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Gegen das Grundgesetz?

Jahrzehntelang war es parteiübergreifender Konsens, dass Strom ökologisch und ökonomisch dort am sinnvollsten erzeugt wird, wo er verbraucht wird. Mehr Eigenstromerzeugung sorgt dafür, dass der Netzausbau billiger wird. Dies ist umso wichtiger, als Bevölkerung und Vertreter der Politik gegen neue Stromtrassen opponieren. Ende 2013 stellte die Bundesnetzagentur fest, dass der Netzausbau stagniert. Von 1.855 Kilometern neu geplanten Trassen, die laut Bundesregierung rasch gebaut werden müssten, wurde bislang kein einziger Kilometer realisiert. In seiner früheren Funktion als Bundesumweltminister wusste Sigmar Gabriel: Wenn sich künftig ganze Gewerbe- oder Industriegebiete selbst versorgen, ist dies im Sinne der Energiewende. Zumal immer auch Bedarf an Wärme oder Kälte besteht, wo Strom selbst verbraucht wird. Das erhöht den energetischen Wirkungsgrad.

Folgerichtig ist der Eigenverbrauch von Solarstrom bislang von der Zahlung der EEG-Umlage ausgenommen, sofern die Voraussetzungen des § 37 Absatz 3 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) erfüllt werden.

Gewerblicher Eigenverbrauch bedroht

Ohne rationale Begründung will die neue Bundesregierung den Eigenverbrauch de facto abschaffen. Details lässt der Gesetzesentwurf vom 4. März 2014 zwar noch offen. Nach der Kabinettsvorlage sollen aber für neue Photovoltaikanlagen künftig 70 Prozent der EEG-Umlage gezahlt werden. Für Altanlagen soll die Begünstigung des Jahres 2013 in Höhe der EEG-Umlage von 5,28 Cent je Kilowattstunde fortgeschrieben werden. Gemäß Kabinettsvorlage ist eine Bagatellgrenze vorgesehen, die sich im Gesetzesentwurf noch nicht wiederfindet: Bestehende und neue Anlagen mit einer Leistung bis zehn Kilowatt sollen für eine jährliche Stromerzeugung von maximal zehn Megawattstunden keine EEG-Umlage zahlen. Auch der Kraftwerkseigenverbrauch soll laut Eckpunktepapier der Regierung nicht belastet werden. Die Bagatellgrenze ist so niedrig gewählt, dass für die meisten Eigenverbrauchsanlagen im Gewerbe die EEG-Umlage gezahlt werden müsste.

Die Bundesregierung begründet die Neuregelung mit Verzerrungen zwischen Eigenerzeugern und Stromkunden sowie mit dem steigenden Trend zum Eigenverbrauch, der vor allem durch dessen Freistellung von Umlagen und Netzentgelten angereizt werde. Seitens der Bundesregierung wird befürchtet, dass insbesondere die Industrie angesichts der Höhe der EEG-Umlage mehr und mehr auf Eigenstromerzeugung umsteigt. Die Folge wäre eine weiter steigende EEG-Umlage und damit wiederum ein stärkerer Ausstiegsanreiz der Industrie. Diese Begründung der Bundesregierung ist absurd. Im Gegenteil: Ein steigender Eigenverbrauchsanteil ist ökologisch und volkswirtschaftlich die optimale Lösung.

Amortisation deutlich verzögert

Die EEG-Umlage gefährdet die Wirtschaftlichkeit von Solargeneratoren insbesondere im gewerblichen Bereich. Nach Berechnungen des BSW-Solar erhöht sich die Amortisationszeit für Photovoltaikanlagen mit 60 Kilowatt Leistung im Gewerbe mit einem Eigenverbrauchsanteil von 70 Prozent von derzeit gut zehn Jahren auf weit über 15 Jahre. Damit würde der akzeptable Amortisationszeitraum für Investitionen von Gewerbebetrieben in erneuerbare Energien bei Weitem überschritten.

Die Entlastung für die übrigen Verbraucher infolge der Erweiterung der EEG-Umlage auf Eigenstromerzeuger wäre hingegen nur gering. Nach Berechnungen des Verbraucherzentrale Bundesverbandes bringt die geplante Umlage auf solaren Eigenverbrauch bis zum Jahr 2018 lediglich eine Entlastung von 75 Cent pro Haushalt und Jahr. Dem BSW-Solar zufolge wirkt sich jedes Gigawatt neu installierte Photovoltaikleistung gerade einmal mit 0,019 Cent je Kilowattstunde auf die EEG-Umlage aus. Auf der anderen Seite könnten nach Ansicht des BSW-Solar eher noch Zusatzkosten entstehen, da Betreiber von Solaranlagen künftig auf Eigenverbrauch verzichten und in die Volleinspeisung zurückkehren könnten.

Der Zugang zum Stromnetz

Auch Eigenstromerzeuger nutzen in der Regel das Netz der allgemeinen Stromversorgung. Dies rechtfertigt die Einbeziehung in die EEG-Umlage aber nicht. Zu unterscheiden ist zwischen Stromeinspeisung und Strombezug: Seit der Reform des EEG zum Januar 2012 wird Eigenstrom von der Umlage befreit, wenn der Strom nicht durch die Verteilnetze geleitet wird. Zudem muss der Strom nahe der Solaranlage verbraucht werden. Diese Einschränkung der Umlagebefreiung zielte darauf, Umgehungen der EEG-Umlage zu verhindern.

Der Strom darf also nicht durch das Netz geleitet werden. Dadurch werden die Netze geschont. Somit besteht kein Grund, Eigenstromerzeuger mit den Kosten der Energiewende zu belasten. Es müsste gerade das Ziel der Regierung sein, die Netze durch hohen Eigenverbrauch zu schonen und den Ausbaubedarf zu entspannen.

Das EEG beruht auf dem Prinzip der möglichst verursachungsgerechten Kostenverteilung, worauf auch die Rechtsprechung bei der Einbeziehung möglichst aller Strommengen in den Ausgleichsmechanismus maßgeblich abstellt (Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Dezember 2005, Az.: VIII ZR 108/04). Die Eigenstromerzeugung verringert jedoch die Kosten der Energiewende insgesamt. Also ist es folgerichtig, sie von der EEG-Umlage auszunehmen.

Davon zu unterscheiden ist der Strombezug aus dem Netz der allgemeinen Versorgung. Zwar nutzen Eigenstromerzeuger im Winter die Netzinfrastruktur für den Strombezug. Doch der Strombezug unterliegt nicht dem Regelungsbereich des EEG und damit nicht der EEG-Umlage. Vielmehr wird er insbesondere durch die Netzentgeltverordnung geregelt. Es wird nicht bezweifelt, dass Eigenstromerzeuger durch angemessene Netzentgelte ihren Beitrag zur Aufrechterhaltung der Netze leisten müssen, sofern sie in den Wintermonaten keine Eigenversorgung sicherstellen können und deshalb ans Netz der allgemeinen Versorgung angeschlossen bleiben. Diese Belastung darf nicht über die Netzentgelte hinausgehen, die andere Verbraucher für den Strombezug zahlen. Die Bundesregierung verkennt, dass das EEG nur die Stromeinspeisung regelt. Die EEG-Umlage dient dem Ausgleich der zur Förderung erneuerbarer Energiequellen gezahlten Einspeisevergütungen zwischen allen Stromhändlern, die Strom an Letztverbraucher liefern und die EEG-Umlage an ihre Kunden weiterwälzen.

Folgt man der Logik der Bundesregierung, so müssten auch Bürger zur Zahlung von EEG-Umlage verpflichtet werden, die Maßnahmen zur Energieeinsparung und Energieeffizienz ergreifen. Denn auch sie vermeiden oder verringern die EEG-Umlage.

Verfassungsrechtliche Bedenken

Eigenstromerzeuger würden zweifach belastet: Zum einen müssen sie die Investitionskosten für ihre Anlagen selbst tragen, während einspeisende Anlagenbetreiber die Vergütung nach dem EEG erhalten. Eigenstromerzeuger unterstützen also das Ziel der Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien im Strombereich ebenso wie einspeisende Anlagenbetreiber. Zusätzlich sollen Eigenstromerzeuger nun mit der EEG-Umlage belastet werden. Dies könnte eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung sein.

Die Belastung des Eigenverbrauchs ist zudem eine Ungleichbehandlung des Eigenstromverbrauchs mit Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz oder zur Energieeinsparung: Spart ein Stromverbraucher Strom ein, würde er sich nach der Logik der Bundesregierung ungerechtfertigt bereichern. Denn er zahlt keine EEG-Umlage. Er erhöht sogar die EEG-Umlage für die Allgemeinheit der Stromverbraucher. Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, einen Eigenstromerzeuger anders zu behandeln. Auch er entzieht sich der EEG-Umlage im Sinne der oben genannten Logik. Daraus könnte ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ableitbar sein.

Eigenverbrauch senkt die Kosten

Zudem ist die geplante Neuregelung verfassungsrechtlich bedenklich, weil sie den Eigenstromverbrauch mit den Kosten der Energiewende belastet, obwohl er die Kosten de facto senkt. Maßnahmen des Netzausbaus sind umso entbehrlicher, je mehr auf Eigenstromverbrauch umgestellt wird. Dies könnte zur Unverhältnismäßigkeit der geplanten Neuregelung führen.

Auch die geplante anteilige Erhebung der EEG-Umlage für Bestandsanlagen ist verfassungsrechtlich bedenklich. Es ist zu erwarten, dass betroffene Anlagenbetreiber Verfassungsbeschwerde erheben und eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 (Berufsfreiheit) und Art. 14 Abs. 1 (Eigentumsfreiheit) geltend machen. Inwiefern Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde bestünden, lässt sich erst in Kenntnis der abschließenden Regelung und Begründung beurteilen. Im Referentenentwurf wird diese ausdrücklich offengelassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind rückwirkende Gesetze nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Nach Rechtsauffassung der Autoren kann die Belastung von Bestandsanlagen gegen berechtigtes Vertrauen der Betreiber verstoßen.

Untaugliche Regelungen zur Kontrolle

Fraglich ist, wie die Bundesregierung sicherstellen will, dass alle Anlagenbetreiber die genauen Eigenstrommengen mitteilen. Der Referentenentwurf enthält dazu eine neue Regelung in § 37 Abs. 3a, die es den Übertragungsnetzbetreibern erleichtern soll, eine mögliche Umlagepflicht zu erkennen. Übertragungsnetzbetreiber können sich demnach relevante Daten von den Hauptzollämtern übermitteln lassen und mit den Daten der Stromversorger über gelieferte Energiemengen abgleichen.

Die Bestimmung umfasst ausdrücklich Daten nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Stromsteuergesetzes. Demnach bedarf die Entnahme von Strom zum Selbstverbrauch der Erlaubnis. Die Verteilnetzbetreiber können also die Daten über die Erlaubnisinhaber abfragen – mehr nicht. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Stromsteuergesetz bedarf es einer solchen Erlaubnis hingegen nicht, soweit der Eigenerzeuger Strom zum Selbstverbrauch entnimmt, der nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a, Nr. 4 oder Nr. 5 von der Steuer befreit ist. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 3a ist Strom von der Steuer befreit, der in Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu zwei Megawatt erzeugt wird und vom Betreiber der Anlage als Eigenerzeuger im räumlichen Zusammenhang zu der Anlage zum Selbstverbrauch entnommen wird.

Damit sind die meisten solaren Eigenstromanlagen von der Steuer befreit, bedürfen also keiner Erlaubnis. Folglich hat der Netzbetreiber keinen Zugriff auf die Daten. Der Netzbetreiber kann dann nur die Daten der Stromversorger über die gelieferten Strommengen anfordern. Damit allein lässt sich aber eine Eigenstromversorgung nicht nachweisen.

Insgesamt der falsche Weg

Somit ist die Regelung im Referentenentwurf ungeeignet. Die Bundesregierung will nicht nur neue bürokratische Hürden schaffen, deren Kosten völlig unnötig sind. Die Regelung ist sogar ungeeignet, weil die Eigenstromerzeugung in der Regel nicht nachgewiesen werden kann.

Die Belastung der Eigenstromerzeugung ist nicht nur der falsche Weg, um die Kosten der Energiewende auf mehr Schultern zu verteilen. Sie verzögert die Energiewende und erhöht deren Kosten. Darüber hinaus werden neue bürokratische Hürden aufgebaut, deren Kosten überflüssig und die sogar untauglich sind. Zutreffend erklärte der Vorsitzende des Energieausschusses im Bundestag, Peter Ramsauer (CSU), die geplante Belastung des Eigenverbrauchs sei der „größte Blödsinn“ (Pressemitteilung des Deutschen Bundestages, Vorabmeldung zu einem Interview in „Das Parlament“ vom 3. Februar 2014).

Gerade der Eigenverbrauch sorgt dafür, dass Photovoltaikanlagen auch jenseits des EEG rentabel sind. Wenn die Bundesregierung dies nun durch die zusätzliche Belastung ändert, verzögert sie zugleich den Zeitpunkt, von dem an die Photovoltaik ohne Förderung auskommen kann. Nach Schätzungen des BSW-Solar wird dies noch fünf bis zehn Jahre dauern, je nach weiterer Kostenentwicklung. Solarstrom ist bereits billiger als der Endverbraucherpreis für das Gewerbe. Der weitere Ausbau der Photovoltaik würde sich kaum auf den Strompreis auswirken. Wissenschaftliche Analysen zeigen zudem, dass die Lernkurve der Photovoltaik weitergeht und Kostensenkungen auch in Zukunft zu erwarten sind.

Im Interesse der Politik

Gerade in der gewerblichen Versorgung muss die Eigenstromerzeugung möglich bleiben. Die Bundesregierung muss ein Interesse daran haben, dass sich Gewerbegebiete künftig selbst versorgen. Bestandsanlagen müssen zudem vollständig ausgenommen bleiben. Die Bundesregierung setzt derzeit das Gelingen der Energiewende insgesamt aufs Spiel, indem sie die Förderung der erneuerbaren Energien zu früh und zu drastisch kappen will. Die dadurch entstehenden volkswirtschaftlichen und ökologischen Schäden stehen in keinem Verhältnis zur minimalen Absenkung der EEG-Umlage.

Der Zubau in den kommenden Jahren wird drastisch sinken, sollte kein Umdenken stattfinden. Doch die Energiewende ist auf einen hohen Zubau angewiesen, zumal Strom aus erneuerbaren Energien mittelfristig auch den Mobilitätsbereich versorgen muss. Oder hat die Bundesregierung die Elektromobilität bereits abgeschrieben, den Bereich also, in dem sie einstmals eine Technologieführerschaft anstrebte, nun aber von China und anderen Industriestaaten weit abgehängt wird und sich auf eine reine Schaufensterpolitik zurückzieht?

Die Emissionen steigen weiter

Dagegen steigen die Emissionen in Deutschland unaufhörlich weiter (2012: 1,1 Prozent mehr als 2011; 2013: circa 2 Prozent mehr als 2012). Die Photovoltaik steht kurz vor der Wettbewerbsfähigkeit, welche die herkömmliche Energiewirtschaft niemals hatte, denn deren externe Kosten waren in den Strompreisen nie enthalten.

Als Umweltminister wusste Sigmar Gabriel noch, wie Energiewende geht. Resultat waren ein Anteil von 25 Prozent erneuerbarer Energien am Stromverbrauch und drastisch sinkende Börsenstrompreise. Nun setzt er allein die Interessen der fossilen Energiewirtschaft durch und lässt sich von denjenigen leiten, deren einzige Pflicht ihren Aktionären gegenüber in einer Erhöhung der Dividenden besteht.

Die Kosten der Energiewende sollten zunächst die Verursacher der Umwelt- und Klimaschäden tragen. Das Umweltbundesamt beziffert die externen Kosten der Emission einer Tonne Kohlendioxid bei vorsichtigen Annahmen auf mindestens 80 Euro. Tatsächlich kosten die Emissionsrechte durchschnittlich etwa fünf Euro pro Tonne. Es ist nicht nachvollziehbar, dass Kohlekraftwerke und der Kohlebergbau weitgehend von der EEG-Umlage befreit bleiben, während Nutzer selbst erzeugten Solarstroms zur Kasse gebeten werden sollen. Die Pläne der Bundesregierung stellen die Energiewende insgesamt in Frage. Die widersinnige Belastung des Eigenverbrauchs mit der EEG-Umlage zeigt allein die Angst der konventionellen Energiewirtschaft vor der ökologischsten und volkswirtschaftlich billigsten Alternative. Die Politik hat aber den Interessen der Mehrheit der Bevölkerung und kommender Generationen zu dienen und nicht einen langfristigen Bestandsschutz für fossile, teilweise ineffiziente zentrale Kohlekraftwerke zu schaffen.

https://www.dr-gottwald-berlin.de/

Die Autoren

Rechtsanwalt Michael Herrmann

Rechtsanwalt Dr. Thorsten Gottwald

sind auf erneuerbare Energien spezialisiert. Sie betreuen vielfältige Projekte juristisch, darunter auch Solarparks im In- und Ausland. Die beiden Anwälte sind in der Berliner Kanzlei Dr. Thorsten Gottwald Rechtsanwaltsgesellschaft mbH tätig.

herrmann@dr-gottwald-berlin.de dr.gottwald@dr-gottwald-berlin.de

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