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Speichermarkt braucht mehr Transparenz

Auch in diesem Jahr steht die Messe in München wieder ganz im Zeichen der Stromspeicher. Zunehmend entwächst die Branche den Kinderschuhen, treten kommerzielle Geschäftsmodelle in den Vordergrund. Die Zeit der Start-Ups läuft ab. Große, industrielle Produzenten bestimmen das Geschäft.

So wird LG Chem in diesem Jahr die neuen Heimspeicher der Produktserie Resu ausrollen, die es als Niedervolt- und als Hochvoltvariante geben wird. Dieser Speicher ist so kompakt und einfach zu installieren, dass er den Speichermarkt umkrempeln dürfte. Die Koreaner denken global, für sie ist der deutsche Markt eher Versuchslabor als Massengeschäft.

Viele Innovationen, doch wer verdient damit Geld?

Sonnen stellt die neue Hybridbatterie vor, die ohne Wechselrichter auskommt. Senec weitet seine Produktpalette bei den Lithiumspeichern aus. E3DC legt das Hauskraftwerk 2.0 auf, mit erweiterten Funktionen. Solarwatt hat die Fabrik für den neuen My Reserve aufgebaut, nun läuft die Fertigung vom Band. Varta wird neue Produkte zeigen, ebenso bieten einiges Systemlieferanten die Powerwall von Tesla an. Und so weiter.

Ganz sicher haben wir an dieser Stelle etliche spannende Neuheiten anderer Hersteller unterschlagen. Worum es hier geht: Der junge Markt befindet sich in einer unglaublichen Dynamik, sowohl bei der technischen Innovation als auch bei der wirtschaftlichen Entwicklung der Unternehmen. So meldete Sonnen kürzlich den Einstieg von GE als Investor. Nun ist wieder Geld in der Kasse, um zu wachsen.

Der Einstieg des Giganten ist zu begrüßen, doch er offenbart einen wunden Punkt: Die meisten Hersteller von Solarspeichern pflegen das Prinzip Hoffnung. Sonnen hat nach eigenen Angaben bislang 10.000 Speicher verkauft. In einer Studie von Macrom werden für 2015 insgesamt 4.000 in Deutschland verkaufte Geräte angegeben. Macrom bezeichnet Sonnen als Marktführer, allerdings hat Sonnen diese Studie – zumindest teilweise – selbst in Auftrag gegeben.

Viel interessanter ist doch die Frage: Wie viele Speicher muss ein Hersteller unter die Leute bringen, um ohne Finanzspritzen – aus eigener Kraft – wachsen zu können?

Ökonomisch gesehen keine Selbstläufer

Damit wir uns nicht missverstehen: Sonnen, Senec, E3DC und die anderen sind aussichtsreiche Unternehmen mit großem Potenzial. Aber ökonomisch gesehen, sind sie noch keine Selbstläufer. Das wird sich erst zeigen, wenn der Markt gereift ist. Dann wird sich (gnadenlos) offenbaren, welche Unternehmen wirklich in der Spitzengruppe mitspielen.

Schon jetzt ist sicher: LG wird dabei sein, denn der koreanische Großkonzern ist bereits profitabel. Er entwickelt das Speichersegment aus langjährigen Erfahrungen heraus, die der Elektronikriese in anderen Geschäftsbereichen gemacht hat. Auch Varta kennt das Geschäft mit den Lithiumbatterien seit vielen Jahrzehnten. Tesla – wir werden sehen. Sollte sich der europäische Markt für die Powerwall als schwierig erweisen, kehren die Amerikaner todsicher in ihren Heimatmarkt zurück, oder bauen nur noch Autos.

Denn bei den Elektroautos sind die Marge – und die prognostizierten Absatzzahlen – ohnehin viel höher. BYD (Generalimporteur: Fenecon) dürfte vor allem im gewerblichen Speichersegment eine Rolle spielen. Auch die Chinesen werden in kurzer Zeit einen sehr starken Heimartmarkt entwickeln, verfolgen im Grunde dieselbe Taktik wie LG oder Tesla. Think global, act local. Für kleinere Hersteller, die zunächst im deutschen Markt gestartet sind, wird der Sprung ins internationale Geschäft hingegen zum Prüfstein für ihre Businesspläne.

Der Speichermarkt ist sehr jung – und wird schon zu einem globalen Geschäft. Die Grenzen lokaler Märkte werden gesprengt. Längst mutiert der deutsche Markt zum Sprungbrett nach Europa oder gar weiter, gen Übersee.

Wer macht das Rennen in Europa?

Bleibt die Frage, wer in Europa das Rennen macht. Denn auch die Hersteller von Stromspeichern werden über kurz oder lang beweisen müssen, dass mit dem Verkauf von Heimspeichern und kommerziellen Speichersystemen Geld zu verdienen ist.

So muss man den Einstieg von GE bei Sonnen verstehen: Die Finanziers aus Amerika haben sich die Bücher von Sonnen genau angeschaut, so wie Stefan Quandt bei seinem Einstieg bei Solarwatt. Mit einem wichtigen Unterschied: GE Ventures kaufte nur acht Prozent der Anteile an Sonnen, während Stefan Quandt als Großeigner in Dresden faktisch Hausmacht hat. Ungeachtet dessen haben beide Investoren eins gemeinsam: Nun erwarten sie dynamisches Wachstum und den Ausbau des Geschäfts in internationalen Märkten. Von Schonfrist würde ich diesem Zusammenhang nicht sprechen. Innerhalb dieses Jahres müssen die Speicherhersteller ausreichend Bonität aufbauen, wollen sie das ganz große Rad drehen.

Das kennen wir schon aus der Photovoltaikbranche. Wer Gigawatt umsetzen will, muss als Tier 1 gelistet sein. Alle anderen Hersteller haben es schwer im globalen Geschäft. Möglicherweise bedienen sie noch eine Zeitlang kleinere Nischenmärkte, aber für wirklich notwendige Investitionen in Ingenieure und Fabriken fehlt das Geld. So vergrößert sich die Lücke zu den Spitzenproduzenten, die Lücke bei der Innovation (Wirkungsgrade, Fertigungskosten) und den Umsätzen.

Lithiumzellen und Solarzellen: zwei Branchen gehen ähnliche Wege

Technisch gesehen geht die Speicherbranche denselben Weg wie die Photovoltaik, nur passiert alles noch schneller. Lithiumzellen oder Solarzellen: Beides sind Massenprodukte, die in (fast) vollautomatischen Werken hergestellt werden. Die Komplettierung zum Batteriemodul und zur Speicherbatterie erfolgt vor Ort, im jeweiligen Regionalmarkt.

Oder die Lieferkette der Hersteller ist so ausgereift, dass die Produkte aus Asien per Schiff zu uns kommen, siehe LG, Samsung, Panasonic oder BYD. Diese Unternehmen kommen aus dem Elektronikgeschäft. Faktisch unterhalten sie eigene Flotten, um ihre Produkte über alle Weltmeere zu schippern.

Aus der Heizungstechnik wissen wir: Gute gemachte, intelligente Produkte von europäischen Herstellern haben in Europa gute Chancen. Kein chinesischer Anbieter spielt im Markt für Wärmepumpen eine wichtige Rolle, vielleicht ein oder zwei japanische Unternehmen. Umso mehr sollten sich die Hersteller aus Deutschland um echte Transparenz bemühen. Denn nur Transparenz schafft Vertrauen beim Kunden.

Auch das ist eine Erkenntnis aus der Solarbranche: Nicht wer am lautesten tönt, oder wer die größten Finanzspritzen erhält, kann den Markt entwickeln. Nur Unternehmen, die nachweislich ihre Solidität ausbauen, die ihre Fortschritte mit Augenmaß präsentieren, können eine langlebige Marke stiften. Die Marke ist Träger des Vertrauens, sie markiert den Erfolg, den ein Anbieter wirklich bei seinen Kunden hat.

Wo sind Q-Cells und Conergy heute?

Kleine Erinnerung gefällig? Noch vor fünf oder sechs Jahren bezeichnete sich Conergy als weltgrößten Anbieter von Solartechnik. Das reichte nicht: Der weltgrößte, vertikal integrierte Konzern für erneuerbare Energien wollte man sein, hatte sogar Wärmepumpen in der Produktion und Wald für Holzpellets …

Q-Cells nannte sich damals Marktführer bei Solarzellen. Wo sind Conergy und Q-Cells heute? Es war ein Irrtum zu glauben, dass es in jungen, unausgegorenen Märkten (die obendrein an der staatlichen Einspeisevergütung hängen) so etwas wie Marktführerschaft überhaupt geben kann. Zu schnell ist die Entwicklung, ist heute überholt, was gestern noch als unumstößlich galt.

Denn Marktführer kann man nur in gereiften Märkten sein, in denen schon eine oder mehrere Wellen der Konsolidierung den Stall ausgemistet haben. Solche Wellen hat die Speicherbranche noch vor sich. Noch ist sie viel zu jung, noch ist viel zu viel Hoffnung im Spiel, viel zu wenig Ernüchterung und Konsolidierung.

Wo sind Vattenfall, Bosch und Siemens heute?

Noch einmal aus der Geschichte der Photovoltaik: 2006 war Vattenfall bei Sulfurcell eingestiegen, einem jungen Start-Up in Berlin, das die CIS-Dünnschicht voranbringen wollte. 2012 warfen die Schweden das Handtuch. Sulfurcell versuchte den Neustart als Soltecture, das rettete die Firma nicht vor dem Untergang.

Oder der Einstieg von Bosch ins Solargeschäft: Was wurde er gefeiert, damals, als Rettung in höchster Not: in Hamburg bei Voltwerk (damals zu Conergy gehörig), in Ichtershausen bei Ersol, in Brandenburg bei Johanna Solar, in Prenzlau bei Aleo. Und heute? Die Bosse in Stuttgart haben die Notbremse gezogen.

Zum Glück stand Solarworld bereit, um die Werke in Erfurt zu übernehmen. Voltwerk ist Geschichte, nun wird auch das Modulwerk in Brandenburg an der Havel geschlossen. Und Aleo kämpft ums Überleben, mit seiner kleinen Fabrik in Prenzlau. Andere Beispiele sind der Einstieg von Advanced Energy bei Refusol oder das Engagement von Siemens in der Photovoltaik.

Oft trügt der Schein, trügt die Hoffnung – und auch die Zahlen

Soll heißen: Oft trügt der Schein, klammern sich die Marktteilnehmer an jeden Hoffnungsschimmer. Doch die Märkte sind unerbittlich. Unternehmen müssen Geld verdienen. Es zu verbrennen, ist leicht. Umso wichtiger ist es, die tatsächlichen Verkaufszahlen bei den Stromspeichern und die Umsätze offenzulegen. In der Photovoltaikbranche hat es lange gedauert, bis verlässliche Zubauzahlen auf den Tisch kamen. Erst das Anlagenregister bei der Bundesnetzagentur brachte die nötige Transparenz.

Zuvor gründeten sich die Marktzahlen allein auf die Selbstaussagen der Hersteller von Wechselrichtern. Das Ergebnis waren völlig überzogene Zubauzahlen. Denn die Produzenten der Wechselrichter wollten sich möglichst gegenseitig überbieten, um gut dazustehen. Waren ja damals selber Start-Ups, von Fronius und Kostal einmal abgesehen. Auch war die Gruppe der Hersteller überschaubar, nicht einmal ein Dutzend. Und der Markt der Welt – das war Bayern.

Die Folgen sind bis heute spürbar: Die fantastischen Zubauzahlen gaben den politischen Gegnern der Photovoltaik ausreichend Munition, um ab 2012 die staatliche Förderung zu kastrieren. Durch das Anlagenregister kann heute niemand mehr lügen, der Zubau ist statistisch abgesichert. Immerhin: Sogar der magere Zubau der vergangenen Jahre steht unverrückbar fest, ist unleugbare Tatsache. Schluss mit dem Wunschdenken.

Eine Aufgabe für den BVES

Es ist die Aufgabe der Verbände, sich um Transparenz zu kümmern. Das Anlagenregister kam als wesentliche Forderung des BSW Solar in die Welt. Um geprüfte Zubauzahlen bei den Stromspeichern zu erhalten, braucht man sicher keine Behörde oder kein neues Register bei der Bundesnetzagentur. Die Förderzahlen der KfW eignen sich nicht, weil nur die Hälfte der Speicherkunden die staatlichen Zuschüsse in Anspruch nimmt. Andererseits spräche nichts gegen ein staatliches Register für Stromspeicher, zumal sie am Netz genauso wirken wie Solargeneratoren.

Der Bundesverband Energiespeicher (BVES) könnte sich die jährlichen Verkäufe seiner Mitglieder melden lassen. Aber nicht als ungeprüfte Selbstaussage, sondern in Form notariell beglaubigter Abrechnungen. Ebenso müssten die Systemlieferanten ihre Verkäufe melden, etwa RWE, IBC Solar, Eon, Vaillant oder Viessmann, die Speicher als OEM-Produkte beziehen und auf ihre Marke umspritzen.

Es geht nicht darum, jede einzelne Rechnung offenzulegen. Aber es geht um verlässliche, wirklich belastbare Ergebnisse. Erst dann würden wir klarer sehen. Denn die bislang von Macrom, EuPD Research oder IHS veröffentlichten Studien beruhen weitgehend auf ungeprüften Zahlen der Speicherhersteller.

Im Grunde genommen geht es darum, überhaupt erst einmal eine sinnvolle Statistik für installierte Stromspeicher zu entwickeln. Allein die Anzahl der verkauften Speicher dürfte zu wenig Aussagekraft haben. Da wäre eine Segmentierung wichtig, vielleicht nach Heimspeichern, Gewerbespeichern und Großspeichern fürs Netz.

Doch wo zieht man die Grenzen? Welche Rolle spielt die elektrische Leistung der Speicher, ihre Bruttokapazität, ihre Nettokapazität? Werden nur Lithiumspeicher oder auch Bleispeicher betrachtet? Wie viele Speicher wurden wirklich im abgelaufenen Jahr verkauft, wie viele Order liegen für das Folgejahr auf dem Tisch?

An Klarheit führt kein Weg vorbei

Klar: Der BVES ist gefordert, Licht in den Nebel der ungeprüften Angaben zu bringen. Nur dann wird es möglich sein, die wirtschaftlichen Aussichten der einzelnen Speicheranbieter wirklich zu bewerten. Nur dann wird der Markt reifen und den Kinderschuhen entwachsen; werden die Kunden wissen, wem sie vertrauen können.

Unserer Redaktion liegen einigermaßen plausible Verkaufszahlen von E3DC, Solarwatt und Senec vor, ebenso gibt es Trendberichte von Fronius und Tesvolt, wobei die Wittenberger nur mit Gewerbespeichern unterwegs sind. Sonnen hat laut der Studie von Macrom im vergangenen Jahr im deutschen Markt 4.000 Speicher verkauft. Nach jüngeren Angaben aus Wildpoldsried wurden bisher insgesamt 10.000 Speicher installiert, aber der Zeitraum ist nicht ganz klar, auch nicht, in welchen Märkten. Zweifellos ist Sonnen einer der Pioniere der Speicherbranche. Neben Europa hat die Firma aus Wildpoldsried auch den US-Markt im Blick, deswegen ist ja GE eingestiegen.

Varta hält sich bedeckt, das ist Unternehmenspolitik. Allerdings geben sich die Nördlinger ohnehin sehr bescheiden, vertrauen auf die Kraft ihrer Marke, die im Batteriegeschäft auf eine lange Tradition zurückblicken kann. Ähnlich ist es bei LG und anderen Großkonzernen aus Asien, die global aufgestellt sind. Auch SMA gibt kaum Verkaufszahlen raus.

Im Interesse der Hersteller

Es liegt im Interesse der Hersteller, für Klarheit zu sorgen. Zudem führt kein Weg daran vorbei. Denn mit dem Einstieg großer Investoren ziehen auch die Gepflogenheiten der internationalen Finanzmärkte in die Speicherbranche ein. Da ist Schluss mit lustig, da werden harte Facts ermittelt.

Denn die Bosse der Fonds und VC-Gesellschaften selbst werden wissen wollen, woran sie sind. Wir dürfen gespannt sein, wer in diesem dynamischen Markt am Ball bleiben kann. Und vor allem sind wir gespannt, mit welchen Neuheiten diese interessante und potente Branche in der kommenden Woche in München aufwarten wird. Auf ein Neues! (HS)

P.S.: Ehre, wem Ehre gebührt. Doch der Markt ist viel zu jung, um Champions zu küren. Deshalb streichen unsere Redakteure unternehmerisches Selbstlob prinzipiell aus den Pressemeldungen: „… ein führendes Unternehmen der Speicherbranche“, „Marktführer bei Solarmodulen“ und so weiter. Auch negative Informationen über die Produkte der Konkurrenz behandeln wir mit gebotener Vorsicht.

Wir wollen allen seriösen Akteuren in der Photovoltaik und in der Speicherbranche den Rücken stärken, um gemeinsam die deutschsprachigen und europäischen Märkte nach vorne zu bringen. Es geht um die solare Energiewende. Sie erfordert die Arbeit möglichst vieler Installateure und Unternehmen – über viele Jahre. PR-Sprech ist in dieser Angelegenheit völlig fehl am Platze, ebenso wie mangelnde Transparenz. Prädikat: Doppelplusungut.