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Intensive Schattenspiele

Das städtische Gymnasium in Broich, einem Stadtteil von Mülheim an der Ruhr, ist schon seit seiner Gründung ein Vorreiter. Damals, im Jahr 1965, war es die erste weiterführende Schule in Nordrhein-Westfalen, in der Mädchen und Jungen in gemischten Klassen unterrichtet wurden. Inzwischen ist dies gang und gäbe.

Das Gymnasium wuchs: In den letzten 50 Jahren sind immer wieder Erweiterungsbauten hinzugekommen, um dem Ansturm an Schülern Herr zu werden. Den bisher jüngsten Erweiterungsbau konnten die Schüler im vergangenen Jahr in Besitz nehmen.

Mit ihm wird die Schule ihrer Vorreiterrolle einmal mehr gerecht. Das Gebäude mit seinen bis zu vier Stockwerken besteht aus einem L-förmigen Baukörper. Der westliche Teil schließt sich an die östliche Seite des zweistöckigen Bestandsgebäudes an. An der östlichen Seite führen die Architekten den Bau im rechten Winkel nach Süden weiter. Diesen Teil haben sie mit einem Untergeschoss und einem dritten Obergeschoss versehen.

Ein seltener Glücksfall

Die Innovation ist weniger die eigentliche Architektur des funktionalen Baus, sondern vor allem das Energiekonzept. Dazu gehört eine Photovoltaikanlage auf dem Dach, die den Schülern als praktisches Beispiel für den Physikunterricht dient. Doch damit wollten sich die Projektierer nicht begnügen. Sie statteten die gesamte Hülle mit einer vorgehängten hinterlüfteten Fassadenkonstruktion aus.

Auf diese Unterkonstruktion ließen sie auf der Südseite des Querriegels eine Photovoltaikanlage installieren. An der West-, der Nord- und der Ostseite der beiden Gebäudeteile ist die Hülle mit Aluminiumblechen abgeschlossen.

Noch sind solche Gebäude eher eine Seltenheit. „Dabei ist eine Fassadenanlage von der Planung her nicht anders als eine Dachanlage“, erklärt Christian Kearsley, Vertriebsleiter von Solarkönig in Albersloh. „Solange die Module genügend hinterlüftet sind, bringen sie genügend Erträge, sodass sich eine solche Anlage rechnet.Eine große Herausforderung kann allerdings die Auslegung des Wechselrichterkonzepts werden.“ Kearsley weiß, wovon er spricht. Für das Montageunternehmen aus dem Münsterland ist die Anlage in Mülheim nicht die erste Solarfassade, die es geplant und installiert hat. Im Gegenteil: Die Münsterländer sind alte Hasen in diesem Bereich. Schon 2004 ist das Unternehmen mit der Installation von Solarfassaden gestartet. Aufgrund der schlechten Marktlage für solche Anlagen planen und installieren die Ingenieure und Elektromeister von Solarkönig zwar auch Dachanlagen. Doch die Solarfassade bleibt weiterhin ein zentraler Teil des Portfolios.

Verschattung wird zur Regel

Mit der Fassade in Mülheim hatten die Münsterländer Glück. Denn der Bau steht relativ frei. Die Gebäude einer Einfamilienhaussiedlung sind weit genug weg, um keinen Schatten auf die Fassade zu werfen. Auch die Laubbäume am Rand der Siedlung stellen kein Problem für den Ertrag der Fassade dar. Außerdem sind in der Fassade keine Sondergrößen eingebaut, sondern die Anlage ist komplett mit gleich großen Fassadenmodulen von Solarwatt bestückt.

So konnten die Elektromeister von Solarkönig regelmäßige Strings aufbauen und sie auf einen einzigen Wechselrichter schalten. „Das ist nicht bei jeder Anlage so“, sagt Kearsley. „Vor allem bei Fassaden spielt die Verschattung eine entscheidende Rolle für die Wirtschaftlichkeit des Generators.“ Was bei der Dachanlage eher die Ausnahme ist, wird an der Fassade fast zur Regel: Bäume oder benachbarte Gebäude werfen teilweise sehr unterschiedliche und vor allem unregelmäßige Schatten auf die Anlage. Das lässt sich meist nicht ändern.

Um die Ertragsminderung durch die Verschattung so gering wie möglich zu halten, muss das Konzept der Verschaltung der einzelnen Strings so ausgeklügelt werden, dass möglichst verschattete nicht mit unverschatteten Modulen zusammengeschaltet werden. Schließlich werden Solarmodule in der Regel in Reihe geschaltet.

Auf die Spannung achten

Dann bestimmt die Leistung des schwächsten Moduls die gesamte Stringleistung. Liegt ein Modul des Strings im Schatten, zieht es gleich alle anderen Module mit herunter. Die Leistung des Strings sinkt und damit auch der Ertrag. Deshalb ist gerade bei Fassadenanlagen ein ausgeklügeltes Schattenmanagement von entscheidender Bedeutung.

Was sich kompliziert anhört, ist aber längst kein Hexenwerk. „Bevor wir mit der Auslegung der Anlage starten, machen wir erst einmal eine gründliche Analyse, wie der Sonnenverlauf an der Fassade über den Tag hinweg aussieht und wo und wann welche Verschattungen auftreten“, beschreibt Kearsley. „Wir fahren dazu erst einmal zur Baustelle und machen Fotos von der Umgebung, um zu sehen, ob da ein Baum oder ein anderer Bau davorsteht, der jahreszeitlich bedingt die Fassade verschatten könnte.“

Diese Daten geben die Ingenieure von Solarkönig in das Planungsprogramm ein. Das errechnet dann eine optimale Verschaltung der Wechselrichter. Diesen Verschaltungsplan prüfen die Elektromeister allerdings noch einmal, ob der Generator auch wirklich mit diesem Konzept die maximalen Erträge erzielt. Am Ende muss der Generator so aufgebaut sein, dass die Module, die zuerst am Tag Sonne abbekommen, in einem String zusammengeschaltet werden. Hat dieser String die maximal mögliche MPP-Spannung des Wechselrichters erreicht, wird auf die gleiche Weise der nächste String aufgebaut, bis alle Module verschaltet sind.

Diese Regel gilt zwar nicht nur für Fassadenanlagen, doch oft sind die Verschattungssituationen dort komplizierter. Dann lohnt es sich auch, eventuell kürzere Strings aufzubauen und dafür einen Wechselrichter mehr oder ein Gerät mit mehreren unabhängigen MPP-Trackern zu nehmen. „Allerdings muss der Planer aufpassen, dass die Stringspannung innerhalb des MPP-Arbeitsbereichs des Wechselrichters liegt, sodass der Wechselrichter noch mit voller Leistung arbeiten kann“, gibt Jürgen Wolfahrt, technischer Produktmanager bei Fronius, zu bedenken. Die von Verschattung bedrohten Module sollten deshalb möglichst in eigenen Strängen zusammengefasst werden, damit die Leistung der unverschatteten Module nicht begrenzt wird.

An den Eingängen des Wechselrichters muss dabei immer eine Spannung der unverschatteten Module anliegen, die größer ist als die Mindestgleichspannung des Wechselrichters. Deshalb kann der Planer nicht einfach wenige kleine Module, die bei Fassadenanlagen keine Seltenheit sind, in einem String zusammenfassen.

Erst die Verschattung analysieren

Allerdings muss er gerade auch die maximale Gleichspannung am Eingang des Wechselrichters beachten. Diese ergibt sich, wenn an allen Modulen die Leerlaufspannung anliegt. Die Angaben aus dem Datenblatt des Modulherstellers kann der Planer dabei aber nicht einfach übernehmen. Denn sie gelten nur für Standardtestbedingungen.

Da die Module mehr Spannung liefern, wenn es kalt wird und die Sonne trotzdem noch in einem guten Winkel auf das Paneel scheint, steigt die Leerlaufspannung an.

Das ist um so wichtiger, je steiler die Anlage steht. Da Solarfassaden in einem Winkel von 90 Grad zum Boden aufgebaut werden, muss der Planer gerade bei solchen Anlagen aufpassen, dass er den Wechselrichter nicht überfordert, wenn an einem klaren Wintertag die tief stehende Sonne auf die Module scheint.

Der österreichische Wechselrichterhersteller Fronius hat sich eine Solaranlage an der Fassade seiner Niederlassung in Wels gegönnt. Die semitransparenten kristallinen Module von Ertex Solar bilden die Fassade einer Pfosten-Riegel-Konstruktion eines Kubus, der hoch über die anderen Bürogebäude von Fronius hinausragt.

Die Anlage ist nach drei Seiten ausgerichtet. Jürgen Wolfahrt erklärt: „Während auf der Südseite die Anlage über unser Bürogebäude ragt, haben wir auf der West- und der Ostfassade teilweise Verschattungen durch Gebäude gegenüber.“ Auf diesen beiden Seite haben die Österreicher jeweils sechs Strings ausgelegt, während sie auf der Südseite mit drei Strings ausgekommen sind, weil dort die Fassade schmaler ist.

Im Sommer anders als im Winter

Auch Fronius beginnt bei der Auslegung von Wechselrichterkonzepten für Fassadenanlagen mit einer eingehenden Analyse der Verschattung. „Dabei nehmen wir immer den Schattenverlauf über einen gesamten Tag jeweils im Hochsommer und im tiefsten Winter“, erklärt Wolfahrt.

Denn in den Jahreszeiten steht die Sonne unterschiedlich hoch am Himmel und die störenden Elemente in der Umgebung werfen unterschiedlich lange Schatten. So kann es durchaus sein, dass ein Baum im Sommer, wenn die Sonne hoch steht, keinen Schatten auf die Fassade wirft. Im Winter, wenn die Sonne tiefer steht und die Schatten länger werden, könnten diese dann durchaus bis auf die Fassade fallen.

Für ihren Kubus hatten die Österreicher aber noch ein zweites Problem, das in der Welt der Solarfassade nicht selten vorkommt. Denn um den Architekten die Freiheit zu lassen, die Fassade nach ihren Formvorstellungen zu kreieren, kommen immer wieder unterschiedlich große Module zum Einsatz. Dies stellt den Elektroplaner vor eine Herausforderung, da er mit der Auslegung der Verschaltung eigentlich Module gleicher Größe und damit auch gleicher Leistung in jeweils einen String zusammenschalten muss. Denn wenn er kleine und große Module zu einem String zusammenfasst, werden die großen Module durch die kleinen, leistungsschwächeren Paneele beeinträchtigt.

Bis zur Zelle gedacht

Das bedeutet viele Kabel hinter den Modulen. Zwar fallen die Kabel im Vergleich zum Gesamtpreis einer Fassade kaum noch ins Gewicht. Denn eine Fassade braucht das Gebäude sowieso. Deshalb sind nur noch die Mehrkosten für die Module im Vergleich zu den konventionellen Fassadenelementen und die elektrischen Komponenten als eigentliche Kosten für die Solarfassade anzusetzen. Doch dazu gehören neben den Wechselrichtern eben auch die Kosten für die Verkabelung.

Die Planer bei Fronius haben sich deshalb überlegt, die Verschaltung nicht auf das Modul hin vorzunehmen, sondern auf die Zellebene zu gehen. „Man hat zwar immer wieder unterschiedlich große Module und damit unterschiedlich viele Zellen im Modul“, erklärt Jürgen Wolfahrt. „Doch wenn man die Anlage optisch homogen aufbauen will, sollte jedes Modul Zellen mit den gleichen elektrischen Eigenschaften haben.“ Wenn man dann die Strings nicht mit der gleichen Anzahl von Modulen, sondern der gleichen Anzahl von Zellen auslegt, wird die Leistungsminderung geringer.

Fünf Module hinter dem Logo

Fronius hat das Problem, dass am Kubus das Firmenlogo prangt. Gleichzeitig sollten die Module möglichst hoch und schlank sein. Deshalb haben sie sich bei Ertex Solar Paneele mit jeweils 70 Zellen anfertigen lassen. Dabei sind jeweils fünf Zellen in einer Reihe angeordnet. Jedes Modul enthält 14 solcher Reihen. Dazu kommen noch die Abstände zwischen den einzelnen Zellen, um die Semitransparenz zu erreichen.

Da die Module hinter dem Logo niemals Sonne abbekommen, haben die Österreicher an diesen Stellen noch spezielle Module eingebaut. Sie sind zwar mit genauso vielen Zellen bestückt. Doch die oberen acht Zellreihen der fünf Solarmodule hinter dem Logo sind nicht elektrisch verbunden.

In der Ost- und in der Westfassade stehen jeweils 29 Module nebeneinander und zwei Modulreihen übereinander. Von den insgesamt 58 Modulen sind jedoch fünf teilweise hinter dem Firmenlogo versteckt. Da in diesen Modulen jeweils die acht oberen Zellreihen inaktiv sind, haben diese Paneele nicht mehr 70, sondern nur noch 30 aktive Zellen.

Elegant gelöst

Somit sind in jeder dieser Fassaden insgesamt 3.860 Solarzellen verbaut. Die Südfassade ist etwas schmaler, sodass dort nur 15 Module nebeneinander passten. Allerdings sind auch dort fünf Module teilweise hinter dem Logo verschwunden. Die Gesamtanzahl der Zellen in dieser Fassade beträgt 1.900.

Da alle Zellen gleich sind, haben die Planer von Fronius die Anlage so ausgelegt, dass in jedem String möglichst gleich viele Zellen sind. „Durch das Zusammensuchen der Modulanordnung mit den Zellzahlen ist es uns gelungen, die Unterschiede der Stringspannungen unter fünf Prozent zu halten“, erklärt Jürgen Wolfahrt. Diese liegen jetzt zwischen 416,65 und 387,42 Volt. Denn die Anzahl der Zellen pro String beträgt zwischen 620 und 650 Stück.

Damit haben die Planer von Fronius das Problem der unterschiedlichen Modulgrößen auf elegante Weise gelöst, ohne eine aufwendige Verkabelung zu verlegen, was bei einer Pfosten-Riegel-Kostruktion immer nicht ganz einfach ist.

Wenn sich ein Planer den Aufwand sparen will, die Verschattung zu prognostizieren, bietet sich ihm mit den Modulwechselrichtern eine einfachere Variante. Da es jetzt keine Strings mehr gibt, spielt eine Verschattung oder die unterschiedliche Leistung von großen und kleinen Modulen nur noch für das jeweilige Paneel eine Rolle.

Eine elegantere Lösung ist der Einbau von Leistungsoptimierern. Diese werden parallel mit der Anschlussdose des Moduls verbunden. Der Installateur schaltet die einzelnen Optimierer untereinander in Reihe und führt den String auf den Wechselrichter.

Die Optimierer halten auch bei Verschattung oder bei unterschiedlicher Modulleistung die Spannung im String konstant. Denn jeder Optimierer führt ein separates MPP-Tracking für sein Modul durch. So bestimmt nicht mehr ein verschattetes Modul die Leistung des gesamten Strings. Stattdessen bringt jedes Modul seine maximale Leistung, und nur das verschattete Modul liefert weniger.

Vorteile gut nutzen

Auf diese Variante hat das Unternehmen Solvatec für eine eindrucksvolle Fassadenanlage in Basel zurückgegriffen. Der Generator besteht aus 64 Modulen mit unterschiedlichen Größen. Jeweils zwei Module gleicher Größe sind mit einem Leistungsoptimierer verbunden und in zwei Strings zusammengefasst.

„Gerade in der Fassade kann man die Vorteile des Leistungsoptimierers gut nutzen“, erklärt Dominik Müller, Geschäftsführer von Solvatec. „Damit haben wir die gesamte Problematik der Verschattung und der unterschiedlich großen Module gelöst.“

Mit dem Leistungsoptimierer kann der Planer außerdem die hohen Brandschutzauflagen für Solarfassaden besser erfüllen. Wenn das Gebäude brennt, werden die Anlagen vom Netz getrennt. Der Wechselrichter liefert den Optimierern kein Signal mehr. Diese schalten sich ab. Es liegt nur noch eine Sicherheitsspannung von einem Volt pro Modul an. Da maximal 50 Leistungsoptimierer in Reihe geschaltet werden dürfen, beträgt die Sicherheitsspannung im String dann höchstens 50 Volt.

Großer Aufwand bei Reparaturen

Thomas Becker, Geschäftsführer von ATB Becker, sieht in dieser Lösung nicht das Allheilmittel. Sein Unternehmen hat die Installation der Solarfassade am Neubau eines Hochhauses der Technischen Universität Wien geplant. Die Anlage zieht sich über die gesamte Fassade bis ins zehnte Stockwerk. „Die Leistungsoptimierer haben zwar ihre Vorteile gerade in dieser Fassade mit mehreren unterschiedlichen Verschattungssituationen. Aber wenn dort oben die Elektronik eines Leistungsoptimierers ausfällt, ist es ein riesiger Aufwand, das zu reparieren oder auszutauschen“, gibt Becker zu bedenken.

Er hätte die Anlage lieber über normale Strings verschaltet und legte ein entsprechendes Konzept vor, das die Verschattungszonen berücksichtigt. Damit wäre die gesamte Leistungselektronik im Gebäude leicht zugänglich, wenn eine Reparatur notwendig werden würde. „Doch dann hat der Projektentwickler ein anderes Verschaltungssystem bevorzugt. Am Ende hat Solaredge mit den Leistungsoptimierern die Verschaltung vorgenommen“, erklärt Becker.

www.solarkoenig.com

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