Die Forscher berechnen hierzu durch Computersimulationen detailliert die Leistungsflüsse des jeweiligen Systems. Dabei nutzen sie als Eingangsparameter die Labormesswerte, die auf Basis des branchenweit anerkannten „Effizienzleitfadens für PV-Speichersysteme“ ermittelt werden. Der Leitfaden ist vom BSW-Solar zusammen mit dem Speicherverband BVES und weiteren Partnern entwickelt und im März 2017 veröffentlicht worden. Die Forscher sind optimistisch, dass die Industrie den SPI in der Produktauswahl und Anlagenplanung einsetzen wird.

pvspeicher.htw-berlin.de

NES Energy Systems

Neuer Anbieter startet bundesweiten Vertrieb

Aufgrund des Engpasses bei einigen etablierten Speicheranbietern ergeben sich Chancen für neue Firmen auf dem Markt. NES Energy Systems aus Stephanskirchen unweit des Chiemsees will nach der Testphase im Einzugsgebiet nun bundesweit seine Batteriespeicher vertreiben. NES plant individuelle Speichersysteme von der kleinen Berghütte bis hin zu privaten Haushalten, Gewerbe sowie Industrie. Auch Megawattspeicher sind im Repertoire.

Das Team um Geschäftsführer Willibald Mühlbauer hat dafür ein eigenes Batteriemanagement entwickelt, das durch ein intelligentes Lademanagement die Batteriezellen schont. Jede einzelne Zelle wird dabei überwacht und geregelt. Laut Angabe von NES enthalten die Speicher keine umweltschädlichen Schwermetalle. Die Firma nimmt die Batterien nach der Nutzung kostenlos wieder zurück. Bei der Technologie setzt Mühlbauer wie viele Systemhersteller in der Branche auf Zellen aus Lithum-Phosphat.

www.newenergy-systems.com

Johannes Weniger

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter von Professor Volker Quaschning an der HTW Berlin. Er arbeitet in der Forschungsgruppe Solarspeichersysteme und hat zusammen mit Kollegen im Rahmen des Forschungsprojekts Laura eine neue Effizienzkennzahl für Heimspeicher, den System Performance Index (SPI), entwickelt. Die neue Kennzahl könnte Standard in der Produktauswahl und Anlagenplanung werden.