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Unter zehn Millisekunden

Neue Speichertechnologien werden benötigt, um das Zusammenspiel zwischen Erzeugung und Verbrauch zeitlich zu entkoppeln. Herkömmliche Technologien zur chemischen Speicherung von Elektrizität wie Elektrolyseur, Methanisierung oder Brennstoffzelle zeigen einen relativ geringen Wirkungsgrad. Redox-Flow-Batterien (RFB) hingegen haben einen Gleichstrom-Wirkungsgrad, je nach System und Betrachtung, von bis zu 80 Prozent und liegen damit im Bereich der Wirkungsgrade von konventionellen Sekundärbatterien (Lithium-Ionen-, Blei- oder Nickel-Metallhydrid-Batterien).

Im Gegensatz zu konventionellen Batteriesystemen, bei denen Leistung und Speicherkapazität miteinander verknüpft sind, besitzen Redox-Flow-Batterien die Möglichkeit, Leistung und Speicherkapazität unabhängig voneinander zu skalieren. Grundsätzlich kann die RFB einen Speicherbedarf von mehreren Stunden bis hin zu wenigen Tagen abdecken.

Aufbau der Batterie

Im einfachsten Fall enthält die Vanadium-Redox-Flow-Batterie (VRFB) zwei Pumpen, zwei Elektrolyt-Tanks, einen Stack, ein Batteriemanagementsystem und bei Anschluss ans Wechselspannungsnetz einen Wechselrichter. Bei Anschluss an ein Gleichstromnetz müssen eine geeignete Stromquelle und entsprechende Verbraucher vorhanden sein.

Alle Teile sind zunächst unabhängig voneinander skalierbar. Dadurch vereinfacht sich zudem die Wartung, und eine Verbesserung des Alterungsverhaltens ist die Folge.

Der Leistungsteil der VRFB besteht aus einer elektrischen Serienschaltung von Einzelzellen, die hydraulisch parallel mit Elektrolyt durchströmt werden, damit in jeder Zelle die gleichen Bedingungen herrschen. In der Technik hat sich ein gestapelter Aufbau, ähnlich einer Filterpresse, etabliert. Durch diesen lassen sich im Vergleich zur Einzelzelle hohe Spannung und reduzierte Ströme erreichen.

Im Elektrolyten wird die Energie chemisch in einer schwefelsauren Vanadium-Lösung gespeichert. Das Volumen der Lösung bestimmt hierbei die Speicherkapazität. Die theoretische Energiedichte beträgt rund 25 Wattstunden pro Liter Elektrolytlösung. Der Elektrolyt wird mit Pumpen durch den Stack gefördert.

Eigenschaften und Vorteile

Das Managementsystem steuert und überwacht die Funktionen der Batterie. Der Manager regelt die Pumpen, steuert den Wechselrichter an und erfasst die Betriebsdaten wie Ladezustand und Temperatur. Diese Daten werden aufgezeichnet und stehen später zur Betriebsüberwachung, Information und für Wartungszwecke zur Verfügung.

Die VRFB-Technologie weist systembedingt eine sehr hohe Flexibilität auf. Und das eignet sich optimal für die Lösung von Speicherthematiken. An solche Einrichtungen werden zwei hauptsächliche Anforderungen gestellt: Zum einen müssen sie in der Lage sein, Lastspitzen abzufangen, sowohl in der Erzeugung als auch im Verbrauch (Peak-Shaving). Zum anderen muss das System Energie in Zeiten hoher Erzeugung speichern und in Zeiten mit niedriger Erzeugung über einen längeren Zeitraum wieder abgeben.

Hohe Zyklenzahl

Die VRFB-Technologie zeichnet sich durch eine hohe Zyklenzahl und Zyklenbeständigkeit aus. Erfahrungen und Alterungsuntersuchungen von Schmid, anderen Herstellern und Zulieferern zeigen, dass insbesondere für das Bauteil Stack eine Lebensdauer von 20.000 Zyklen oder zehn bis zwölf Jahren qualifiziert erwartet werden kann. Die Lebensdauer des Elektrolyten ist chemisch bedingt nicht begrenzt.

Bei Vanadium-Redox-Flow-Batterien ist jederzeit eine Tiefentladung möglich. Hier können im Bedarfsfall zusätzliche Energiemengen unter intermediärer Einschränkung der Peak-Leistung generiert werden, ohne eine Schädigung der Kapazität oder Lebensdauer zu bewirken.

Die VRFB hebt sich auch aufgrund ihrer kurzen Reaktionszeit von Konkurrenztechnologien ab. Untersuchungen in den Technologiezentren der Firma Schmid an Stacks im Produktionsmaßstab konnten zeigen, dass Lastsprünge um 150 Prozent der Nominalleistung problemlos schneller als die Reaktionszeit der Steuerungselektronik unter zehn Millisekunden generierbar sind.

Ein weiterer genereller Vorteil der Redox-Flow-Speicher ist die nicht vorhandene Selbstentladung. Durch die Lagerung der Speicherflüssigkeit in separaten Tanks kann diese ausgeschlossen werden. Eine Selbstentladung findet nur innerhalb des Stacks statt. Wenn die Batterie im Stand-by mit deaktivierten Pumpen ist, kann maximal der im Stack vorhandene Elektrolyt entladen werden. So können in der Batterie auch über längere Zeit große Mengen an elektrischer Energie vorgehalten werden.

Ladezustand und Kapazität

In herkömmlichen Systemen sind Leistung und Kapazitätsteil immer direkt miteinander gekoppelt. Inhomogenitäten in Alterung und Fertigung führen dazu, dass im Laufe der Zeit die Kapazitäten und die Ladezustände der einzelnen Zellen voneinander abweichen. Um zu vermeiden, dass Zellen mit dem niedrigsten Ladezustand tiefentladen oder Zellen mit dem höchsten Ladezustand überladen werden, wodurch die Anlage beschädigt wird, müssen komplexe Überwachungs- und Steuerungsverfahren implementiert werden.

Dennoch kann eine kontinuierliche Degradation der Speicherkapazität nicht vermieden werden, insbesondere für Lithium-Ionen-Systeme, die gegen Überspannung und Tiefentladung intolerant sind. Das begrenzt die Gesamtspeicherkapazität erheblich, da die Be- und Entladung gestoppt werden muss, wenn die Zellen der niedrigsten Kapazität vollgeladen sind. Anderenfalls besteht Explosionsgefahr aufgrund einer Überbelastung, oftmals auch die Gefahr einer thermischen Kettenreaktion.

Einfach erweiterbar

Bei einer Kapazitätserweiterung herkömmlicher Systeme müssen immer zusätzliche Zellen beziehungsweise Zellgruppen installiert werden. Dazu gehören ebenfalls die Überwachung der Einzelzellspannungen und ein Ausgleich des Ladezustands. In der Folge erhöht sich die Komplexität des Gesamtsystems erheblich, und durch den gekoppelten Leistungsteil muss auch mit erhöhten Kosten pro Kilowattstunde gerechnet werden.

Der Ladezustandsausgleich der einzelnen Komponenten einer VRFB ist dagegen systeminhärent gewährleistet, da derselbe Elektrolyt homogen durch die gesamte Anlage gepumpt wird. Insgesamt führt das dazu, dass die Speicherkapazität einer VRFB einfach und kosteneffizient erweiterbar ist, ohne dass sich die Komplexität der Anlage erhöht.

Wie sicher ist die Technologie?

Die VRFB besticht im direkten Vergleich mit anderen Technologien durch ihre inhärente Sicherheit. So ist der Elektrolyt, da er wasserbasiert ist und ohne Organika oder andere flüchtige Substanzen auskommt, nicht brennbar und nicht explosiv. Selbst im schlimmsten und unwahrscheinlichsten Fehlerfall, dem Membranbruch und damit direkten Kontakt von geladenem Anolyt und Katholyt, kommt es nicht zu einer unkontrollierbaren Kettenreaktion. Die bei diesem Prozess stattfindende Temperaturerhöhung liegt in der Größenordnung von lediglich 20 bis 30 Grad Celsius. Zudem kann in diesem Fall der Stack einfach ersetzt werden, die Batterie erleidet keine dauerhafte Schädigung und kann mit einem neuen Stack weiterbetrieben werden.

Vollständig recycelbar

Der Elektrolyt ist vollständig recycelbar. Der Verwertungsprozess für Vanadium ist bereits durch die breite Anwendung dieses Elements in der Stahlindustrie etabliert. Der Umgang mit schwefelsauren, metallhaltigen Lösungen, wie sie auch in der VRFB Verwendung finden, ist unter Berücksichtigung nachhaltiger und ökologischer Kriterien seit langen Jahren etablierter Stand der Technik.

Der Einsatz von Speichern in Stromversorgungssystemen wird die herkömmliche Erzeugung und Übermittlung von Energie stark verändern. Kleine bis mittelgroße Anlagen werden autarke Smart Grids und eine Versorgung von der Haushalts- bis zur Stadtebene ermöglichen. Darüber hinaus werden Großanlagen die effiziente Vernetzung von lokalen Netzen gewährleisten.

Aufgrund ihres dynamischen Verhaltens ist die VRFB optimal geeignet, um komplexe Fragestellungen der Versorgung zu bedienen. Das umfasst eine Echtzeit-Ladezustandsüberwachung, kurze Antwortzeiten und eine kurzfristige Hochleistungsausgabe. Daher kann die VRFB zum Beispiel die technischen Anforderungen der Netzdienstleistung erfüllen. Ihr eigentliches Alleinstellungsmerkmal wird allerdings erst bei einer Entladedauer über mehrere Stunden deutlich. Abbildung 5 zeigt, dass die Systemkosten bei steigender Systemkapazität der VRFB schneller sinken als bei Lithium-Ionen-Systemen.

Der Everflow

Im Juni 2015 hat die Firma Schmid Energy Systems auf der Messe Intersolar Europe in München ihre Produktinnovation Everflow Compact Storage vorgestellt. Das ist eine kompakte VRFB für den Heim- und Kleingewerbebereich. Zwei Leistungsstufen sind verfügbar: zwei Kilowatt und fünf Kilowatt nominal. Die nutzbare Energie reicht von zehn bis 45 Kilowattstunden bei einem Ladezustand von fünf bis 95 Prozent. Der Speicher steigert den lokalen Verbrauch von Solarstrom oder anderen erneuerbaren Energiequellen wie Windkraft. Auch Kombinationen mit Blockheizkraftwerken oder anderen Erzeugersystemen sind möglich.

Abbildung 6 zeigt das Anschlusskonzept der Anlage. Die Steuerung basiert auf Sensor S2. Wenn Wirkleistung ins öffentliche Netz fließt (S2 > 0), wird die Batterie beladen. Die maximale Ladeleistung wird erreicht, wenn S2 = 0. Wenn Wirkleistung vom Netz bezogen wird, wird die Batterie entladen. Die maximale Entladeleistung wird erreicht, wenn S2 = 0. Die Regelung der maximalen Leistungsabgabe am Netzanschluss erfolgt über S1. Der Ertrag der Photovoltaikanlage wird dann so gedrosselt, dass die gesetzliche Abgabegrenze eingehalten werden kann. Der Batteriespeicher bleibt für das öffentliche Netz neutral. Das heißt, dass weder ein Bezug noch eine Einspeisung von Energie ins Stromnetz über die Batterie stattfindet.

Erkenntnisse aus dem Betrieb

Im Rahmen eines Projektes mit den Stadtwerken Freudenstadt hat die Firma Schmid Energy Systems einen Vanadium-Redox-Flow-Container ans öffentliche Stromnetz angeschlossen. Er wird in Kombination mit einem Blockheizkraftwerk (BHKW) betrieben, das sich auf dem Gelände eines Seniorenwohnheims befindet. Die Anlage dient als Testplattform für die Entwicklung von Schmid-Speicheranwendungen. Derzeit sind 24 Kilowatt nominale Leistung für 48 Kilowattstunden nutzbare Energie installiert.

Überschüssigen Strom puffern

Der erste Anwendungsfall, der erprobt wurde, war die Erhöhung des Eigenverbrauchs des BHKW. Wie bei einer Photovoltaikanlage soll die überschüssig produzierte Energie mit der Batterie gepuffert werden. Im Gegensatz zur Photovoltaikanlage erfolgt die Ladung der Batterie aber nachts, wenn ohnehin weniger Strom benötigt wird.

Die Abbildungen 1 und 2 zeigen das Verbrauchsprofil und den Netzbezug für zwei Zeiträume. Die Batteriekonfiguration wurde für den Versuchszeitraum auf neun Kilowatt nominal und 27 Kilowattstunden nutzbare Energie reduziert.

In Abbildung 2 zeigt sich, dass kein Strom ins Netz gespeist wurde. Die überschüssige Energie wurde komplett in der Batterie gepuffert und bei Bedarf später von der Wohngemeinschaft verbraucht. Gegenüber dem vorherigen Zeitraum (Abbildung 1) fällt jedoch auf, dass Strom aus dem BHKW rückgespeist wurde.

Die Erklärung hierfür ist in den Abbildungen 3 und 4 zu finden. Während der ersten Periode war die Batterie häufiger vollgeladen als während der zweiten, und zwar aufgrund des niedrigeren Tagesverbrauchs der Wohngemeinschaft. Deshalb war der Ladezustand am Ende des Tages höher, wodurch nicht ausreichend Speicherkapazität für die Pufferung des nächtlichen Ertrags vorhanden war.

Wichtige Erkenntnisse gewonnen

Das Projekt mit den Stadtwerken Freudenstadt hat wichtige Erkenntnisse in Bezug auf die Dimensionierung und Optimierung von Speicherprojekten und -systemen unter den Gesichtspunkten der Leistung, des Eigenverbrauchs, der Effizienz und der Wirtschaftlichkeit geliefert. Es zeigt sich, dass zwar die Komplexität der Auslegung mit den Anforderungen steigt, die des Systems jedoch nicht.

Durch die Projekterfahrungen und die umfassende Kompetenz im nasschemischen Maschinenbau in Verbindung mit den Schmid Technologiezentren können so für die jeweiligen Anwendungszwecke die optimalen Lösungen gefunden werden.

Redflow

Neu auf dem europäischen Markt

Das Unternehmen Redflow steigt in den europäischen Speichermarkt ein. Unter anderem gibt es eine Kooperation mit Flextronics für eine kommerzielle Großserienfertigung. Die Firma Redflow Europe mit Sitz in München ist die europäische Tochter von Redflow Limited mit Hauptsitz in Brisbane, Australien. Sie entwickelt Durchflussbatterien zur Energiespeicherung. Auf der Speichermesse EES in München zeigte sie bereits ihre Technologie.

Zu den Einsatzbereichen gehören die Integration erneuerbarer Energien, das Energiemanagement in Bürogebäuden und Industrieanlagen sowie die netzgebundene Stromversorgung und Inselstromnetze. „Besonders eignet sich die Batterie für abgelegene, ländliche Gebiete und Mobilfunk-Basisstationen”, erläutert Stuart Smith, Geschäftsführer von Redflow. Er sieht einige Vorteile der Technologie, darunter die hohe Energiedichte bei kleiner Stellfläche und eine 100-prozentige Entladetiefe ohne eine nötige aktive Kühlung. Die hohe Temperaturtoleranz erlaubt bis zu 50 Grad Celsius.

Der Zinkbromid-Elektrolyt basiert auf Wasser und fungiert damit als natürlicher Brandschutz. Zudem steuert sich die intelligente Batterie selbst, schützt sich auch selbst und übermittelt Informationen zum übergeordneten Energiemanagementsystem. Die physikalische Trennung zwischen dem Brennstoffzellen-Stapel und dem Energiespeicher verhindert thermisches Durchgehen. Die Durchflussbatterie erlaubt demnach wiederholte Zyklen bei 100-prozentiger Entladetiefe ohne Leistungsminderung. Die selbst unter missbräuchlichen Bedingungen systemimmanente Stabilität der Technologie führt zu einer Reduktion der Sicherheitsanforderungen.

www.redflow.com

Die Autoren

Christian Andreas Fuhrmann

hat sich nach seinem Studium zum Diplom-Chemiker an der Universität Hamburg auf technische und makromolekulare Chemie spezialisiert. Seit 2010 ist er bei der Schmid Group für die Prozesssimulation der Polysiliziumanlage verantwortlich. Im Jahr 2011 wurde Fuhrmann zum Lead Engineer für Polysiliziumanlagen auf Monosilanbasis, bevor er Mitte 2013 außerdem zum Projektmanager für das Vanadiumelekrolyt der Schmid Energy Systems wurde. Heute leitet er die Forschungen zu den Vanadium-Redox-Flow-Batterien bei Schmid.

Dr. Christoph Fery

arbeitete mehrere Jahre in der Forschungsabteilung des Thomson-Konzerns. Dort entwickelte er organische Lichtdioden (OLED) und optische Datenspeicher. Seit 2011 leitet Fery das Produkmanagement bei Schmid. Im Auftrag der Tochtergesellschaft Energy Systems ist er verantwortlich für die Produktfamilie Everflow.

www.schmid-energy-systems.com

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