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Schweizer Doppeldeckel

„Großansturm auf kostendeckende Einspeisevergütung“, verkündete die Schweizer Netzgesellschaft Swissgrid am 2. Mai in einer Pressemitteilung. Seit dem 1. Mai, null Uhr, werden hier Anmeldungen von Anlagen, die nach dem 1. Januar 2006 gebaut oder genehmigt wurden und mit erneuerbarer Energie betrieben werden, entgegengenommen. Die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) wird dann ab dem 1. Januar 2009 für 20 oder 25 Jahre, je nach Energieträger, gezahlt. Da aufgrund der Deckelung möglicherweise nicht alle Anlagen berücksichtigt werden können, entscheidet das Anmeldedatum, was den großen Ansturm in den ersten Stunden erklärt.

Die am 17. März 2008 vom Schweizer Bundesrat verkündete Revision der Energieverordnung sieht auch eine kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) für Solarstrom vor; diese ist allerdings im Unterschied zu anderen erneuerbaren Energieträgern nicht nur einfach, sondern doppelt gedeckelt (Details zum Verfahren siehe Kasten). Die Vergütungs sätze variieren je nach Art und Größe der Anlage zwischen 49 und 90 Rappen pro Kilowatt, entsprechend 31 und 56 Cent pro Kilowatt. Die höchste Vergütung ist – ähnlich wie bei den aktuellen Regelungen in Frankreich und Italien – für gebäudeintegrierte Anlagen vorgesehen.

Die Neuregelung löst die bisherige „15-Rappen-Vergütung“ zur Förderung erneuerbarer Energien ab. Diese verpflichtete die Energieversorger, überschüssige Stromproduktionen (also abzüglich des Eigenverbrauchs) abzunehmen und mit 15 Rappen (rund zehn Cent) je Kilowattstunde zu vergüten. Diese an den Gestehungskosten von Strom aus Wasserkraft orientierte Vergütungshöhe reichte freilich bei weitem nicht aus, um Photovoltaikanlagen wirtschaftlich interessant zu machen.

1991: Die Pioniere von Burgdorf

Dass es in der Schweiz so lange bis zur Einführung einer KEV gedauert hat, mag auf den ersten Blick verwundern – denn es waren die Schweizer, die das Vorbild für das erfolgreiche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Deutschland lieferten. In der im Kanton Bern gelegenen 15.000-Einwohner-Gemeinde Burgdorf wurde bereits 1991 ein EEG-ähnliches Vergütungsmodell eingeführt. Für 20 Jahre wurde Betreibern von Photovoltaikanlagen eine Vergütung von einem Franken pro Kilowattstunde garantiert, mit dem Ergebnis, dass 1998 bereits 16,7 Watt pro Kopf installierte Leistung erreicht waren (zum Vergleich: In Deutschland waren es zu der Zeit 0,66 Watt). „Leider ist es in der Schweiz nicht gelungen, dieses regional erfolgreich geprobte Konzept auf nationaler Ebene zu etablieren“, sagt Thomas Nordmann, Geschäftsführer des auf erneuerbare Energien spezialisierten Beratungsunternehmens TNC Consulting . In Deutschland hingegen sei mit dieser Strategie ein „weltweit entscheidender Beitrag zur Entwicklung der Photovoltaik“ ausgelöst worden, was in der Schweiz leider durch den Widerstand der Energieversorgungsunternehmen wirksam verhindert worden sei.

Etablieren konnte sich hingegen das Fördermodell der „Solarstrombörsen“. Mehrere Schweizer Energieversorger betreiben mittlerweise eine solche Börse auf freiwilliger Basis – die erste wurde 1996 in Zürich eingerichtet. Dabei treten die Energieversorger als Makler auf: Sie kaufen Kontingente von Solarstrom von privaten Produzenten ein und verkaufen ihn ohne Gewinn an ihre Kunden weiter. Diese haben dann die Möglichkeit, einen bestimmten Prozentsatz ihres Strombezugs auf Solarstrom umzustellen und den entsprechenden Mehrpreis zu zahlen.

Den Stromproduzenten wird die vorher vereinbarte Vergütung vom Energieversorger für 20 Jahre garantiert, die Höhe liegt jedoch in der Regel ein paar Rappen unter der neuen KEV. Die Erfahrungen zeigen allerdings, dass dieses Modell für eine breite Förderung der Photovoltaik nicht geeignet ist, da bis heute nur wenige Prozent der Stromkunden bereit sind, den Mehrpreis zu bezahlen. Trotzdem werden die Solarstrombörsen auch weiterhin als Alternative zur KEV bestehen und ein Wechsel in beide Richtungen prinzipiell möglich bleiben.

KategorieGrößenklassenkWp pcSpezifische InvestitionskostenFr./kWPTarife 2008Fr./kWhTarife 2008€/kWh
Freistehend< 108.1000,650,39
10 bis 307.0000,540,33
30 bis 1006.5000,510,31
> 1006.0000,490,30
Angebaut< 109.5000,750,45
10 bis 308.5000,650,39
30 bis 1008.0000,620,38
> 1007.5000,600,36
Integriert< 1011.6000,900,55
10 bis 3010.1000,740,45
30 bis 1009.1000,670,41
> 1008.0000,620,38
Die Schweizer Einspeisevergütung ist ein Stufentarif: Den höchsten Satz gibt‘s für die ersten zehn Kilowatt.

Ab 2009: KEV mit Deckel

Seit dem 1. Mai dieses Jahres können sich Betreiber von seit dem 1. Januar 2006 errichteten Photovoltaikanlagen um die neue KEV bewerben. Zu einem Solarboom wie in Deutschland wird es aller Voraussicht nach trotzdem nicht komQuelle: BFE: men: Nachdem der Schweizer Fachverband für Sonnenenergie, Swissolar, zuerst von einem „Meilenstein für die Solarenergie in der Schweiz“ gesprochen hatte und die „Schweizer Solarstrombranche in Aufbruchstimmung“ sah, scheint inzwischen die Kritik an der neuen Regelung zu überwiegen: Laut Swissolar sind die Anfangstarife zu knapp bemessen, die Vergütungsdauer mit 25 Jahren zu lang und die jährliche, erstmals 2010 zur Anwendung kommende Degression von acht Prozent zu hoch. So sieht das auch André Paris, Projektleiter beim Basler Haus- und Solartechnik-Ingenieurbüro Alteno: „Unter diesen Voraussetzungen können Sie in Basel keine Anlage vernünftig betreiben.“ Damit seien allenfalls Kapitalrenditen von drei bis vier Prozent möglich. Nur in den südlichen Kantonen sehe es etwas besser aus.

Der Hauptkritikpunkt ist jedoch die vom Gesetz vorgesehene doppelte Deckelung. Die maximale jährliche Förderung aller Erneuerbaren wurde an den Gesamtelektrizitätsverbrauch in der Schweiz gekoppelt, der Anteil der PV zusätzlich an die Gestehungskosten von Solarstrom (Details siehe Kasten). Dies führt dazu, dass für die Förderung von Photovoltaikanlagen vorerst nur fünf Prozent der jährlichen Fördersumme von 320 Millionen Franken, also rund 16 Millionen Franken (zehn Millionen Euro) zur Verfügung stehen, was für die Installation von vier bis fünf Megawatt pro Jahr ausreicht.

„Mickrige Lösung“

Diese Mittel hält man bei Swissolar für „absolut ungenügend“. Damit liege man um den Faktor 25 unter den deutschen Installationszahlen: „Es ist schon jetzt sicher, dass hunderte von Landwirten, Investoren und Hausbesitzern ausgeschlossen werden und keine rechtsverbindliche Zusage für den Bau einer Solarstromanlage erhalten werden. Die Schweiz nutzt das weltweit bewährte Instrument der Einspeisevergütung, aber leider nur mit angezogener Handbremse!“, empört sich der Verband, der deshalb die sofortige Aufhebung der Deckelung fordert. Noch drastischer drückte sich Eric Nussbaumer, Basler Nationalrat und Geschäftsführer des Solarstrominvestors ADEV Solarstrom, in der Schweizer Zeitschrift „Solarspar“ vom Februar dieses Jahres aus: „Aktuell gibt es zirka 20 bis 25 Megawatt Solarstrom in der Schweiz.

Mit der ersten Stufe (fünf Prozent) kann eine Verdopplung der bisherigen Kapazität erreicht werden. Das ist eine mickrige Lösung für das reichste Land der Welt.“

Michael Kaufmann, Vizedirektor des Schweizer Bundesamtes für Energie (BFE), rechtfertigt die Deckelung in derselben Zeitschrift: „Photovoltaik hat große Zukunftspotenziale, droht aber die zur Verfügung stehenden Einspeisevergütungen wegen der doch hohen Vergütungen zu Beginn zu stark zu beanspruchen. Deshalb hat die Photovoltaik für den Start etwas härtere Beschränkungen in der Menge.“ Auch Thomas Nordmann berichtet, die Schweizer Energiewirtschaft habe im Vorfeld der Regelung große Sorge gehabt, „dass die Photovoltaik das ganze Geld wegfrisst“, das für die erneuerbaren Energien insgesamt zur Verfügung steht, da sich Photovoltaikanlagen nun mal schneller realisieren ließen als Wasser- oder Biogaskraftwerke.

„Stop-and-go-Politik“

Tatsächlich könnte der Deckel den PV-Zubau schon bald sehr einengen, zumal ab dem 1. Januar 2006 realisierte Anla

gen rückwirkend berücksichtigt werden. Denn im Jahr 2006 wurden bereits rund 2,6 Megawatt installiert, für 2007 schätzt Pius Hüsser, Vizepräsident von Swissolar, 6,5 Megawatt und für 2008 erwartet er sogar zehn Megawatt. Auch wenn ein Teil dieser Leistung voraussichtlich nicht zur KEV angemeldet, sondern über die Solarstrombörsen verkauft werden wird, könnte der 25-Megawatt-Fördertopf der ersten (Fünf-Prozent-) Förderstufe schon bald ausgeschöpft sein. „Da geht bald nichts mehr“, vermutet auch Kurt Meister, Inhaber des in der Nähe von Basel ansässigen Heizungs- und Solarinstallationsbetriebs SOL-Oekotech. Er sieht die neue Regelung deshalb als „Fortsetzung der für die Schweiz typischen Stop-and-go-Politik“. Sowohl Bauwillige als auch das Handwerk seien verunsichert, „von Euphorie ist nichts zu spüren“. Mehr Anfragen und Aufträge habe er seit Anfang 2007 nach Publikwerden der neuen Regelung aber schon erhalten: „Die Leute wollten ihre Anlage unbedingt noch vor der Anmeldefrist fertigbekommen, da bereits realisierte Anlagen bei der KEV prioritär berücksichtigt werden.“

Das Risiko, dass die Investitionen gleich zu Beginn ins Stocken geraten, wird auch von der Politik gesehen: Um eine gleichmäßige Entwicklung zu erreichen, legt das BFE deshalb für jedes Jahr Zubaukontingente fest. Für die zwischen dem 1. Januar 2006 und dem 30. April 2008 in Betrieb gegangenen beziehungsweise genehmigten Anlagen steht ein Kontingent von zehn Megawatt zur Verfügung, für Neuanlagen vom 1. Mai bis 31. Dezember 2008 zusätzliche vier Megawatt. Anlagen, die innerhalb dieser Kontingente nicht realisiert werden können, kommen auf die Warteliste für das nächste Jahr.

Mehr Luft nach oben gibt es erst, wenn die Degression den Gestehungspreis für Solarstrom unter 58 Rappen drückt und damit die nächste Förderstufe (zwölf Prozent) erreicht wird. Dies dürfte, wenn es bei der jährlichen Degression von acht Prozent ab 2010 bleibt, voraussichtlich im Jahr 2012 der Fall sein.

„Den Deckel wegsprengen“

Um eine schnellere Entwicklung der Photovoltaik in der Schweiz möglich zu machen, „müssen wir den Deckel wegsprengen“, ist Thomas Nordmann überzeugt. Aber die Argumentation für die Photovoltaik sei in der Schweiz schwieriger als in Deutschland: „Wir haben heute schon eine weitgehend kohlendioxidfreie Stromerzeugung aus knapp 60 Prozent Wasserkraft und 40 Prozent Kernenergie.“ Der überwiegende Anteil des Stroms stamme also schon aus erneuerbarer Energie, sodass Photovoltaik manchen als teurer und überflüssiger Luxus erscheine. Zumal die Schweiz mit einer installierten Photovoltaikleistung von 4,0 Watt pro Kopf (2006) hinter Deutschland (34,9 Watt) und Japan (13,4 Watt) „immer noch die eindeutige Nummer drei auf der Welt“ ist, wie Nordmann unterstreicht.

Sollte der Preis für eine Kilowattstunde Solarstrom schnell unter die 30-Rappen-Grenze sinken, kann sich Swissolar-Vizepräsident Hüsser allerdings vorstellen, dass es zu einer Revision der Regelung und einer Aufhebung des Deckels kommt. Auch André Paris von der Alteno AG hofft darauf, dass in dieser Angelegenheit nicht das letzte Wort gesprochen ist: „Auch wenn die neue Regelung ein Schritt in die richtige Richtung ist, könnte es sonst bald eine große Ernüchterung geben.“

Schweizer Deckelung

Die Photovoltaikförderung wird durch die neue Schweizer Energieverordnung zweifach gedeckelt: Erstens darf die Fördersumme („Wälzsumme“) für sämtliche erneuerbaren Energien nicht mehr als 0,6 Rappen/kWh (ca. 0,4 Cent/kWh) der jährlichen Elektrizitätskosten in der Schweiz (zurzeit 8,8 Milliarden Franken) ausmachen – daraus ergibt sich eine Förderung von rund 320 Millionen Franken (200 Millionen Euro) pro Jahr. Zweitens erhält die Photovoltaik in Abhängigkeit von den Gestehungskosten für Solarstrom davon nur einen Anteil von fünf, zehn oder 20 Prozent. Solange die Kosten von Solarstrom 50 Rappen oder mehr über dem mittleren Stromgestehungspreis (ca. 8 Rappen) liegen, beträgt der Anteil an der Fördersumme 5 Prozent, entsprechend 16 Millionen Franken; dies reicht für die Installation von rund 25 MWp aus. Der Anteil steigt auf 10 Prozent, sobald die Mehrkosten unter 50 Rappen sinken; dann stehen 32 Millionen Franken pro Jahr zur Verfügung, ausreichend für ca. 80 MWp. Sinken die Mehrkosten unter 40 Rappen, steigt der Förderanteil auf 20 Prozent, entsprechend 64 Millionen Franken, ausreichend für ca. 100 MWp.

Reinhard Huschke

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