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Richtig Schalten

Schalter werden genau wie andere Bauteile für einen bestimmten Zweck ausgelegt und gebaut. Drei Dinge sind dabei je nach Einsatzzweck entscheidend: die Stromtragfähigkeit, die Spannungsfestigkeit und das Trennvermögen des Schalters. Sind sie für den Schaltvorgang richtig dimensioniert, ist der Schalter passend. So weit, so gut.

Alleskönner gibt es nicht

Zwar gibt es bei der Auslegung noch einen Aufschlag, der einen Sicherheitspuffer bietet – ähnlich wie bei der Berechnung einer Statik –, aber kein Schalter ist ein Alleskönner. Umwelteinflüsse, wie häufige Temperaturwechsel oder Feuchtigkeit, Rückströme, Überspannungen oder Installationsfehler können die in einer Photovoltaikanlage verbauten Stecker ungewöhnlichen Belastungen aussetzen. Ob dann der jeweilige Schalter noch tut, was er soll, ist nicht mit Gewissheit zu sagen. Natürlich gibt es Normen für den jeweiligen Schaltvorgang und den dafür verwendeten Schalter. Doch decken sie alle relevanten Szenarien ab, die beim Betrieb einer Solaranlage eintreten können?

In einem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Forschungsprojekt des TÜV Rheinland mit verschiedenen Partnern wurde dieser Frage auf den Grund gegangen. Nicolas Bogdanski vom TÜV Rheinland berichtet: „Wir mussten uns zunächst über Problemfelder und Konstellationen Gedanken machen, die bis dahin nicht im Fokus gestanden hatten.“ 45 Szenarien wurden beschrieben und anschließend bewertet: Wie häufig treten sie tatsächlich in der Praxis auf und wie schwerwiegend sind ihre Auswirkungen? Solche Fälle wollten die Forscher vor allem untersuchen.

Bei ihren Betrachtungen trennten die Forscher die Schalter in zwei Gruppen: normale Schalter in der Anlage und Notausschalter. Für die Gruppe der gängigen

Fehlerszenarien beschrieben

in Anlagen verbauten Schalter, die im Normalbetrieb Schaltfunktionen erfüllen, wurden einige Szenarien identifiziert, die bisher nicht genügend in bestehenden Normen oder Regeln erfasst worden waren. Neben Temperaturwechsel, Feuchte oder besonderen Emissionen, auf die nicht jedes Schaltgerät ausgelegt ist, können in bestimmten Fällen Rückströme manchen Schalter überfordern. Bei Anlagen ohne Strangsicherung besteht zum Beispiel ein Risiko, wenn im Falle eines Rückstroms das Modul zwar unbeschädigt bleibt, aber der Modulschalter den höheren Strom nicht schalten kann. Auch kapazitive Einschaltströme, die mitunter beim morgendlichen Hochfahren auftreten, können problematisch sein. Schalter können versagen, wenn sie längere Zeit nicht betätigt werden.

Besondere Be- oder Überlastungen von Schaltern können vielfältige Ursachen haben: Kurzschlüsse im Strang oder in Strangteilen, Kurzschlüsse auf Wechselrichterseite oder über die Freischalteinrichtung. Bei geerdeten Anlagen – in Deutschland im Prinzip nicht zulässig – sind diverse Arten von Erdschlüssen möglich. Aber auch Installationsfehler wie Verpolung der Stecker oder Überkreuzung der Leitung führen zu besonderen Belastungen. In der Praxis treten außerdem sehr häufig feldgebundene Einkopplungen aufgrund von Blitzentladungen auf.

Versuche zur gezielten Überlastung

Obwohl der Schalter selbst in Ordnung ist, kann er infolge solch einer Überlastung beschädigt sein. „Wir mussten deshalb überlegen, ob wir unsere Prüfkriterien auf solche Szenarien ausweiten und damit erreichen, dass Schalter, insbesondere wenn sie als Notausschalter vorgesehen sind, auch solche besonderen Belastungen überleben“, berichtet Bogdanski. „Gerade die feldgebundene Einkopplung von Blitzentladungen wurde bisher nicht genügend betrachtet.“ Dieses Risiko besteht immer und tritt tatsächlich so häufig auf, dass es Beachtung verdient.

Nach der Betrachtung der Ursachen für Überlastungen und ihrer Gewichtung überlegte das Projektteam, welche Methoden geeignet sind, diese Szenarien nachzustellen und die Belastbarkeit der Schalter daraufhin zu untersuchen. Die Schalter sollten gezielt überlastet werden, aber gleich und reproduzierbar – diese Aufgabe galt es zu beschreiben.

Sehr hohe und kurze Blitzströme

Beispiel Blitzteilströme: Sie gibt es, wenn ein Blitz nicht direkt in den Strang einschlägt, aber aufgrund elektromagnetischer Kopplung ein Blitzteilstrom in den Strang induziert wird. Ist ein Schutzschalter installiert und reagiert er wie erwartet, kann es sein, dass ein Schalter davor durch den hohen Teilstrom nicht mehr funktioniert, aber dieses Versagen gar nicht auffällt. Denn die Blitzteilströme sind sehr hoch und kurz: beides Eigenschaften, die ein Schalter nicht mag.

Für dieses Szenario wurde ein Test gewählt, der den Praxisfall nachbildet und der in eine zukünftige Norm Eingang finden könnte. Ein Schalter wurde im geschlossenen Zustand mit fünf Stößen mit einem Puls von 8/20 Mikrosekunden bei 20 Kiloampere belastet. Beide im Versuch verwendeten Schalter haben in diesem Test nicht versagt. Die Crux für den Installateur: Er kann nicht wissen, welcher Schalter diese Belastung aushält, weil es in den Normen dazu keine Anforderung gibt

Lange nicht geschaltet

Zweites Beispiel: seltenes Schalten. Auch das kann für den Schalter ein Problem sein, denn durch jeden Schaltvorgang reinigt sich der Schalter selbst. Kleinste Partikel auf den Kontakten werden gelöst. „Wie wir das seltene Schalten nachstellen sollten, war nicht von Anfang an klar“, berichtet Bogdanski. „Schließlich haben wir uns für Belastung durch Temperatur und Feuchtigkeit entschieden. Denn das sind Umwelteinflüsse, die über lange Zeit in der verbauten Anlage auf Schalter wirken.“ Die Forscher entschieden sich für ein analoges Vorgehen wie beim Modultest. Sie stellten die Schalter im verbauten Zustand zusammen mit den Modulen in die Klimakammer und setzten sie bestimmten Temperatur- und Feuchtigkeitszyklen aus. Die Schalter sollten bei Nennlast nach 1.000 Stunden unter Feuchte-Wärme-Belastung, 200 Temperaturzyklen und zehn Humidity-Freeze-Zyklen weiter einwandfrei funktionieren.

Asynchrones Schalten

Auch diesen Test bestanden die Testfabrikate. Doch ob alle angebotenen Produkte diese Belastung aushalten, ist damit nicht erwiesen. Auch hier würde eine Erweiterung bestehender Normen helfen. Jedoch sollten die beschriebenen Belastungen für Schalter, die in Gehäusen verbaut und nicht den gleichen Belastungen wie ein Modul ausgesetzt sind, noch angepasst werden.

Modulschalter, die als Zusatzfunktion die Notabschaltung gewährleisten sollen, haben eine wichtige Funktion im Ernstfall. Gerade deshalb werden sie verbaut. Nicht alle Schalter funktionieren hier nach Lehrbuch.

Bei dieser Produktgruppe ist das asynchrone Schalten das Problem. Nur wenn alle Schalter in einem String wirklich synchron schalten, ist der Schaltvorgang sicher. Wenn Schalter leicht verzögert reagieren, und das ist im Test passiert, tritt ein ähnliches Risiko auf wie bei Rückströmen. Im schlimmsten Fall kann es sein, dass in einem String nur noch ein Modul aktiv ist, in einem anderen noch gar kein Modul abgeschaltet hat. Dieser String hat also noch die volle Spannung, der teilweise ausgeschaltete String muss die erhöhte Spannung und den womöglich resultierenden Rückstrom abtragen. Der Modulschalter versagt, die Notabschaltung wird nicht wirksam. Bis zu zwei Sekunden zeitverzögert reagiert haben Schalter im nachgestellten Szenario einer Notabschaltung. Für einen Feuerwehrmann, der die Sicherheitsabschaltung betätigt hat und davon ausgeht, dass die Anlage spannungsfrei ist, kann dieser Irrtum gefährliche Folgen haben.

Ungeeignete DC-Relais

Ein zusätzliches Problem entsteht, wenn nicht geeignete DC-Relais zur Trennung verwendet werden. Das sind DC-Relais aus dem Automobilbau, die nicht auf die hohen kapazitiven Ausgleichsströme ausgelegt sind. Deshalb können sie nach einigen Schaltvorgängen verkleben. Eine sichere Funktion ist oft nicht gegeben.

Alle Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt fließen in die Normengremien und Arbeitsgruppen ein, damit in Photovoltaikanlagen verbaute Schalter auch für häufig auftretende Fehlerszenarien ausreichend Funktionalität bieten.

www.tuv.com

PV Firebreaker

Projektpartner

Das Forschungsprojekt PV Firebreaker, das Prüfmethoden für Schalter skizzierte, wurde gefördert vom Bundeswirtschaftsministerium und lief von 2014 bis 2016. Neben dem TÜV Rheinland waren Projektpartner: EATON, E-T-A und SMA.

www.tuv.com

Auf einen Blick

Potenzielle Fehler mit schwerwiegenden Folgen

  • Kurzschluss des gesamten Strings
  • Stringübergreifende Verbindung zwischen zwei Strings mit je einer Freischalteinheit
  • Erdschluss bei Trafo-Wechselrichtern mit geerdetem Generator
  • Erdschluss im Teilstring bei Trafo-Wechselrichtern mit geerdetem Generator
  • Installationsfehler durch Verpolung der Stecker
  • Induzierte Spannung/Stoßstrom durch Blitzeinschlag
  • Asynchrones Schalten durch Schaltverzögerung bei mehreren Modulschaltern
  • Rückströme aus dem Wechselrichterkondensator beim Schalten im String
  • Seltenes Schalten

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