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Ikarus vorm freien Fall

Gebaut wurde die Falcon Heavy von SpaceX, einem Unternehmen der Firmengruppe von Elon Musk, zu der Tesla Motors gehört, die Schmiede der Powerwall-Stromspeicher und der bekannten Elektroautos. Wohl deshalb steckte im Innern der gigantischen Kerze ein kirschroter Tesla-Sportwagen, der nun auf seinem Weg durch das Nichts taumelt.

Hol schon mal den Wagen, Elon!

Mit solchen großen Raketen will Elon Musk den Weltraum erobern, will Menschen zum Mond und zum Mars schicken. Vermutlich wurde der Sportwagen aus diesem Grund im entfernten Orbit geparkt, für alle Fälle: Hol schon mal den Wagen, Elon! Jede Menge Krach, jede Menge Feuer und TV-Bilder, hochfliegende Pläne und Visionen. Dafür ist Musk bekannt, und dafür gilt ihm Respekt.

Nur dass diese Rakete vollkommen überflüssig ist, ebenso der kirschrote Schrotthaufen im All. Beim Start vor einer Woche wurden von den donnernden, Feuer speienden Turbinen mehr giftige Abgaswolken freigesetzt, als alle Tesla-Autos zusammengenommen gegenüber herkömmlichen Verbrennungsmotoren einsparen. Es war die unnötige Demonstration von kindischem Gigantismus, schaut her: So groß ist das Ego des Mister Musk!

Rote und graue Wüsten

Über die Frage, ob es sinnvoll ist, Menschen zu Mond und Mars zu schicken, streiten sich die Gelehrten. Denn auf diesen beiden Himmelskörpern gibt es bekanntlich nichts zu entdecken außer Wüste. Woher wir das wissen? Leider hatten die Russen schon ein Elektromobil auf dem Erdtrabanten, da lag Elon Musk noch in den Windeln.

Anfang der 70er Jahre nahm Lunochod Proben von der Mondoberfläche, machte ein paar Fotos, das war‘s. Taubes Gestein, unwirtliche Gegend, irgendwie furchtbar öde. Auch die mobile Sonde Pathfinder, die vor einigen Jahren hübsche Fotos vom Mars zur Erde funkte, erbrachte wenig Neues. Okay, wir haben gelernt: Die Wüste auf dem Mars ist rot, während der Mond eher grau wirkt. Na, und?

Das bedrohte Paradies

Uns treiben irdische Probleme um, denn die Zukunft der Menschheit entscheidet sich nicht in galaktischen Inkubatoren auf fernen Kugeln. Es geht um die drohende Wüste auf der Erde. Hier ist das Paradies bedroht: durch Kriege, Armut und Klimawandel. Dagegen hat Elon Musk bedeutsame Vorschläge gemacht, hat neue Ideen in diese Welt gebracht, die noch immer am Tropf von Öl und Uran hängt.

Ausgerechnet damit steckt er fest. Denn nicht Gipfelstürmer setzen solche Ideen gegen alle Widerstände um, Widerstände aus der Tradition, aus der Politik und den alten Industrien. Sondern Leute, die sich jeden Tag neu durch die Mühen der Ebene kämpfen, um ein Wort von Bert Brecht zu zitieren. Mit Tesla hat sich Elon Musk in irdischen Problemen verfangen. Die Massenfertigung der Stromspeicher und der E-Autos – einst vollmundig verkündet – kommt nicht in Gang. Das Unternehmen schreibt tiefrote Zahlen – war das Botschaft des kirschroten Boliden im Frachtraum der Falcon Heavy?

Der Mann verzettelt sich

Die Flucht in noch gigantischere Maschinen ändert daran nichts. Sie beweist lediglich, dass sich Elon Musk verzettelt. Dass es ein Führungsproblem bei Tesla gibt. Denn auch die Falcon Heavy wird ein Flop, das ist jetzt schon absehbar: Niemals wird es einen Markt für solche Raketen geben. Vielleicht startet die Nasa damit einen oder zwei oder drei Flüge, die tatsächlich Nutzlasten ins All bringen. Und vielleicht findet sich eine Handvoll von reichen Tycoons, die unbedingt einen Blick auf den Mars werfen wollen und dafür ein paar Millionen hinblättern. Und dann?

Ein Markt wird das nicht. Die Raumfahrt ist viel zu teuer und bringt ökonomisch viel zu wenig ein, als dass sie in irgendeiner Weise für den privaten Sektor interessant sein könnte. Sie wird immer am Gängelband des Staates hängen, und der US-Staat ist gerade dabei, sich für die kommenden 50 Jahre zu ruinieren. Was wir vor einer Woche in Cape Canaveral gesehen haben, mit großem Getöse, war ein noch größerer Flop, als die angekündigte Gigafactory für Lithiumbatterien und die Superfab für das Tesla Model 3.

Masse statt Prototypen

Wollte uns das der Meister vor Augen führen? Wohl kaum. Musk muss liefern, oder er muss sich auf das beschränken, was er wirklich kann: auf Ideen, auf Pläne und Visionen. Es hat seine Gründe, warum ein Konzern wie Volkswagen Jahrzehnte gebraucht hat, um zu einem derartigen Schwergewicht in der Wirtschaft aufzusteigen. Es hat auch seinen Grund, dass die Wolfsburger keine Raketen in den Himmel schießen. Überhaupt ist kein Automobilkonzern in der Luftfahrt oder in der Raumfahrt tätig, oder man beschränkt sich auf die Zulieferung weniger Teile.

Der Standardisierungsgrad und die Automatisierung der Fertigung ist bei Lithiumbatterien oder Massenautos viel, viel stärker ausgeprägt, als in der Manufaktur von Sportwagen oder Flugzeugen oder gar der Weltraumtechnik. Bisher war jede Trägerrakete – wohin auch immer sie flog – mehr oder weniger ein Prototyp: Saturn, Ariane, Sojus. Die neue Falcon Heavy ist eine lediglich eine frisierte Variante der ungleich kleineren Falcon aus dem Jahr 2006. Seitdem ist mehr als ein Jahrzehnt vergangen: Für eine echte Neuentwicklung fehlte sogar Elon Musk das Geld. Er hat eine alte Technik aufgemotzt, wirklich originell war da nix.

Aus dem Cargolifter nix gelernt

Noch steigen die Aktien von Tesla, scheinen die Leute nicht zu glauben, was doch unübersehbar ist: Hier wird Geld verbrannt, und zwar in großem Stil. Das erinnert mich an den Hype um die Firma Cargolifter, die um die Millenniumswende herum gigantische Luftschiffe bauen wollte. Sie sollten dreimal so schwere Lasten heben und transportieren können wie der stärkste Hubschrauber.

Schon als sich 2001 die Warnungen mehrten, schoben die Leute ihre Vermögen weiterhin in den Laden, vor allem Ingenieure lieferten ihre Ersparnisse bei Cargolifter ab. Nicht einmal ein kleines Modell des Luftschiffs wurde jemals gebaut, hob jemals ab. Eine riesige Blase! 2002 ging die Firma pleite, das Geld war futsch. In Brand, südwestlich von Berlin, wo damals diese gigantischen Schwebezigarren entstehen sollten, befindet sich heute ein Vergnügungspark. Tropical Island for happy families – in einer Halle, die spielend drei Jumbojets fassen könnte. Man kann sie gut erkennen, linkerhand auf der Fahrt von Berlin nach Dresden.

Enormer Schaden droht

Stürzt Elon Musk genauso ab wie der Cargolifter und davor Ikarus, entstünde ein enormer Schaden. Das wäre Wasser auf die Mühlen derer, die es ja eh schon immer besser gewusst haben: Das man mit solchen Paneelen (Solarmodule) und Batterien (Powerwall) und Autos (Tesla) nicht die Welt retten kann. Dass niemand gegen die Macht der großen Energiekonzerne und der Autokonzerne ankommt. Dass der Mensch noch Jahrhunderte den Dreckstrom aus der Kohle und Uran und die stinkenden Motoren in seinen Fahrzeugen, Schiffen, Flugzeugen brauchen wird. Dass sowieso alles den Bach runtergeht, früher oder später.

Es würde ja ausreichen, wenn Elon Musk wenigstens diese eine Sache richtigmacht, die Sache mit den Autos, die mit Batterien fahren. Er müsste aufhören, sich zu verzetteln, müsste sein Ego hintenanstellen. Große Raketen ins Weltall zu schicken, ist Blödsinn. Elektroautos und Stromspeicher sind es nicht. Wir brauchen sie, und wir brauchen Menschen wie Elon Musk. Das brauchen wir ganz sicher nicht: noch einen Märtyrer des technologischen Größenwahns.